A 648 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 13|
30. März 2012 ferin zeigen und geben muss. Undwas, liebe Kollegen, soll ich ma- chen? Soll ich bei einem Patienten mit alkoholtoxischem Leberscha- den, Zirrhose wird schon vermieden (sic!), vielleicht abdominelle Fuß- ball-gucken-typische-Nebenwir- kungserkrankung des rechten obe- ren Quadranten schreiben? Etwas mehr Realitätssinn schadet uns al- len nicht.
Dr. Andreas Herzfeld, 04209 Leipzig
Plädoyer für verbale Sensibilität
Die Autoren stellen sehr anschau- lich dar, wie weit umgangssprach- liche Bezeichnungen wie „Hasen-
scharte“ und „Wolfsrachen“ für Lippen- und Lippen-Kiefer-Gau- men-Spalten auch heute noch im Sprachgebrauch von medizini- schen Laien, aber auch der Medi- ziner verbreitet sind. Sie verwei- sen am Beispiel der „Hasenschar- te“ auf die Wurzel dieses Denkens in der sogenannten Hasentheorie.
Diese beruht auf dem archaischen Volksglauben, dass das Erschre- cken beim Betrachten eines Hasen in der Schwangerschaft zu einer Fehlbildung beim Kind führen könne, eben der sogenannten Ha- senscharte. Dass diese Ausdrücke noch heute verwendet werden, ist unzeitgemäß und diffamiert von diesen Fehlbildungen betroffene
Menschen. Auch im Bereich der Pränataldiagnostik gibt es zahlrei- che, aus dem Volksglauben stam- mende Begriffe wie „Klumpfuß“,
„Wasserkopf“, „Froschkopf“ oder so unschöne Worte wie „Steck - dosennase“ oder ganz allgemein
„Missbildungsdiagnostik“. Derar- tige Begriffe sind ängstigend und kränkend im eigentlichen Sinne des Wortes. Ich plädiere deswegen an dieser Stelle dafür, dass wir Gynäkologen, insbesondere Präna- talmediziner, unsere Wortwahl überdenken und mehr verbale Sensibilität im Umgang mit schwangeren Frauen erkennen lassen .
Prof. Dr. med. Jael Backe, 97070 Würzburg
ORGA NSPENDE
Nach einem Bericht des Deutschen Krankenhausinsti- tuts können klinikin- terne Strukturverän- derungen die Abläu- fe bei der Organ- spende verbessern (DÄ 4/2012: „Wie hoch ist das Potenzial?“ von Nicola Siegmund-Schultze).
Das Potenzial ist hoch
Das Potenzial ist hoch! Warum?
Zum einen betrifft es den ärztlichen Umgang mit unrettbaren nichtein- willigungsfähigen Intensivpatien- ten, zum anderen die Ablehnungs- rate . . . Es handelt sich um Ent- scheidungen am Lebensende nicht- einwilligungsfähiger Patienten.
Lässt sich der Eintritt der Sterbe- phase erkennen? Ja, und zwar durch tägliche Überprüfung der Prinzipien Rettbarkeit und Lebens- bewahrung (= Sinn der Intensivthe- rapie) . . .
Die Rechtfertigung jedweder The- rapie, also auch jener am Lebens- ende, bedarf zweier Antworten:
1. Was ist das Therapieziel, und ist dieses Therapieziel realistisch (=
Überprüfung der Therapieindikati- on)?
2. Stimmen dieses Therapieziel und die geplante Maßnahme mit dem Patientenwillen überein (= Selbst-
bestimmung, Patientenwille)?
Bei fehlender beziehungsweise in- zwischen nicht mehr zutreffender Indikation (= kein realistisches Therapieziel) darf nicht behandelt werden. Im Fall der hier hinterfrag- ten Patientengruppe ändert sich das Therapieziel weg von der Intensiv- medizin (Intensivtherapiebeendi- gung) hin zur Palliativmedizin. Die ethischen Prinzipien Lebensrettung und Lebensbewahrung sind nicht länger zutreffend und treten hinter dem Prinzip Leidensminderung zu- rück. Es besteht zwar keine Rechts- verpflichtung zur Erhaltung erlö- schenden Lebens, aber es bestehen eine gesetzlich verankerte Richtli- nie zur Feststellung des Hirntodes und ein Transplantationsgesetz.
Und beiden sollten, ja, müssten alle Ärzte, die auf einer Intensivstation solche Patienten an deren Lebens- ende behandeln, zutiefst verpflich- tet sein, bis die Frage einer Organ- spende entschieden ist. Insofern gilt es, eine organprotektive kondi- tionierende Therapie aufrechtzuer- halten, bis der mutmaßliche Patien- tenwille bekannt ist. Das wird aber gar nicht selten versäumt. Und da- mit ein wichtiges Potenzial mögli- cher Organspenden. – Die gegen- wärtige Ablehnungsrate von mehr als 40 Prozent weist auf Miss- oder/und Unverstand in unserer Bevölkerung hin. Trotz aller Pro- Organspende-Kampagnen gelingt
es nicht, selbst manchen Ärzten nicht, klarzumachen, dass die Or- ganspende eines Toten vor allem auch ein Akt der Nächstenliebe ist, im reinsten Sinn des Wortes „Le- benshilfe“ für jene 12 000 Patien- ten in Deutschland, die auf der Warteliste zur Organtransplantation stehen. Dieser Unverstand ist für mich unsäglich bestürzend. Erst die Intensivmedizin mit ihrem Ersatz von lebenswichtigen Organfunktio- nen, nämlich Atmung (Lungen), Blutkreislauf (Herz) und Ausschei- dung (Nieren) schuf die Vorausset- zungen, dass der menschliche Or- ganismus weiterhin funktioniert, obwohl sein Gehirn bereits verstor- ben ist. Nicht mehr und nicht weni- ger bedeutet die Hirntoddiagnose:
– ein Mensch ohne ein lebendes Gehirn, und zwar endgültig. Ich selbst habe die Hirntoddiagnose aufgrund des Nachweises von län- ger als 30 Minuten fehlender Hirn- durchblutung an mehr als 700 Pa- tienten gestellt. Und der Gesetzge- ber stellte dazu fest: Ein solcher menschlicher Organismus ist eine Leiche. Gerade in einer Demokra- tie sollten Gesetze auch eingehal- ten werden. Falls es andere Mehr- heiten gibt, kann man sie ja ändern.
Das ändert aber nichts am toten Gehirn.
Prof. Dr. med. Dietmar Schneider, Universität Leipzig, Medizinische Fakultät, Klinik und Poliklinik für Neurologie, 04103 Leipzig
O G S
N d K t t d f spende verbessern (