Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 10|
9. März 2012 A 457D
ie Organspende in Deutschland wird reformiert.Eine Spitzenrunde von Opposition, Koalition und Bundesregierung hat sich in der vergangenen Wo- che in Berlin darauf geeinigt, die bisher geltende Zu- stimmungslösung durch die sogenannte freiwillige Ent- scheidungslösung zu ersetzen. Diese Neuregelung ist für Deutschland gut – auch wenn Kritiker bereits ihre Zweifel anmelden.
Was sieht die Regelung konkret vor? Ab Sommer soll jeder Erwachsene regelmäßig von seiner Kranken- kasse über die Organspende informiert werden. Dabei wird ihm gleichzeitig die Frage gestellt, ob er bereit ist, im Falle des eigenen Hirntodes seine Organe zu spen- den. Er kann die Bereitschaft dazu erklären, sie vernei- nen oder den Brief, dem ein Organspendeausweis bei- liegt, auch wegwerfen. Die Abfrage solle „mit so viel Nachdruck wie möglich geschehen, ohne jedoch eine Antwort zu erzwingen oder Sanktionen auszuüben“, betonte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP).
Die erste Abfrage ist noch für dieses Jahr geplant, die nächste für 2014, und nach 2017 soll die Aufforderung alle fünf Jahre erfolgen. Die Entscheidung der Versi- cherten zur Organspende soll dann künftig auf der elek- tronischen Gesundheitskarte gespeichert werden.
Während viele Organisationen, darunter die Bundes- ärztekammer und die Deutsche Stiftung Organtrans- plantation, den Vorstoß begrüßen, geht anderen die freiwillige Entscheidungslösung nicht weit genug. Zu- gegeben, es ist ungewiss, ob durch das neue Gesetz die Organspendezahlen kurzfristig rapide steigen werden.
Doch eine Organspende lässt sich nicht erzwingen. Sie erfordert vielmehr großes Vertrauen der Bevölkerung in das gesamte System der Organspende. Denn eine Spen- de ist eine Geste der Nächstenliebe und muss nicht zu- letzt deshalb freiwillig bleiben.
Dieses Vertrauen muss stetig verdient werden. Noch im vergangenen Jahr fürchteten einer Umfrage der Ber- telsmann-Stiftung und der Barmer-GEK zufolge 45 Prozent der Deutschen, dass Ärztinnen und Ärzte nicht
mehr mit vollem Einsatz um ihr Leben kämpfen wür- den, wenn sie sich vorher zu einer Organspende bereit- erklärt haben. Diese Zweifel gilt es in den nächsten Jah- ren auszuräumen und zu zeigen, dass Organspende in Deutschlands Krankenhäusern sowohl medizinisch als auch ethisch und moralisch gut organisiert ist. Dazu hat die Regierung bereits im Kabinett ein neues Transplan- tationsgesetz verabschiedet, was ebenfalls bald im Bundestag beraten wird. Damit sollen Krankenhäuser konkretere Vorgaben bekommen, um mögliche Spender erkennen und Angehörige besser betreuen zu können.
Transplantationsbeauftragte an den Kliniken werden dabei eine wichtige Rolle spielen.
Als Alternative zu dem Kompromiss stand die Wi- derspruchslösung zur Diskussion. Bei ihr gilt jeder, der sich nicht ausdrücklich der Organspende verweigert, als Spender. Das wäre jedoch der falsche Weg gewesen.
Denn dieser Verfahrensvorschlag setzt nicht ausschließ- lich auf Transparenz, Vertrauen und Nächstenliebe, sondern zu einem Teil auch auf die Trägheit der Bürger.
Die Entscheidungslösung bietet dagegen die Chan- ce, die Organspende in Deutschland zu verbessern und die Menschen durch regelmäßige Denkanstöße von der Notwendigkeit und Richtigkeit der Organspende zu überzeugen.
ORGANSPENDE
Eine Geste der Nächstenliebe
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann
Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann Redakteurin für Gesundheits- und Sozialpolitik in Berlin