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Archiv "Neue GOÄ — Ende der Privat-Adgo" (03.12.1982)

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Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

ÄRZTEBLATT

Heft 48 vom 3. Dezember 1982

Neue GOÄ — Ende der Privat-Adgo

Am 1. Januar 1983 wird eine neugefaßte Gebührenordnung in Kraft treten. Die neue GOÄ un- terscheidet sich zwar erheblich von der bisherigen, sie steht aber gleichwohl in einer Tradi- tion, die um die Jahrhundert- wende begründet wurde.

Der Artikel schildert zunächst die Entwicklung der Gebühren- ordnungen von der Preugo bis zur GOA. Im nächsten Heft wird dann die novellierte GOÄ in den wichtigsten Teilen vorgestellt.

Der Verfasser, viele Jahre Ge- schäftsführender Arzt der Kas- senärztlichen Bundesvereini- gung, hat das Bundesarbeits- ministerium bei der Novellierung der GOÄ als Sachverständiger beraten. (Angesichts der ärztli- chen Kritik vor allem am Allge- meinen Teil der neuen GOÄ muß hinzugefügt werden: die politi- schen Vorgaben — etwa die Ein- schränkung der Abdingung — waren sachverständig nicht zu beeinflussen.)

Friedrich Nienhaus

1. Von der Preugo zur Gebührenordnung fürÄrzte

Noch im 19. Jahrhundert — im Jah- re 1896 — erließ der Staat Preußen eine Amtliche Gebührenordnung für Ärzte — Preugo —, die fast 60 Jahre lang eine bedeutende Rolle zwischen den Zahlungspflichtigen und den Ärzten gespielt hat. Die Ärzte in Preußen waren gehalten, für ihre ärztlichen Leistungen nach dieser Gebührenordnung Rechnung zu legen, sofern sie mit dem zur Zahlung Verpflichteten keine anderslautende Vereinba- rung getroffen hatten.

Bis 1924: Die Preugo

Die Preugo von 1896 wies Allge- meine Bestimmungen und ein Ge- bührenverzeichnis mit rund 360 Positionen auf. Die einzelnen Po- sitionen enthielten Mindest- und Höchstsätze, letztere im allgemei- nen das Zehnfache der Mindest- sätze. Innerhalb dieser Spanne konnte der Arzt bei seiner Rech- nungslegung wählen, wobei er ge- mäß § 3 der Allgemeinen Bestim- mungen die besonderen Umstän- de des einzelnen Falles, insbeson- dere die Beschaffenheit und die Schwierigkeit der Leistung, die Vermögenslage des Zahlungs- pflichtigen sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hatte. Nach § 4 waren die Gebüh- rensätze in Goldmark festgesetzt.

§ 5 bestimmte, daß nur solche Ver- richtungen in Ansatz gebracht werden konnten, die eine selb- ständige Leistung darstellten. So konnte zum Beispiel eine Wund- naht nicht neben einer Bauchope- ration abgerechnet werden, weil diese zur Bauchoperation unbe-

dingt hinzugehört und keine selb- ständige Leistung darstellt. § 6 legte fest, daß mit der Gebühr für eine Beratung oder einen Hausbe- such auch die Untersuchung des Patienten, soweit diese nicht das gewöhnliche Maß überstieg, sowie die qualitative Harnuntersuchung auf Eiweiß und Zucker und gege- benenfalls eine Verordnung (un- selbständige Leistungen) abge- golten sei. Auch eine eingehende Untersuchung war mit der Gebühr für eine solche Sonderleistung ab- gegolten, für die sie die notwendi- ge Voraussetzung darstellte. Noch einschneidender war die Bestim- mung im § 9: Wurde bei einer Be- gegnung Arzt/Patient mehr als ei- ne Sonderleistung erbracht, so konnte die höchstbewertete Lei- stung voll, weitere Leistungen hin- gegen nur zu zwei Drittel der Ge- bühr berechnet werden; hiervon waren nur Narkosen/Anästhesien sowie die Geburts- und Fehlge- burtshilfe ausgenommen. § 10 be- rechtigte, Verrichtungen, für die im Gebührenverzeichnis keine Ge- bühren ausgeworfen waren, nach Maßgabe der Sätze, die für gleich- wertige Leistungen gewährt wur- den, zu berechnen (analoge Be- wertungen). Aus dem Gebühren- verzeichnis seien zum späteren Vergleich einige Positionen ge- nannt (s. Tabelle 1).

