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Archiv "Körperbilder: Oskar Kokoschka (1886–1980) – An der Todesschwelle" (09.06.2014)

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[68] Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 23–24

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9. Juni 2014

S C H L U S S P U N K T

KÖRPERBILDER: OSKAR KOKOSCHKA (1886–1980)

An der Todesschwelle

S

einem letzten Selbstporträt gab er den ironischen Titel „Time, Gentlemen Please“ – der traditionel- le Aufruf, mit dem der Wirt in einem englischen Pub die letzte Runde ankündigte. Beatrice von Bormann, Kunsthistorikerin und Amsterdamer Gastkuratorin der aktuellen Kokoschka-Retrospektive in Wolfsburg, er- läutert in dem informativen Katalog zur Ausstellung ei- nen weiteren Bezug des Gemäldes zu den Exiljahren des gebürtigen Wieners Kokoschka ab 1938 in Eng- land: In London habe er während des Zweiten Welt- kriegs in der „National Gallery“ Rembrandts berühm- tes „Selbstbildnis mit 63 Jahren“ entdeckt, das ihn zu- tiefst beeindruckt habe. Noch Jahrzehnte später äußerte er seine große Bewunderung: „Dass ein Genius die ei- gene Vergänglichkeit so mutig im Spiegel sehen kann und die ,nothingness‘, das Nichts im Menschen, so ge- waltig schildern kann – das ist ein ewiges Wunder“, so Kokoschka 1966.

Von Mut zeugt auch seine eigene Auseinanderset- zung mit dem Sterben. 1971/72, als er noch fast zehn Jahre zu leben hatte, aber zunehmend an Altersbe- schwerden litt, malte sich der Mittachtziger an der To- desschwelle stehend: Mit erhobenem Haupt, Gesicht und Oberkörper zum Betrachter gedreht, scheint er

sich für einen letzten Moment von dem Unvermeidba- ren abzuwenden und blickt mit starr-gequälten Augen aufwärts. „Der kraftvolle Pinselstrich und die Intensi- tät seines Gesichtsausdrucks machen das Gemälde zu einem besonders bewegenden Beispiel von Kokosch- kas Spätwerk“, urteilt die Londoner Tate über das Œuvre, das sie 1986 erwarb. In „Time, Gentlemen Please“ öffnet der Tod dem Künstler die Tür zum Jen- seits – und eröffnet ihm im hohen Alter zugleich neue künstlerische Freiheiten, die sich in einer rasanten Skizzenhaftigkeit und expressiven Leuchtkraft der Farben niederschlugen.

Das Ritual der letzten Runde muss Kokoschka als pas- sende Metapher für seine Auseinandersetzung mit Leben und Tod erschienen sein. Nach der Fertigstellung des Bilds zeichnete sich altersbedingt auch das Ende seiner künstlerischen Laufbahn ab. Jedoch sicherte sein großer Einfluss auf nachfolgende Künstler der expressiven Figu- ration wie Baselitz oder Lüpertz seinen Fortbestand: In de- ren Werken lebt sein Geist weiter. Sabine Schuchart

Oskar Kokoschka: „Time, Gentlemen Please“, 1971/72, Öl auf Leinwand, 130 × 100 cm:

Mit 85 Jahren malte sich Oskar Kokoschka als Ganzkörperakt. Halb gezogen von dem bärtigen Dämon, der die Todespforte für ihn aufschließt, schreitet er mit vor dem Leib gekreuzten Armen vom Licht ins Dunkel.

LITERATUR

„Oskar Kokoschka: Humanist und Rebell“, Katalog zur Ausstellung, ge- bundene Ausgabe, 320 Seiten, Hirmer 2014; 49,90 Euro

AUSSTELLUNG

„Oskar Kokoschka.

Humanist und Rebell“

Kunstmuseum Wolfs- burg, Hollerplatz 1, Wolfsburg;

www.kunstmuseum- wolfsburg.de;

Di.–So. 11–18 Uhr;

bis 17. August

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