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Archiv "Die „Basis“ handelte" (24.02.1977)

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Dr. mec oert

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Privat • Alle Kassen

Die Information:

Bericht und Meinung

AUS DEN BUNDESLÄNDERN NACHRICHTEN

Bonner Personalkarussell Die „Basis 66 handelte dreht sich

Stellungnahmen zum Referentenentwurf Der Ressortschnitt im Bundesmini-

sterium für Jugend, Familie und Ge- sundheit und die Suche nach einem Schuldigen für das Rentendebakel im Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung blieb nicht ohne personalpolitische Konsequenzen:

Als erstes löste der neue Bundesmi- nister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Herbert Ehrenberg, seinen be- amteten Staatssekretär Heinz Eicher durch den bisherigen Staatssekretär im hessischen Landwirtschaftsmini- sterium, Dr. Reinhard Strehlke, ab (DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 3/

1977, Seite 133). Nun mußte auch der für die Sozialversicherung und damit auch für die Rentenfinanzen zuständige Abteilungsleiter, Mini- sterialdirektor Dr. Detlev Zöllner, seinen Hut nehmen, der eine neue Aufgabe beim internationalen Ar- beitsamt (ILO) übernehmen wird.

Nachfolger von Zöllner wurde Dieter Schewe, bislang Präsident des Bun- desversicherungsamtes in Berlin, wo auch Heinz Eicher vor seiner Staatssekretär-Berufung als Vize- präsident tätig war. Schewe war bis Juni 1975 als Ministerialrat bereits in der Sozialversicherungsabteilung des Bundesarbeitsministeriums tä- tig und für Fragen der Rentenversi- cherung zuständig. Zum Abteilungs- leiter avancierte der bisherige Unter- abteilungsleiter im Bundesarbeits- ministerium, Albert Holler (früher DGB), der jetzt nicht nur für die Kranken- und Unfallversicherung, soziale Selbstverwaltung, Kassen- arztrecht, sondern auch für „Ge- bührenrecht für Ärzte und übrige Gesundheitsberufe sowie Kranken- häuserwesen und Technik in Medi- zin und Krankenhaus" zuständig ist.

Überraschenderweise wurde auch der Leiter der Abteilung Humanme- dizin im Bundesministerium für Ju- gend, Familie und Gesundheit, Mini- sterialdirigent Dr. Hans-E. Loesken, als „politischer Beamter" zum 1.

April in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Damit scheidet im Laufe von zwölf Monaten der vierte Abtei- lungsleiter aus diesem Hause aus. DÄ

„Das neue Kassenrecht ist für den Patienten schlecht", reimten die Nürtinger Ärzte für ein Plakat, das sie — zusammen mit einem Handzet- tel — bei einer Informations-Aktion einsetzten. Das „neue Kassenrecht"

ist zwar noch nicht da, doch das, was aus Bonn von Dezember bis Mitte Februar nach Nürtingen und anderswo gedrungen war, bot wahr- haftig Anlaß genug zu Vorwarnun- gen der Öffentlichkeit — in Nürtin- gen, Hannover, Berlin, Hamburg und anderswo.

Der Notdienst klappte wie am Schnür- chen, als am 11. Februar, einem Freitag, die niedergelassenen Ärzte und Zahn- ärzte im Raum Hannover aus Protest gegen die Gesetzentwürfe des Bundes- arbeitsministeriums ihre Praxen ge- schlossen hielten. Die Beteiligung der Kassenärzte war so gut wie hundertpro- zentig. In Oldenburg und Delmenhorst sowie in den Kreisen Vechta, Cloppen- burg, Oldenburg und Ammerland führ- ten die Kassenärzte am Dienstag, dem 15. Februar eine ähnliche Protestaktion durch Foto: Friedrich

Was dort von den Ärzten unternom- men wurde, straft die Behauptungen Lügen, die Unruhe unter der Ärzte- schaft über die „Kostendämp- fungs"-Pläne der Bundesregierung sei von „Ärztefunktionären", von

„oben" geschürt. Doch hier handel- te die „Basis" spontan. Oder wollte ein Politiker, der seine „Basis" noch kennt, ernstlich behaupten, eine Protestaktion wie die in Hannover und Umgebung sei dank „Steue- rung" von oben fast hundertprozen- tig gelaufen? Ja, selbst die Resolu- tionen von Delegiertenversammlun- gen landauf, landab (die in den bei- den letzten Heften dokumentiert wurden, weitere folgen auf diesen Seiten) sind nicht die Werke von

„Funktionären", setzen sich doch diese Selbstverwaltungsgremien aus Vertretern täglich praktizieren- der Ärzte zusammen.

