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Archiv "Organspende: Wie hoch ist das Potenzial?" (27.01.2012)

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A 136 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 4

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27. Januar 2012

D

ie Zahl der postmortalen Or- ganspender in Deutschland ist 2011 im Vergleich zum Vorjahr ge- sunken: Die aktuelle Statistik der Deutschen Stiftung Organtransplan- tation (DSO), die die postmortale Or- ganspende koordiniert, weist für das letzte Jahr knapp 100 Spender weni- ger aus als für 2010 (1 200 Spender versus 1 296). Pro Spender werden durchschnittlich 3,6 Organe entnom- men. Die Rate der Spender sank da- mit von 15,9 pro Million Einwohner in 2010 auf 14,7 im vergangenen Jahr. Die Ursachen für den Rückgang sind nach Angaben der DSO unklar.

Woran liegt es, dass Deutschland im europäischen Vergleich seit vie- len Jahren im unteren Mittelfeld rangiert? Ist es die Skepsis der Bür- ger? Sind es organisatorische Män- gel in den Kliniken? Fehlt es ihnen an Geld oder an Erfahrung und Wissen, um potenzielle Organspen- der frühzeitig zu identifizieren?

Die Einschätzungen der DSO zu Fragen wie diesen haben schon bei der Transplantationsgesetzgebung im

Jahr 1997 eine Rolle gespielt. Da- mals, so das Bundesministerium für Gesundheit mit Bezug auf Daten der DSO, beteiligten sich nur 35 bis 40 Prozent der Kliniken mit Inten- sivbetten an der Meldung potenziel- ler Organspender. Deren Zahl also lasse sich – bei etwa gleichbleiben- der Ablehnungsrate von damals 33 Prozent – durch optimale Betei- ligung der Krankenhäuser mindes- tens verdoppeln. Der Gesetzgeber verpflichtete die Transplanta - tionszentren und andere Kranken- häuser, hirntote, potenzielle Spen- der zu melden (§ 11, Abs. 4). Noch im ersten Halbjahr 2012 soll das Gesetz novelliert werden.

Aktuelle Zwischenanalyse Etwa zeitgleich mit den neuen Zah- len zur Organspende liegt ein Zwi- schenbericht des Deutschen Kran- kenhausinstituts (DKI) vor, der im Auftrag der DSO erstellt wurde. Er liefert zumindest erste Hinweise auf mögliche Ursachen für die niedri- gen Organspenderaten, wenn auch

eine differenzierte Gesamtschau und -bewertung dem Abschlussbericht im Frühjahr diesen Jahres vorbehal- ten sei, heißt es im Vorwort.

Anfang 2010 hat ein Modellpro- jekt begonnen, die sogenannte In- housekoordination. Hierbei werden in Anlehnung an das Vorbild Spa- nien, das seine Organspenderaten zwischen 1989 und 2010 von 14,3 auf 34 Spender pro Million Einwoh- ner steigern konnte, die für die Or- ganspende relevanten Tätigkeiten in den Kliniken eng mit den Aufgaben der DSO verzahnt. Solche Struktur- veränderungen seien notwendig, wenn mittel- und langfristig das Po- tenzial der Spender annähernd aus- geschöpft werden sollte, so die DSO (Dtsch Arztebl 2009; 106:

A 550–3). Die Meldungen an post- mortalen Spendern nämlich blieben auch nach der gesetzlichen Veran- kerung der Meldepflicht weit hinter den Erwartungen zurück.

Kernelement der Inhousekoordi- nation sind eine Standardisierung und Dokumentation aller Abläufe um die Organspende: von der Früh- erkennung potenzieller Spender bis zur Entnahme von Organen. Dazu gehört auch – retrospektiv pro Quar- tal – eine gemeinsame Analyse von Mitarbeitern der Klinik (Inhouseko- ordinatoren) und der DSO (DSO- Koordinatoren) zum Spenderpoten- zial. Basis dafür sind die anonymi- sierten Todesfälle nach primärer und sekundärer Hirnschädigung.

