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Archiv "Fieberkrämpfe Wandlung in der Bewertung" (11.02.1983)

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Fieberkrämpfe

Wandlung in der Bewertung

Diagnostische und therapeutische Konsequenzen

lngo Lagenstein

Etwa drei bis vier Prozent aller Kinder erleiden in ihrer Entwick- lung mindestens einen Fieber- krampf, Knaben etwas häufiger als Mädchen. Bevorzugt betroffen sind Kinder im zweiten und dritten Lebensjahr, seltener Säuglinge und ältere Kleinkinder.

Definition

Als Fieber- und Infektkrämpfe wer- den zerebrale Anfälle bezeichnet, die sich im Rahmen von fieberhaf- ten Infektionen ereignen, ohne daß eine entzündliche Erkrankung des Gehirns vorliegt.

Also wird ein zerebraler Anfall zum Beispiel im Rahmen einer fieber- haften Otitis media als Fieber- krampf bezeichnet. Ein zerebraler Anfall hingegen im Rahmen einer fieberhaften serösen Meningitis fällt nicht unter die Definition des Fieberkrampfes ( = symptomati- scher Krampf, siehe Differential- diagnose).

Ein wichtiger klinischer Gesichts- punkt ist die Unterteilung der Fie- berkrämpfe in

~ einfache und

~ komplizierte Fieberkrämpfe.

Für die Diagnose eines komplizier- ten Fieberkrampfes werden die in Tabelle 1 dargestellten Kriterien herangezogen. Ist auch nur ein einziger dieser sieben Faktoren

nachweisbar, so handelt es sich nicht mehr um einen einfachen Fieberkrampf, sondern man spricht von einem komplizierten Fieberkrampf, wie in den beiden folgenden Beispielen verdeutlicht:

1. Ein Junge von 2112 Jahren erlei- det im Rahmen einer fieberhaften Pharyngitis einen fünfminütigen klonischen Grand-mal-Anfall. Im Anfall wurden keine Seitendiffe- renzen beobachtet, das heißt, die Augen waren nach oben verdreht, keine Kopfwendung, die Kloni wa- ren seitengleich.

Die Familienanamnese ergibt, daß der Vater an Fieberkrämpfen litt, ansonsten war der neurologische Befund sowie auch der EEG-Be- fund unauffällig. Bei diesem Kind liegt also ein einfacher Fieber- krampf vor, keiner der sieben Komplikationsfaktoren ist nach- weisbar.

2. Ein dreijähriges Mädchen erlei- det einen Fieberkrampf im Rah- men einer eitrigen Tonsillitis. Im Anfall werden eine konstante Kopfwendung nach links sowie Augenverdrehen nach links beob- achtet. Die Anfallsdauer beträgt 20 Minuten. Die Familienanamnese ist unauffällig, das Kind weist eine leichte Entwicklungsverzögerung auf. Auch im neurologischen Be- fund findet sich eine diskrete rechtshirnige Störung. Im EEG läßt sich ein Herdbefund rechts

Großangelegte prospektive Untersuchungen an Fieber- krampfkindern haben die Kenntnisse über die klini- sche Bedeutung wesentlich erweitert. Fieberkrämpfe ge- fährden die Entwicklung der Kinder praktisch niemals und haben eine äußerst günstige Langzeitprognose.

Neuere Therapieverfahren ermöglichen eine gezielte- re und schonendere Akut- und Langzeitbehandlung.

temporal nachweisen. Bei diesem Kind muß also die Diagnose eines komplizierten Fieberkrampfes ge- stellt werden, weil vier Komplika- tionsfaktoren nachweisbar sind: 1.

Herdsymptome im Anfall, 2. An- fallsdauer über 15 Minuten, 3. Zei- chen einer zerebralen Vorschädi- gung sowie Störungen im neuro- logischen Befund und 4. Herdbe- fund im EEG.

