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Archiv "Die Umstellung auf SI-Einheiten: Konsequenzen in der Medizin" (11.08.1977)

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Das Gesetz über Einheiten im Meß- wesen und die dadurch verursach- ten Umstellungen sowie eine Reihe von Empfehlungen internationaler Organisationen zu diesem Thema haben bei einigen Ärzten Unsicher- heit hervorgerufen. Im folgenden soll auf die wichtigsten Gründe für eine Neuregelung der Einheiten im Meßwesen eingegangen und die Aufgabenstellung und Arbeitsweise verschiedener internationaler Orga- nisationen erläutert werden.

Größen sind die Begriffe der Physik, die quantitativ angegeben werden können. Zum Beispiel: Länge, Masse, Geschwindigkeit. Die quanti- tativen Angaben von Größen werden mit Zahlen und Einheiten gemacht, zum Beispiel: Die Geschwindigkeit eines Autos beträgt zweiundsiebzig Kilometer durch Stunde. Es ist üb- lich, dafür folgende symbolische Ausdrucksform zu verwenden:

v = 72 km/h

v ist hier das Formelzeichen für die Größe Geschwindigkeit. Eine Größe ist unabhängig von der verwendeten Einheit. Gibt man die Geschwindig-

keit v statt in Kilometer durch Stunde in Meter durch Sekunde an, so ist

v = 72 km/h = 20 m/s.

Durch den Wechsel der Einheit hat sich die physikalische Größe Ge- schwindigkeit v nicht geändert. Das, was sich geändert hat, ist der Zah- lenwert, in unserem Beispiel von 72 auf 20. Die Änderung der Zahlenwer- te, die mit einem Wechsel der Ein- heit verbunden sind, begründet die Scheu vieler Menschen vor einer Einheitenumstellung. Die neuen Zahlenwerte können zunächst noch nicht an Vergleichsmaßstäben aus der Erfahrung orientiert werden. Die meisten Menschen können eine Ge- schwindigkeit von 72 km/h gut beur- teilen, weniger gut dagegen die An- gabe v = 20 m/s, weil es nun einmal üblich ist, die Geschwindigkeit von Kraftfahrzeugen in km/h und nicht in m/s anzugeben.

Empirische Einheiten

Manchmal ist es unvermeidlich, daß Einheiten neu eingeführt oder be-

reits eingeführte Einheiten geändert werden. Das gilt vor allem für neue Gebiete der Wissenschaft. Das Be- dürfnis, in neuen Wissenschafts- zweigen quantitative Angaben zu

machen, führt in den meisten Fällen zunächst zu empirischen Vorschlä- gen für Einheiten. Dabei bezieht man sich auf ein bestimmtes Meß- verfahren, manchmal auch auf die Anzeige eines bestimmten Meßgerä- tes, oder man nutzt den funktionel- len Zusammenhang mit einer Größe anderer Dimension aus. Früher oder später wird der Vorteil einer syste- matischen Einheitenfestlegung er- kannt und wenn sich die empirisch eingeführten Einheiten eingebürgert haben, müssen die Schwierigkeiten einer Umstellung auf systematische Einheiten überwunden werden. Ein Beispiel für eine empirische Einheit ist das Curie für die Aktivität. Nach der Definition von 1910 war 1 Curie diejenige Menge einer Substanz der Uran-Radium-Reihe, die mit 1 g Ra- dium im radioaktiven Gleichgewicht steht. Obwohl die Dimension der Ak- tivität eine reziproke Zeit ist, wurde das alte Curie durch den Bezug auf das Radium als eine Masse festge- legt. Seit 1950 ist das Curie als das Siebenunddreißigfache der rezipro- ken Nanosekunde definiert (1). Mit dieser Neudefinition wollte man die ursprünglich empirisch eingeführte Einheit beibehalten und den Über- gang zu der systemkonformen Ein- heit reziproke Sekunde hinausschie- ben. Ein weiteres Beispiel für eine empirische Größenangabe liegt in den Fällen vor, in denen der Druck

Die Umstellung auf SI-Einheiten:

Konsequenzen in der Medizin

Peter Drath

Aus der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig und Berlin

Die bevorstehende Umstellung einiger Einheiten im Meßwesen beruht auf Entscheidungen der Generalkonferenz für Maß und Gewicht, des beschlußfasSenden Organs der Meterkonvention vom 20. Mai 1875.