Von 155 Universitätskrankenhäu- sern und Kliniken mit neurochirur- gischer Intensivstation (A- und B-Kliniken) nehmen bislang 112 an dem Modellprojekt teil. Für die wis- senschaftliche Evaluation hat das DKI sie zweimal befragt. Der Zwi- schenbericht umfasst – je nach un- tersuchtem Aspekt – einen Zeitraum von vier bis sechs Quartalen im Künstliche Beat-

mung ist Voraus- setzung für die Hirntoddiagnostik und Organspende.

Bei infauster Pro - gnose möchten vie- le Patienten die Therapie begrenzt wissen. Der Wunsch kann der Beatmung entgegenstehen.

ORGANSPENDE

Wie hoch ist das Potenzial?

Nach einem Bericht des Deutschen Krankenhausinstituts können klinikinterne Struk- turveränderungen in Form der Inhousekoordination die Abläufe bei der Organspende verbessern. Ob sich so langfristig die Zahl der Spender erhöhen lässt, ist unklar.

Foto: laif

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27. Januar 2012 A 137 Zeitraum 2010/2011. Mit einer

Rücklaufquote von mehr als 90 Pro- zent werden knapp drei Viertel aller A- und B-Krankenhäuser erfasst.

Die Inhousekoordination habe zu zahlreichen Verbesserungen in den Projektkrankenhäusern geführt, so das Resümee. Pro Quartal habe im Durchschnitt jedes Krankenhaus ei- ne Verbesserungsmaßnahme ge- plant oder umgesetzt. Der prakti- sche Nutzen dieses Ansatzes werde hoch eingeschätzt. Die Zahl der Transplantationsbeauftragten – In- housekoordinatoren sind meist auch Transplantationsbeauftragte – habe im Verlauf des Projektes zuge- nommen, ebenso die Zahl der fort- gebildeten Mitarbeiter.

Potenzial nicht ausgeschöpft Gleichwohl fallen die Unterschiede in den Entwicklungen der Spender- zahlen zwischen Projektkranken- häusern und den übrigen Kliniken insgesamt eher moderat aus, heißt es im Bericht. Die faktisch zu reali- sierenden zusätzlichen Spender würden die Raten nicht dem euro- päischen Durchschnitt oder dem Spitzenniveau angleichen. Dies gel- te zumindest für die A- und B-Kran- kenhäuser der Inhousekoordination.

Möglicherweise gebe es ein höhe- res, nicht ausgeschöpftes Potenzial bei den C-Krankenhäusern. Diese Kliniken mit anderen als neurochir - urgischen Intensivstationen nehmen bislang an der Inhousekoordination nicht teil.

Unter 11 029 Patienten, die in- nerhalb von vier Quartalen in den antwortenden Projektkrankenhäu- sern an primären oder sekundären Hirnschäden gestorben waren, gab es lediglich 617, denen Organe ent- nommen wurden. Das Potenzial sei damit aber vermutlich nicht ganz ausgeschöpft: Um 30 Prozent höher lag dem Zwischenbericht zufolge die Zahl der Patienten, bei denen ei- ne Hirntoddiagnostik sinnvoll gewe- sen wäre, die aber nicht eingeleitet wurde. Dieser Prozentsatz sei aber nicht gleichzusetzen damit, dass ein Drittel mehr Spender hätten rekru- tiert werden können, so der Autor Dr. rer. pol. Karl Blum vom DKI.

Denn als Spender gilt nur, wenn mindestens ein Organ entnommen

wurde. Bei diesem Drittel aber seien weder die Diagnose Hirntod noch die medizinischen und rechtlichen Voraussetzungen für die Organent- nahme geklärt gewesen.

Das zusätzliche realisierbare Po- tenzial an postmortalen Organspen- dern ist also niedriger als 30 Pro- zent, es wird im Bericht aber nicht näher quantifiziert. Dabei handelt es sich überwiegend um potenzielle Spender aus der Altersgruppe ab 65 Jahren. „Es wäre wichtig, den po- tenziellen Spender klar zu definie- ren, zum Beispiel als Verstorbenen, bei dem der Hirntod festgestellt ist, keine Kontraindikationen gegen die Organspende vorliegen und ledig- lich die Zustimmung fehlt“, sagt Priv.-Doz. Dr. med. Dietmar Mauer, Inhousekoordinator an der Universi- tätsklinik des Saarlandes, Homburg.

