•237
Studien.
Von 0. Rescher.
A. Kleinere philologische Notizen zum Arabischen.
I. jLs (u). Bekanntlich hat , jLs" versehiedentliche Bedeutungen,
die mit der eigentlichen Bedeutung „sprechen" in gar keinem Zu¬
sammenhang stehen. Zunächst haben wir allerdings verschiedene
Redensarten, bei denen sich ein gewisser Übergang immerhin denken
ließe, wie z. B. »lXaj jLi» [cfr. das deutsche „mit den Händen sprechen"]
= ein Zeichen , eine Geste mit der Hand machen [Beläd. ed.
de Goeje 39 cfr. Glossar; Ibn Sa'd 1/2/104/19; Kenz el-'ummäl
(Haideräbäd) 2/6168; Boljäri (Krehl) 1/33/7 u.; 1/77/8; 1/189/1—2].
Analog findet sich dann jLs [Bolj. 1/172 paen.]; »jotyioLj jLs i
[Boh. 1/97/1; 1/162/2]. Viel seltsamer sind jedoch die Ausdräcke
».Äjy jLs „spucken" [Boh. 1/87/3] und «Is-^j jLs [= |_^-^];
^-JjiJLj jLs [= „ein Gewand aufnehmen, raffen]; ebenso jus
[„einen Vorhang in die Höhe heben»)" Boh. 1/176/4 u.-)
(das gleich darauf folgende ist vielleicht eine in den Text ge- i
ratene Glosse)]; BycCi-i jLs = nehmen [Boh. 3/75/4 u.], wozu
Lane's Wb. 2995» [Freytag gibt nur vereinzelte Beispiele] eine
einigermaßen vollständige Aufzählung gibt. Die Nihäje (III/285/10)
bemerkt, „jli" werde von den Arabern ganz allgemein in jedem
beliebigem Sinn gebraucht. Vielleicht, daß einer der Leser dieser 21
kleinen Notiz bei Gelegenheit einen Beitrag zur Erklärung dieser
ungewöhnlichen Bedeutungsverschiebungen geben mag.
II. ,x)Jt ^.jLjs^uL". Unsre Wb. geben, abgesehen von der ge¬
wöhnlichen Bedeutung als Eulogie, meist nur die übertragene als
1) Vgl. in der vorhergehenden Tradition die Vaiiante ^.J^mS , 2) Houdas-Marvais 1/229 ungenau: „donna I'ordre de soulever le store'.
238 Bescher, Studien.
Ausruf des Wunders; cfr. Lane ,How extraordinary or strange
is such a thing!' Nun kommt daneben aber auch sehr häufig
die des abwehrenden Unwillens, der ärgerlichen Ab¬
weisung hinzu, die vielleicht mit der vorhergehenden Bedeutung
5 urspränglich in Zusammenhang gestanden haben mag , aber doch
auch wieder davon zu trennen ist. Abgesehen davon, daß man
diesen Ausruf (etwa: ,Zum Kuckuck!" .Mein Gott!' oder
ähnlich) von Arabern im Gespräch des öfteren hören kann (mit
Vorliebe gebrauchte ihn z. B. unser früherer Lagerscheich in Wüns-
10 dorf) , so trifft man ihn auch in der Literatur häufig genug an.
Cfr. Bofe. 1/87/11 fif.: .Einst kam ein Weib zum Propheten und fragte
ihn, wie sie sich von der Menstruation zu säubern habe, worauf M.
ihr entgegnete, sie mög' sich einen Lappen nehmen und sich damit
sauber machen. Da fragte das Weib weiter, wie denn? M. ant-
is wortete ihr nochmals, sie mög' sich eben damit sauber machen. Als
nun das Weib (mit dieser Antwort noch nicht zufrieden) zum dritten
Mal mit der gleichen Frage kommt, da ruft M. (ärgerlich) aus:
Subhana 'Uäh [Gotts Wunder! Großer Gott!], mach' dich
eben damit sauber (so gut du kannst) . . . Ebenso 1/505/4 u. =
20 1/506 nlt.: Als M. in der Dunkelheit in Begleitung von §afijja an
zwei Ansär-Leuten vorbeigeht und, gleichsam entschuldigend, zu
diesen sagt, es sei seine eigene Prau §afijja (und möchten sie also
nichts Übles hinter der Sache suchen) , da entgegnen die beiden
.Subhäna 'lläb" [Gott bewahre!]; ebenso sind auch die Stellen,
a.s die ich der Kürze halber nur als Zitate anführe: 3/51/6; 3/106/6
[Um Gottes willen!]; 3/108 ult. usw. Die Bedeutung .Wie
merkwürdig!" als Ausruf des Erstaunens, der Bewunderung usw.
dürfte wohl an all' den gegebenen SteUen nirgends in Frage kommen.
