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Archiv "„Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“ — Eine Gebietsbezeichnung?" (05.02.1982)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 5 vom 5. Februar 1982

„Psychosomatische Medizin und Psychotherapie" —

Eine Gebietsbezeichnung?

Annemarie Dührssen

Mit der Verabschiedung der neuen Approbationsordnung im Jahre 1970 wurde die Psychosomatische Medi- zin zusammen mit der Psychothera- pie zu einem Hauptfach im studenti- schen Unterricht erklärt, das im Rah- men eines scheinpflichtigen Prakti- kums zu lehren sei. Dieser Beschluß wurde zeitlich in nur geringem Ab- stand zu einer anderen Neuregelung gefaßt, die der tiefenpsychologisch fundierten und psychoanalytischen Psychotherapie ihren Platz in der gesetzlichen Krankenversicherung zuwies (1967), und ganz kurz nach der schließlich erklärten Bereit- schaft der Ersatzkassen, diese Neu- regelung der RVO-Kassen ebenfalls zu übernehmen (1970).

Diese beiden — auf sehr verschiede- nen Gebieten — rechtlichen Neuord- nungen in bezug auf die tiefenpsy- chologisch fundierte und analyti- sche Psychotherapie waren ein pro- duktives Ergebnis, das die psycho- therapeutisch/psychoanalytisch täti- gen Ärzte aufgrund ihrer klinischen Tätigkeit in langfristiger Überzeu- gungsarbeit bei den zuständigen Gremien und Vertragspartnern er- reicht hatten.

Dabei nahm die psychoanalytisch orientierte Psychotherapie insofern eine zentrale Rolle ein, als sie die erste Psychotherapieform war, die (von Ärzten entwickelt) auch eine ei- gene Krankheitslehre besaß, auf die sich die zugehörigen therapeuti- schen Verfahren bezogen. Vor mehr

als 15 Jahren — als die entsprechen- den Verhandlungen liefen — waren auch im angloamerikanischen Raum bereits Verhaltenstherapie und das klientenzentrierte Counseling mit ei- nem deutlich polemischen Affekt ge- gen die psychoanalytische Tätigkeit aufgetreten. Da sich dieser Affekt aber im wesentlichen auf die Ex- tremformen einer reglementieren- den, fast sektiererischen psychoana- lytischen Arbeitsweise im angel- sächsischen Raum bezog, spielten diese Gruppen in Deutschland zu- nächst eine geringere Rolle. Dies vor allem auch deshalb, weil viele Feh- ler, die die Psychoanalyse im ameri- kanischen Raum begangen hatte, im deutschsprachigen Bereich wenig- stens von einergewichtigen psycho- analytischen Gruppe vermieden oder schon frühzeitig korrigiert wor- den waren. So schien es für die ärzt- lichen Psychotherapeuten, die sich sowohl an der wissenschaftlichen Vertiefung ihres Faches wie an der medizin-politischen Planung betei- ligten — sofern sie optimistisch ge- stimmt waren — nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Bedeutung psy- chosomatischen Wissens, psycho- analytischer Erfahrung und der Er- werb der unterschiedlichen psycho- therapeutischen Techniken von al- len Ärzten so ernst genommen wer- den würde, daß man, dem Gewicht dieses Faches entsprechend, in die Weiterbildungsordnung eine geson- derte Facharztbezeichnung (jetzt:

Gebietsbezeichnung) einführen würde.

Die Verfasserin ist Inhaberin des Lehrstuhls für Psychothe- rapie und Psychosomatische Medizin am Klinikum Charlot- tenburg der Freien Universität Berlin. Sie hat ihrer Arbeit ei- ne Erklärung von vier weiteren Lehrstuhlinhabern beigefügt, die sich grundsätzlich der Stellungnahme und den Aus- führungen von Frau Professor Dührssen anschließen und mit ihrer Unterschrift „zum Aus- druck bringen, daß ihnen an einer weiteren produktiven und sachbezogenen Diskus- sion gelegen ist". Es sind:

Professor Dr. med. A. Heigl- Evers, Düsseldorf; Professor Dr. med. Dr. phil. Horst-Eber- hard Richter, Gießen; Profes- sor Dr. med. H. Schepank, Mannheim/Heidelberg; Pro- fessor Dr. med. H. H. Studt, Berlin-Steglitz.

