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Archiv "Physikalische Therapie entzündIich-rheumatischer Erkrankungen" (10.11.1995)

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Edward Senn

D

ie deutsche Rheumatologie entbehrt einer traditionellen Verbindung zur Physikalischen Medizin und Rehabilitation; hartnäckig wirdamBegriff der Physi- kalischen Therapie anstelle desjeni- gen der Physikalischen Medizin fest- gehalten, deren Therapiemaßnahmen man sich wie in der Apotheke bedie- nen kann. Die sich prozeßartig ent- wickelnden funktionellen (physikali- schen) Probleme im stets chronischen Verlaufe der entzündlichen Erkran- kungen sind indessen derart komplex, auch heterogen und vor allem evident sich aufdrängend, daß es als Voraus- setzung einer Therapieverschreibung einer durchaus erlernbaren, aber sy- stematischen physikalischen Diagno- stik bedarf, die zusammen den Begriff der "Medizin" begründen.

Schwerpunkte des

physikalisch-medizinischen Handeins

Die Vielzahl und Heterogenität physikalischer Angebote ist verwir- rend und zwingt zur klugen Auswahl und zur Schwerpunktbildung. Diese Konzentration auf das aktuell Not- wendigste und Wichtigste ist stets das Ergebnis der Auseinandersetzung mit drei ärztlichen Problemfeldern oder Arbeitsbereichen:

~ die wiederholte Durch- führung der physikalischen Diagno- stik;

~ die Analyse der chronischen Schmerzzustände;

~ die stete Berücksichtigung des Rehabilitationsgedankens, der zum Blick auf die Alltagsprobleme zwingt.

Die Bettlägerigkeit

Trotz allen berechtigten Be- mühungen um den Erhalt der Mobi-

,,,

....•.. ,

ZUR FORTBILDUNG

Physikalische Therapie

entzünd I ich-rheumatischer Erkrankungen

Die Notwendigkeit einer auf bestimmte Phasen einer progressiven entzündlich- rheumatischen Erkrankung beschränkten, spezifischen Krankengymnastik und Ergotherapie ist evident und anerkannt. Voraussetzung für die Verschreibung ei- ner wirksamen funktionell-physikalischen Therapie ist allerdings eine gekonnte manuelle Diagnostik, die ein Minimum an Kenntnissen und Fertigkeiten verlangt.

lität und Aktivität und trotz den im Vordergrund stehenden aktiven-akti- vierenden Therapiemaßnahmen hat die verordnete, vorübergehende Bett- lägerigkeit ihre Berechtigung nicht verloren. Vor allem beim schubarti- gen Beginn oder Wiederaufflackern der entzündlich-rheumatischen Er- krankungen, hauptsächlich im Ver- laufe einer chronischen Polyarthritis, ist der Wert einer rund 30tägigen Hos- pitalisation und Bettlägerigkeit ge- messen an den Parametern Schmerz, Morgensteifigkeit, Faustschlußkraft und Gelenkempfindlichkeit gut be- legt (5, 13, 32). Man erklärt sich die positive Wirkung einer vorüberge- henden, aber konsequenten Entla- stung und Bewegungsberuhigung - nicht Immobilisation - durch den Wegfall der Förderung des Entzün- dungszustandes durch die bewe- gungsbedingte mechanische Reizung, durch das Ausbleiben des trophisch negativen Gelenküberdrucks, der Temperaturerhöhung und der Blut- beimengung zur Synovia als Folge der relativen Gelenksüberlastungen. Zu- dem zwingen die noch kaum aufge- klärten Symptome der raschen Er- müdbarkeit und Erschöpfung trotz ausreichendem Schlaf zur häufigen Unterbrechung einer allfällig notwen- digen Arbeitsbelastung (9, 14, 20).

Die negativen Folgen der vorüberge- henden Entlastung sind erstaunlich selten und vermögen den Gewinn der Bettruhe nicht in Frage zu stellen.

Klinik und Poliklinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation (Direktor: Prof. Dr. med. E.