Eine weitere von interessierten Poli- tikern in Umlauf gesetzte Behaup- tung läßt sich nach den Ärzteprote- sten der vergangenen Tage einfach

nicht halten: die, es gehe den Ärzten lediglich um die drohenden Hono- rarbeschränkungen. Wer von den Patienten die ärztlichen Informatio- nen aufgenommen hat, weiß inzwi- schen (was ihm seine Bonner Ver- treter vielfach verschwiegen haben), daß wirklich die Einheitsversiche- rung, daß Leistungsverschlechte- rungen, daß die finanzielle Ausblu- tung vieler Krankenhäuser, daß eine Patientenkontrolle durch die Kassen drohen — oder zumindest drohten, bevor die Ärzte auf die Straße gin- gen. Die Nürtinger Ärzte hatten ein- fach recht, als sie unter Hinweis auf den Referentenentwurf aus dem Ar- beitsministerium feststellten: „Der Gesetzentwurf ist patienten- und arztfeindlich." Eben beides.

478 Heft 8 vom 24. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Vollversammlung der Ärzte- schaft Nürtingen hat darüber hinaus ein Telegramm an Bundeskanzler Helmut Schmidt gerichtet; es lautet:

"Die Ärzteschaft Nürtingen hat mit

Empörung und Besorgnis den pa- tienten-und arztfeindlichen Entwurf des Kostendämpfungsgesetzes zur Kenntnis genommen. Der Entwurf bedeutet einschneidende Ver- schlechterungen der bisher bürger- nahen, leistungsstarken, ambulan- ten ärztlichen Versorgung der Be- völkerung. Er wird zur einer Verar- mung der ärztlichen Betreuung füh- ren und einen Rückfall in die Zeiten einer Klassenmedizin verursachen, als die gesetzlichen Krankenkassen Arme-Leute-Kassen waren. Das Ge- setz gefährdet leichtfertig die Exi- stenz eines ganzen freien Berufs- standes und das System der kassen- ärztlichen Versorgung in der Bun- desrepublik überhaupt. Wir wissen uns mit der großen Mehrzahl unse- rer Kollegen in der Bundesrepublik einig, daß dieses Gesetz unserem Verbleib in der Kassenärztlichen Vereinigung die Grundlage entzieht.

Die Folgen dieses Gesetzes, auch für den sozialen Frieden in der Bun- desrepublik, hätten allein Sie und Ihre Regierung zu tragen. Wir for- dern Sie auf, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen. Wir fordern die Ab- lösung des patienten-und arztfeind- lichen Ministers Ehrenberg, zu dem die große Mehrzahl der Ärzte und Patienten nach diesem Gesetzent- wurf kein Vertrauen mehr haben kann. Wir bitten Sie, dafür zu sor-

gen, daß die seit Jahren andauernde

Kampagne gegen die Ärzteschaft eingestellt wird. Wir haben, wie alle Bürger dieses Staates und wie An- gehörige anderer freier Berufe auch ein Recht darauf, endlich wieder un- angetastet und ohne Sorge um die Existenz unseres Berufsstandes un- serem ohnehin nicht leichten Beruf nachgehen zu können."

Hessen:

Zerstörung

eines gut funktionierenden Systems

ln einer Serie von Pressekonferen- zen wollen die hessischen Kassen-

ärzte ihre Haltung verständlich ma- chen- an Hand einer Resolution, die von der Abgeordnetenversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen am 5. Februar 1977 be- schlossen wurde.