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 5 vom 5. Februar 1982 75

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Psychosomatische Medizin und Psychotherapie"

Jahrzehntelang ein Stiefkind Für den Bereich der Psychiatrie kann man nun kaum verschweigen, daß der psychotherapeutische Um- gang mit einem psychisch Kranken in Deutschland für Jahrzehnte eher ein Stiefkind der Aufmerksamkeit gewesen ist. Dazu trug bei, daß lang- jährig jene Lehrmeinungen das Feld beherrschten, die den konstitutio- nellen Eigentümlichkeiten eines Kranken die Hauptursache seiner seelischen Schwierigkeiten im

„Grenzbereich zwischen gesund und krank" zuschrieben. Etwas überspitzt ausgedrückt gab es unter dieser Gruppe von Psychiatern eine eher nihilistisch eingestimmte Ten- denz, die annahm, es gebe bei der Ausübung von Psychotherapie ge- wissermaßen nichts zu lernen: Jedes ärztliche Gespräch sei als Psycho- therapie anzusehen, sofern es nur mit Wohlwollen, Einfühlung und Verständnis geführt werde.

Zugleich kann auch nicht geleugnet werden, daß sich unter den Psychia- tern (insbesondere unter einigen einflußreichen Lehrstuhlinhabern) ebenso wie unter niedergelassenen Nervenärzten eine Tendenz durch- setzte, welche die Psychotherapie de facto nicht mehr zum Bestandteil des eigenen Handelns machen woll- te. Von dieser Seite her wurde und wird die Meinung vertreten, daß es unter psychiatrischem Aspekt genü- ge, wenn die Diagnose richtig ge- stellt sei und wenn dann der Psycho- loge die Therapie übernehme.

Diese Einstellung setzte sich bis heute an einer großen Zahl psychia- trischer Kliniken und vor allem an den Landeskrankenhäusern durch.

Auch in der Praxis der niedergelas- senen Ärzte wird es zunehmend üb- lich, daß der Nervenarzt persönliche Verträge mit Psychologen ab- schließt und den eigentlich psycho- therapeutischen Umgang mit dem Patienten an diesen Psychologen delegiert.

Glücklicherweise ist diese Tendenz unter den Lehrstuhlinhabern für Psychiatrie und unter niedergelasse- nen Nervenärzten zwar stark, aber

doch keinesfalls die einzige. Eine andere Gruppe unter den Psychia- tern (auch den Lehrstuhlinhabern) hofft darauf, die Psychotherapie als wichtigen Bestandteil der Weiterbil- dung ihres Faches zu erhalten bezie- hungsweise ausreichend zu entwik- keln. Freilich besteht auch in dieser Gruppe Konsens darüber, daß es Jahre brauchen wird, bis die theore- tische und praktische Unterweisung in den verschiedenen psychothera- peutischen Verfahren in dem not- wendigen Umfang in den Weiterbil- dungsgang für den „Arzt für Psych- iatrie" eingebaut worden ist.

Schließlich ist klar, daß die Gebiets- bezeichnung „Psychiatrie" nicht überwiegend an den gut ausgestat- teten Universitätskliniken (die auch über eine Ambulanz verfügen) er- worben wird, sondern bevorzugt an den großen Psychiatrischen Landes- kliniken oder den kleineren Psychia- trischen Kliniken und Abteilungen.

Im Gegensatz zu diesen beiden un- terschiedlich ausgerichteten Psych- iatergruppen haben sich die beiden psychotherapeutischen Gesellschaf- ten mit Nachdruck dafür eingesetzt, daß eine Gebietsbezeichnung unter dem Namen „Psychoanalytische Medizin" geschaffen werde. Was sie bei der Festlegung auf diesen be- sonderen Namen bei den Gremien der Ärztekammern erreichten, waren dann allerdings nur zwei Zusatzbe- zeichnungen, die mit dem Nachweis eines einzigen behandelten Falles berufsbegleitend erworben werden können. Das derzeitig sehr bedauer- liche Ergebnis der hier aufgezeigten ärztlichen Arbeitssituation in der Bundesrepublik Deutschland ist ein- deutig: Für den jungen Arzt, der nach Abschluß seines Medizinstu- diums die ihn interessierende Wei- terbildung wählen will, wird nur all- zu deutlich, daß die zur Zeit maßgeb- lichen ärztlichen Entscheidungsgre- mien der psychotherapeutischen Tä- tigkeit nur ein recht geringes Ge- wicht zumessen.