Senn) im Klinikum Großhadern der Ludwig- Maximilians·Universität, München

Die physikalische Diagnostik am Beispiel der Hand

Das Ziel der physikalischen Dia- gnostik ist die Erfassung:

1. des allgemeinen Gelenkzu- standes,

2. der aktuell hauptsächlich be- troffenen Gelenkstrukturen,

3. der biomechanischen Proble- meund

4. das Fällen prinzipieller Thera- pieentscheide.

Diese diagnostischen Resultate ermöglichen unter Beachtung der nicht immer leicht zu treffenden Do- sierung das Zusammenstellen eines physikalischen Therapiekonzeptes.

Die manuelle Untersuchung der Hand umfaßt folgende Schritte:

~ die Lokalisation der Über- wärmungen;

~ die Bestimmung der ge- schwollenen Gelenke und Sehnen- scheiden.

Innerhalb des Handgelenkes läßt sich meistens ein Schwerpunkt der sy- novitischen Aktivität erkennen, der einmal mehr die ulnare Seite - der große Gelenkraum samt Discus zwi- schen Ulnaende, Triquetrum, einem Teil des Lunaturns und dem ulnaren Radiusende - oder einmal mehr die Radialseite - Radiusende, Navicula- re, Trapezium, Trapezoid - betrifft.

Die Kontrolle der Sehnen und Seh- nenscheiden in der Hohlhand und auf der Dorsalseite von Hand, Handge- lenk und Unterarm darf nicht verges- sen werden (14);

~ das Zeichen nach Gänsslen und das Caput-ulnae-Syndrom: Beim A-3062 (52) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 45, 10. November 1995

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Gänsslen umgreift man mit der Hand die gesamte Querreihe von MCP- Gelenken und komprimiert sie do- siert, vorsichtig zunehmend. Beim Caput-ulnae-Test prüft man die Sta- bilität oder den Grad der Instabilität der distalen radioulnaren Bandver- bindung, indem man bei fixiertem Radius das Caput ulnae nach volar preßt;

~ die Prüfung der Tendenz zur Entwicklung der charakteristischen Deformitäten: Zur Provokation und Sichtbarmachung der Deformati- onstendenzen muß die Hand durch Faustschluß oder eine Haltearbeit be- lastet werden. Dabei zwingen die über die Gelenke laufenden und die Kraft vermittelnden Sehnen die gelockerten Gelenke in die Richtung der sich entwickelnden Deformie- rung. Frühzeitig erkannt werden sol- len die Entwicklungen zur ( 4, 8):

- Handskoliose: Das Abgleiten

des Carpus-Metacarpus ulnarwärts unter gleichzeitig sich einstellender Radialabduktion zusammen mit der dadurch verursachten Ulnarabdukti- on der Langfinger;

- Palmaren Subluxation des Car- pus sowie der Phalangen innerhalb der MCP-Gelenke: Eine kraftvolle Dorsalbewegung im Handgelenk ver- stärkt die palmare Subluxation;

- Knopflochdeformität: kon- trakte Flexionsstellung im PIP-Ge- lenk und Überstreckungstendenz im benachbarten MCP- und DIP-Ge- lenk;

- Schwanenhalsdeformität kon- takte Überstreckungsstellung im PIP- Gelenk und Tendenz zur Flexionsstel- lung im DIP-Gelenk;

- 90-Grad zu 90-Grad-Defor- mität des Daumens: knopflochartige Flexionskontraktur im Grundgelenk und Überstreckung im Interphalan- gealgelenk;

~ Erfassung der Kontrakturen in allen betroffenen Gelenken; auf die Einschränkung der Abduktionsbewe- gungsmöglichkeit des Metacarpale I weg vom II muß zusätzlich geachtet werden; die Ulnarabduktion im Handgelenk ist oftmals frühzeitig auf- grund der Synovitis im ulno-radio- triquetralen Gelenk schmerzhaft blockiert, was die zwanghafte Radial- abduktion im Carpus-Metacarpus zur Folge hat;