Die Preugo aus dem Jahre 1896 blieb bis zum Jahre 1924 unverän- dert; in diesem Jahr wurde sie auf R-Mark umgestellt, außerdem wur- den die Mindestsätze um 20 Pro- zent ermäßigt. Diese Ermäßigung wurde später mit Wirkung vom 1. Januar 1927 wieder aufgeho- ben. In dieser Form fand die Preu- go in Deutschland und nach dem Kriege in der Bundesrepublik An-

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Tabelle 1

Mark la Beratung bei Tage 1,00 2a Besuch bei Tage 2,00 19 Eingehende, das

gewöhnliche Maß übersteigende physika- lische Untersuchung der Brust- und Bauch-

organe 2,00

20c 2 Chemische Unter- suchung von Körper- flüssigkeiten, quantita- tiv für jede Bestim-

mung 4,80

c 5 Quantitative Blut- zuckerbestimmung

durch Polarisation 4,80 23c Diathermie und

ähnliche Verfahren 3,00 57 Operationen an den

inneren Organen der

Bauchhöhle 50,00

58c Radikaloperation

eines Bruches 30,00 74 Operation einer

Extrauterinschwanger-

schaft 50,00

Tabelle 2

RM

1 Beratung 2,00

5 Besuch 4,00

25 Eingehende Unter- suchung einzelner Or- gane oder des ganzen

Körpers 3,00

29 Blutstatus 10,00

38 Blutzucker-

bestimmung 10,00

69 intravenöse

Injektion 4,00

285 Radikaloperation

eines Bruches 50,00 277 Appendektomie 75,00 278 Gallenblasen-

entfernung 100,00 362 Operation der

Extrauterin-

schwangerschaft 100,00 630 Diathermie,

Kurzwellen 3,50

wendung bis zum Jahre 1952. Ab der Währungsreform ließen die Ärzte und die Zahlungspflichtigen, auch die Krankenkassen in der kassenärztlichen Versorgung, stillschweigend eine R-Mark als ei-

ne D-Mark gelten.

Die Adgo enthielt

schon 670 Gebührenpositionen Schon im Jahre 1924 war die Preu- go unmodern und entsprach nicht mehr den Bedürfnissen; wichtige Leistungen, die bereits damals

Neue GOÄ

von den Ärzten erbracht wurden, waren in ihr nicht verzeichnet und mußten analog bewertet werden.

Dies bewog den damaligen Hart- mannbund, aus dem in späteren Jahren die Kassenärztlichen Ver- einigungen (KVen) hervorgegan- gen sind, eine neue, moderne Ge- bührenordnung für die Ärzte zu erarbeiten, die Allgemeine Deut- sche Gebührenordnung (Adgo), und den Ärzten zu empfehlen, in der Privatpraxis diese Adgo an- stelle der Preugo anzuwenden, was natürlich nur mit Einwilligung des Patienten möglich war.

Die Adgo enthielt etwa 670 Posi- tionen. Die meisten ihrer Allgemei- nen Bestimmungen waren zwar identisch mit denen der Preugo, aber sie wies doch einige sehr ent- scheidende Unterschiede auf. So lagen die Mindestsätze durchweg höher (s. Tabelle 2).

Die Höchstsätze waren bei einzel- nen Leistungen unterschiedlich hoch; sie lagen zwischen dem Zehn- und dem Zwanzigfachen.

