A 396 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 9|
2. März 2012A K T U E L L
RANDNOTIZ
Birgit Hibbeler
Deutschland hat offenbar einen un- endlichen Bedarf an Superstars und Topmodels. Anders ist das der- zeitige Fernsehprogramm kaum zu erklären. Seit kurzem sorgt nun auch Pro Sieben mit „Germany’s Next Top Model“ wieder für die Nachwuchs- gewinnung. In dieser Castingshow suchen Heidi Klum und wechselnde Mitstreiter nach Talenten für den Laufsteg. Kritik an dem Sendeformat gab es von Anfang an. Von „Minder-
jährigen im Magerwahn“ war die Re- de, aber auch von der „Glamour-Lü- ge“. Schließlich blieb bei den bishe- rigen Gewinnerinnen eine Karriere als Topmodel in der Regel aus.
Nun hat sich die Deutsche Ge- sellschaft für Psychosomatische Me- dizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) zu Wort gemeldet und warnt: Castingshows beeinflussen das Körperbild von Jugendlichen, insbesondere von Mädchen. Die DGPM bezieht sich auf eine Studie des Internationalen Zentralinstituts für das Jugend- und Bildungsfernse- hen des Bayerischen Rundfunks.
Sicherlich haben Essstörungen niemals nur eine Ursache. Doch ein überall präsentes Idealbild von Schönheit prägt die Bewertung des eigenen Körpers. Überhaupt scheint sich die Sichtweise auf Äußerlichkei- ten in den letzten Jahren geändert zu haben. Tabus gibt es nicht mehr.
Sogar die letzte Bastion – der Intim- bereich – ist mittlerweile gefallen.
Das zeigt sich an der steigenden Zahl intimchirurgischer Eingriffe, zum Beispiel Schamlippenverkleine- rungen. Vielleicht ist der kürzlich ans Licht gekommene Skandal um die mit Industriesilikon gefüllten Brust- implantate da ganz heilsam. Denn er zeigt: Gesundheit ist ein höheres Gut als die Körbchengröße. Und ein ope- rativer Eingriff ist etwas anderes als ein Besuch bei der Maniküre.
Schönheit um jeden Preis
Die Leistungsdelegation an nicht- ärztliche Mitarbeiter muss vollstän- dig in der Verantwortung des Arztes bleiben – dies ist das Fazit einer ge- meinsam von den ärztlichen Spit- zenverbänden Deutschlands unter- zeichneten Resolution. Die Verbän- de waren auf Einladung der Bun- desärztekammer am 23. Februar in Berlin zur Erörterung dringender gesundheitspolitischer Probleme zu- sammengekommen.
Die demografische Entwicklung führe zwar zu einem zunehmenden Koordinierungs- und Kooperations- bedarf bei der Patientenbetreuung, heißt es in der Resolution, dabei dürfe aber nicht die ärztliche ganz- heitliche Sicht auf die zu behan- delnden Menschen verloren gehen.
Deshalb sprechen sich die Unter- zeichner der Resolution gegen eine pauschale oder allein leistungsbe- zogene Delegation an nichtärztliche Mitarbeiter aus. Vielmehr müssten die sich beim Patienten jeweils in- dividuell ergebende Indikationsstel- lung, die berufsgruppenspezifische DELEGATION ÄRZTLICHER LEISTUNG
Spitzenverbände formulieren Kernforderungen
Qualifikation des nichtärztlichen Mitarbeiters und das Versorgungs- umfeld des Patienten berücksichtigt werden. Gesetzgeber und Selbst- verwaltung werden aufgefordert, die Vorgaben für das Zusammen- wirken von Ärzten und nichtärztli- chen Gesundheitsberufen im Sin- ne des Facharztstandards zu gestal- ten und „eine ärztliche Kompetenz ausschließende Medizinsubstitution nicht zuzulassen“.
Heftige Kritik an der Resolu - tion der ärztlichen Spitzenverbände kommt vom Deutschen Pflegerat (DPR). Es entstehe hier der Ein- druck, „dass lediglich ein Monopol und Privilegien verteidigt werden sollen, die sich längst überholt ha- ben“. Gerade diejenigen Länder, in denen es eine sinnvolle Aufgaben- teilung zwischen den Gesundheits- professionen gebe, die auf Part - nerschaftlichkeit und nicht auf Hier archie beruhe, würden bei den Gesundheitskennzahlen an der Spit - ze liegen, kritisierte DPR-Präsident Andreas Westerfellhaus. TG
Die meisten der im Sommer 2011 am Darmerreger EHEC erkrankten Patienten sind wieder völlig ge-
sund. Nur wenige der 4 800 Betrof- fenen, die sich in Deutschland infi- ziert hatten, seien noch immer in Behandlung, sagte Prof. Dr. med.
Joachim Röther, Chefarzt der Neu- rologischen Abteilung der Askle- pios-Klinik Altona in Hamburg, auf EHEC-HUS-ERKRANKTE
Spätfolgen bei bis zu zehn Prozent der Patienten
einer Tagung der Neurointensiv- und Notfallmedizin. Dem Robert-Koch- Institut zufolge sind „nur“ 3 800 der Infektionen auf die von den Spros- sen ausgelöste Epidemie zurückzu- führen, da jedes Jahr ohnehin 1 000 Patienten an EHEC erkrankten.
Von den 852 Menschen, die im Rahmen der EHEC-Infektion als Komplikation das hämolytisch-ur - ämische Syndrom (HUS) entwickelt hatten, leiden fünf bis zehn Pro- zent an bleibenden neurologischen Schäden wie Bewegungs- oder Sprachstörungen, wie Röther be- merkte. Damals wurden bei 50 Pro- zent der HUS-Patienten neurologi- sche Störungen diagnostiziert, von diesen litten 20 Prozent an epilepti- schen Anfällen. Röther empfiehlt im Fall künftiger Epidemien die frühzeitige interdisziplinäre Behand- lung mit Neurologen. mk Enterohämor-
rhagische E. coli (EHEC)
lösten im ver- gangenen Jahr schwere Erkran-
kungen aus.
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