Die Generalkonferenz hat das Internationale Einheitensystem zur An- wendung empfohlen. Konsequenzen für die Medizin ergeben sich dadurch, daß künftig die Einheiten mmHg, Kalorie, Curie, Röntgen, Rad und Rem entfallen. An ihrer Stelle können die entsprechenden SI- Einheiten verwendet werden. Es gehört zu den Aufgaben der Fachge- sellschaften, bei den Regelungen für eine Umstellung mitzuwirken.

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 32 vom 11. August 1977 1991

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Basisgröße

Name Zeichen

Basiseinheit Tabelle 1: SI-Basiselnhelten

Länge Masse Zeit

elektrische Stromstärke thermodynamische Temperatur Stoffmenge

Lichtstärke

Meter Kilogramm Sekunde Ampere Kelvin Mol Candela

m kg s A K mol cd Zur Fortbildung

Aktuelle Medizin

Umstellung von Einheiten im Meßwesen

als Länge einer Flüssigkeitssäule angegeben wird. Für den Druck p einer Flüssigkeitssäule der Höhe h gilt:

p=g•h•Q

O Dichte der Flüssigkeit g Fallbeschleunigung

Durch den Bezug auf eine bestimm- te Flüssigkeit und mit der still- schweigend gemachten Vorausset- zung, daß g eine Konstante ist, wird der Druck als eine Länge angege- ben. Nimmt man eine andere Flüs- sigkeit, so entspricht dem gleichen Druck eine andere Länge. Das muß berücksichtigt werden, wenn in der Flüssigkeitssäule zum Beispiel eine Körperflüssigkeit steht.

Ebenfalls zu den unsystematisch oder empirisch festgelegten Einhei- ten gehört die Kalorie. Die Kalorie war ursprünglich die Wärmemenge, die ein Gramm Wasser um 1°C er- wärmt. Da die Wärmemenge eine Energie ist, müssen bei Rechnun- gen, in denen auch andere Energie- einheiten vorkommen, sogenannte

„Wärmeäquivalente" berücksichtigt werden. Daß der Weg über empi- risch eingeführte Einheiten nicht im- mer gegangen werden muß, zeigt das Beispiel der Elektrizitätslehre.

Hier konnte die Einbürgerung empi- rischer Einheiten durch sehr gut überlegte Vorschläge der British As- sociation for the Advancement of Science in den Jahren 1861-1863, die bei den späteren Festlegungen der elektrischen Einheiten berück-

sichtigt wurden, in einem sehr frü- hen Stadium vermieden werden (2).

Um die Nachteile empirischer Ein- heiten zu verstehen, muß man dar- auf hinweisen, daß Einheiten in zwei unterschiedlichen Anwendungsar- ten gebraucht werden. Zum einen werden Einheiten in Formeln für Be- rechnungen (vorzugsweise in Grö- ßengleichungen) verwendet. Daß dabei die Einheiten eines Einheiten- systems vorteilhaft sind, wird kaum bestritten. Zum anderen werden Ein- heiten für Einzelangaben verwendet.

Hier wird von dem Zusammenhang der Einheiten untereinander kein Gebrauch gemacht. In diesem Fall werden Einheiten dazu benutzt, quantitative Angaben der jeweiligen Größe zu machen, um eine Beurtei- lung innerhalb von Kriterien wie viel

— wenig, gut — schlecht oder teuer — billig zu ermöglichen.

Die zweite Anwendungsart ist sehr viel häufiger als die erste. Für die Auswahl einer Einheit kommen hier Gesichtspunkte zum Tragen wie zum Beispiel der, ob eine Einheit besonders anschaulich ist oder nicht. Ein für diese Anwendungsart wichtiges Argument ist auch immer die eingeübte Gewohnheit. Ge- sichtspunkte, die beim Rechnen zu berücksichtigen sind, sollten aber auch von der großen Zahl von Be- nutzern der zweiten Anwendungsart als entscheidend akzeptiert werden, weil die beiden geschilderten An- wendungsarten zwar begrifflich zu trennen sind, Überschneidungen aber immer wieder vorkommen.