Symptomatik der Fieberkrämpfe Die Symptomatik gleicht der von zerebralen Anfällen im Rahmen von Epilepsien.

Es handelt sich praktisch immer um Grand-mal-Anfälle. Leitsym- ptom dieser Anfälle ist die Bewußt- losigkeit mit nachfolgender Re- orientierung.

Treten keine weiteren motori- schen Phänomene hinzu, spricht man von atonischen Grand-mal- Anfällen. Bei Auftreten von Kloni oder Tonuserhöhung spricht man von klonischen, tonischen oder to- nisch-klonischen Grand-mal-An- fällen.

Fast immer ist die Symptomatik seitengleich. Werden konstante und deutliche Seitendifferenzen im Anfall beobachtet, so ist eine hirnorganische Störung wahr- scheinlich. Solche Symptome sind

insbesondere:

I>

Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 6 vom 11. Februar 1983 43

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Fieberkrämpfe

~ Augenverdrehen zu einer Seite,

~ Kopfwendung zu einer Seite,

~ Betonung der Kloni auf einer Körperhälfte oder Einseitigkeit des Krampfes.

Ätiopathogenese

Die Ätiopathogenese ist, wie bei vielen Erkrankungen, auch bei den Fieberkrämpfen nur unvoll- ständig bekannt.

Die entscheidende Rolle scheinen dispositioneile Faktoren zu spie- len. Dies ist an dem hohen Anteil von Fieberkrämpfen und auch Epi- lepsien in der gleichen Familie zu erkennen. Noch deutlicher weisen entsprechende EEG-Befunde auf den dispositioneilen Faktor hin:

~ abnorme Rhythmen,

~ Spike Wave Gruppen,

~ Photosensibilität

Zerebrale Vorschädigungen ande- rerseits, und zwar im Sinne von mehr oder weniger deutlichen Re- sidualsyndromen, scheinen dage- gen keine so bedeutende Rolle zu spielen.

Differentialdiagnose

Folgende differentialdiagnosti- sche Überlegungen sind anzustel- len, wenn ein zerebraler Anfall im Rahmen eines fieberhaften Infek- tes stattgefunden hat:

Symptomatische Krämpfe: das sind zerebrale Anfälle, die auch mit Fieber einhergehen. Sie ereig- nen sich im Rahmen von

C> schweren allgemeinen Erkran-

kungen, wie zum Beispiel Toxiko- se, Sepsis, und andere,

C> entzündlichen Erkrankungen

des Gehirns wie zum Beispiel Me- ningitis, Enzephalitis.

Besteht nach Ende eines zerebra- len Anfalls mit Fieber auch nur der geringste Verdacht auf eine ent- zündliche Erkrankung des Ge- hirns, so hat unverzüglich eine Lumbalpunktion zu erfolgen. Ein solcher Verdacht ergibt sich beim Vorliegen folgender Symptome:

Meningismus, neurologische Stö- rungen, nicht aufklarendes Be- wußtsein.

Epileptische Anfälle, die sich im Rahmen einer bekannten Epilep- sie gelegentlich auch bei Fieber ereignen. Es handelt sich bei die- sen Anfällen um zerebrale Anfälle bei Fieber im Rahmen einer Epi- lepsie, also nicht um reine Fieber- krämpfe.

Prognose

Die Kenntnisse über die Prognose von Fieberkrämpfen sind in der letzten Zeit durch groß angelegte prospektive Studien verbessert worden. Die früher oft dramatisier- te Bedeutung von Fieberkrämpfen wurde in einigen wesentlichen Punkten korrigiert. Hier einige Da- ten, die für den klinischen Ge- brauch wichtig sind (zum Beispiel 2 und 3):

(1) Familiäre Belastung mit Epilepsie (nicht Fieber- krämpfe!)