Auch sah die Adgo keine „Dritte- lung" bei den Sonderleistungen vor. Die Ärzte machten von der Anwendung der Adgo unter- schiedlichen Gebrauch.

Der Hartmannbund tat aber 1928 noch einen weiteren sehr wichti- gen Schritt. Er vereinbarte mit den Verbänden der Ersatzkassen die Adgo grundsätzlich als Abrech- nungsgrundlage in der Ersatzkas- senpraxis. Zu diesem Zweck wur- de die Adgo überarbeitet, mit etli- chen Einschränkungen versehen und neben der („Privat-)Adgo als

„Ersatzkassen-Adgo" = „E-Adgo"

herausgebracht.

In dieser E-Adgo gab es keine Min- dest- und Höchstsätze, sondern Einheitssätze, die im allgemeinen den Mindestsätzen der Adgo ent- sprachen. Für einige der häufig vorkommenden Leistungen wie Beratungen, Besuche, eingehen- de Untersuchungen wurden die Sätze ermäßigt. Einige Leistun- gen, zum Beispiel Wundverbände, wurden von der Abrechnung aus-

geschlossen. Von Bedeutung war auch, daß bei einer Arzt-/Patien- tenbegegnung nur zwei Sonerlei- stungen in Rechnung gestellt wer- den konnten und daß neben Son- derleistung(en) eine Beratung — ausgenommen bei der ersten Be- gegnung im Behandlungsfall (—

Quartalsfall) — nicht in Ansatz ge- bracht werden konnte. Diese E- Adgo bleib bis 1953 unverändert.

Es sei noch einmal herausgestellt, daß bis einschließlich 1927 die Preugo die alleinige Grundlage für die Rechnungslegung der Ärzte war, daß aber ab 1928 an ihrer Stelle in der Ersatzkassen-Praxis die E-Adgo galt und in der Privat- Praxis nicht selten die Adgo An- wendung fand. Hieran änderte sich nichts bis in die 50er Jahre hinein, auch gab es bis dahin kei- ne Änderungen an diesen drei Ge- bührenordnungen.

Anfang der fünfziger Jahre forder- ten die Ärzte in zunehmendem Ma- ße von der Bundesregierung zur Angleichung an das gestiegene Lohn-Preis-Gefüge eine Anhe- bung der Gebührensätze der Preu- go. Dies geschah im Jahre 1952 durch eine Preisrechtsverordnung unter Federführung des Bundes- wirtschaftsministers. Es wurden die Mindestsätze der Grundlei- stungen (Allgemeine Verrichtun- gen wie Beratungen, Hausbesu- che, Bescheinigungen) der Preu- go um 50 Prozent und die der Son- derleistungen (besondere ärztli- che Verrichtungen) um 33% Pro- zent angehoben, außerdem wur- den das Elektrokardiogramm (EKG), das Elektroenzephalo- gramm (EEG), die Grundumsatz- bestimmung sowie das Blutbild in das Gebührenverzeichnis aufge- nommen. Im Jahre 1957 folgte ein weiterer Schritt, es wurden nun al- le Mindestsätze um 33 1/3 Prozent höher gesetzt; hiervon ausgenom- men wurden die intravenöse Injek- tion, die Anwendung therapeuti- scher Lichtquellen sowie die Dia- thermie-/Kurzwellenbehandlung.

Die Höchstsätze blieben abermals unverändert. In dieser Form blieb die Preugo bis zu ihrem „seligen"

Ende im Jahre 1965.

52 Heft 48 vom 3. Dezember 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT Ausgabe B

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Neue GOÄ

Analoge Bewertungen und E-Adgo

Bei der nunmehr schnellen Fort- entwicklung der Medizin war die Preugo von Jahr zu Jahr unmoder- ner geworden. Eine große Zahl von ärztlichen Leistungen, die täg- lich erbracht wurden, waren in ih- rem Gebührenverzeichnis nicht enthalten. Nahezu jeder Arzt muß- te sich für seine Rechnungsle- gung immer wieder analoge Be- wertungen suchen. Dies bereitete allerlei Schwierigkeiten und führte nicht selten zu Ungereimtheiten.