Viele Angaben, die zunächst als Ein-

zelangaben gedacht waren, dienen später wieder als Grundlage für eine Rechnung. Das lästige Umrechnen in die „gewohnten" Einheiten muß dann immer wiederholt werden, während bei einer Umstellung auf die für Rechnungen geeigneten Ein- heiten die Einübung ein einmaliger Vorgang mit bleibenden Vorteilen ist.

Ein Beispiel aus dem Bereich der angelsächsischen Einheiten veran- schaulicht die Nachteile von Einhei- ten, die aus Gründen der Gewohn- heit beibehalten werden. Das Volu- men einer Kiste mit den Abmessun- gen 20 inch x 50 inch x 35 inch in cubicfeet zu bestimmen, erfordert umständliche Rechnungen, die bei Verwendung entsprechender metri- scher Einheiten sehr viel einfacher ausfallen. Das Beispiel zeigt auch, daß das Rechnen mit Einheiten nicht nur Wissenschaftlern und Ingenieu- ren vorbehalten ist.

Meterkonvention

An dieser Stelle ergibt sich die Frage: Wer wählt die Einheiten, die benutzt werden sollen, aus? Früher sahen viele Fachgesellschaften ne- ben der Förderung des jeweiligen Fachgebietes die Festlegung von im Fach benötigten Einheiten als eine wichtige Aufgabe an. Einige Fach- gesellschaften führen Ausschüsse für Einheiten, manche, wie zum Bei- spiel die International Commission an Radiological Units and Measure- ments (ICRU), bringen das Ziel, Ein- heiten festzulegen, sogar in ihrem Namen zum Ausdruck.

Mit dem Abschluß der Meterkonven- tion vor 100 Jahren haben sich da- mals zunächst 17 Staaten die Orga- nisation für die Festlegung von Ein- heiten geschaffen. Die Zuständigkeit der Organe der Meterkonvention für die Festlegung von Einheiten wird inzwischen auch von den meisten Fachgesellschaften anerkannt, und fast alle Länder richten sich bei ih- ren Rechtsvorschriften über Einhei- ten im Meßwesen nach den Festle- gungen der Gremien der Meterkon- vention. Ziel des Vertrages „Meter-

1992 Heft 32 vom 11. August 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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Tabelle 2: Abgeleitete SI-Einheiten mit besonderem Namen SI-Einheit

Name Zeichen

Tesla Henry Grad Celsius Lumen Lux Becquerel G ray

Radiant Steradiant Hertz Newton Pascal Joule Watt Coulomb Volt Farad Ohm Siemens Weber

rad sr Hz N Pa J W C V F S Wb T H

°C Im Ix Bq Gy Größe

ebener Winkel räumlicher Winkel Frequenz

Kraft

Druck, mech. Spannung Energie, Arbeit, Wärmemenge Leistung

elektrische Ladung, Elektrizitätsmenge elektrische Spannung elektrische Kapazität elektrischer Widerstand elektrische Leitfähigkeit Magnetischer Fluß magnetische Flußdichte, magnetische Induktion Induktivität

Celsius-Temperatur Lichtstrom

Beleuchtungsstärke Aktivität einer

radioaktiven Substanz Energiedosis

Beziehung zu anderen SI-Einheiten

1 Pa = 1 N/m 2 1J = 1 Nm 1 W = 1 J/s

1V = 1 W/A 1F = 1 C/V 1Q = 1 V/A 1S = 1 A/V 1 Wb = 1 Vs 1 T = 1 Vs/m 2 1H = 1 Wb/A 1 Im = 1 cd sr 1 lx = 1 Im/m 2