(2)

Zeichen zerebraler Vorschädigung (3) Fieberkrampf:

a) < 12 Monate

b)

>

48 Monate

(4) Herdsymptome im Anfall (5)

>

4 Fieberkrämpfe

(6)

Anfallsdauer

>

15 Minuten

(7) Hypersynchrone

1. Ein Drittel aller Kinder erleidet mehr als einen Fieberkrampf, ca.

10 Prozent mindestens drei Fie- berkrämpfe. Säuglinge haben häufiger Fieberkrampfrezidive als Kleinkinder, nämlich ca. 50 Pro- zent.

2. Etwa die Hälfte aller Rezidive- dies ist für die Dauer der Therapie bedeutsam -ereignen sich im er- sten halben Jahr nach dem ersten Fieberkrampf, ungefähr drei Vier- tel aller Rezidive innerhalb des er- sten Jahres nach dem ersten Fie- berkrampf. Rezidive sind bei den einfachen und komplizierten Fie- berkrämpfen gleich häufig.

3. Lang dauernde Fieberkrämpfe sind selten, ungefähr 5 Prozent al- ler Fieberkrämpfe dauern über 30 Minuten. Fast immer handelt es sich dabei um den ersten Fieber- krampf überhaupt; selten tritt ein lang dauernder Fieberkrampf im Rahmen eines Fieberkrampfrezidi- ves auf.

4. Tödliche Komplikationen und bleibende neurologische Störun- gen durch Fieberkrämpfe sind ex- trem selten.

5. Fieberkrämpfe haben wahr- scheinlich keinen Einfluß auf die geistige Entwicklung.

6. Ein Übergang von Fieberkrämp- fen in eine Epilepsie, das heißt al- so Auftreten von zerebralen Anfäl- len ohne Fieber, ist selten. ln den prospektiven Studien entwickel- ten nur 1 bis 2 Prozent aller Fie- berkrampfkinder eine Epilepsie.

Die. Unterschiede zwischen Patien- ten mit einfachen und komplizier- ten Fieberkrämpfen waren gering und statistisch nicht signifikant.

7. Fieberkrampfrezidive im glei- chen Infekt ereignen sich bei ca.

10 Prozent der Kinder.

Akuttherapie

Aktivität im EEG Bei einem krampfendem Kind ist Tabelle 1: Kriterien für die Diagnose ei- als erste Maßnahme die sofortige nes komplizierten Fieberkrampfes Unterbrechung des akuten Anfalls 44 Heft 6 vom 11. Februar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

(3)

Substanz Präparate Dosierung

1. Langzeitbehandlung

Phenobarbital Lumina!® 4-5 mg/kg/d ie

Primidon Liskantin® 15-20 mg/kg/die Mylepsinum®

Valproinat Ergenyl® 30 mg/kg/die

Orfiril® 30 mg/kg/die

2. Intermittierende Prophylaxe*)

Diazepam Valium® 2x0,4 mg/kg/die

Bemerkungen

einschleichend dosieren

Stoff- Primidon wechsel-

produkte: Phenobarbital

Kontrolle:

..,.. Transaminasen ..,.. Amylase im Serum ..,.. Thrombozytenzahl

Ataxie

optimaler Serumspiegel

15-40 11-g/ml

6-12 11-g/ml 15-40 f1.9/ml

>50 11-g/ml

>50 11-g/ml

entfällt Diazepam Desitin 0,4 mg/kg Müdigkeit entfällt rectal tubes® (nur als

erste Gabe)

*) Das Medikament wird in der angegebenen Dosierung bei Beginn des Infektes verabfolgt und am Ende des Infektes abgesetzt.

Tabelle 2: Langzeittherapie und intermittierende Prophylaxe bei Fieberkrämpfen (die genannten Medikamente stellen eine Auswahl dar)

zu versuchen. Optimal ist die intra- venöse Injektion von Valium® (Dia- zepam). Das Präparat muß in aus- reichender Dosierung langsam in- jiziert werden (Tabelle 2). Bei älte- ren Säuglingen kann bis zu 10 mg (= 1 Ampulle), bei Kleinkindern je nach Alter bis zu maximal 25 mg (= 2V2 Ampullen) injiziert werden.