Die Delegierten werten den Referen- tenentwurf "als den völlig untaugli- chen Versuch, die desolate Renten- versicherung auf Kosten der Kran- kenversicherung zu sanieren." Da- nach heißt es in der genannten Re- solution:

"Sollte dieser Entwurf in der jetzt

vorliegenden Form Gesetz werden, muß das zwangsläufig zu einer Ver- schlechterung der gesamten Kran- kenversorgung führen, denn: .,.. Für die Versicherten der Kran- kenkassen wäre - bei unausbleibli- cher Beitragserhöhung - eine dra- stische Reduzierung des bisherigen ärztlichen Leistungsangebotes die Folge. Der soziale Besitzstand der Bevölkerung wird spürbar geschmä- lert. Dies wirkt sich vor allem auf die sozial schwachen Gruppen der Be- völkerung aus. Die Gefahr einer Zwei-Klassen-Medizin ist dabei nicht zu verkennen.

.,.. Für die Kassenärzte wird ein sol- ches Gesetz eine äußerst bedenk- liche Einschränkung ihrer Behand- lungsfreiheit mit sich bringen und damit die anerkannte Qualität der ärztlichen Versorgung der Bevölke- rung um Jahrzehnte zurückwerfen.

.,.. Durch die beabsichtigte Be- schränkung der Arzneimittelversor- gung wird nicht nur die Qualität der ärztlichen Behandlung in unverant- wortlicher Weise gemindert; es wird dadurch auch das Vertrauensver- hältnis zwischen Patient und Arzt nachhaltig gestört.

.,.. Durch die beabsichtigte lnstitu- tionalisierung der Krankenversor- gung wird das bisher bewährte Sy- stem ambulanter Behandlung aufs schwerste gefährdet, weil der ärzt- liche Nachwuchs die Motivation zur Niederlassung verlieren wird. Das wird sich vor allem für die ärztliche Versorgung der Landbevölkerung nachteilig auswirken.

Die Information:

Bericht und Meinung

.,.. Statt der bisher föderativen Ge- staltung des Partnerschaftsverhält- nisses zwischen Krankenkassen und Ärzten zielt der Gesetzentwurf ein- deutig auf eine ,Einheitsversiche- rung' ab. Millionen von Ersatzkas- senmitgliedern sind dann die Leid- tragenden.

.,.. Die in diesem Gesetzentwurf ge- planten zusätzlichen Überwa- chungs- und Kontrollmaßnahmen sind diskriminierend für Patienten und Kassenärzte und führen zwangsläufig zu einer Aufblähung der Verwaltungsapparate. Statt der erhofften Kostensenkung wird mit Sicherheit eine nicht absehbare Ver- teuerung des Gesundheitswesens eintreten.

Die Abgeordnetenversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Hes- sen stellt daher fest: Der Gesetzent- wurf des Bundesarbeitsministe- riums birgt in der jetzt vorliegenden Form die Gefahr der Zerstörung un- seres bis jetzt anerkannt gut funktio- nierenden Systems der ambulanten Krankenversorgung. Das aber ist - entgegen allen Beteuerungen der Bundesregierung - Sozialisierung durch die Hintertür. Die Abgeordne- tenversammlung fordert ihren Vor- stand auf, einer solchen planmäßi- gen Liquidierung des freien ärztli- chen Berufsstandes entgegenzu- treten."

ln einem Grundsatzreferat hatte sich zuvor der Vorsitzende der Kassen- ärztlichen Vereinigung Hessen, Dr. med. Gerhard Löwenstein (der übri- gens auf derselben Versammlung in seinem Amt bestätigt wurde), aus- führlich mit dem Referentenentwurf auseinandergesetzt Es sei unfaß- bar, daß ein solcher Entwurf, der das System unserer bewährten Kranken- versorgung in Frage stellt, ausge- rechnet von einer sozial-liberalen Regierung vorgelegt werde, die sonst ständig von der "Lebensquali- tät" und von sozialer Gerechtigkeit spricht, meinte Löwenstein. Das Ge- setz sei, sollte es realisiert werden, für den Kassenarzt ein Schritt in die totale Abhängigkeit von den Kran- kenkassen. "Ein derartiger Kompe- tenzverlust eines freien Berufes, ein solches Hineingedrängtwerden in

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft

8

vom

24.