Den Bericht sieht er als erste, grobe Potenzialanalyse. „Er gibt ei- nen Hinweis, dass man bei drei bis fünf Prozent der an Hirnschäden Verstorbenen möglicherweise einen Schritt weiter hätte gehen und eine Hirntoddiagnostik veranlassen kön- nen“, sagt Mauer. Von der Inhouse- koordination sei offenbar kein Quan- tensprung zusätzlicher Spender zu erwarten. Sie habe aber die Struk- tur- und Prozessqualität in den Kli- niken und die Datentransparenz nach außen deutlich verbessert.

Der Medizinische Vorstand der DSO, Prof. Dr. med. Günter Kirste, hingegen hält die Schätzung des rea- lisierbaren Zusatzpotenzials für zu niedrig. „Aus meiner Sicht müssten nicht nur die Fälle in die Analyse des Zusatzpotenzials an Organspen- dern einbezogen werden, in denen eine Hirntoddiagnostik unterblieb, aber sinnvoll gewesen wäre, son- dern auch ein Teil derer, die an Hirn- schäden verstorben, aber gar nicht beatmet worden sind“, meint Kirste.

Seine Hypothese: Ärzte entschei- den teilweise vorzeitig, auf eine in- tensivmedizinische Therapie mit Beatmung zu verzichten; meist, weil die Angehörigen dies nicht wün- schen oder weil der Patientenwille entsprechend interpretiert werde.

Möglicherweise werde hier gele- gentlich auch der Wille zur Organ- spende übergangen. „Es gibt einen zunehmenden Trend zur Behand-

lungsbegrenzung. So könnte die von vielen als paradox empfundene Si- tuation eintreten, dass potenzielle Spender besser vor einem vorzeiti- gen Therapieabbruch geschützt sind als Menschen, die Organspende für sich ablehnen.“ Tatsächlich nennt der Zwischenbericht – außer einer fehlenden Zustimmung zur Organ- entnahme – die Therapielimitierung als einen wesentlichen Grund dafür, dass es nicht zu einer Abklärung der Organspende oder einer Organent- nahme komme: Ein Drittel der Pro- jektkrankenhäuser gab an, dies komme häufig vor. Gerade bei in - fauster Prognose und schwerer Hirn- schädigung lehnen viele Patienten oder Angehörige bestimmte inten- sivtherapeutische Maßnahmen ab, so dass eine Indikation zur Hirntod- diagnostik gar nicht gestellt werden kann. Wenn ein Überleben vermut- lich nur mit schwerer geistiger oder körperlicher Behinderung möglich wäre, bezweifeln vor allem betagte oder multimorbide Patienten den Sinn der Weiterbehandlung. Oft wird dann mit Angehörigen über Organ- spende gar nicht gesprochen.

Kapazitätsprobleme

Auch knappe Beatmungsplätze und Personalmangel werden als mögli- che Ursachen genannt, warum Or- ganspende nicht realisiert wird: Cir- ca zehn Prozent der Projektkranken- häuser hatten auf allen oder vielen Intensivstationen Kapazitätsproble- me bei der Beatmung, fast ein Vier- tel auf einigen Intensivstationen.

Und im Mittel waren 2,5 Arztstel- len und 10,1 Pflegestellen in Inten- sivbereichen unbesetzt. „Die DSO kann erst dann mit ihren Koordina- toren aushelfen, wenn der Hirntod festgestellt ist“, sagt Kirste. Denn um Interessenkollisionen zu ver- meiden, schreibt der Gesetzgeber eine Trennung von Aufgaben und Zuständigkeiten vor und nach der Feststellung des Hirntods vor. Ob man bei der Novellierung des Ge- setzes von diesem Prinzip abwei- chen wird, ist fraglich.

2012 soll die Inhousekoordinati- on nach Angaben von Günter Kirste weitergeführt werden: Ihre Finan- zierung sei gesichert.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

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