ZUR FORTBILDUNG

~ Feststellung der bereits auf- getretenen ligamentär bedingten In- stabilitäten: Das Ausmaß der akzes- sorischen Gelenkbeweglichkeiten prüft man in den Verriegelungsstel- lungen der Gelenke. Das Handgelenk ist normalerweise in der Pronations- Extensionsstellung und die MCP-Ge- lenke sind in der 90-Grad-Flexions- stellung (intrinsic-Stellung) liga- mentär am straffsten stabilisiert. Die Stabilität zwischen den Metacarpalia prüft man durch einen kräftigen Faustschluß, bei welchem normaler- weise das MCP-Gelenk III zum First der Reihe wird, während die MCP- Gelenke IV und V deutlich nach pal- mar gezogen werden; unter instabilen Verhältnissen bleibt diese Verfor- mung der MCP-Gelenkreihe teilwei- se oder ganz aus. Die Instabilität zwi- schen dem Os naviculare und lunaturn erspürt man an der ruckartigen Lage- veränderung des Os naviculare während einer ulnaradialen Abdukti- onsbewegung, sofern man das Os na- viculare von volar her durch den Thenar hindurch tastet.

Die Zustands- und Strukturdiagnose

Die anamnestischen Angaben des Patienten, die Schmerzäußerun- gen während der Belastungstests und die Resultate der manuellen Befund- erhebung ermöglichen die Bestim- mung der therapeutisch wichtigen Zustands- und Strukturdiagnosen:

Allgemeine Gelenkszustände

Man unterscheidet zwischen ei- ner/m:

- eigentlichen akuten/subaku- ten Arthritis/Synovitis, die man mit einer vorübergehenden Entlastung und Ruhigstellung (14, 15) - allen- falls auf einer Lagerungsschiene -, wiederholten Applikationen von Kühlpackungen (nicht Eis!) und ei- nem täglichen, vorsichtigen, hauptsächlich passiven Durchbewe- gen behandelt (26);

- Irritationszustand, der sich durch eine deutliche, schubartige Ver- schlechterung des Schmerz- und Schwellungszustandes erst im An- schluß an eine Gelenksbelastung ma- A-3064 (54) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 45, 10. November 1995

nifestiert; er läßt sich durch eine Re- duktion der einzelnen Behandlungs- belastungen bezüglich Intensität und Dauer, durch eine Vermehrung der kurzen therapeutischen Sitzungen, durch nachhaltige Kühlung unmittel- bar nach Beanspruchungen und durch eine niedrig dosierte rhythmische Mobilisierung der Gelenke nach Maitland behandeln;

- Überlastungszustand, bei wel- chem die stete Zunahme der Be- schwerden unmittelbar unter der Be- wegungs- oder Haltebelastung domi- niert; hier ist lediglich ein mehrmals täglich durchzuführendes Gelenk- und Muskeltraining geboten;

- unkomplizierter Kontraktur- zustand, den man mit manuellen Kon- trakturbehandlungstechniken bei- spielsweise nach Kaltenborn angeht;

- Instabilitätszustand, dem man mit einer Orthese begegnet, unter de- ren Schutz ein Muskeltraining durch- geführt werden kann; therapierefrak- täre Instabilitäten müssen operativ revidiert werden;

- Periarthropathie, die sich aus den verschiedensten degenerativ-hy- pertroph veränderten und schmerz- haften Weichteilen des Gelenkman- tels zusammensetzt; sie spricht am be- sten auf Quermassagen ( deep fric- tion) an; dieser Zustand ist besonders auch postoperativ häufig und darf nicht mit einer besonderen Aktivität der Grunderkrankung verwechselt werden.

Allgemeine Therapierichtlinien

Der verantwortliche Arzt ent- scheidet, ob eine vorübergehende Entlastung, Immobilisation oder Schienenversorgung durchgeführt werden soll.

Er trifft auch die Wahl zwischen Kälte- und Wärmeanwendungen;

cknn Kühle bedarf es eigentlich nur bei den ganz akuten Gelenksentzün- dungen; die rheumatisch-entzündeten Gelenke ertragen bald und gut Wär- me, am bewährtesten in Form eines gut warmen bis heißen Heublumen- wickels, wobei diese Art von Wärme besonders die (Morgen)Steifigkeit und die damit verbundenen Schmer- zen lindert.