1 Gy = 1 J/kg

Beziehung zu den SI-Basiseinheiten 1 rad = 1 m/m 1 sr = 1 m 2/m 2

1 Hz = 1 s -1 1N = 1 mkgs-2

1 Pa = 1 m -1 kg S-2

1 J = 1 m 2 kg s-2 1 W = 1 m 2 kg s-3 1C = 1 As

1V = 1 m 2 kg s-3A-1 1 F = 1 m -2 kg-1 s4A2

1 Q = 1 m 2 kg s-3A-2 1 S = 1 m -2 kg -1 s3A2 1 Wb = 1 m 2 kg s-2A-1 1 T = 1 kg s -2A-1 1 H = 1 m 2 kg s-2A-2

1 °C = 1 K

1 Bq = 1 s-1 1 Gy = 1 m 2 s-2

konvention" ist es, die „internatio- nale Einigung und die Vervollkomm- nung des metrischen Systems zu si- chern". Diesem Zweck dienen einige Organe, deren Zusammensetzung, Arbeitsweise und Zuständigkeit durch den Vertrag und das ihn er- gänzende Reglement festgelegt sind. Heute gehören über 40 Staaten der Konvention an. Im Vertrag ver- pflichten sich die Unterzeichner- staaten, ein ständig arbeitendes wis- senschaftliches Institut, das Interna- tionale Büro für Maß und Gewicht, auf gemeinsame Rechnung zu un- terhalten. Das Internationale Büro hat seinen Sitz auf dem Gelände des Pavillon de Breteuil im Park von Saint-Cloud bei Paris. Es gehört zu den Aufgaben des Internationalen Büros, die weltweite Einheitlichkeit der physikalischen Einheiten zu ge- währleisten, die primären Normale für die wichtigsten physikalischen Größen zu betreiben und die inter- nationalen Prototype aufzubewah-

ren, die nationalen und internationa- len Normale zu vergleichen und die Werte physikalischer Konstanten zu bestimmen. Das Internationale Büro wirkt unter der Aufsicht des Interna- tionalen Komitees für Maß und Ge- wicht, das von der Generalkonferenz für Maß und Gewicht gewählt wird.

Das Internationale Komitee besteht aus 18 Mitgliedern, die verschiede- nen Staaten angehören.

Die Generalkonferenz wird aus den Delegierten aller Mitgliedstaaten der Meterkonvention gebildet und tritt mindestens alle sechs Jahre einmal zusammen. Sie soll die Ausbreitung und Vervollkommnung des Interna- tionalen Einheitensystems (81), der modernen Version des metrischen Systems, fördern, wissenschaftliche Entscheidungen von internationaler Tragweite fällen und wichtige Be- schlüsse über die Organisation und über die Arbeit des Internationalen Büros fassen.

Ursprünglich war der Wirkungskreis der Organe der Meterkonvention auf die Einheiten der Länge und Masse beschränkt. Die Worte „Maß und Gewicht" in den Namen der Organe sind veraltete Benennungen für diese Größen. In den letzten 50 Jah- ren hat sich das Tätigkeitsgebiet der Meterkonvention auf die übrigen Einheiten in Physik und Chemie aus- gedehnt. Die Worte „Maß und Ge- wicht" haben dabei einen Bedeu- tungswandel erfahren. Sie gelten heute als Terminus technicus für

„Einheiten im Meßwesen".

Das Internationale Einheitensystem

Was haben die Organe der Meter- konvention zur Einigung und Ver- vollkommnung des metrischen Sy- stems getan? Das wichtigste Ergeb- nis ihrer Arbeit ist zweifellos das In- ternationale Einheitensystem. Durch

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 32 vom 11. August 1977 1993

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Umstellung von Einheiten im Meßwesen

die Einführung dieses Systems soll die Konkurrenz unter mehreren Ein- heitensystemen sowie zahlreicher systemfreier Einheiten beendet werden.

In einem Einheitensystem gibt es für jede Größe nur eine Einheit. Die Ein- heiten eines Systems lassen sich in zwei Gruppen teilen: die Basisein- heiten und die abgeleiteten Einhei- ten. Die Basiseinheiten des Interna- tionalen Einheitensystems sind in Tabelle 1 mit ihren Basisgrößen auf- geführt.

Für sie gelten die von der General- konferenz angenommenen Defini- tionen. Der Text der zur Zeit gültigen Definitionen ist zum Beispiel in DIN 1301 oder im Gesetz über Einheiten im Meßwesen in der Fassung vom 6.

Juli 1973 (Deutscher Eichverlag, Braunschweig) wiedergegeben.

