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Archiv "Delegation und Substitution: Wer wann wo behandeln darf" (06.03.2015)

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A 402 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 112

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Heft 10

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6. März 2015

DELEGATION UND SUBSTITUTION

Wer wann wo behandeln darf

Das Thema „Substitution ärztlicher Leistung“ steht derzeit nicht mehr im

Vordergrund bei der Frage, wie die Herausforderung einer guten medizinischen Versorgung bei einem zu erwartenden Ärztemangel bewältigt werden soll.

E

in schwarzes J auf den Na- mensschildchen gab es für die Juristen, ein rotes M für die Medizi- ner unter den Teilnehmern des 44.

Symposiums für Juristen und Ärzte in der Kaiserin Friedrich-Stiftung in Berlin. Die Mediziner waren bei der Veranstaltung zu dem Thema „Aus- übung der Heilkunde – durch wen und wie? Delegation, Substitution, Assistenz“ am 20. und 21. Februar deutlich in der Unterzahl – auf zwei Juristen kam ein Arzt, was vielleicht damit zusammenhängen mag, dass Ärzte im Beisein von Juristen ihr la- tentes forensisches Risiko wittern, wohingegen Juristen dem Gesund- heitsbereich als einem nicht unbe- deutsamen Betätigungsfeld positi- vere Aspekte abgewinnen können.

Dabei wurden den Ärzten durch- aus aufschlussreiche juristische Ein- schätzungen mit auf den Weg ge - geben, wie etwa die von Prof. Dr.

jur. Jochen Taupitz, dass es hierzu- lande eine gesetzliche Definition der Heilkunde nur im Heilprakti- kergesetz gebe. Dort finde sich zwar ein Erlaubnisvorbehalt für Nichtärzte, die Heilkunde ausüben wollen, der Begriff der Heilkunde sei allerdings sehr weit gefasst als

„jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Fest- stellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Kör- perschäden bei Menschen“.

Heilkunde sei danach, meint der Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidel- berg und Mannheim, „so gut wie jede im Gesundheitswesen zu veror- tende Tätigkeit“. Er sei deshalb kaum zur Abgrenzung der Arbeits- bereiche im Gesundheitswesen ge- eignet. Auch die Bundesärzteord- nung, nach der nur derjenige, der als

Arzt approbiert sei, den ärztlichen Beruf ausüben dürfe, ändere daran nichts. Diese Bestimmung sei im Grunde lediglich nur ein Titelschutz für den Arztberuf; was Heilkunde sei, werde dort nicht definiert.

Substitution bedeute nun die Übernahme bestimmter heilkundli- cher Tätigkeiten durch eine andere Berufsgruppe, führte Taupitz aus.

„Kurz gesagt, der Arzt ist dann völ- lig raus.“ Nur bei einem gesetzli- chen Facharztvorbehalt, wie er zum Beispiel in § 7 Gendiagnostikgesetz formuliert sei, oder aufgrund einer Vereinbarung mit dem Patienten über eine höchstpersönliche Leis- tungspflicht gebe es keine Substitu- tionsfähigkeit einer Leistung. Die gemeinsame Stellungnahme von Bundesärztekammer und Kassen-

ärztlicher Bundesvereinigung aus dem Jahr 2008 (Persönliche Leis- tungserbringung: Möglichkeiten und Grenzen der Delegation ärztli- cher Leistungen), wonach Substitu- tion nicht zulässig sei bei Leistun- gen, die aufgrund ihrer Schwierig- keit, Gefährlichkeit oder Unvorher- sehbarkeit besonderes ärztliches Fachwissen erfordern, sieht Taupitz nicht als allgemein verbindlich an;

diese Ausführungen betreffen nach seiner Lesart nur die Abrechenbar- keit solcher Leistungen im Sozialge- setzbuch V. Mit dieser Einschätzung stieß er allerdings bei dem Symposi- um auch auf Widerspruch, etwa bei Dr. jur. Ulrich Orlowski, dem Leiter der im Bundesgesundheitsministeri- um für das Kassenarztrecht zustän- digen Abteilung. Er versteht den

§ 15 SGB V zum Arztvorbehalt in einem grundsätzlicheren Sinne.