So sah sich schließlich die Kas- senärztliche Bundesvereinigung (KBV) veranlaßt, für die Anwen- dung in der kassenärztlichen Ver- sorgung eine Liste „Analoge Be- wertungen zur Preugo" herauszu- geben, zum einen, um den Ärzten die komplizierte Aufgabe abzu- nehmen, zum anderen, um eine gewisse Einheitlichkeit zu errei- chen. Es dauerte nicht lange, da fanden diese „Analogen Bewer- tungen" der KBV (mit Ausnahme der Ersatzkassen-Praxis, wo man diese — wie später berichtet wird — nicht benötigte) allgemein Aner- kennung.

Auf dem Ersatzkassen-Sektor bil- deten 1953 die Vertragspartner, nämlich der Verband der Ange- stellten-Krankenkassen (VDAK) und der Verband der Arbeiter-Er- satzkassen (AEV) sowie die KBV, eine gemeinsame Kommission, welche die Aufgabe erhielt, die E- Adgo auszulegen, zu ergänzen und fortzuentwickeln. Diese Kom- mission leistete fortan gute Arbeit, so daß die E-Adgo für viele Jahre das Leitwerk unter den ärztlichen Gebührenordnungen darstellte.

Die KBV schöpfte häufig aus den hier vorgenommenen Ergänzun- gen Material zur Erweiterung der

„Liste der Analogen Bewertungen zur Preugo".

1963 hielt die Kommission es für notwendig, die E-Adgo in größe- rem Umfang zu überholen; die Vertragspartner waren damit ein- verstanden. Von besonderer Be- deutung für die Ärzte war, daß in

dieser überholten E-Adgo die zah- lenmäßige Begrenzung der Ab- rechnung von Sonderleistungen bei einer Inanspruchnahme des Arztes entfallen war; ursprünglich hatte der Arzt nur zwei Sonderlei- stungen bei einer Arzt-/Patienten- begegnung in Ansatz bringen kön- nen, 1961 hatte man die Grenze auf vier heraufgesetzt, nun war sie also ganz gefallen. Die E-Adgo zählte jetzt rund 1050 Positionen.

Die GOÄ von 1965

— ein „Übergang" von zwanzig Jahren

Im Jahre 1964 kam der Staat der vielseitigen Forderung nach und begann mit der Erarbeitung einer neuen Amtlichen Gebührenord- nung; die Federführung war inzwi- schen vom Bundesinnenminister auf den Bundesgesundheitsmini- ster übergegangen. Man ent- schloß sich dazu, als Grundlage für die Gebührenordnung die vor- handene E-Adgo zu nehmen; es blieb auch wohl gar keine andere Wahl. Die Verordnung über die neue Amtliche Gebührenordnung wurde am 18. März 1965 verkün- det; sie wurde „Gebührenordnung für Ärzte" = GOÄ genannt und trat am 1. April 1965 in Kraft. Viele Ärz- te und die Zahlungspflichtigen be- grüßten zwar grundsätzlich die neue Amtliche Gebührenordnung, die Ärzteschaft übte an der GOÄ seit deren Bekanntwerden aber auch heftige Kritik. Man hätte es lieber gesehen, daß der Staat eine völlig neue Gebührenordnung geschaffen und sich nicht ei- ner Krankenkassen-Gebührenord- nung bedient hätte. Zudem be- mängelte man, daß es dem Ver- ordnungsgeber nicht gelungen sei, sich für die GOÄ von dem Vertragswerk genügend freizu- schwimmen. Mag damals die Kri- tik der Ärzteschaft in diesem oder jenem überzogen gewesen sein, so war sie sicherlich in einigen, und zwar wesentlichen Punkten berechtigt. So hatte man es zum Beispiel versäumt, in die GOÄ sol- che Leistungen aufzunehmen, die in der E-Adgo deshalb nicht ver- zeichnet waren, weil sie in der ge-

setzlichen Krankenversicherung nicht abgerechnet werden oder nicht erbracht werden können.