Die abgeleiteten SI-Einheiten wer- den aus den Basiseinheiten mit dem Zahlenfaktor 1 in der gleichen Weise gebildet wie die entsprechenden Größen aus den Basisgrößen. Zum Beispiel ist die Geschwindigkeit gleich Länge durch Zeit. Die SI-Ein- heit der Geschwindigkeit ist dem- nach gleich dem Quotient aus den SI-Einheiten für Länge und Zeit: Me- ter durch Sekunde. Weitere Beispie- le für abgeleitete SI-Einheiten sind:

für die Kraft: m kg/s 2 , für die Dichte: kg/m 3 , für die elektr. Spannung:

m2 kg s -3 A.

Einige abgeleitete SI-Einheiten ha- ben einen besonderen Namen erhal- ten. Sie sind in Tabelle 2 mit ihren Größen aufgeführt. Damit ist schon vollständig erklärt, was SI-Einheiten sind.

Der Vorteil, nur SI-Einheiten zu ver- wenden, liegt darin, daß diese Ein- heiten kohärent sind. Setzt man in Größengleichungen die Größen in SI-Einheiten ein, kommt das Ergeb- nis immer in SI-Einheiten heraus, ohne daß Umrechnungsbeziehun- gen für Einheiten berücksichtigt

werden müssen. Wenn man zum Beispiel in die Formel für die Arbeit W, die bei der Expansion eines Ga- ses abgegeben wird

W = fpdV

den Druck p in Pascal und das Volu- men V in Kubikmeter einsetzt, ergibt sich die Arbeit W in Joule.

Neben dem Internationalen Einhei- tensystem gibt es noch andere Sy- steme, wie zum Beispiel das CGS- System, das Zentimeter, Gramm und Sekunde als Basiseinheiten hat.

Auch aus den angelsächsischen Einheiten werden Systeme gebildet.

Unter allen Einheitensystemen hat das Internationale Einheitensystem eine besondere Stellung, weil es auf Empfehlungen der für Einheiten zu- ständigen weltweit wirkenden Orga- nisation beruht.

Im Bereich der Wissenschaft ist es in vielen Fällen vorteilhaft, sich nur auf SI-Einheiten zu beschränken, weil beim Rechnen mit Größengleichun- gen keine Faktoren zu berücksichti- gen sind, die nur zur Umrechnung von Einheiten dienen. Da das Inter- nationale Einheitensystem aber auch praktischen Bedürfnissen ge- nügen muß, hat man SI-Vorsätze ge- schaffen, um dezimale Teile und Vielfache von Einheiten zu bezeich- nen wie zum Beispiel Zentimeter oder Kilopascal.

Rechtsvorschriften

über Einheiten im Meßwesen Das Internationale Einheitensystem ist die Grundlage für das Einheiten- gesetz der Bundesrepublik und die dazugehörige Ausführungsverord- nung. Die Rechtsvorschriften ent- halten einige Einheiten, die von der Systematik her nicht zum SI gehö- ren, sowie Übergangsregelungen für künftig nicht mehr zu verwendende Einheiten. Mit der gesetzlichen Ein- heitenregelung unternimmt die Bun- desrepublik keinen Alleingang. Das Einheitengesetz und die dazugehö- rige Ausführungsverordnung beru- hen auf einer Richtlinie der Europäi- schen Gemeinschaften über Einhei-

ten im Meßwesen (3). Diese Richtli- nie verpflichtet alle Länder der Ge- meinschaft zu inhaltlich gleichen Vorschriften.

Über die Entwürfe für ein Einheiten- gesetz und die dazugehörige Aus- führungsverordnung haben Anhö- rungen der beteiligten Kreise aus Wissenschaft und Wirtschaft statt- gefunden, insbesondere hat der Ausschuß für Einheiten und Formel- größen im DIN beim Entwurf der Rechtsvorschriften mitgewirkt. Der Übergang zum Internationalen Ein- heitensystem kann nicht ohne Berei- nigung von systemfremden Einhei- ten erfolgen. In der Ausführungsver- ordnung zum Einheitengesetz sind daher für eine Reihe von Einheiten Übergangsvorschriften enthalten, die die Verwendung einiger Einhei- ten im amtlichen und geschäftlichen Verkehr nur bis Ende 1977 zulassen.