Politik muss für gesetzliche Vorgaben sorgen

Es sei Sache der Politik, sagte Tau- pitz, für die gesetzlichen Vorgaben zu sorgen, sollte sie die Zusammen- arbeit der Gesundheitsberufe auf dem Wege der Substitution neu re- geln wollen. Hier habe sich seit dem Pflegeweiterentwicklungsgesetz 2008, das nach § 63 Abs. 3 c SGB V im Rahmen von Modellvorhaben ei- ne Substitution ärztlicher Aufgaben durch die Pflege ermöglicht habe, nichts Wesentliches mehr ereignet.

Dieses Modellprojekt nach § 63 SGB V sei wegen seiner absurden Qualifikationsvorgaben gescheitert, kritisierte Thomas Meißner, Deut- scher Pflegerat, auf dem Symposi- um für Juristen und Ärzte. Darauf habe die Politik nun reagiert und im Versorgungsstärkungsgesetz eine Änderung des Krankenpflegegeset- zes vorgesehen. Danach kann der G-BA künftig standardisierte Mo- Ohne Delegation

ärztlicher Leistun- gen ist der medizi - nische Versorgungs - alltag nicht zu be - wältigen.

Foto: mauritius images

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6. März 2015 A 403 dule für die zusätzlich erforderliche

Ausbildung der Pflegeberufe entwi- ckeln, auch ohne dass eine Verein- barung über ein Modellvorhaben vorliege. Für Meißner ist dies im Gesetzentwurf immer noch nicht ausreichend verbindlich formuliert.

Eine Verpflichtung des G-BA an- stelle der Kann-Formulierung wäre hier hilfreich gewesen. Der § 63 Abs. 3 c SGB V stelle doch, hob Meissner hervor, keinen Angriff auf den ärztlichen Beruf dar. Der Deut- sche Pflegerat gehe davon aus, dass auf dieser Grundlage eine Verbesse- rung der Versorgung möglich sei.

Mehr Synergie der vorhandenen Kompetenzen statt Kompetenzver- lagerung und Konkurrenz – dies sei zur arbeitsteiligen Bewältigung der Zukunftsaufgaben im Gesundheits- wesen unverzichtbar, betonte der Präsident der Ärztekammer Westfa- len-Lippe, Dr. med. Theodor Wind- horst: „Wir brauchen mehr Pflege, die besser alimentiert wird, aber für die Qualität der Patientenversor- gung muss die ungeteilte Verant- wortung über die Diagnostik und Therapie sowie das finanzielle Bud- get beim Arzt liegen.“ Was er ver- meiden möchte, ist eine Versor- gungszwischenebene, wie sie bereits in einigen angloamerikanischen Ländern existiert.

Im Rahmen der Delegation ärzt- licher Leistungen an nichtärztliche Praxisassistentinnen (NäPa) haben vor Kurzem die GKV-Vertragspart- ner den Weg frei gemacht für die Abrechnung von Leistungen der

„Behandlung und Betreuung in der Häuslichkeit des Patienten“. Dass hier möglicherweise berufsrechtli-

che und vertragsarztrechtliche Qua- litätssicherungsnormen kollidieren, darauf machte der Medizinrechtler Prof. Dr. jur. Martin Stellpflug auf- merksam. Sein Standpunkt: Be- handlungs- und Betreuungsbesuche prägen Berufsbild und Berufsaus- übung des Hausarztes. Sie gehören zu den unverzichtbaren hausärztli- chen Kernkompetenzen, die den Einsatz der spezifischen Fach- kenntnisse und Erfahrungen eines Hausarztes erfordern. Man müsse sich fragen, wie bei Folgebesuchen durch die nichtärztlichen Praxisas- sistentinnen der fachärztliche Stan- dard gewährleistet werden könne, merkte Stellpflug an. Er gebe ein Sorgfalts- und Haftungsproblem, insbesondere dann, wenn – wie der- zeit möglich – eine Genehmigung delegationsfähiger Leistungen er- folge, bevor die medizinische Fach- angestellte überhaupt ihre Fortbil- dung zur NäPa abgeschlossen habe.