Die gefürchtete Atemdepression tritt sehr selten ein, dauert dann nur wenige Augenblicke und kann gegebenenfalls durch eine kurz- zeitige Mund-zu-Mund-Beatmung immer beherrscht werden.

Kann keine Injektion durchgeführt werden, sollte Diazepam als Kli- stier (Diazepam Desitin rectal tu- bes®) verwendet werden (Tabelle 2). Es handelt sich hierbei um eine Solution von Diazepam, die äu- ßerst schnell resobiert wird (Do- sierung ca. 0,5 mg/kg/Dosis).

Die Gabe von Chloralhydrat-Rek- tiolen stellt eine nicht zu vertreten- de Maßnahme dar, denn das Medi- kament wirkt erst nach frühestens 10 bis 15 Minuten.

Maßnahmen

nach Ende des Fieberkrampfes Hat der Fieberkrampf spontan si- stiert, beziehungsweise ist der akute Anfall mittels Valium® unter- brochen worden, so ist unverzüg- lich eine gründliche Untersu- chung durchzuführen. Bestehen auch nur die geringsten Anhalts- punkte für eine entzündliche Er- krankung des Gehirns in Form ei- nes Meningismus oder in Form von deutlichen hirnlokalen Sym- ptomen, oder besteht eine schwe- re Allgemeininfektion, so muß das Kind stationär eingewiesen wer- den ( = symptomatischer Anfal~.

Die Krankenhauseinweisung ist auch dann zu veranlassen, wenn der Anfall über 15 Minuten gedau- ert hat.

Ist der neurologische Befund un- auffällig, und zeigt das Kind keine Hinweise auf eine entzündliche Er- '<:rankung des Gehirns, so ist eine Krankenhauseinweisung nicht zwingend, immer sind aber die fol- genden Maßnahmen erforderlich:

1. Therapie der Grundkrankheit, zum Beispiel Therapie einer Ton- sillitis, einer Otitis media usw., 2. Energische Fiebersenkung mit- tels fiebersenkender Medikamen- te, Wadenwickel und gegebenen- falls abkühlendem Sitzbad, 3. Einleitung eines antikonvulsi- ven Schutzes für die Dauer des Infektes (Rezidivrisiko 10 Prozent), Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 6 vom 11. Februar 1983 47

(4)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Fieberkrämpfe

falls kein Valium®zur Anfallsunter- brechung gegeben wurde (Diaze- pam Desitin rectal tubes® 0,4 mg/

kg/Dosis), dann in jedem Falle alle 12 Stunden Weiterbehandlung mit Diazepam oral bis zum Ende des Infektes (Dosierung: 0,4 mg/kg/

Dosis).

4. Als letzte Maßnahme ist schließlich eine fachärztliche Un- tersuchung zu veranlassen .. Bei dieser Untersuchung müssen drei Dinge geklärt werden:

~ EEG-Untersuchung: Bestehen Hinweise für eine genetische An- fallsdisposition (EEG) wie abnor- me Rhythmen, Spike Wave Grup- pen oder Photosensibilität? Oder ist ein Herdbefund als Ausdruck einer hirnlokalen Störung nach- weisbar?

~ Klärung der Frage, ob ein un- komplizierter oder komplizierter Fieberkrampf stattgefunden hat (Tabelle 1 ).

~ Festlegung der weiteren Dia- gnostik und Behandlung: Eine Röntgenuntersuchung des Schä- dels, eine ophthalmologische Un- tersuchung und eine computerto- mographische Untersuchung des Gehirns sollte nur in seltenen, be- gründeten Ausnahmefällen veran- laßt werden.