Bei der Auswahl der hiervon betrof- fenen Einheiten sind die Entschei- dungen der Generalkonferenz für Maß und Gewicht berücksichtigt worden sowie Empfehlungen der In- ternationalen Organisation für Nor- mung (ISO). Das Ziel ist, die Zahl der Einheiten zu verringern, die für eine Größe verwendet werden dürfen, um die Übersicht zu vereinfachen und Vergleichsmöglichkeiten zu erleich- tern. So werden zum Beispiel von bisher acht gebräuchlichen Druck- einheiten in Zukunft sechs entfallen.

Es ist verständlich, daß diejenigen, die die künftig wegfallenden Einhei- ten bisher verwendet haben, über die Umstellung zunächst einmal nicht sehr glücklich sind. Man muß die vorübergehenden Anstrengun- gen, die eine solche Umstellung mit sich bringt, gegen die bleibenden Erleichterungen abwägen, die sich dadurch ergeben, daß künftig An- gaben in verschiedenen Druck- einheiten nicht mehr umgerechnet werden müssen. Wir können künfti- ge Generationen nicht mit dieser Ar- beit belasten, nur weil unsere Gene- ration die in Wirklichkeit geringe An- strengung der Umstellung scheut.

Die Verhältnisse in den englisch- sprachigen Ländern sind ein deutli- ches Beispiel dafür, wohin man

1994 Heft 32 vom 11. August 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

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kommt, wenn die notwendige Um- stellung der Einheit hinausgescho- ben wird.

Konsequenzen für die Medizin Wichtige internationale Fachorgani- sationen der Medizin haben die An- wendung des Internationalen Ein- heitensystems empfohlen. Dazu ge- hören das International Committee for Standardization in Hematology (ICSH), die International Federation of Clinical Chemistry (IFCC), die World Association of (Anatomie and Clinical) Pathology Societies (WASP) und die Clinical Section der International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC) (4, 5, 6).

Neben der Anwendung des Interna- tionalen Einheitensystems geht es bei den Empfehlungen dieser Orga- nisationen um die Abkehr von Unsit- ten, die sich im Laufe der Zeit einge- bürgert haben, wie zum Beispiel eine Massenkonzentration, das heißt den Quotienten aus einer Masse und einem Volumen in Prozent anzuge- ben oder die Einheit mg/100 ml

( =

mg/dl) Milligrammprozent zu nennen.

Weniger formaler Art sind die Emp- fehlungen dieser Organisationen, Konzentrationsangaben wenn mög- lich als Stoffmengenkonzentration und nicht als Massenkonzentration anzugeben. Wenn man dieser letz- ten Empfehlung folgt, handelt es sich nicht um eine Einheitenumstel- lung, sondern um die Einführung ei- ner anderen Größe, die dann auch in einer anderen Einheit angegeben wird. Das Einheitengesetz regelt zwar die Frage, welche Einheiten man für eine bestimmte Größe be- nutzen kann; durch dieses Gesetz wird jedoch nicht festgelegt, welche Größe man für einen bestimmten Zweck verwenden soll.

in der Medizin sind es vor allem fol- gende Einheiten, die in Zukunft nicht mehr verwendet werden sollen:

~ die Druckeinheiten Torr, konven- tionelle Millimeter-Quecksilbersäu- le, konventionelle Meter-Wassersäu-

Tabelle 3: SI-Vorsätze Faktor, mit dem die Einheit multipliziert wird

10-18 10-15 10-12 10-9

10~

10-3 10-2 10-1 101 102 103 106 109 1012 1015 1018

le und die technische Atmosphäre oder Kilopond durch Quadratzenti- meter.

Diese Druckeinheiten wurden in der Medizin außer für den Blutdruck auch noch für Angaben über die Lungenfunktion und bei Druckanga- ben, zum Beispiel im Zusammen- hang mit der Narkose, verwendet.

Weiterhin ist die Medizin durch die Abschaffung der Einheit

~ Kalorie

berührt. Der physiologische Brenn- wert wird in Zukunft in Kilojoule an- gegeben.

in der Radiologie gibt es vier Einhei- ten, die in Zukunft aufgegeben werden:

~ das Curie für die Aktivität, das Röntgen für die lonendosis, das Rad für die Energiedosis und Rem für die Äquivalentdosis.