Der Arzt entscheidet über das Ausmaß und die pathogenetische Be-

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deutung jener Schmerzen, die durch die Bewegungstherapie ausgelöst werden; sobald der Verdacht des Auftretens sudeckoider Nach- schmerzen im Anschluß an eine Be- handlung aufkommt, muß die Thera- piebelastung deutlich reduziert wer- den (9) und über die Notwendigkeit einer erneuten, vorübergehenden krankengymnastischen und/oder er- gotherapeutischen Einzelbehand- lung nachgedacht werden. Zwischen den akuten Verschlechterungen genügt die Selbst- und Gruppenbe- handlung.

Der behandelnde Arzt sollte bei einer Ausbreitung der Krankheit, beim Verdacht auf einen Befall der Halswirbelsäule oder der Hüftgelen- ke, bei der Beteiligung innerer Orga- ne, bei progressiven Instabilitätsent- wicklungen oder bei therapieresisten- ten Schwellungen einzelner Gelenke oder Sehnenscheiden über die Not- wendigkeit einer Kontaktaufnahme mit dem Rheumatologen und/oder Rheumachirurgen entscheiden.

Die Wahl der Therapiearten und -instrumente

Je nach dem Ausbaugrad des re- gionalen Rheumazentrums oder der Initiative der örtlichen Rheumatolo- gen kann der behandelnde Arzt über verschiedene Therapieeinrichtungen oder -angebote verfügen. Dazu gehören einerseits:

- Schulungen und Therapie- gruppen für Patienten mit einer chro- nischen Polyarthritis oder Spondylitis ankylosans, die informieren, medizi- nische und psychosoziale Hilfelei- stungen vermitteln und die Selbstbe- handlungsmöglichkeiten lehren (30);

dazu gehört andererseits

- Die Ergotherapie, die für den Einsatz von Hilfsmitteln, die Anferti- gungen von Schienen und die Ver- mittlung des Gelenkschutzes zustän- dig ist (9, 11, 12, 15); und letztlich die Krankengymnastik: sie arbeitet bei rheumatisch-entzündeten Gelenken nach den folgenden Prinzipien:

CD Suche nach einer Gelenkstei- lung als Kompromiß zwischen begin- nender Subluxation und noch mögli- cher Verriegelung während der All-

,,,

... ,

ZUR FORTBILDUNG

tags- und Therapiebelastungen der Gelenke;

C2l Frühzeitiges Erkennen der Deformationstendenzen und Be- kämpfung dieser Entwicklungen durch passive und aktive Stabilisie- rungsmaßnahmen (8);

® Setzen trophischer Trainings- reize für Muskeln und Gelenke durch dosiertes Intervalltraining am Rande der Subluxationsstellungen;

® Vermeidung und Bekämpfung von N achschmerzen;

@ Gelenkstabilisierung vor Muskeltraining;

® Kontrakturbehandlung ohne Benutzung von Hebeln.

Die wenigen zusätzlichen passi- ven Maßnahmen wie die Anwendung von Kühle, Kälte oder Heublumen- wickeln (10) vermag meistens die Krankengymnastin durchzuführen.

Die Checkliste für den Alltag

Der betreuende Arzt ist nicht nur für die Pharmakatherapie und die funktionell-physikalischen (Selbst-) Therapieansätze zuständig, sondern auch koordinativ tätiger Veranlasser einer Reihe weiterer Hilfen und nicht zuletzt auch Anwalt des Patienten (3, 5, 9, 24).

Um keinen Problemkreis zu ver- gessen, kann man nach einer Liste vorgehen:

~ Liegt eine Beeinträchtigung der Selbständigkeit im Alltag, insbe- sondere der persönlichen Hygiene so- wie des Schreibens oder Telefonie- rens vor?

~ Wie ist es mit Schuhen oder Schuheinlagen: häufig wird eine re- trokapitale Abstützung oder eine Ab- rollrampe benötigt.

~ Werden Gehilfen gebraucht?

Polyarthritiker benötigen spezielle Stöcke mit einer horizontalen Aufla- gefläche für die Unterarme.

