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A1844 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 25⏐⏐24. Juni 2005
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icht wenige Arzthelfe- rinnen und auch ange- stellte Krankenhausärz- te wollen ihr Einkommen mit einem Zweitjob aufbessern.Bedarf eine solche Ne- bentätigkeit der Genehmi- gung des Arbeitgebers, also des Krankenhauses bezie- hungsweise des niederglasse- nen Arztes?
Unter Nebentätigkeit ist je- de Tätigkeit zu verstehen, in der der Arbeitnehmer außer- halb seines Hauptarbeitsver- hältnisses seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt.Dabei gilt, dass ohne besondere gesetz- liche, tarifliche oder einzel- vertragliche Beschränkung die Ausübung einer Nebentätig- keit – sei sie entgeltlich oder unentgeltlich, selbstständig oder unselbstständig – zulässig ist. Der Arbeitnehmer kann sich auf sein Grundrecht der Freiheit der Berufswahl/-aus- übung sowie auf seine eben- falls grundrechtlich geschützte allgemeine Handlungsfreiheit berufen. Eine Einschränkung dieser Betätigungsfreiheit kann sich jedoch aus kollektiv- rechtlichen oder einzelver- traglichen Regelungen, etwa über Zustimmungserforder- nisse oder Nebentätigkeits- verbote, ergeben.
Solche Vertragsklauseln und Tarifnormen sind verfas- sungskonform; müssen aber den in Artikel 12 des Grund- gesetzes (Freiheit der Berufs- wahl/-ausübung) zum Aus- druck gekommenen Wertvor- stellungen entsprechen. So dürfen nur solche Neben- tätigkeiten von einer vorheri- gen Zustimmung des Arbeit- gebers abhängig gemacht oder verboten werden, an de- ren Unterlassung der Arbeit- geber ein berechtigtes Inter- esse hat. Dies ist etwa der Fall, wenn durch die Ausübung der Nebentätigkeit die vertrag- lich geschuldeten Leistungen beeinträchtigt werden – etwa bei einem nebenberuflichen Tätigwerden während der Ar- beitszeit oder während der Arbeitsunfähigkeit.
Einem Krankenpfleger kann zum Beispiel eine Ne- bentätigkeit als Leichenbe-
statter verboten werden, weil seine Haupttätigkeit der Ret- tung und Erhaltung von Le- ben und Gesundheit der ihm anvertrauten Patienten dient.
Dies ist mit der Nebentätig- keit als Bestatter unvereinbar, weil dies „Irritationen“ bei den Patienten zur Folge haben kann. Im Einzelfall kann die Nebentätigkeit auch gegen ge- setzliche Verbote verstoßen.
So bestimmt § 8 des Bundes- urlaubsgesetzes, dass ein Ar- beitnehmer während des Ur- laubs „keine dem Urlaubs- zweck widersprechende Er- werbstätigkeit“ leisten darf.
Der Arbeitgeber hat dann ei- nen Unterlassungsanspruch gegen den Arbeitnehmer, den er notfalls auch gerichtlich durchsetzen kann.
In der Praxis lässt sich ein berechtigtes Interesse des Ar- beitgebers auf Unterlassung der Nebentätigkeit nur selten nachweisen. Soweit dies jedoch gelingt und es sich um eine ver- botene und damit arbeitsver- tragswidrige Nebentätigkeit handelt, stellt ein Verstoß ge- gen diese Verhaltenspflichten – nach vorheriger Abmahnung – einen verhaltensbedingten Grund im Sinne des Kündi-
gungsschutzgesetzes dar. Die Folge: Eine hierauf gestützte ordentliche Kündigung ist so- zial gerechtfertigt.
Eine Kündigung wegen Nebentätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit kommt allerdings meist – entgegen weit verbreiteter anderer Auffassung – nur dann in Be- tracht, wenn es sich um eine unerlaubte Konkurrenztätig- keit handelt oder der Hei- lungsprozess gefährdet wird.
Soweit ein Arbeitnehmer infolge der Nebentätigkeit schlechte Arbeit leistet, besteht für den Arbeitgeber auch die Möglichkeit, Schadensersatz- ansprüche geltend zu machen, wenn ihm durch die Schlecht- leistung des Arbeitnehmers ein nachweisbarer kausaler Scha- den entstanden ist.
Gesetzlich angeordnet ist die Genehmigungspflicht für die Nebentätigkeit von Be- amten.Diese Regelung findet gemäß § 11 Bundesangestell- tentarifvertrag für Angestell- te im öffentlichen Dienst – und damit in nahezu allen Krankenhäusern, die von öf- fentlichen Trägern gehalten werden – sinngemäß Anwen- dung. Es besteht nach der
Rechtsprechung des Bundes- arbeitsgerichts ein Anspruch auf Erteilung der Genehmi- gung, wenn eine Beeinträchti- gung der Arbeitgeberinteres- sen nicht droht.
Dem Arbeitnehmer ist wäh- rend des Bestehens des Ar- beitsverhältnisses jede Form von Konkurrenztätigkeit ver- boten. Das für kaufmänni- sche Angestellte normierte Wettbewerbsverbot des § 60 Handelsgesetzbuch enthält einen für alle Arbeitnehmer gültigen Rechtsgedanken.Ei- ne unerlaubte Konkurrenz- tätigkeit liegt vor, wenn der Arbeitnehmer seine Dienste und Leistungen Dritten im Marktbereich des Arbeitge- bers ohne dessen Zustim- mung anbietet.
Wenn strittig bleibt, ob und in welchem Umfang der Ar- beitgeber dem Arbeitnehmer eine Konkurrenztätigkeit ge- stattet hat, trägt der Arbeitge- ber die Darlegungs- und Be- weislast dafür, dass die vom Arbeitnehmer behauptete Gestattung nicht vorliegt. Ver- letzt der Arbeitnehmer durch unerlaubte Konkurrenz seine Vertragspflichten, so rechtfer- tigt dies eine Kündigung. Eine vorherige Abmahnung ist dann nicht erforderlich.
Vorbereitungshandlungen, die nach außen noch nicht als Betätigung im Geschäftsbe- reich des Arbeitgebers er- scheinen, zum Beispiel die Anmietung von Praxis- oder Büroräumen, der Einkauf von Einrichtungsgegenstän- den und die Beschaffung von Materialien, stellen dagegen noch keine zur Kündigung berechtigende Konkurrenz- tätigkeiten dar. Unzulässig ist hingegen ein „Vorfühlen“ bei potenziellen Kunden, auch wenn es nicht zu Geschäftsab- schlüssen kommt. Anders sieht es nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus:
Dann kann eine Konkurrenz- tätigkeit des Arbeitnehmers nur durch ein nachvertragli- ches Wettbewerbsverbot ge- gen Zahlung einer Karenz- entschädigung ausgeschlos- sen werden. Dr. jur. Jörg Laber CBH Rechtsanwälte Köln
Arbeitsrecht
Wann Nebentätigkeiten zulässig sind
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