Das Interesse an Psychotherapie wächst bei den jungen Ärzten So findet er bislang zu wenig Stät- ten, wo er in ganztägiger Weiterbil-

dung psychotherapeutische Fähig- keiten und das Wissen über die vor- auslaufenden diagnostischen Maß- nahmen erwerben kann. Zugleich weiß er, daß ein solcher Weiterbil- dungsgang seinen Abschluß ledig- lich mit einer Zusatzbezeichnung und nicht mit einer Gebietsbezeich- nung findet.

Obgleich nun kein Zweifel daran be- steht, daß sich in der jungen Ärzte- generation gegenwärtig ein sehr großes Interesse an der psychothe- rapeutischen Tätigkeit anmeldet, sind die realen Gegebenheiten für ihre psychotherapeutische Weiter- bildung doch sehr unzulänglich or- ganisiert: Überwiegend wird auf pri- vatrechtlicher Ebene eine sehr müh- selige berufsbegleitende Weiterbil- dung angeboten, die dem Kollegen trotz seiner Anstrengungen niemals jenes notwendige breite Spektrum an Wissen vermitteln kann, das er in bezug auf Diagnostik, Erfahrungen und Fertigkeiten eigentlich haben müßte. Berufspolitisch werden zu- dem diese psychotherapeutischen Fähigkeiten, die er sich erworben hat, sehr gering eingestuft.

Angesichts dieser Situation erschei- nen alle Beteuerungen, die die Ver- treter der verschiedenen Gremien darüber abgeben, daß sie der Psy- chotherapie ganz gewiß ein sehr ho- hes Gewicht im Rahmen der Medizin zumessen, doch eher wie eine Art Lippenbekenntnis: Wenn es bislang auch noch denkbar war, daß der jun- ge Arzt im Bereich der Psychiatrie ein gewisses Maß an Diagnostik und auch an psychotherapeutischen Verfahren lernt, so ist es doch gänz- lich ausgeschlossen, daß die Vielfalt der Probleme, die aus den Berei- chen anderer Fachdisziplinen be- wältigt werden müssen, auf diesem Wäge abzudecken sind.

Diejenigen Vertreter der Psychiatrie, die sich gegen die Einführung einer neuen Gebietsbezeichnung mit Energie und Kraft zur Wehr setzen, verkennen, in welchem Ausmaß Krankheitszeichen wie Kopfschmer- zen, Hochdruck, Kreislaufstörun- gen, Magen-Darm-Erkrankungen, Herz-Angst-Symptomatik und gynä- 76 Heft 5 vom 5. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Psychosomatische Medizin und Psychotherapie"

kologische Beschwerden zu den Krankheitsbildern gehören, mit de- nen Patienten zum psychosoma- tisch/psychotherapeutisch orientier- ten Arzt kommen. Es wird auch ver- kannt, daß es sich hier um Patienten handelt, die nur in Ausnahmefällen die Sprechstunde eines Psychiaters aufsuchen würden.

Insofern müssen wir in der zusam- menfassenden Überschau allen vor- liegenden Schwierigkeiten doch wohl offenherzig Rechnung tragen:

Die Therapie den Psychologen?

Bei den Psychiatern setzt sich zur Zeit die beschriebene Gegenmei- nung gegen eine neue Gebietsbe- zeichnung durch, weil Unkenntnis über die gegebene Indikationsbreite für das neue Fach besteht und weil zugleich das Motto vorherrscht, daß Psychologen die Therapie nach der vorangegangenen Diagnose pro- blemlos übernehmen könnten.

Die Vertreter jener Kollegen, die nach wie vor die „Psychologisierung des Arztens" im Rahmen von Fort- bildungsveranstaltungen im Sinn haben (und die deshalb gegen eine Gebietsbezeichnung sind), überse- hen hingegen, daß die inzwischen eingetretene Vielfalt und auch die Organisationsform von Fort- und Weiterbildung nach neuen Regelun- gen verlangt.

In der dritten Gruppe der Ärzte, die mit dem Thema der Gebietsbezeich- nung befaßt ist (jene Kollegen, die selbst überwiegend psychothera- peutisch/psychoanalytisch arbeiten), sind aber ebenfalls Behinderungen und geheime Zwiespältigkeiten in bezug auf die Einführung einer neu- en Gebietsbezeichnung vorhanden.

Einige der dort funktionstragenden Kollegen scheinen das Gleichge- wicht, das sich in den jetzt existie- renden privatrechtlichen Weiterbil- dungsstätten eingependelt hat, für gefährdet anzusehen: Offenbar wird angenommen, daß die Unabhängig- keit einer privatrechtlichen Einrich-

tung, die schon jetzt durch die Ein- führung einer Zusatzbezeichnung ihre Grenze erfahren hat, noch wei- terhin tangiert wird.