Februar

1977 479

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Das darf riet sen

— Aktionegemeinseb. Hamburger Ärzte —

Parallelen zu Schweden zieht die Aktionsgemeinschaft Hamburger Ärzte auf ihren Plakaten, die seit dem 10. Februar in Wartezimmern und an 1300 Anschlagsäulen hängen. Der Gesetzentwurf leite erste Schritte zur Einheitskrankenkasse und zur Staatsmedizin ein. Der Bürger wird gefragt: Wollen Sie - wie in Schweden - 165 Tage auf die Behandlung durch einen Arzt warten? in einer Krankenhausambulanz jeden Tag einem anderen Arzt gegenüberstehen? auf Besuche Ihres Hausarztes verzichten? (einen „passenden" Titel hat das Theaterstück, welches das St.-Pauli- Theater auf der hier abgebildeten Litfaßsäule unter dem Ärzte-Plakat anzeigt:

„Kiek mol wedder in".) Foto: Conti-Press

Die Information:

Bericht und Meinung Protestaktionen

die Abhängigkeit einer öffentlichen Institution kann von uns Kassenärz- ten nicht hingenommen werden", sagte Dr. Löwenstein.

Westfalen-Lippe:

Entmündigung

der Versicherten droht

Mit einer Resolution hat - ebenfalls am 5. Februar - auch die Vertreter- versammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe auf den Gesetzentwurf reagiert:

„Die gewählten Vertreter von ca.

10 000 westfälisch-lippischen Ärzten wenden sich mit aller Entschieden- heit gegen eine Zerschlagung des bewährten Systems der sozialen Krankenversicherung. Die im Refe- rentenentwurf zur ,Kostendämpfung in der Krankenversicherung' vorge- sehenen Maßnahmen führen zu ei- ner Einheitsversicherung mit aufge- blähter bürokratischer Verwaltung und Entmündigung der Versicher- ten. So sieht der Referentenentwurf eine Vorstellungspflicht der Versi- cherten zur Kontrolle des Behand- lungserfolges beim Vertrauensarzt vor. Da Art und Umfang ärztlicher Leistungen nicht mehr [allein; die Red.] Maßstab für die Vergütung sein sollen, wird die Behandlungs- möglichkeit für Ärzte in freier Praxis eingeschränkt."

Weiter stellen die westfälisch-lippi- schen Kassenärzte fest: „Ein Ge- setzentwurf mit diesen Konsequen- zen für Patienten und Ärzte wird von der Vertreterversammlung kompro- mißlos abgelehnt. Sie ruft daher Pa- tienten und Ärzte zu gemeinsamer Abwehr auf. Sie beauftragt den Vor- stand der Kassenärztlichen Vereini- gung, alle Maßnahmen zur Erhal- tung des bewährten Systems der ge- gliederten Krankenversicherung zu treffen, damit auch in Zukunft den Patienten der medizinische Fort- schritt unbürokratisch zugute kom- men kann. Kostendämpfung ist auch im jetzigen System durchaus mög- lich, was durch das maßvolle Verhal- ten der Kassenärzte in Westfalen- Lippe im Jahre 1976 bewiesen wor- den ist."

Südbaden:

Handschrift

der Systemveränderer

Stellvertretend für die vielen Briefe an Abgeordnete - geschrieben von

„einfachen" Ärzten und ärztlichen

„Funktionären" sei hier aus einem Schreiben des Präsidenten der Be- zirksärztekammer Südbaden, Dr.

Schüly, zitiert. Schüly schreibt an die Bundestagsabgeordneten und an die baden-württembergischen Landtagsabgeordneten. Ein solches Gesetz würde in einem anerkannt funktionierenden Gesundheitswe- sen Bewährtes außer Kraft setzen.