Hierzu gehören alle ärztlichen Lei- stungen an einer Leiche (Besichti- gung einer Leiche mit Ausstellung eines Totenscheines, Sektionen etc.); sie konnten in der E-Adgo nicht aufgeführt sein, weil die Lei- stungspflicht der Krankenkassen mit dem Ableben des Anspruchs- berechtigten aufhört. Die Kritik der Ärzte führte dazu, daß die da- mals amtierende Bundesgesund- heitsministerin gelegentlich der Verkündung der GOÄ diese nur als eine „Übergangsgebührenord- nung" bezeichnete. Eine Reihe von Ärzten gab daraufhin der GOÄ den Kurznamen „ÜGO". Wohl kein Mensch konnte damals ahnen, daß dieser „Übergang" nahezu zwanzig Jahre dauern würde!

Insgesamt gesehen bedeutete je- doch die GOÄ als Abrechnungs- grundlage von ärztlichen Leistun- gen sowohl für die Ärzte als auch für die Krankenkassen in der kas- senärztlichen Versorgung gegen- über der völlig antiquierten Preu- go einen gewaltigen Fortschritt.

Mit ihren rund 1050 Positionen (gegenüber den etwa 370 der Preugo) vermittelte sie ein unver- gleichbar übersehbareres Abrech- nungsbild. Als nennenswerte Un- terschiede sind insbesondere her- auszustellen: Im Gebührenver- zeichnis waren bei den einzelnen Positionen nur die einfachen Sät- ze ausgeworfen; der § 2 der Allge- meinen Bestimmungen besagte aber, daß der Arzt zwischen den einfachen und den sechsfachen Sätzen wählen konnte. Die Bedin- gungen hierfür entsprachen de- nen der Preugo. Die „Drittelung"

in der Preugo für die Sonderlei- stungen war in der GOÄ durch die Bestimmung ersetzt worden, daß neben einer oder mehreren Sonderleistung(en) die Beratungs- gebühr nicht in Ansatz gebracht werden darf, ausgenommen bei der ersten Inanspruchnahme des Arztes im Behandlungsfall. Die Mindestsätze waren gegenüber denen der Preugo erheblich ange- hoben worden (s. Tabelle 3).

(4)

Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Neue GOÄ

Tabelle 3

DM 1 Beratung am Tage 3,00

6 Besuch 6,00

25 Eingehende, das gewöhnliche Maß übersteigende

Untersuchung 5,00

45 intravenöse

Injektion 7,00

390 Appendektomie 80,00 395 Gallenblasenent-

fernung 150,00

400 Bruchoperation 70,00 517 Operation d. Extra-

uterinschwangerschaft 120,00 777 Kurzwellen-

behandlung 3,00

815 Blutstatus 16,00

835 Blutzucker- bestimmung

(Hagedorn-Jensen) 12,00

Die Umstellung von der Preugo zur GOÄ verlief reibungslos. In der Privat-Praxis liquidierten die Ärzte im allgemeinen auf der Grundlage der GOÄ und wußten sehr gut mit dem Multiplikator umzugehen, d. h., unter Beachtung des § 2 der GOÄ zwischen dem einfachen und dem sechsfachen Satz zu wählen.

Von der Möglichkeit der Abdin- gung wurde relativ wenig Ge- brauch gemacht, die Anwendung der Adgo ging stark zurück. Die Verträge der KBV wurden sofort von der Preugo auf die GOÄ um- gestellt, das gleiche erfolgte in der kassenärztlichen Versorgung.

