140
Amuletum.
Von J. Gildemeister.
Eine Anfrage über die Zulässigkeit der jetzt landläufigen Ab¬
leitung des Wortes amuletum aus dem Arabiscben veranlasste
Folgendes niederzuscbreiben, das einen eingevnirzelten Irrthum aus¬
zurotten vielleicht auch in weiterem Kreise beitragen kann.
Der erste, welcher eine solche aufstellte, war der Hofdolmetscb
v. Hammer, der bekanntUch mannichfache Einfälle in den ver¬
schiedenen Bedeutungen dieses Wortes hatte. Im Jahr 1814 (Fund¬
gruben des Or. FV, 156) behauptete er, amuletum stamme von dem
arabischen hamalet, ohne dass ihn kümmerte, dass dies Wort Ob-
liegenheä bedeutet. Er musste wenigstens himälet sagen, wodurch
freiUch der Gleichklang einen Stoss erhtten hätte , oder vielmehr
statt jener türkischen Aussprache das reine kimäla anwenden, welche
Absolutform bei aUen directen Üebergängen in das Romanische zu
Grunde liegt (vgl. Engelmann-Dozy). Diese Etymologie wnrde jedoch
ÜberaU, in Wörterbüchem (selbst noch in Georges lateinischem
von 1879), in Encyclopaedien (Grotefend bei Ersch 1819 scheint
sie populär gemacht zu haben) und sonst bis auf die Conversations- lexica herab, sorglos nachgeschrieben.
Später und ohne Beziehung auf diesen Versuch schlug ein
Arabist von ganz anderem Schlage einen etwas anderen Weg ein.
Dozy Oosterlingen 1867 p. 13. Gloss, des mots Esp. 1869 p. 341
s. V. tahali dachte an die Form hamdü. Diese bezeichnet in der
alten Sprache ausschliesslich das Schwertgehänge und ist eigenthch
eine stets als Singular (z. B. Ham. 469, V. 3. 741 V. 6 und Schol.
Tahmän ed. Wright 87, 4 v. u.) gebrauchte Plural- oder CoUectiv-
form. Die aus Palmfasem verfertigten der Nomaden, wie ein solches
auch Omar zugeschiieUen wird (Ibn Tik^aka 33, 17), bestanden
nothwendig aus mehreren Strängen. Grammatiker suchten dazu
eine Singularfonn und fanden sie in himäla und hamila, die aller¬
dings in Gebrauch ist (Tibr. zu Ham. 39, V. 3). Schon NGS chroeder
De vest. mul. 1735 p. 170 übersetzt hatndü durch amuletum, ohne
dass ersichtlich ist, ob mit etymologischem Nebengedanken, jeden¬
faUs an dieser SteUe mit Unrecht, da sie besagt, dass des Mannes
Gildemeüter, Amuletum. 141
Vorzug nicht in äusserem Schmuck besteht, rmd die Schwertgehänge
aUmähhch zu Schmuck- und Prachtstücken geworden waren. Der
gleiche Gedanke kommt auch sonst mehrfach vor, wie ähnlich Abul'alä
Sikt alzand p. III sagt, das die Güte des Schwertes nicht auf
seinem hamäil und seiner Scheide beruhe. Auch Tommaseo
Diz. Ital. hat schon vor Dozy 1865 die Etymologie hhmnajel,
hhamail, olme eine Quelle anzugeben.
Die fernere Begrififsentwicklung zeigt sich zunächst in einer von
Dozy beigebrachten SteUe eines offenbar späten spanischen Schrift¬
steUers (bei Makkari II 527, 15), wo der angeführte Singular himäla
von der Schnur gebraucht ist , an der das als Amulet dienende
Koranetm vom Hals herabhängt. Von hier aus ergiebt sich danu
leicht, dass hamäil im neueren vulgären Sprachgebrauch für das
ganze Amulet erscbeint bei Lexicographen und Reisenden, welche
Dozy citirt, während er bei keinem mittelalterhchen SchriftsteUer
das Wort gefunden habe. Der Uebergang ist wie bei mgiafifia,
ligatura. Nach Berggren beisst heute in Syrien ein Amulet auch
'iläka, das im älteren Arabisch das Schwertgehänge ist. Tahvit,
Umvrindung, findet sich in diesem Sinne antik bei Laue, modern
in Hartmann's Sprachführer.