Für diese Größen werden die ent- sprechenden SI-Einheiten einge- führt. Um die Einführung zu erleich- tern, hat 1975 die 15. Generalkonfe- renz für Maß und Gewicht die be- sonderen Einheitennamen Becque-

Vorsatz Atto Femto Piko Nano Mikro Milli Zenti Dezi Deka Hekto Kilo Mega Giga Tera Peta Exa

Vorsatz- zeichen a f p n

1..1

m c d da h k M G T p E

rel für die SI-Einheit der Aktivität und Gray für die SI-Einheit der Ener- giedosis angenommen. Diese bei- den Einheitennamen werden in Kürze durch eine Änderung der Aus- führungsverordnungzum Einheiten- gesetz in die Rechtsvorschriften übernommen. Für Angaben der Äquivalentmenge ist ohne Über- gangstrist die Einheit Val wegge- fallen.

Für diese Einheit werden unter- schiedliche Umrechnungsbeziehun- gen zum Mol angegeben. Innerhalb der nationalen und internationalen Fachorganisationen wird zur Zeit diskutiert, ob die Größe Äquivalent- menge benötigt wird oder nicht.

Falls man zu der Auffassung ge- langt, daß die Größe Äquivalentmen- ge gebraucht wird, so kann man da- für die Einheit Mol verwenden.

Die Umstellungsschwierigkeiten, die durch den Wegfall der genannten Einheiten entstehen, werden manchmal zu ernst gesehen. Ständi- ge Umrechnungen zwischen alten und neuen Einheiten sind unnötig. Bei den meisten Messungen geht es darum, einen am Patienten gemes- senen Wert mit dem Normalwert zu vergleichen. Wenn zum Beispiel der Arzt beim Patienten den Blutdruck

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft

32

vom 11. August 1977 1995

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Umstellung von Einheiten im Meßwesen

gemessen hat, beurteilt er das Meß- ergebnis, indem er den gemessenen Wert mit dem Normalwert vergleicht und damit feststellt, ob der Patient einen zu hohen oder zu niedrigen Blutdruck hat. Wenn in Zukunft die Einheit Kilopascal für den Blutdruck verwendet wird, muß sich der Arzt einmal den Normalwert in Kilopascal merken — er beträgt etwa 16 kPa (oder 160 mbar) für den systolischen Blutdruck. Die Messung am Patien- ten und die Beurteilung des Meßer- gebnisses durch den Vergleich mit dem Normalwert geschieht genauso wie bei Verwendung der bisher ge- bräuchlichen Einheiten Torr oder mmHg.

Die Umstellung besteht nur darin, sich den neuen Normalwert zu mer- ken. Dafür wird keine längere Über- gangszeit benötigt.

Um die Einführung der Einheiten Millibar oder Kilopascal für den Blutdruck zu erleichtern, wird in der oben erwähnten Änderung der Aus- führungsverordnung die Über- gangsfrist für die Verwendung der Einheit konventionelle Millimeter- Quecksilbersäule (mmHg) für die Angaben des Blutdruckes bis zum 31. Dezember 1979 verlängert. Diese Verlängerung ist möglich geworden, nachdem die Mitgliedstaaten der EG dem von deutscher Seite vorgetra- genen Wunsch nach einer Verlänge- rung der Übergangsfrist in der Richtlinie zugestimmt haben.

Als weitere Hilfe für die Erleichte- rung des Überganges wurde auf ei- ner Besprechung im Bundeswirt- schaftsministerium am 13. Januar 1976, an der Vertreter mehrerer me- dizinischer Gesellschaften teilnah- men, vereinbart, daß vom 1. Juli 1977 an bis zum Ablauf einer Über- gangsfrist am 31. Dezember 1985 die Verwendung von Doppelskalen zu- lässig sein soll.

Die Hauptskala soll in den neuen Einheiten anzeigen, die andere Skala in Millimeter-Quecksilbersäu- le (mmHg). Die Physikalisch-Techni- sche Bundesanstalt hat die ersten Geräte mit einer Doppelskala bereits zur Eichung zugelassen (7). Bei der

Besprechung im Wirtschaftsministe- rium wurde auch vereinbart, daß die beteiligten Kreise der Medizin in Kürze eine Entscheidung darüber fällen, welche der beiden Einheiten Millibar oder Kilopascal in Zukunft bei der Blutdruckmessung verwen- det werden soll. Ohne eine solche Entscheidung wird es bei der Einheit Millibar bleiben, wie es in der Eich- ordnung für Blutdruckmeßgeräte vorgeschrieben ist. Das Millibar ist auch als einzige Einheit für Blut- druckmeßgeräte in einer Empfeh- lung der Internationalen Organisa- tion für gesetzliches Meßwesen (OIML) enthalten.