Zwischen den Bundesverbänden der Krankenkassen und der KBV wurde bald nach 1965 vereinbart, eine Kommission zu berufen, wel- che die Aufgabe haben sollte, die GOÄ für die Anwendung in der Pflichtkassenpraxis auszulegen und für diese gegebenenfalls ana- loge Bewertungen in bezug auf fehlende Leistungen zu schaffen.

Für die Ersatzkassen galt demge- genüber nach wie vor die E-Adgo, an der von einer Vertragskommis- sion weiterhin laufend gearbeitet wurde. Sie übernahm abermals die Führung bei der Fortentwick- lung des ärztlichen Gebührenwe- sens.

Im Jahre 1971 vollzog sich auf dem Pflichtkassen-Sektor ein ent- scheidender Schritt. Es gab hier bis dahin eine weitgehend, aber nicht vollständig einheitliche Rechnungslegung der Kassenärz- te im Bundesgebiet. Dies lag dar- an, daß Landesregelungen, d. h.

Sonderregelungen verschieden- ster Art zwischen Landesverbän- den der Krankenkassen und den entsprechenden KVen, Bundesre- gelungen durchkreuzten. Jetzt entschlossen sich die Bundesver- bände der Krankenkassen (Orts-, Betriebs-, lnnungs- und landwirt- schaftlichen Krankenkassen) und die KBV — gestützt auf ihren Bun- desmantelvertrag — eine allgemein verbindliche bundeseinheitliche Rechnungslegung der Kassenärz- te einzuführen. So vereinbarte man einen besonderen Gebühren- tarif für die Abrechnung der ärztli- chen Leistungen in der kassen- ärztlichen Versorgung, den „Be- messungsmaßstab-Ärzte" = BMÄ.

Er war aufgebaut auf der GOÄ, eingebaut wurden inzwischen ver- einbarte analoge Bewertungen und Vertragsbestimmungen. Dar- über hinaus wurde die zwischen den Vertragspartnern bestehende GOÄ-Auslegungskommission be- auftragt, dieses Werk weiterzuent- wickeln.

Nebeneinander

von vier Gebührenordnungen Somit kam es ab 1971 für die Ärzte zu vier Gebührenordnungen, näm- lich der GOÄ, der Adgo, dem BMÄ und der E-Adgo, die beiden letzten mit laufender Fortentwicklung.

Von der Anwendung der Gebüh- renordnung her lief die Rech- nungslegung der Ärzte fortan nicht nur im Ersatzkassen-Be- reich, wo dies bereits durch die ständige Modernisierung der E- Adgo seit 1953 der Fall war, son- dern auch in der kassenärztlichen Versorgung gut. Dies war das Ver- dienst der — auf beiden Seiten ein- sichtigen — Vertragspartner.

Im Zuge der Änderung des Lohn- Preis-Gefüges einerseits und der

Fortentwicklung der Medizin an- dererseits wurden in den Jahren von 1971 bis 1978 durch Vereinba- rungen der Vertragspartner die Gebührensätze des BMÄ und der E-Adgo nahezu einmal jährlich an- gehoben. Dies geschah mal linear für alle Leistungen, mal nur für gewisse Leistungen oder Lei- stungsbereiche; es wurden jedoch auch Leistungen oder Leistungs- bereiche von Gebührenherabset- zungen betroffen. Auf diese Weise erfolgte sowohl im BMÄ als auch in der E-Adgo sukzessive eine Um- strukturierung, so daß der Unter- schied zwischen diesen beiden Gebührenordnungen und der GOÄ größer und größer wurde.