~ Ist der Patient noch in der La- ge, seine Freizeit zu genießen? Ist er in der Lage, soziale Kontakte zu pfle- gen, das heißt, kann er Besuche em- pfangen und aufBesuch gehen?

~ Von Bedeutung ist die Über- prüfung der regelmäßigen Ausübung eines therapeutischen Sportes (6, 7, 16,17,18,19,25,29).

A-3066 (56) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 45, 10. November 1995

~ Die Planung der Erholung, des Urlaubs, der allenfalls in Form ei- ner Kur stattfinden kann (22, 23).

~ Die Festlegung der nächsten Standortbestimmung für die Therapie in einem Rheumazentrum oder in ei- ner Rheumaklinik.

Der chronische Schmerz

Der Schmerz der Patienten mit einer chronischen, entzündlich- rheumatischen Erkrankung, haupt- sächlich mit einer chronischen Po- lyarthritis ist nicht nur subjektiv un- angenehmes Endprodukt der ent- zündlichen und deformierenden Er- krankung, sondern er besitzt auch ei- ne Eigendynamik mit durchaus pa- thogenetischer Bedeutung. Die chro- nischen Gelenkschmerzen können sich aus ganz unterschiedlichen An- teilen zusammensetzen: Restentzün- dung, schmerzhafte Kapselverände- rungen, arthrosebedingte Beschwer- den, Muskelbefunde; die "bloße"

Arthralgie ist eine Tatsache, die nicht zu leugnen ist, wobei das fehlende Substrat die Therapie erschwert.

Entscheidend und verwirrend zu- gleich ist die Tatsache, daß die durch- schnittliche Häufigkeit starker Schmerzen bis zu einer Krankheits- dauer von rund 20 Jahren trotz aller Interventionen zunimmt, um erst anschließend langsam und kontinu- ierlich abzunehmen. Einen Thera- piehinweis gibt der Zusammenhang der Schmerzstärke mit dem Allge- meinbefinden, das seinerseits eine Verbindung zur Ängstlichkeit zu er- kennen gibt (2). Therapeutisch darf man sich nicht auf die Schmerzmedi- kation beschränken, sondern hat ne- ben der eher sportlich orientierten Bewegungstherapie auch das Mittel der körperzentrierten sowie psycho- logisch ausgerichteten Schmerzbe- wältigungskurse und der Gestaltthe- rapiemöglichkeiten konsequent und systematisch einzusetzen (1).

Krankheitsspezifische Therapieprobleme

Neben der Beachtung der allge- meingültigen, vom Befund ausgehen- den Therapiehinweise gibt es noch

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MEDIZIN

wenige krankheitsspezifische Thera- piebesonderheiten.

Chronische Polyarthritis (28)

In diesem Falle ist das Verschrei- ben und die Durchführung einer ge- zielten Krankengymnastik sowie Er- gotherapie eine besondere Kunst, aber gerade deshalb entscheidend wichtig. Dabei ist der oftmals redu- zierte Allgemeinzustand samt der mitschwingenden depressiven Ver- stimmung zu berücksichtigen.

Die Spondylitis ankylosans (27)

Aufgrund ihrer persönlichen Selbständigkeit und Eigenaktivität verlangen die Patienten eine partner- schaftliche Beziehung zu ihrem Arzt.

Die sich fast regelmäßig einstellende Überlastungssymptomatik der ge- samten Wirbelsäule, die zu gleichen Teilen sowohl die ligamentären Strukturen als auch die Muskulatur betrifft, verlangt nach Erholungszei- ten mit häufigen Wärmeanwendun- gen und lediglich lockeren Aus- gleichsbewegungen. Die Osteoporo- seprobleme im Zusammenhang mit dem Rundrücken sind gesondert zu beachten.

Die systemische Sklerose

Eine Kombination von Wärme und Bindgewebsmassage vermag den Hautschlauch im Rahmen des Mögli- chen weit zu erhalten. Die Atmungs- gymnastik mit Drehdehnlagerungen

ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT

hat frühzeitig prophylaktisch einzu- setzen. Die Kontrakturprophylaxe ist stets zu beachten.