Langzeittherapie

Sind die akuten Maßnahmen be- endet, so gilt es, eine Entschei- dung darüber zu treffen, ob das Kind langfristig gegen das Auftre- ten von Fieberkrämpfen geschützt werden muß.

Folgende therapeutische Maßnah- men stehen zur Verfügung (Tabel- le 2):

1. Keine antikonvulsive Therapie durchzuführen.

2. Eine intermittierende Therapie durchzuführen, das heißt eine an- tikonvulsive Therapie, die bei ln- fektbeginn aufgenommen und bei

Ende des Infektes abgeschlossen wird. Nachteilig ist hierbei, daß ca. ein Drittel der Kinder den Fieber- krampf im Fieberanstieg bekom- men, die antikonvulsive Therapie somit also bei einem Teil der Kin- der zu spät kommen kann. Ein Vorteil ist, daß die Kinder nur für jeweils wenige Tage antikonvulsiv behandelt werden. Mittel der Wahl ist heutzutage Diazepam in einer Dosierung von 2

x

0,4 mg/kg/Tag/

oral. Das früher verwendete Phenobarbital (5)*) ist mit einer zu hohen Nebenwirkungsrate be- haftet.

3. Eine Langzeittherapie über ei- nen definierten Zeitraum von meist nur ein bis zwei Jahren durchzuführen (siehe Prognose).

Zwei Medikamente werden ver- wendet: zum einen Valproinat in einer Dosierung von ca. 30 mg/kg/

Tag. Der Vorteil dieses Präparates liegt in den relativ geringen Ne- benwirkungen bezüglich Müdig- keit und Störungen der Leistungs- fähigkeit. Nebenwirkungen von seiten der Leber, des Pankreas und der Blutgerinnung sind sehr selten, müssen aber bedacht wer- den. Erforderlich sind regelmäßi- ge Blutkontrollen in den ersten Behandlungsmonaten. Zum ande- ren wird Phenobarbital oder Primi- don verwendet. Letzteres wird be- kanntlich zu Phenobarbital meta- bolisiert. Die Dosierung beträgt bei Phenobarbital 4 bis 5 mg/kg/

Tag, bei Primidon 15 bis 20 mg/kg/

Tag.

Phenobarbital und Primidon ha- ben erhebliche Nebenwirkungen.

Etwa ein Viertel der Kinder ver- trägt die Medikamente überhaupt nicht, bei einem weiteren Viertel treten Nebenwirkungen in Form von Müdigkeit, Leistungsversagen oder auch vermehrter Unruhe auf (4).

Valproinat ist bei den Kindern an- gezeigt, bei denen eine genetische Disposition ursächlich im Vorder- grund steht. Die genetische Dispo- sition ist am sichersten mittels der EEG-Untersuchung (abnorme Rhythmen, Spike Wave Gruppen)

zu erkennen. Phenobarbital bzw.

Primidon hingegen sollten den Fällen vorbehalten bleiben, bei de- nen hirnorganische Störungen ur- sächlich die entscheidende Rolle spielen. Die hirnorganische Stö- rung ist aus dem Anfallsab- lauf (Herdzeichen), dem neuro-

logischen Untersuchungsbefund

(neurologische Störungen) und der EEG-Untersuchung (Herdbe- funde) zu erkennen.

Wann sollte eine antikonvulsive Therapie durchgeführt werden?

Unkomplizierte Fieberkrämpfe werden übereinstimmend nicht antikonvulsiv behandelt. Man kann sich also auf die folgenden Maßnahmen beschränken:

CD

Intensive Aufklärung der Eitern darüber, daß die Fieberkrämpfe ih- res Kindes

C> eine günstige Prognose haben,

C> keinen Einfluß auf die Entwick-

lung nehmen und

C> das Kind nicht vital bedrohen,

obwohl sie dramatisch aussehen können.

@ Aufklärung über die Notwen- digkeit von intensiven fiebersen- kenden Maßnahmen.