1978 ergab sich für die gesetzliche Krankenversicherung eine neue Situation, denn durch das Kran-

kenversicherungs-Kostendämp- fungsgesetz kam ein neuer § 368 g 4 in die RVO. Dieser verpflichtete die Partner nach § 368 i 8 RVO, nämlich die Bundesverbände der Orts-, Innungs- und landwirt- schaftlichen Krankenkassen, die Bundesknappschaft, den Verband der Angestellten-Krankenkassen, den Verband der Arbeiter-Ersatz- kassen sowie die KBV, gemeinsam in einem Bewertungsausschuß ei- nen einheitlichen Bewertungs- maßstab (EBM) zur Abrechnung der ärztlichen Leistungen in der gesetzlichen Krankenversiche- rung zu schaffen, der — wie es im Gesetz heißt — „den Inhalt der ab- rechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten aus- gedrücktes Verhältnis zueinander bestimmen soll". Den Vätern der Gesetzesvorlage schwebte wahr- scheinlich vor, hier mit zu einer Einheitsgebührenordnung in der gesetzlichen Krankenversiche- rung zu kommen; der Gesetzes- text verpflichtete jedoch nicht da- zu. So blieb es entsprechend dem mehrheitlichen Willen der Mitglie- der des Bewertungsausschusses bei zwei Gebührenordnungen, nämlich dem BMÄ-78 für die kas- senärztliche Versorgung sowie für die Bundesknappschaft und der Ersatzkassen-Gebührenordnung, fortan E-GO genannt.

54 Heft 48 vom 3. Dezember 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

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Neue GOÄ

Im BMÄ-78 und in der E-GO ist vieles identisch, nämlich alles das, was gemeingarn im Bewertungs- ausschuß für den EBM beschlos- sen wurde und wird; alles dieses erscheint in beiden Gebührenord- nungen im Normaldruck. Dazu ge- hören die Numerierung und die Texte der einzelnen Leistungen sowie auch einige Bestimmungen und Ergänzungen zur Leistungs- beschreibung. Davon unterschei- den sich andere Bestimmungen, Honorarabsprachen, Kommentie- rungen usw., welche nicht ge- meinsam im Bewertungsausschuß beschlossen wurden und werden, sondern von den jeweiligen Ver- tragspartnern vereinbart werden, also Vertragsbestimmungen dar- stellen; sie erscheinen in beiden Gebührenordnungen im Kursiv- druck. Diese Vertragsbestimmun- gen sind in beiden Werken nur zum Teil gleichlautend, manchmal sogar divergierend. Von Bedeu- tung ist ferner folgender Unter- schied: Im BMÄ sind bei den ein- zelnen Positionen — entsprechend der Festlegung im EBM — Punkt- zahlen ausgeworfen. In der E-GO hingegen fnden wir anstelle der Punktzahlen DM-Beträge, da die Partner nach dem Arzt-/Ersatzkas- senvertrag für das ganze Bundes- gebiet vorab einen einheitlichen Punktwert festlegen können. Dies ist auf dem „Pflichtkassensektor"

nicht möglich, weil hier die Hono- rarverträge je Kassenart auf Landesebene geschlossen werden und es daher einen bundeseinheit- lichen Punktwert nicht gibt. Hier wird durch die KVen für jede Kas- senart ein Punktwert errechnet, und dies noch unterschiedlich nach Ländern. Zudem ändert sich hier der Punktwert von Kalender- vierteljahr zu Kalendervierteljahr.

Der EBM wird durch den Bewer- tungsausschuß laufend weiterent- wickelt und den jeweiligen Bedürf- nissen angepaßt. Es ist keines- wegs ein ausgereiftes Werk und weist zweifellos gewisse Mängel auf. Zudem wird der Bewertungs- ausschuß nie allen Wünschen ge- recht werden können. Dazu ist die Materie zu kompliziert und schrei-

tet die Entwicklung in der Medizin zu schnell fort. Der Ausschuß wird sich also immer wieder vor neue Aufgaben gestellt sehen. Doch ist der EBM eine gute Grundlage für die beiden von ihm abhängigen Gebührenordnungen, den BMÄ und die E-GO, die jedenfalls recht brauchbar sind und eine ord- nungsgemäße Abrechnung in der gesetzlichen Krankenversiche- rung ermöglichen.