Kritisch zu betrachtende Therapieverfahren

Die Ultraschallbehandlung

Aus nicht einsehbaren Gründen hält sich die Meinung einer besonde- ren Wirksamkeit des Ultraschalls bei chronisch-rheumatischen Gelenks- entzündungen aufrecht. Eine antient- zündliche Wirkung konnte nie nach- gewiesen werden, und die analgeti- sche Wirkung bleibt weiterhin um- stritten. Die Ansatztendinose gilt als die klassische Indikation, obwohl auch sie nie exakt geklärt werden konnte (5, 10).

Alle elektrotherapeutischen Verfahren

Es gibt unter den elektrothera- peutischen Verfahren kein Gerät, das in irgendeiner Hinsicht einen besonderen Aspekt der entzündlich- rheumatischen Erkrankungen zu behandeln in der Lage wäre. Für deren Einsatz bedarf es in jedem ein- zelnen Fall einer besonderen Indikation unter den Sekundär- befunden und -beschwerden. Auch für die niederfrequenten elektroma- gnetischen Felder fehlen Wirksam- keitsnachweise, ja sogar nachvollzieh- bare Wirkvorstellungen.

Radon-Kuren

Kureffekte im Sinne der allge- meinen Erholung und der Verbesse- rung der Restgesundheit sind unbe- stritten (22).

Es gelang aber bisher nicht, dem Radon eine auch nur einigermaßen spezifische Wirkung zuzuschreiben.

Eine kürzlich erschienene Arbeit glaubt sogar, bei degenerativ beding- ten und damit eben nicht rheuma- tisch-entzündlich bedingten Halswir- belsäulen-Beschwerden eine erst nach Abschluß einer Radon-Bäder- Kur auftretende analgetische Wir- kung beobachtet zu haben (21). Auch in diesem Fall fehlt es an akzeptierten Vorstellungen und Hypothesen. Die angegebenen Indikationen sind zu va- ge und zu breit, um Vertrauen zu er- wecken.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1995; 92: A-3062-3068 [Heft 45]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Prof Dr. med. Edward Senn Klinik für Physikalische Medizin und Rehabilitation

Klinikum Großhadern Marchioninistraße 15 81377 München

Therapiebeginn mit Zidovudin bei AIDS

Um den günstigsten Zeitpunkt einer Zidovudin-Therapie bei asym- ptomatischen AIDS-Patienten mit mehr als 500 Helferzellen pro Millili- ter herauszufinden, wurden im Zeit- raum von 1987 bis 1989 in eine ameri- kanische multizentrische Studie 1 637 Patienten eingeschlossen.

Die Patienten erhielten plazebo- kontrolliert 0 mg, 500 mg oder 1 500 mg Zidovudin pro Tag, bei Progressi- on der Erkrankung und Abfall der T- Helferzellen unter 500 pro Mikroliter erhielten alle Studienteilnehmer Zi-

dovudin in einer Dosierung von 500 mg pro Tag. Untersucht wurden Überlebensdauer, Symptomfreiheit, Nebenwirkungen der Therapie und T- Helferzellzahlen.

Zwischen den Gruppen fand sich kein Unterschied für die Überlebens- dauer oder die Symptomfreiheit, le- diglich der Abfall der T-Helferzellen konnt durch die niedrig- wie hochdo- sierte Zidovudintherapie verzögert werden. Als Nebenwirkungen fanden sich in beiden Behandlungsgruppen Anämien und Granulozytopenien.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß bei asymptomatischen AIDS-Patienten mit T-Helferzellen größer als 500 pro Milliliter eine routi- nemäßige Gabe von Zidovudin nicht indiziert ist. acc

Volderberg PA et al: A comparison of im- mediate with deferred zidovudine thera- py for asymptomatic HIV-infected adults with CD4 cell counts of 500 or more per cubic millimeter. N Engl J Med 1995; 333:

401-7.

Dr. Volberding, USCF AIDS Program, San Francisco General Hospital, 995 Pot- rero Ave., Bldg. 80, Wrd 84, San Francis- co, CA 94110, USA

A-3068 (58) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 45, 10. November 1995

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