Stellwag sieht hier „eine Fremdbe- stimmung der autonomen ärztli- chen Selbstverwaltung durch die von Kompromiss und gesundheits- politischem Interessenausgleich ge- prägte gemeinsame Selbstverwal- tung des Vertragsarztrechts“.

Erfahrungsberichte aus dem ärzt- lichen Alltag gab es beim 44. Sym- posium für Juristen und Ärzte in ei- ner Reihe von Beiträgen. Durchge- hend deutlich war ärztlicherseits die Ablehnung der Substitution, also der Abgabe von Verantwortung für eine durchzuführende Maßnahme.

Dass dies möglicherweise nicht dauerhaft so bleiben werde, zeigen für Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm, den ehemaligen 1. Vor- sitzenden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Ergebnisse einer aktuellen Befragung von Me- dizinstudierenden. Mehrheitlich po- sitiv bewerteten diese die eigenver- antwortliche Übernahme bestimm- ter bisher ärztlicher Aufgaben durch Pflegekräfte und medizinische Fachangestellte, sofern die Qualität gewährleistet sei.

Aber noch ist dies Zukunftsmu- sik, wohingegen aktuell Probleme am Übergang vom ärztlichen zum nichtärztlichen Handeln im Vorder- grund stehen. So sei etwa der Be- trieb einer dermatologischen Fach-

praxis ohne Delegation an das nichtärztliche Praxispersonal heute undenkbar, betonte der Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Dermatologen, Dr. med. Klaus Strömer. Sie sei eine unverzichtbare Entlastung des Arztes bei zuneh- mender Arbeitsverdichtung. Aber:

Die Auswertung einer Online-Be- fragung von Mitgliedern des Be- rufsverbandes mit einem Rücklauf von 427 Antworten weise aktuell auf eine bedenkliche Entwicklung hin. Bei einem Teil der Arztpraxen würden bereits Leistungen an medi- zinische Fachangestellte delegiert, die Strömer eindeutig als Eingriffe am Patienten bewertet, die der Arzt selbst durchführen müsste.

Ärztliches Fachwissen für die Befundung erforderlich Der Vorsitzende des Berufsverban- des der Augenärzte Deutschlands, Prof. Dr. med. Bernd Bertram, hob eine andere Schnittstellenproblema- tik hervor. Er sieht derzeit die Ten- denz einiger Optiker, sich als Gate- keeper und primäre Ansprechpart- ner bei Problemen rund um das Se- hen zu etablieren; sie wollten den Zustand der Augen überprüfen und bei Krankheitsverdacht an den Au- genarzt überweisen. Bertram spricht ihnen aufgrund ihrer Ausbildung die Kompetenz zur Befundung von Bil- dern der Augenabschnitte ab. Dies erfordere das Fachwissen eines Au- genarztes, der nach Medizinstudium und fünfjähriger Weiterbildung un- ter Anleitung als einziger in der La- ge sei, auf der Grundlage von Bil- dern des Auges eine Einordnung in die Kategorien „normal“ oder

„krankhaft“ vorzunehmen.

Letztendlich scheint es schwer, vorherzusagen, wohin die Reise ge- hen wird. Das hängt nicht zuletzt davon ab, wie viele Ärzte künftig unter einer wahrscheinlich zuneh- menden Beanspruchung für die me- dizinische Versorgung zur Verfü- gung stehen werden. Durchaus vor- stellbar ist, dass Versorgungsfor- men, die heute noch auf strikte Ab- lehnung stoßen, unter gänzlich ver- änderten Bedingungen sich bald schon als einzig praktikable Alter- native erweisen werden.

Thomas Gerst Delegation: Übertragung bestimmter Tätigkeiten an ärztli-

che und nichtärztliche Mitarbeiter zur selbstständigen Er- ledigung. Leistungen, die der Arzt wegen ihrer Art oder der mit ihnen verbundenen Gefährlichkeit nicht höchstpersön- lich erbringen muss, darf er an nichtärztliche Mitarbeiter delegieren. Auswahl, Anleitung und Überwachung gesche- hen in Abhängigkeit von der Qualifikation.

Substitution: Ersetzen des Arztes durch einen Nicht-Arzt einschließlich des Übergangs der Verantwortung – selbstständige Ausübung der Heilkunde

DEFINITION

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