Die GOA veraltet

Die Amtliche Gebührenordnung — die GOÄ — wurde anfangs, nach 1965, der ihr gestellten Aufgabe in ihrem Anwendungsbereich zwar weitgehend gerecht. Doch dieses änderte sich im Laufe der Jahre zunehmend. Der Grund lag darin, daß die GOÄ durch die Bundesre- gierung — zuständig von 1965 bis 1976 nach wie vor der Bundesge- sundheitsminister — unverändert gelassen, also nicht fortentwickelt wurde, wie dies mit den beiden Gebührenordnungen im Bereiche der gesetzlichen Krankenversiche- rung in fleißiger Arbeit durch die jeweiligen Vertragspartner ge- schehen war. In dreifacher Hin- sicht wirkte sich dieses Nichtstun des Verordnungsgebers negativ aus:

1. Es mehrten sich ständig die Lei- stungen, die neu hinzugekommen und in der GOÄ nicht aufgeführt waren. Hier trat wieder die KBV auf den Plan, um die dadurch be- dingten Schwierigkeiten so klein wie möglich zu halten. Da sich dies mit den Bundesverbänden der Krankenkassen nicht mehr be- werkstelligen ließ, vereinbarte sie nunmehr mit den Trägern der ge- setzlichen Unfallversicherung eine Liste „Analoge Bewertungen zur GOÄ", die von Zeit zu Zeit ergänzt wurde. Diese Liste wurde zwar wieder allgemein anerkannt, sie hatte jedoch den Nachteil, daß sie nur solche neuen Leistungen ent- halten konnte, die in der Unfallbe- handlung anfielen.

2. Durch die Nichtanhebung der Mindestsätze der GOÄ seit 1965

nahmen die Ärzte in dem Anwen- dungsbereich nicht direkt an der Entwicklung des Lohn-Preis-Gefü- ges teil. Es blieb somit den Ärzten nichts anderes übrig, als den im

§ 2 der GOÄ verankerten Multipli- kator, der eigentlich für ganz an- dere Zwecke vorgesehen war, nun auch für einen solchen Ausgleich zu benutzen. Dies führte zu einer unüberblickbaren Verzerrung in der Rechnungslegung der Ärzte.

Aber diese Handhabung hatte so- gar den Segen der vor 1976 amtie- renden Bundesgesundheitsmini- sterin gefunden, die ausdrücklich auf die Möglichkeit hatte hinwei- sen lassen, um das Nichtstun des Ministeriums zu rechtfertigen.

3. Die beiden Gebührenordnun- gen in der gesetzlichen Kranken- versicherung hatten sukzessive Umstrukturierungen neben der laufenden Anhebung der Gebüh- rensätze erfahren. So waren die Gebühren für Beratungen, Besu- che und eingehende Untersu- chungen, die einen erheblichen Teil des Honorarvolumens einneh- men, stärker angehoben worden als für andere Leistungen; ande- rerseits waren die Gebühren für eine Reihe von Leistungen entwe- der gar nicht angehoben oder so- gar, wie für einige häufig vorkom- mende Laborleistungen, gesenkt worden. So hatte die GOÄ mit den beiden anderen Gebührenordnun- gen nicht mehr viel Gemeinsames.

Beispielsweise zahlten die Ersatz- kassen 1978 dem Vertragsarzt für die Beratung 7,15 DM, für den Hausbesuch 25 DM. In der Privat- praxis mußte der Arzt dagegen schon für die Beratung und für den Hausbesuch mehr als den zweifachen bzw. vierfachen Ver- gütungssatz wählen, allein um die- se Ersatzkassensätze zu errei- chen. Erst dann konnte er an den eigentlichen Sinn der Bestimmun- gen des § 2 der GOÄ denken.

• Wird fortgesetzt

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Friedrich Nienhaus Ackerwinde 1

5000 Köln 40

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