Durch das Einschalten von Kliniken in die Sicherstellung und in die vor- und nachstationäre Behandlung werde die notwendige kontinuier-

liche Versorgung der Patienten und der Behandlungserfolg behindert durch die Trennung von Diagnose und Therapie. Somit verschlimmere sich mit Sicherheit die Kostensitua- tion im Gesundheitswesen, zumal die Kassen weiterhin mit Fremdlei- stungen belastet und überfordert

würden, weil die eigentlichen Ursa- chen der Kostensteigerung nicht be- rücksichtigt und damit auch nicht beseitigt würden. Schüly zum Ge- setzentwurf: „Wir Ärzte sind nicht gewillt, der Regierung auf diesem zerstörerischen Weg zu folgen, und wir werden uns auch den Vorwurf nicht einhandeln, die Bevölkerung über dieses einmalige Verhalten und Vorhaben der Regierung nicht auf- geklärt zu haben." Und: „Wir sind wie immer bereit, mit den Politikern über konstruktive Vorschläge zu sprechen und selbst Vorschläge zu machen." Doch dieser Gesetzent- wurf mißachte nicht nur eine frei- heitlich-soziale Grundeinstellung, sondern trage eindeutig die altbe- kannte Handschrift der systemver- ändernden Linken.

Zahnärzte:

Gesetzespläne „zutiefst inhuman"

Auf scharfe Ablehnung stieß der Ge- setzentwurf des Bundesarbeitsmini- sters auch bei den Zahnärzten so

480 Heft 8 vom 24. Februar 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

stellten die im Koordinierungsaus- schuß der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen des Landes Baden- Württemberg zusammengeschlos- senen Selbstverwaltungskörper- schaften der Zahnärzte fest, die im Entwurf vorgesehenen Regelungen dienten nicht der Kostendämpfung.

Sie hätten dagegen zum Teil sogar kostentreibende Wirkung. Durch Tendenzen des Gesetzes werde das bewährte System der gegliederten Krankenversicherung zerstört. Die Versicherten hätten mit wesentli- chen Erhöhungen der Beiträge mit einer verschlechterten zahnärztli- chen Versorgung zu rechnen. Dar- über hinaus werde der Handlungs- spielraum der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen in den Ländern durch starre Gesetzesbestimmun- gen eingeschnürt und die jahrelang bewiesene kreative Selbstverant- wortung abgewürgt. Die Kassen- zahnärztlichen Vereinigungen Ba- den-Württembergs baten den Mini- sterpräsidenten und den zuständi- gen Fachminister für Arbeit und So- ziales vor der Stellungnahme des Landes im Bundesrat die Vertreter der Zahnärzte zu hören und sich ih- rer Sachkenntnis zu bedienen.

Noch schärfer formuliert Dr. Wolf- gang Fischer, der Präsident der Zahnärztekammer Nordrhein. Kol- lektivismus anstelle von Gesundheit sind nach Ansicht von Fischer die wahren Ziele des vom Bundesar- beitsministerium vorgelegten Geset- zesentwurfes. Dabei bediene man sich bekannter sozialisitischer Re- zepte: Bewußte Überforderung ei- nes bewährten und funktionieren- den Systems, verbunden mit gewoll- ter Neid- und Haßerzeugung gegen- über den Leistungserbringern inner- halb dieses Systems, um Gründe zu schaffen, bewährte und gewachsene Ordnungen zu zerstören. An ihre Stelle trete dann — so Fischer — eine geld- und nervenfressende Bürokra- tie, bar jeder Produktivität, deren wesentliche Sorge darin bestehe, die Notwendigkeit ihrer eigenen Exi- stenz unter Beweis zu stellen. So trage der vorgelegte Gesetzesent- wurf bereits unverkennbar die Züge eines derart unseriösen Bürokratis- mus, der zwar nach Macht und Privi-

legien verlange, aber Verantwortung für Folgen grundsätzlich auf Dritte abwälzt.