£
III. ,j*j>-tii! vüVj+^i' bedeutet bekanntlich .lauteres Gold"')
30 (vid. Dozy, Freytag), woneben auch die Bezeichnung ^^y^^jS
(cfr. Lisän mit einem Vers von Ru'ba) vorkommt. Danach ist natür¬
lich die Übersetzung Sc hre in er's in der ZDMG. 53/63: .Sie ge¬
brauchen von Gott die Ausdrücke .der rote Schwefel' zu ändem.
Anders dagegen scheint die SteUe in (Pseudo-)Dschä^iz (ed. Vloten)
} i, ^ 0 £.
35 2 5 4/6 ^ x*as L*jL> la» ! t->r lj aufzufassen sein, da
der ^jjii doch meist aus Edel- oder Halbedelstein zu bestehen pflegt.
Vielleicht würde hier eher die vom Lisän gegebene Bedeutung
.roter Jäqüt' (d. h. Rubin) passen.
IV. In vorliegender Zeitschrift bin ich 65/522 auf die Gleichung
40 5"in = ^ (so bereits Gesenius im Thesaurus, aber ohne Beleg)
l) Dann bekanntlich auch .Stein der Weisen' (Zenker).
Reicher, Studien. 239
zu sprechen gekommen. Es ist daran festzuhalten, daß im
Arabischen fast immer die Bedeutung „Aufruhr, Tumult'
(äääs oder jlÄi)'), dagegen im allgemeinen nicht die des hebräischen
„töten' hat, wenn ich freilich auch geme zugebe, daß die beiden
Bedeutungen einander begrifflich recht nahe stehen. Neben dem 5
früher schon mitgeteilten Beleg aus Qais er-Ruqajjät möchte ich
aber auch noch auf den Passus in Bolj. 1/33/7 u. aufmerksam machen,
3 > ^ , 3 ^ >
WO es heißt: L Juki •:• ^_^\ yjCjj ^yiJl ^ghij, ,jL*Ji ^jojjiu JLi
mC w
Jjüüt lXj^ »j\S Ipj^ »Oyo \Sss> Jüü ^y^'^ ^y^j-
B. Bemerkungen zu R. Prank's: „Scheich 'AdT, der große lo
Heilige der Jezidi's'.
Nachdem ich vor einiger Zeit dem Buch eine kurze Besprechung
seines allgemeinen Inhalts im „Neuen Orient' (Bd. VI/42) ge¬
widmet habe , möchte ich hier auf einige Stellen zurückkommen,
die ich im Rahmen einer Zeitschrift, die sich an ein größeres i6
Publikum wendet, nicht zur Sprache bringen konnte. S. 1 „murtedd"
besser „Apostat' (statt Renegat); S. 5 „Melek Tä'üs' — zum Pfau
in der islamischen Kosmogonie vgl. auch die Geschichte Qaljübl
„nawädir" No. 204*; ferner Weil „Biblische Legenden der Musel¬
männer' S. 20 ff. 2); 15/1 streiche das TeSdId in iCj^jw; 15/2 (Dual) 20
L*.jJLäs; ebenso Z. 3 Lt.^'^ixi, was natürlich nicht „Kriegsgegner' heißt,
sondern ihre „Toten' ; ibd. LAajy> (statt ^ g ,; j) tXs-i (^i !
(jju^ läßt sich nur schreiben, wenn wir den Text als Vulgär¬
arabisch betrachten, was natürlich durchaus möglich, aber wohl
t t . .
nicht eigentlich notwendig ist; 20/1 ^ t-.6V Druckfehler für ^^^Akü; 26
20/4 V. XX..: lies wohl ««„.Äj o^'Lj und übersetze (S. 22/5):
&
Durch Abtötung der (sinnlichen) Begierde. Ebenso 28/5 (Ubers,
zu 27 paen. u,^t Ji): Unterdrückung (eigentl.: Erniedrigung) der
sinnlichen Lust. Die „nafs' 8) ist (im Gegensatz zu „rüh") häufig
der materielle, der letztere dagegen der ideelle Paktor; 21/4 v. u. : so
1) Mas'üdi (Pariser Ausgabe) 7/41; 8/340; Ta'Slibi (ed. Zotenberg) 235;
Qaljübi. Geschichte 174; TN (ed. Habicht) 3/163; 5/110; 8/132; 11/334 usw.