Die erforderliche Bedeutimg ist hiermit allerdings gewonnen,
aber weiter fragt sich, nach welchem Gesetz oder nach welcher
Analogie soll der Uebergang von ä oder äi in u erklärt werden?
Offenbar um diese Schwierigkeit zu umgehen hat man eine dritte
Porm herbeigezogen. Weigand z. B., ohne die QueUe seiner Weis¬
heit zu verrathen, giebt in seinem Deutschen Wörterbuch : Jiamula,
etwas, das getragen wird". Aber hamüla ist das Lastkamel und
(vgl. Tibrlzi 148, 11. 299, mf ; schol. Hariri» 120, 4; Lane), m
schlechterer Aussprache für humula Kameüast, Last, Ladung üher¬
haupt, und ein Amulet kaun doch nicht passend als ein Lastkamel
oder eine Ladung bezeichnet werden. Femer ist die Eudung -etum
zu erklären, im Hinbhck auf welche Hammer seiu hamalet wählte ;
es müsste an eine nur unter gewissen Bedingungen sp lautende
Femininendung unter Verlängerung ihres Vocals eine lateinische
Neutralform gehängt sein.
Noch grösser sind die geschichtlichen Unmöglichkeiten. In
welche Zeit kann die Aufnahme des Fremdworts gefaUen sein?
Die Urheber der arabischen Etymologien (von Hammer lässt sich
dies a priori annehmen; von Dozy geht es mit Sicherheit hervor
aus Oosterlingen p. VII unter 1 und p. 14, wo er darin die
„romanische Endung e^o" sucht) können nicht gewusst oder beachtet haben, dass es ein altes lateinisches, schon von Varro (bei Charisius
105, 9 Keil) zur Untersuchung gezogenes und von Phnius öfter
gebrauchtes ist. Zu Varro's Zeit fehlte doch jeder Anlass für eine
bei den Rgmem aUtäghche Sache ein speciell arabisches Wort, das
nicht einmal in den andem semitischen Dialecten vorhanden ist, zu
erborgen. Wo wären Beziehungen zu Arabien oder einem Theil
1 4
142 Cfüdemeiater, Amuletum.
Arabiens, die das hätten vermittehi können? Nicht einmal den
Zug des Aelius Gallus hatte Varro erlebt. In der erforderhchen
Bedeutimg erscheint' das arabische Wort erst lange Jahrhunderte
später , und unter den zahlreichen Benennungen für Amulete , die
in altarabischer Zeit vorkommen (unvollständige Sammlungen bei
Freytag Einleitung p. 212 und bei Ricbardson Abh. über
die Sprachen u. s.w. der Morgenl. 1779. p. 222; vgl. Freytags
Index) findet es sich nicht, ja es sind unter diesen solche, die um¬
gekehrt von den Griechen entlehnt sind ; tamima wenigstens sieht
wie eine Uebersetzung von riktfffia aus.