Fischers Alternative: Wenn wirklich mehr Gesundheit, mehr Lebensqua- lität in Verbindung mit Kostendämp- fung Ziel der Gesetzesvorlage sei, müßten Krankheitsursachen ausge- schaltet und die Krankheitsanbieter, die Krankheitsvermittler und die Krankheitsverwalter — nicht jedoch die Krankheitsbehandler — regle- mentiert werden. Da das nicht ge- schieht, entlarve sich die Gesetzes- vorlage in seinen Augen als Instru- ment zur Zerstörung von Ordnung und zur Unterwerfung von Freihei- ten. Nach Absicht und Wirkung er- scheine ihm — Dr. Fischer — das vor- gesehene Gesetz zutiefst inhuman.

Apotheker:

Bedürfnisse des Patienten vernachlässigt

Wie schon Ärzte und Zahnärzte er- regt auch die Apotheker, daß mit den Regierungsplänen die bewiese- ne Bereitschaft der Heilberufe, zur Kostendämpfung beizutragen, miß- achtet wird. Dr. Christian Wehle, Hauptgeschäftsführer der Apothe- ker-Berufsvertretung, schreibt an den Bundesarbeitsminister: Die ge- plante Beschränkung der Ausgaben für Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung stoße insbe- sondere bei den am Arzneimittel- markt Beteiligten auf kein Verständ- nis, da ihr diszipliniertes Verhalten bereits zu einer deutlichen Ab- schwächung des Kostenanstiegs in diesem Bereich geführt habe. „Es belastet die loyale Haltung der Ge- sundheitsberufe, wenn in einer nachweislich durch Selbstbeschrän- kung eingetretenen Stabilisierungs- phase zu schärfsten dirigistischen Maßnahmen gegriffen wird", stellt Wehle fest. Die Beschränkung stoße vor allem aber auf ganz erhebliche gesundheitspolitische Bedenken.

Völlig unmöglich sei eine „richtige", d. h. die unter therapeutischen Ge- sichtspunkten notwendige Festle- gung der Verordnungshöchstbeträ- ge. Eine Kontingentierung des Arz- neimittelbedarfs, möglicherweise

sogar auf der Basis zurückliegender Perioden, bedeute eine willkürliche Manipulation der Arzneitherapie, die sowohl Individualbedürfnisse des Patienten als auch die künftigen me- dizinischen Erfordernisse vernach- lässige.

Aufrufe zur Mithilfe

„Sie alle, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, bitte ich erneut um ein festes Zusammenstehen und um Ihre Mithilfe." So der Vorsitzende der KV Nordrhein in einem Schrei- ben an Kollegen. „Schreiben Sie Ihre Auffassung an Ihnen bekannte, auf politischer Ebene tätige Perso- nen, an die politischen Parteien oder auch an den Herrn Bundeskanzler und den Herrn Vizekanzler (Durch- schrift bitte an uns). Informieren Sie aber auch in geeigneter Weise Ihre Patienten", rät Muschallik. Für die Patienteninformation haben inzwi- schen viele KVen Materialien bereit- gestellt: Plakate und Handzettel (wie etwa die KV Hamburg), „verfremde- te" Rezeptformulare (wie die KV Berlin), um nur zwei Beispiele zu nennen. Ganz zu schweigen von den ausführlichen Erläuterungen des Gesetzesentwurfs, den wohl inzwi- schen alle KVen ihren Kassenärzten übermittelt haben.

Und was das Anschreiben von Politi- kern angeht — die KV Nordwürttem- berg hat „auf mehrfachen Wunsch von Kollegen, die ihre Empörung über die geplante Beschneidung der ärztlichen Behandlungsfreiheit auch gegenüber den maßgeblichen Spit- zenpolitikern auf Bundesebene zum Ausdruck bringen wollen", den Kas- senärzten „einige Adressen" be- kanntgegeben.

Je nach Notwendigkeit, so kündigt Muschallik seinen Kassenärzten in Nordrhein an, werde man „weitere Maßnahmen durchführen, für die ich schon heute um Ihre Unterstützung bitte." Muschallik: „Die Bedrohung des notwendigen Freiheitsraumes und der gesetzlichen Stellung des Arztes war noch nie so groß wie heute. Dennoch bitte ich Sie, nicht den Mut zu verlieren!" NJ

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 8 vom 24. Februar 1977 481

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