Wie soll

das neue Gebiet heißen?

Die Zwiespältigkeiten, die aus den verschiedenen Ärztegruppen kom- men, manifestieren sich zur Zeit an der immer wieder auftauchenden Schwierigkeit, einen passenden Na- men für die neue Gebietsbezeich- nung zu finden.

Von seiten der Psychiatrie wird ver- ständlicherweise Wert darauf gelegt, daß Psychotherapie als Bestandteil der Kenntnisse und Erfahrungen der Gebietsbezeichnung Psychiatrie er- halten bleibt und nicht aus dem Tä- tigkeitsbereich des Psychiaters aus- geklammert wird.

Für den Arbeitstitel „Psychosomati- sche Medizin und Psychotherapie"

(gegebenenfalls „Psychosomati- sche Medizin und analytische Psy- chotherapie") haben sich die Lehr- stuhlinhaber für. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie einge- setzt. Für diese Bezeichnung spricht die zugehörige Formulierung der Approbationsordnung und die damit verbundene Kennzeichnung der Ab- teilungen und Lehrstühle, an denen die Ausbildung der Studenten er- folgt. Gegen diesen Titel wendet sich nun aber das „Kollegium für Psychosomatische Medizin", das vor einiger Zeit gegründet worden ist, um den interdisziplinären Cha- rakter des Faches offenzuhalten und um die „Psychologisierung des Arz- tens" weiterhin auf breiter Ebene zu fördern.

Der Titel „Psychoanalytische Medi- zin" wird von den beiden Psychothe- rapiegesellschaften favorisiert, aber bedauerlicherweise mit dem regel- mäßig zugehörigen Ausspruch, daß ein solcher Titel leider doch nicht durchzusetzen sei.

Bei dieser tiefgreifenden Ambiva- lenz in der Ärzteschaft ist es kein Wunder, daß jetzt die Psychologen-

verbände mit Nachdruck beanspru- chen, es sei ihre Gruppe, welche die Lücke in der Medizin ausfüllen könnte. Dieser Anspruch wird zu- gleich von vielen Laien (insbesonde- re auch Politikern) für richtig gehal- ten, wenngleich zur Zeit doch noch sehr gewichtige Gründe gegen eine solche Entwicklung sprechen.

Denn abgesehen davon, daß die Psy- chologen keineswegs — wie sie oft behaupten — bereits in ihrer Ausbil- dung in den entsprechenden Verfah- ren klinisch ausreichend unterwie- sen würden, liegen gegenwärtig auch noch keine Untersuchungen mit ausreichender Beweiskraft dar- über vor, daß Verhaltenstherapie und die sogenannte klientenzen- trierte Gesprächspsychotherapie gut geprüfte und effiziente Metho- den in der Heilkunde sind. Es ist darüber hinaus auch noch nicht neutral und präzise geprüft oder festgelegt worden, in welchem Um- fang es sich auswirkt, daß die ge- nannten Methoden der Psychologen überwiegend an „Klienten" und nicht an Patienten durchgeführt worden sind.

Dabei wird auch gern übergangen, daß die Arzt-Patienten-Beziehung gewiß gänzlich andere Dimensio- nen hat als die Beziehung zwi- schen einem Psychologen und dem um Lebenshilfe nachsuchenden

„Klienten".

Jetzt müssen

Weichen gestellt werden

Aber diese so beschriebene Situa- tion muß auf seiten der Psychologen nicht so bleiben. Ihr Wunsch, patien- tenbezogene Einrichtungen für ihre Weiterbildung in großem Umfang zu erhalten, könnte sich trotz der damit verbundenen hohen Kosten für den Steuerzahler in real vorhandenen Organisationen verwirklichen.

Es stellt sich daher für die Medizin die abschließende Frage:

Sind die ambivalenten, zwiespälti- gen und gegenläufigen Interessen im Bereich der Ärzteschaft von sol- 78 Heft 5 vom 5. Februar 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A/B

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Psychosomatische Medizin”

cher Kraft, daß — über einige kaum mehr wirksame berufspolitische Ak- tivitäten hinaus — psychotherapeuti- sches Handeln tatsächlich allmäh- lich, aber endgültig, aus der Medizin ausgegliedert wird? Wird es sich er- geben, daß die überwiegende Zahl der Ärzte zunächst den Psychologen als abhängigen Mitarbeiter sucht und benutzt, um dann später zustim- men zu müssen, wenn die Psycholo- gen die gesamte psychotherapeuti- sche Versorgung der Bevölkerung beanspruchen und schließlich auch durchführen?