Auch im Mittelalter kann der Ausdmck nicht übergegangen
sein, schon weil er hier weder im Arabischen, noch im Lateinischen oder Romanischen nachzuweisen ist. Das altlateinische Wort schwindet
bald ganz aus dem Gebrauch. Nach Plinius scheint es nur noch
bei Grammatikem und Glossographen (Charisius, Philoxenus) auf¬
geführt zu werden. Von ihm an, so auffallend dies uns, denen es
so geläufig ist, auch sein mag, fehlt es. Augustinus und Hieronjmius,
obschon sie von der Sache mehrfach sprechen, gebrauchen es nicht;
alle Versuche es in spätlateinischen oder mittelalterlichen Texten, in Indicibus , Lexicis oder Citaten aufzufinden , scheiterten ; auch
Du Cange hat es nicht. Erst die Humanisten werden es wieder
erweckt haben; es wird aus Versen des Mantuanus (1470 ff), des
Phüelphus (?) citürt; Budaens (vgl. Fabric. Bibl. Gr." IV, 305) und
Erasmus gebrauchen es. In den neueren Sprachen ist sein erstes
Vorkommen uicht festgestellt. Für das Französische kennt L i 11 r 6
kein älteres Beispiel, als bei d'Aubigne im letzten Viertel des sech¬
zehnten Jahrhimderts; die Academie nahm es erst 1765 auf. Die
Crusca in den mir zugänghchen Ausgaben hat es nicht. In das
Deutsche ist es vieUeicht erst aus dem Französischen gekommen;
dass es bloss neuhochdeutsch ist, ist sicher, aber vrie hoch es hinauf¬
geht, ist unbekannt. Der inconsequente Purismus des Grimm'schen
Wörterbuches verhinderte die Aufnahme; die übrigen Lexica geben
keine Nachweisungen. Ich kann zuMhg anfuhren Thurneisser
Onomasticon 1583. S. 172. Aber natürlich lässt sich der bloss
negative Beweis nur unter Vorbehalt führen.
Vorstehendes soll den Boden ebnen für eine aUein möghche
Etymologie des altlateinischen amo letum aus dem Lateinischen.
Versuche dazu sind mehrfach gemacht, aber kein irgendwie be¬
friedigender; die richtige Ableitung bleibt noch zu finden.
1 4
143
Zwei goldene Kameele als Votivgeschenke bei Arabern.
Von Th. Nöldeke.
In emer Inschrift der „Sabäischen Denkmäler' von J. H. Mordt¬
mann und D. H. Müller (8. 10) heisst es: „Sa'd-Anm und seine
Söhne .... haben dem [Gotte] Dhü Samäi dargebracht ")73bs
pfiT ■'bs 'jnsbatn". Dies fassen die Herausgeber als „das Bild
und die beiden goldneu Kameele'. Ich habe mich gegen „die beiden
Kameele" ein wenig gesträubt. Jj| ist ja ein CoUeetiv „Kameele';
-ü
Q ^ . . •
ebenso bedeuten JfcJso/ Jes. 60, 6 (Jfciia/ nach westsyrischer, jfc^/
nach ostsyrischer Tradition •)) und jj^^:^ , das die hexaplarische
Uebersetzung Jes. 60, 6 für jene Form der Pesh. hat und das sich
mehrfach bei Johannes von Ephesus findet (z. B. 352), „(Kameel-)
> S Oc -
Heerde'^). VgL dazu die J^ül -a13 die „Vögel in Schaaren'
Süra 105, 3. Die Bedeutung einer „Menge" scheint somit für baN
ursprünghcher zu sein als die Beschränkung auf die Kameele.
Aber die Herausgeber haben doch sicher Recht mit ihrer Er¬
klärung „Die Spuren der Büdwerke", schreiben sie, „welche nach
Z. 4 f. auf dieser Basis standen, sind noch deuthch au den auf der
Oberfläche des Steines befindhchen Zapfenlöcher zu erkennen; die¬
selbe steUt sich so dar
» *
Die Statue stand also zwischen den beiden Kameelen*.
1) S. Barh. zu Jes. 60, 6; Gramm. I, 238, 1 sq.; Hoffmann, Op. Nest. 53, 14.
jh^o/ in Hoffmann's BA. 71 ist nur ungenaue Schreibweise mit _!_ für -J—
' » • • j
wie so ofl bei Nestorianern.
H " '
2) JJOO) , das ja den Schweinehirten bedeuten soll , kenne ich bloss aus lexicalischen Werken, s. BA. 3258; Hoffmann, Op. Nest. U, 2; 53, 14; Barh.gr.
n, 92 V. 1083 Schol.; vgl. Payne-Smith. Die Glossen geben auch )K^O|
die Bedeutung „Schweineheerdo '. — JJ^iO) „(KameBl-) Heerde" ist schwerlich ein richtiges Wort; Barh. Chron. 90, 4 lies )lS^kf^O| , wie in der Quelle (Joh. Eph.).