®

Verschreibung von Diazepam Desitin rectal tubes®. Das Präparat soll bei Auftreten eines Fieber- krampfrezidives verhindern, daß dieses lange dauert und damit möglicherweise zu anfallsbeding- ten Störungen am Gehirn führt (Dosierung: 0,5 mg/kg/Dosis).

Kinder mit komplizierten Fieber- krämpfen werden in der Bundes- republik Deutschland zur Zeit noch überwiegend antikonvulsiv behandelt. Die Ergebnisse pro- spektiver Studien (2,3) sprechen aber eindeutig gegen dieses thera- peutische Konzept, denn Kinder mit komplizierten Fieberkrämpfen

·) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

48 Heft 6 vom 11. Februar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

(5)

haben nicht häufiger Fieber- krampfrezidive als Kinder mit un- komplizierten Fieberkrämpfen, und Kinder mit komplizierten Fie- berkrämpfen entwickeln kaum häufiger eine Epilepsie als Kinder mit unkomplizierten Fieberkrämp- fen, nämlich in ca. 2 Prozent. Und letztlich ist bisher auch nicht be- wiesen, daß eine antikonvulsive Therapie, die sich gegen Fieber- krampfrezidive richtet, die Ent- wicklung einer Epilepsie beein- flußt.

Man muß sich vor Augen halten, daß man mit dem zur Zeit üblichen Vorgehen ungefähr 98 Prozent der Kinder mit komplizierten Fieber- krämpfen überflüssigerweise anti- konvulsiv behandelt. Ein festes Behandlungskonzept kann nicht gegeben werden.

Meist wird man mit einer intermit- tierenden Therapie mit Diazepam auskommen, oder sich wie bei den unkomplizierten Fieberkrämpfen verhalten. Notwendig erscheint ei- ne antikonvulsive Therapie von meist ein bis zwei Jahren allein bei Kindern mit bisher langdauernden Anfällen und bei Kindern mit Halb- seitenanfällen, weil diese bei ei- nem Fieberkrampfrezidiv von ei- nem Fieberkrampfstatus bzw. ei- ner bleibenden Parese bedroht sind.

Literatur

(1) Knudson, F. U.: Rectal administration of diazepam in solution in the acute treatment of convulsions in infants and children, Arch. Dis.

Child 54 (1979) 855-857 — (2) Nelson, K. B.;

Ellenberg, J. Predictors of epilepsy in chil- dren who have experienced febrile seizures, N Engl. J. Med. 295 (1976) 1029-1033 — (3) Nel- son, K. B.; Ellenberg, J. H.: Prognosis in chil- dren with febrile seizures, Pediatrics 61 (1978) 720-727 — (4) Wolf, S. M.; Carr, A.; Davis, D. C.;

Davidson, S.; Dale, E. P.; Forsythe, A.; Golden- berg, E. D.; Hanson, R.; Lulejian, G. A.; Nelson, M. A.; Treitman, P.; Weinstein, A.: The value of phenobarbital in the child who has a single febrile seizu re: a controlled prospective study, Pediatrics 59 (1977) 378-385 — (5) Sternowsky, H. J.; Lagenstein, I.: Phenobarbital bei Fieber- krämpfen im Kindesalter, DMW 2 (1981)49-51.

Anschrift des Verfassers:

Privatdozent

Dr. med. Ingo Lagenstein Facharzt für Kinderheilkunde Oderfelder Straße 7

2000 Hamburg 13

Lymphomähnliche Granulomatose

In einer Studie der National Insti- tutes of Health wurden 15 Patien- ten mit lymphomähnlicher Granu- lomatose über einen Zeitraum von 10 Jahren beobachtet. 13 der 15 Patienten erhielten Cyclophos- phamid (2 mg/Tag je kg Körperge- wicht) sowie Prednison (1 mg je kg an alternierenden Tagen). In frü- heren Untersuchungsergebnissen wurde über eine Letalitätsrate bei lymphomähnlicher Granulomato- se von 90 Prozent berichtet, in die- ser Gruppe starben 8 Patienten, was einem Anteil von 53 Prozent entspricht. Von den 13 Patienten, die Cyclophosphamid und Predni- son erhielten, wurde bei 7 Patien- ten eine Vollremission für die Dau- er von 5,2 ± 0,6 Jahren festge- stellt. 6 dieser 7 Patienten waren für durchschnittlich 28,3 ± 5,7 Monate ohne Behandlung. Bei 7 der 8 Patienten, die starben, hatte sich ein malignes Lymphom ent- wickelt, wobei nur 2 dieser 8 Pa- tienten eine Therapie über einen angemessenen Zeitraum erhalten hatten. Da sich bei allen Patienten ohne Vollremission maligne Lym- phome entwickelten, könnte es sein, daß Früherkennung und so- fortige Behandlung während der Phase der lymphomähnlichen Granulomatose nicht nur zur Voll- remission führen, sondern dar- über hinaus auch die Entwicklung von malignen Lymphomen verhin- dern. LG

Fauci, A. S.; Heynes, B. F.; Costa, J.; Katz, P.;

Wolff, S. M.: Lymphomatoid Granulomatosis, The New England Journal of Medecine 306 (1982) 68-74, Dr. A. S. Fauci at Bldg 10, Rm. 11 B 13, National Institutes of Health, Bethesda, MD 20205, USA

Notfallendoskopie überflüssig?

In einer randomisierten Studie analysierten die Autoren das wei- tere Schicksal von 1037 Patienten, die wegen einer akuten gastrointe- stinalen Blutung stationär aufge-

nommen werden mußten. Die Blu- tungsquelle konnte endoskopisch in 73 Prozent, radiologisch in 55 Prozent verifiziert werden. Bei ei- nem Fünftel der Patienten, die ra- diologisch untersucht wurden, und bei einem Zehntel der endo- skopisch untersuchten Patienten erfolgte eine Komplementärunter- suchung, die jedoch in den mei- sten Fällen keine zusätzliche dia- gnostische Information beinhalte- te. Die Operationsfrequenz lag in beiden Gruppen gleich hoch, en- doskopisch voruntersuchte Pa- tienten wurden jedoch im allge- meinen früher operiert. Die Letali- tät war in beiden Gruppen ver- gleichbar, die postoperative Mor- talität lag bei den endoskopierten Patienten höher. Die Endoskopie erwies sich somit dem Röntgen- verfahren hinsichtlich diagnosti- scher Aussagekraft bei der akuten gastrointestinalen Blutung ein- deutig überlegen, doch hatte die- se Tatsache keinen Einfluß auf die weitere Prognose der Patienten. W

Dronfield, M. W.; Langman, M. J. S.; Atkinson, M.: Outcome of endoscopy and barium radio- graphy for acute upper gastrointestinal bleed- ing: Controlled triel in 1037 patients; Br. med.

J. I (1982), 545-548, City Hosp., Nottingham NG5 1PB, England.

Ergänzende Mitteilung

Dilatation von

Nierenarterienstenosen

Zu dem Artikel „Dilatation von Nie- renarterienstenosen mit dem Bal- lonkatheter", Bussmann, Grütz- macher et al., Heft 42/1982, Ausga- ben A und B, Seite 31 ff., Ausgabe C, Seite 25 ff., schreibt uns der In- ternist Dr. med. G. Tepohl, Zentral- krankenhaus Gauting, daß nach seiner Kenntnis die erste translu- minale Dilatation von Nierenarte- rienstenosen nicht im Jahre 1978, sondern bereits 1977 von dem Berner Internisten Privatdozent Dr. med. Felix Mahler durchge- führt worden sei. Die Publikation erschien in „ANNALS of Int.

Med.", Vol. 90, Heft 1/79. DÄ Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 6 vom 11. Februar 1983 51

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