A-2327
M E D I Z I N
Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 37, 13. September 1996 (65) Der Beitrag von Herrn Professor
Stoll läßt leider wesentliche diagnosti- sche Aspekte und therapeutische Überlegungen zum Thema Schwindel außer acht, da er kein Wort zu psycho- genen Schwindelzuständen sagt. Nach neueren empirischen Untersuchungen an großen Patientenkollektiven ist Schwindel in 25 bis 35 Prozent psycho- gen verursacht (1, 2). Bei einem weite- ren großen Teil der Patienten mit ur- sprünglich organisch bedingten Schwindelzuständen tragen psychoge- ne Faktoren wesentlich zum Verlauf der Symptomatik, das heißt zur Chro- nifizierung, subjektiven Beeinträchti- gung und Länge der Arbeitsunfähig- keit bei (3, 4). Am häufigsten liegen den psychogen bedingten Schwindel- zuständen Angststörungen und de- pressive sowie dissoziative Störungen („Konversionsstörungen“) zugrunde.
An der Mainzer Universitätsklinik für Neurologie und Psychosomatische Medizin und Psychotherapie existiert seit drei Jahren eine interdisziplinäre Ambulanz für Patienten mit Schwin- del. Die Zusammenarbeit hat gezeigt, daß eine interdisziplinäre Diagnostik und Therapie von wesentlicher Bedeu- tung ist, um einer Chronifizierung der Erkrankung vorzubeugen. Leider ma- chen wir immer wieder die Erfahrung,
daß über lange Zeit zugrundeliegende schwerwiegende psychische Erkran- kungen, wie Angststörungen oder de- pressive Störungen nicht erkannt wer- den und den Patienten damit eine Be- handlung vorenthalten wird.
Organische Ursachen müssen natürlich ausgeschlossen werden, aber psychogene Ursachen müssen von Beginn an in die Diagnostik ein- geschlossen werden.
Literatur
1. Kroenke K, Lucas C, Rosenberg ML, Scherokman B, Herbers J: Causes of persi- stent dizziness, Annals of Internal Medi- cine 1992; 117: 898-904
2. Nedzelski JM, Barber HO, McIlmoyl L:
Diagnosis in a dizziness unit, The Journal of Otolaryngology 1986; 15: 101–104 3. Yardley L, Verschuur C, Masson E, Luxon
L, Haacke N: Somatic and psychological factors contributing to handicap of people with vertigo, British Journal of Audiology 1992a; 26: 283–290
4. Yardley L, Todd AM, Lacoudray-Harter MM, Ingham R: Psychosocial consequen- ces of recurrent vertigo, Psychology and Health 1992b; 6: 85–96
Dr. med. Annegret Eckhardt Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Untere Zahlbacher Straße 8 55131 Mainz
eine Einsichtsvermittlung in pathoge- ne somato-psychische/psycho-soma- tische Zusammenhänge und in die Notwendigkeit einer Umorientierung des Patienten;
 Der Therapiemethoden:
Durch verbale Intervention und durch übende und suggestive Tech- niken (4). „Psychotherapie, als Be- handlung seelischer Krankheiten im Sinne dieser Richtlinien, setzt vor- aus, daß das Krankheitsgeschehen als ein ursächlich bestimmter Prozeß verstanden wird, der mit wissen- schaftlich begründeten Methoden untersucht und in einem Theoriesy- stem mit einer Krankheitslehre defi- nitorisch erfaßt ist. Die Theoriesy- steme müssen seelische und körper- liche Symptome als Ausdruck des Krankheitsgeschehens eines ganz- heitlich gesehenen Menschen wahr- nehmen und berücksichtigen. Sie müssen den gegenwärtigen, lebens- geschichtlichen und gesellschaftli- chen Faktoren in ihrer Bedeutung für das Krankheitsgeschehen ge- recht werden.“ (5)
Literatur
1. Sopko J: Funktionelle Störungen in der HNO-Heilkunde. In: Psychosomatische Medizin/Thure von Uexküll. Hrsg. von Rolf Adler... – 4.,neubearb. u. erw. Aufl. – München; Wien; Baltimore: Urban u.
Schwarzenberg, 1990, S. 1080–1093 2. von Uexküll T, Wesiak W: Wissenschafts-
theorie und Psychosomatische Medizin, ein biopsychosoziales Modell. In: Psychoso- matische Medizin/Thure von Uexküll.
Hrsg. von Rolf Adler... – 4., neubearb. u.
erw. Aufl. – München; Wien; Baltimore:
Urban u. Schwarzenberg, 1990, S. 5–36 3. Diagnostisches und statistisches Manual
psychischer Störungen: DSM-III; übers.
nach d. 3. Aufl. d. Diagnostic and statistical manual of mental disorders d. American Psychiatr. Association/Dt. Bearb. u. Einf.
von K. Koehler und H. Saß Übers.: O. v.
Delbrück. Weinheim; Basel: Beltz, 1984 4. Faber FR: Kommentar Psychotherapie-
Richtlinien: Gutachterverfahren in der Psychotherapie; psychosomatische Grund- versorgung; Kommentar der Beihilfe-Vor- schriften für Psychotherapeuten/von Franz Rudolf Faber und Rudolf Haarstrick. Un- ter Mitw. von Dieter Kallinke. – 3., neu be- arb. Aufl. – Neckarsulm; Stuttgart: Jung- johann, 1994
5. Sonderdruck aus: Verträge der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung: Vereinbarung über die Anwendung von Psychotherapie in der vertragsärztlichen Versorgung, gültig ab 1. Oktober 1990, in der Fassung vom 1.
April 1994
Dr. med. R. Mathias Dunkel Arzt – Psychotherapie Kanzelstraße 5 65191 Wiesbaden
DISKUSSION/FÜR SIE REFERIERT
Ergänzungen
dringend notwendig
Der Autor hat auf ein Schlußwort verzichtet
In den letzten Jahren hat sich bei Hochrisiko-Patienten mit Gallenblase in situ und einer symptomatischen Choledocholithiasis die endoskopische Sphinkterotomie durchgesetzt. Die Autoren haben dieses Vorgehen mit der offenen Chirurgie in einer prospek- tiven Studie verglichen, an der 98 Pati- enten mit einem Durchschnittsalter von 80 Jahren teilnahmen. Das operati- ve Vorgehen war in 94 Prozent, das en- doskopische in 88 Prozent erfolgreich.
Unterschiede in Morbidität und Morta- lität fanden sich nicht. Bei einer Nach- beobachtungszeit von im Mittel 17 Mo- naten traten erneute biliäre Symptome
bei drei Operierten und bei zehn Sphinkterotomierten auf, von denen dann sieben operiert werden mußten.
Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß auch bei Hochrisiko-Patienten das operative Vorgehen dem endoskopi- schen Zugang bei Patienten mit Gal- lenblase in situ vorzuziehen ist. w Targarona EM, Perez Ayuso RM, Bordas JM, Rös E, Pros I, Martinez J, Teres J, Trias M: Randomised trial of endoscopic sphincterotomy with gallbladder left in si- tu versus open surgery for common bile- duct calculi in high-risk patients. Lancet 1996; 347: 926–929
Service of General and Digestive Surgery Hospital Clinic, University of Barcelona, Villaroel 170, 08036 Barcelona, Spanien