2) Wenn nicht vielmehr, wie gar nicht unwahrscheinlich, „T*''*
„Tammüz' abzuleiten ist, cfr. ZDMG. 51/598, Anm. 1.
3) Cfi-. auch Türli. Bibl. 18/76.
240 Rescher, Studien.
(lies) jläJls. »Jül ^.}S üJiX'S jJU ^^iS' ^yi; d. h. wer sich Gott
zuliebe opfert, dem gegenüber liegt Gott die Verpflichtung zu Er¬
satz ob [d. h. Gott muß ihm dafür die verdiente Belohnung zu¬
kommen lassen] ; die Übers. Frank's (22/4: ,der wird zu einem
5 Ehrenkleid für Gott") ist natürlich sachlich undenkbar; 23 Mitte:
Das Sätzchen gJi LjJjs-t ist grammatisch „sifa" und demgemäß
zu übersetzen : „Einen Anblick, um dessenwillen wir uns abgemüht
(haben) und unser(e) Geist(er) zunicht geworden (ist bezw. sind) ;
23/5: „Gefilde" ist durch „Teppich" zu ersetzen (also 22 paen., wie 10 auch 22/6 u. nicht „basät", sondern „bisät" zu lesen'); 27 Mitte
ist wohl iljOJiy \JiMO zu lesen ; „milchreiche Kamelin" paßt nicht
in den Zusammenhang ; 27/4 v. u. (besser) ^aj^IjJI; 48 paen. „der
ihn abwäscht nach Belieben" — genauer: Der ihn wendet (xJls)
d. h. mit ihm umspringt (wie es ihm paßt) ; 118 ult. lies wohl
15 (wie das folgende: „Der in der Wiege sprach'*) zeigt);
120/7 lies ÜÄÄji/i (.alter Wein", wie das folgende ii^i» plausibel
macht); 122/4 statt ^ixc(?); 132/1: statt des ganz unmög-
tt - OJ >
liehen (j*LÄio" lies ^ LäZ« usw. usw. Zum Schlüsse
möchte ich noch die Hofihung aussprechen , daß . Herr Dr. Kern,
20 mit dem ich mich mehrmals über Scheich 'AdT und die Jeziden-
literatur besprochen habe, seine verschiedentlichen Sammlungen zu
diesem Thema einmal der Öffentlichkeit vorlesenO raöge.o
C. Eine Notiz zur Türk. Bibliothek VII.
In der Geschichte von „Tante Naqijje" wird erzählt, wie
25 diese so sympathisch geschilderte fromme Frau „einen großen
Stein, der aus dem Pfiaster gerissen war, aufhob und auf die
Seite warf, indem sie dachte, die Soldaten, die sie wie Söhne liebte,
könnten mit den Füßen daran stoßen und möchte er ihnen wehe
tun" und ganz analog findet sich dieser Zug auch Türk. Bibl. 20/'48,
30 wo es von dem Heiligen abü Hafs Haddäd heißt : Der Anfang seiner
Bekehrung war folgender : Er war in ein Mädchen verliebt, so daß
er keine Kuhe finden konnte. Da sagten sie zu ihm : In der Stadt
Nischäpür wohnt ein jüdischer Zauberer-'), der deine Angelegenheiten
1) Über die BedeutunR des Teppichs bei den Süfi's siehe Türk. Bibl. XVl Index. 2) Wird auch sonst des öfteren in Gedichten zitiert, cfr. z. B.
.^las'üdi 7/347/4 usw. 3) Vgl. meine „Studien Uber 1001 Nacht", S. 80 ohen; ferner Mas'üdi 4/266; Ta'älibi (ed. Zotenber<.') 626 f.
Rescher, Studien. 241
in Ordnung bringen kann. Abü Hafs ging zu ihra nnd erzählte
ihm seinen Zustand, worauf jener zu ihm sagte, er dürfe 40 Tage
lang kein Gebet, keine fromme Handlung und keine Wohltat tun . . .