Unseres Erachtens ist diese Ent- wicklung nicht aufzuhalten, wenn sich nicht die ärztlichen psychothe- rapeutischen Verbände ebenso wie die Funktionsträger in den verschie- denen Ärztekammern mit dieser Si- tuation unbeschönigt und realitäts- gerecht auseinandersetzen. Nur dann können sie auch entsprechend handeln.

Kann man hoffen, daß die sich zur Zeit paralysierenden Tendenzen der einzelnen Gesellschaften doch noch aufgelockert werden? Kann man hoffen, daß das ja offiziell ange- strebte Ziel der neuen Gebietsbe- zeichnung doch noch erreicht wird und daß es dann für den jungen Arzt auch einen Weg gibt, sich für diesen wichtigen Bereich im Umgang mit dem Kranken gründlich, umfassend und ganztägig weiterzubilden?

THEMEN DER ZEIT

Sozialökonomische Aspekte der Hypotonie

Fritz Beske und Wolfram L. Boschke

Die Diskussion um die Problematik sogenannter Bagatellerkran- kungen wird gegenwärtig mehr unter medizinischen Gesichts- punkten und weniger unter dem Gesichtspunkt der sozialen und ökonomisdhen Bedeutung von Krankheiten geführt. Hierin liegt insofern ein Mangel, als auch die Auswirkungen von Krankheiten auf andere Teilbereiche unseres Gesundheits- und Gesellschafts- wesens unter sozialen und volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu berücksichtigen sind. Am Beispiel der Hypotonie wurden in einer Studie des Instituts für Gesundheits-System-Forschung Kiel soziale und ökonomische Aspekte einer Erkrankung dargestellt.

Diese Arbeit zeigt im Ergebnis die erheblichen sozialen und öko- nomischen Dimensionen der Hypotonie. Der folgende Aufsatz ist als zusammengefaßte Problemübersicht und Diskussionsunter- lage zu verstehen.

Zur Problematik sogenannter psychologische, gesellschaftliche Bagatellerkrankungen und ökonomische Aspekte.

Das Spektrum menschlicher Er- krankungen reicht unter medizini- schen Gesichtspunkten von soge- nannten „Bagatellerkrankungen"

bis hin zu sogenannten „lebens- gefährlichen" Krankheiten. Im Vordergrund dieser Betrachtungs- weise steht die Frage, welche Ge- fahr sich aus einer Erkrankung für das Leben des betroffenen Patien- ten ergibt.

Beschränkt sich die Betrachtung von Krankheit auf diesen rein bio- logischen Aspekt, so stellt dies ei- ne problematische Verkürzung des Krankheitsbegriffes dar, da neben dem medizinischen Ge- sichtspunkt eine Reihe anderer Aspekte von Krankheit beachtet werden müssen, zum Beispiel

Der biologisch einwandfrei funk- tionierende Organismus ist zwar eine wesentliche Voraussetzung für die Existenz des Individuums, die ihm dadurch ermöglichten ökonomischen und sozialen Akti- vitäten bestimmen jedoch im we- sentlichen seinen gesellschaft- lichen Wert. Im gleichen Maße, in dem Krankheit die Möglich- keiten ökonomischer und sozia- ler Selbstentfaltung einschränkt, kann beispielsweise Therapie als Beseitigung dieser Einschränkun- gen verstanden werden und ge- winnt dadurch eine zusätzliche Bedeutung.

Damit stellt sich auch die Frage nach den volkswirtschaftlichen Kosten einzelner Krankheiten, Die Lehrstuhlinhaber und leitenden

Fachvertreter für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie spüren sehr tief die Verantwortung, die sie persönlich jetzt bei der Beteiligung an der entsprechenden medizinpoli- tischen Weichenstellung haben. Sie werden gewiß in ihren Bemühungen auch in Zukunft nicht nachlassen.

Anschrift der Verfasserin:

Prof. Dr. med.

Annemarie Dührssen

Lehrstuhl für Psychotherapie und Psychosomatische Medizin Klinikum Charlottenburg der Freien Universität Berlin Spandauer Damm 130 1000 Berlin 19

Ausgabe A/B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 5 vom 5. Februar 1982 81

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