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Archiv "Gesundheitstelematik: Wann ist Fernbehandlung zulässig?" (24.10.2014)

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A 1846 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 43

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24. Oktober 2014

GESUNDHEITSTELEMATIK

Wann ist Fernbehandlung zulässig?

Die Regeln der Offline-Welt für eine medizinische Behandlung gelten auch in der Online-Welt. Dennoch bedürfen einige Grauzonen noch der Klärung.

S

chon vor 15 Jahren hat sich die Deutsche Gesellschaft für Medizinrecht mit rechtlichen Fra- gen der Telemedizin befasst und hierzu die „Einbecker Empfehlun- gen“ herausgegeben. „Wo stehen wir heute?“, fragte Prof. Dr. med.

Dr. jur. Christian Dierks bei der Te- lemed 2014 in Berlin, im Hinblick auf berufsrechtliche Aspekte. Grund- sätzlich gelten die Regeln der Off - line-Welt auch in der Online-Welt, stellte der Berliner Medizinrechts- experte mit Blick auf die Fernbe- handlung klar. „Wir haben den glei- chen Haftungsmaßstab, die gleichen Anforderungen an den Facharzt- standard, und es muss nach dem

State of the Art behandelt werden.“

Allerdings ist in diesem Fall, wenn die Beteiligten räumlich oder zeitlich getrennt sind, das

Risiko höher, dass der Arzt et- was übersieht, das er im un- mittelbaren persönlichen Kon- takt mit dem Patienten wahr- genommen hätte.

Nach dem Wortlaut der Berufs- ordnungen (vgl. § 7 Abs. 4 [Mus-

ter-]Berufsordnung) dürfen Ärzte eine individuelle Be-

handlung „nicht ausschließ- lich“ über Print- und Kom- munikationsmedien durch- führen, sondern auch bei telemedizinischen Verfahren ist zu gewährleisten, dass ein Arzt den Patienten unmittelbar behandelt. Von einem absoluten Fernbehandlungsverbot kann laut Dierks somit nicht gesprochen wer- den, sondern nur von einem Verbot der ausschließlichen Fernbehand- lung. Dennoch wäre eine Anpassung im Berufsrecht wünschenswert, da- mit „eine rechtlich zulässige Fernbe- handlung auch unzweifelhaft nach dem Wortlaut möglich ist“.

Der Anwalt verwies in diesem Kontext auf ein Gerichtsurteil, wo- nach es etwa beim Brustkrebssree-

ning ausreichen kann, wenn der be- fundende Arzt keinen persönlichen Kontakt zur Patientin hat, sondern nur die Mammographie bewertet.

Auch in der radiologischen Praxis sind Bildbefunde nicht immer mit einem direkten Patientenkontakt verbunden. Telemedizin ist daher vor allem in den Bereichen verbrei- tet, in denen statt des Patienten „op- tische Korrelate“ bewertet werden, wie in der Teleradiologie und Tele- pathologie.

Problematischer ist laut Dierks hingegen das Werbeverbot für Fern- behandlungen nach § 9 Heilmittel- werbegesetz, wonach eine Wer- bung für die Erkennung oder Be- handlung von Krankheiten unzuläs- sig ist, die nicht auf eigener Wahr- nehmung an dem zu behandeln- den Menschen beruht. „Das Verbot passt nicht mehr in diese Zeit“, meinte Dierks. „Wenn wir mit Tele- medizin Fortschritte machen wol- len, muss die Werbung für zulässige Formen der Fernbehandlung auch zulässig sein.“

Einbettung ins

Behandlungsgeschehen

Sein Fazit: Eine Diagnose oder Therapie, die über Fernkommuni- kationsmittel erbracht wird ohne Anbahnung oder Einbettung in ein Behandlungsgeschehen, ist berufs- rechtlich (derzeit) unzulässig. An- wendungen wie Telekonsil, Telera- diologie, Telemonitoring, die in ein Behandlungskonzept eingebet- tet sind, das auch einen unmittelba- ren Arzt-Patient-Kontakt vorsieht, sind hingegen rechtlich zulässig –

„freilich unter Einbettung in eine Risikoanalyse und -minimierung“

(Dierks), die den damit verbundenen höheren Risiken geschuldet sind.

„Die Anbahnung bei unsicherer Weiterbehandlung, die Vorabbera- tung, die Dringlichkeitseinschätzung, die allgemeine Information bezüg-

lich der individuellen Situation be- wegen sich noch im Graubereich.

Hier ist Klarheit gefordert“, meinte Dierks. Hier wäre es sinnvoll, die be- stehenden Verfahren daraufhin zu un- tersuchen, welche Risiken sie enthal- ten und welche Möglichkeit es gebe, den Sorgfaltsstandard einzuhalten.

Besondere

Aufklärungspflichten

Auch wenn ein Arzt ärztliche Leis- tungen auf nichtmedizinisches Per- sonal überträgt, etwa im Sine von Delegation, ist er weiterhin für die ordnungsgemäße Auswahl, Anlei- tung und Überwachung der Mitar- beiter in der Pflicht. Für die Haftung ändert sich dadurch wenig: „Nach wie vor gibt es eine lückenlose Zu- rechnung der Haftung auf den an- weisenden Arzt, der sich auch die Tätigkeiten des delegierenden und des substituierenden Handelnden zurechnen lassen muss“, erklärte Dierks. Aus Sicht des Patienten tre- ten zwar die Behandler als eigen- ständig Haftende neben den Arzt, aber insgesamt bleibe es bei einer Gesamthaftung in diesem arbeits- teiligen Behandlungsgeschehen.

Delegation und Substitution kön- nen Dierks zufolge somit gleicher- maßen in den üblichen Sorgfaltsmaß- stab des Behandlungskontextes ein- gebettet werden und sind eine zusätz- liche Erweiterung des Betätigungs- feldes in der Telemedizin. Nach dem Patientenrechtegesetz muss der Arzt den Patienten allerdings darüber auf- klären, dass die telemedizinische Methode noch nicht etabliert ist und dass am Ende der Behandlungskette möglicherweise auch ein Nichtarzt steht, der eine Handlung etwa als Substituierender durchführt. Im BGB sollte laut Dierks daher ein Paragraf aufgenommen werden, der auf die besonderen Aufklärungspflichten bei Telemedizin hinweist.

Heike E. Krüger-Brand

Abbildung: Fotolia/reeel

P O L I T I K

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