Abü Hafs tat nun 40 Tage also; damach machte der Jude seinen
Talisman. Da aber der Zauberer seinen Zweck nicht erreichte, so 6
sagte er : Ohne Zweifel ist durch dich doch etwas Gutes geschehen,
da es mir andernfalls gewiß ist, daß dieser Zweck erreicht worden
wäre. ,Ich habe nichts getan, bemerkte abü Hafs, außer daß ich
auf dem Weg, den ich kam, einen Stein vom Weg mit dem Puß
wieder auf die Seite stieß, damit niemand über ihn falle*. Usw. lo
Dieses Motiv geht natürlich letzten Endes auf die Tradition
zurück, die sich Bofe. 1/170/4 f = (Übers.) 1/221 Mitte (auch ab¬
gedmckt in Arnold's Chrestomatia arabica 22/1—3) findet,
nur daß dort von Domen (u^^ q-»^) einem Stein die
Rede ist. Vgl. auch noch Bo^. 2/106 paen. = 11/161 und analog i6
2/245/10 = 11/348 u., wo es heißt: jedes gute Wort ist eine
sadaqa, jeder Schritt zum Gebet [in die Moschee] ist eine sadaqa
und .etwas Schaden Bringendes aus dem Weg zu schaffen" ist
eine sadaqa^).
1) ÄhnUch auch Winter und WUnsche, Die jüd. Litteratur 1/294/95..
Zeitschr. der D. Morgenl. Ges. Bd. 75 (1921). 16
242
Abhandlung des al-Hasan ibn al-Hasan ibn al-Haitam
(Alhazen) über die Bestimmung der Richtung der Qibla').
Von Carl Schoy.
In der 2. Sure (syLJ! »jj-*) Qurän 2) spricht Mubammed
von der Gesichtswendung beim Gebet, d. i. der Innehaltung der
Blickrichtung zur Ka'ba in Mekka. Diese Richtung wird Qibla
genannt, von gtiaZ-Vorderseite, weil der Betende die Vorderseite
6 einer kleinen vertikalen , (mit der ewigen Lampe geschmückten)
Wand anblickt, deren Spur senkrecht zur Mekkarichtung läuft.
Allerdings ist die Orientierung nach dem Heiligtum während des
Gebetes nicht arabischen, sondern jüdischen Ursprungs. Anfänglich
wandte aucb Muhammed beim Gebet sein Antlitz nach Jerusalem,
10 ja die älteste Moschee zu Medina ist nach Jerusalem orientiert.
Erst am 16. Januar 624 n. Chr. änderte der Prophet die Qibla,
d. i. die Gesichtswendung zur heiligen Stätte, dahin ab, daß von
jetzt ab sich alle Muslime bei den fünf täglichen Gebeten nach der
Ka'ba zu Mekka richteten*).
16 Schon frühzeitig wurde die Mekkarichtung auf dem Zifferblatt
der Horizontalsonnenuhr ( vU. ..., lj) vom arabischen Astronomen, 1) Nach dem Oiforder Manuskript Seiden Arch. A. 34 (= 877, 4°. des Catal. cod. mscr. orient. biblioth. Bodleyana a Joh. Uri conf. P I, Oxon. 1787) aus dem Arabischen Ubersetzt von Studienrat und Privatdozent Dr. phil. nat.
Carl Schoy, Doktor der Technischen Wissenschaften, in Essen a. d. R.
2) Die diesbezügliche arabische Stelle (Qu'rSn, Ausgabe von G. Flügel, Lips. 1841, Sure 2, 139) lautet: ul^IaJ^äIs tL(w.J( ^j u5i«J^^ v_jLiu' lXÄ IjJjj ivÄJLT Lo ^i>ukS>.^ ^!_jü- lX:S\«^I! ^aJ^ tt5^-J^^ LS'L^jJ
^^5.
3) Daß Qibla am besten mit , Gesichtswendung zur Ka'ba' übersetzt wird, folgt aus der Sprache eines der hervorragendsten arabischen Astronomen , des Kairiners Ibn Yünus (t 1009). Die Überschrift des 28. Kapitels seiner be¬
rühmten Iläkimitischen Tafeln lautet: iCS-^! äJLjÄli vi>.*a» iüyfc* ^5 jCjJüCil Ji [Mscr. Hunt. 331 = 298 PII Cat. d. Bodley. Oxford fol. 66'].