In der Diskussion um den Übergang zum Internationalen Einheitensy- stem in der Medizin war gelegentlich das Argument zu hören, das Interna- tionale Einheitensystem sei zwar für die Naturwissenschaften und für die Anwendung in der Technik vorteil- haft, aber für die Medizin wäre es weniger geeignet. Dazu kann man nur sagen, daß das Internationale Einheitensystem nicht zum Ge- brauch nur in begrenzten Fachbe- reichen vorgesehen ist. Es ist als Teil der Fachsprache aller Fachgebiete, in denen Größenangaben zu ma- chen sind, geschaffen, um die Ver- ständigung auch unter Angehörigen verschiedener Fachrichtungen zu ermöglichen oder zu erleichtern.

Wenn jedes Fachgebiet eigene Ein- heiten verwenden würde, dann wäre es kaum noch möglich, daß Angehö- rige verschiedener Fachrichtungen zusammenarbeiten. In vielen Fach- bereichen, insbesondere auch in den Schulen, sind die SI-Einheiten schon eingeführt. Nur noch ein Teil der heutigen Medizinstudenten kennt noch die Einheiten, die in Zu- kunft nicht mehr verwendet werden sollen. Künftige Generationen wer- den diese Einheiten nicht mehr ken- nen. An vielen Stellen sind Aus- schüsse gegründet worden, die die Modalitäten für den Übergang fest- legen. Im Bereich der Medizin hat es bisher nur zaghafte Ansätze für ent- sprechende Regelungen gegeben.

Die bisherigen Diskussionen befaß- ten sich vor allem mit der Frage, ob

die Tätigkeit des Arztes geschäftli- cher Verkehr sei und ob das Einhei- tengesetz gegebenenfalls im Be- reich der Medizin anzuwenden sei.

Auch wenn man zu dem Schluß kommt, daß diese Frage verneint werden kann, ist es schwer vorstell- bar, daß auf die Dauer im amtlichen Verkehr (zum Beispiel vom Gesund- heitsamt) andere Einheiten verwen- det werden als die, die der Arzt in seine Kartei einträgt oder die er für Mitteilungen an Kollegen verwendet, und daß die durch Rechtsvorschrif- ten oder durch die Normung einge- führten Einheiten längere Zeit von Forschung und Lehre ignoriert wer- den können.

Es wäre daher zu begrüßen, wenn auch im Bereich der Medizin die Einzelheiten der Einheitenumstel- lung geklärt werden. Für die Fach- gesellschaften liegt hier eine wichti- ge Aufgabe vor.

Literatur

(1) Kohlrausch, Praktische Physik Bd. 2, 22.

Aufl. 1968, S. 498 — (2) Kind, D., Zur Geschichte der elektrischen Einheiten im Internationalen Einheitensystem, etz-a (zur Zeit im Druck) (3) Richtlinie des Rates vom 27. Juli 1976 zur Än- derung der Richtlinie 71/354/EWG zur Anglei- chung der Rechtsvorschriften der Mitglied- staaten über Einheiten im Meßwesen, Amts- blatt der Europ. Gemeinsch. Nr. L 262/204 vom 27. 9. 1976 — (4) Z. Klin. Chem. Klin. Biochem.

11 (1973) 93 (5) Z. Klin. Chem. Klin. Biochem.

12 (1974) 180-192 — (6) International Union of Pure and Applied Chemistry and International Federabon of Clinical Chemistry: Appendices an Tentative Nomenclature, Symbols, Units and Standards. No. 20: Quantities and Units in clinical chemistry (Februar 1972) — (7) PTB- Mitt. (1975) 300

Dr. Peter Drath

Physikalisch-Technische Bundesanstalt

Abteilung Allgemeine technisch-wissenschaftliche Dienste

Bundesallee 100 3300 Braunschweig

1996 Heft 32 vom 11. August 1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Referenzen

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