Arabischen und ihre phonologische Systematisierung
Von Adolf Denz, München
Zu den besonderen Merkmalen vieler semitischer phonologischer
Systeme gehören die vier Laute, deren graphisches Symbol „"', „h",
und „h" ist. Diese werden gewöhnlich Laryngale genannt, da ihre
Artikulationsstelle im Larynx (= Kehlkopf) liegen soll. Doch findet man
für die Lautwerte der Zeichen und „ä" auch häufig die Bezeichnung
Pharyngale'^. Obwohl ich keine Stelle innerhalb der semitistisch-
phonetischen Literatur finden konnte, an der der Ausdruck ,, Pharyngal"
erläutert und gerechtfertigt worden wäre^, liegt es nahe, aus dem Worte
selbst in Analogie zu der Benennung der anderen Phoneme nach ihrer
Artikulationsstelle zu schließen, daß Pharyngale diejenigen Laute sein
sollen, die im Pharynx (= Schlundkopf oder Rachen) gebildet werden.
Da es nicht gleichgültig ist, weder für die phonetische Beschreibung noch
für die phonologische Bewertung, an welcher Stelle des Sprechapparates
die Laute einer Sprache artikuliert werden, stellt sich die Frage nach der
Beschaffenheit dieser vier Laute h, und h^.
1 Z.B. J. Cantineau, Etudes arabes et islamiques (1960) 176,-llff.; ders., Le dialecte arabe de Palmyre (1934) I 64ff. ; H. S. Singeb, Neuarabische Fragewörter (1958) 43; Fahmi Abul-Fadl, Volkstümliche Texte in arabischen
Bauerndialekten der ägyptischen Provinz Sanqiyya (1961) 189—191; J. Gelb,
La lingua degli Amoriti (1958) 150; P. Fronzaboli, La fonetica ugaritica
(1955) 15; S. Mosc.\ti, Lezioni di linguistica semitica (1959) §§ 70; 119; vgl.
auch Gaibdneb unt. Fn. 2.
2 Mir will es fast so scheinen, als seien die von den arabischen National¬
grammatikern über die Artikulationsstellen der Laute h, ' imd h gemachten
Bemerkungen dafür ausschlaggebend gewesen, ' imd h als Pharyngale zu
betrachten. So weist Sibawaih (ed. H. Dbbenbourg II 453, 4ff.) die hurüf
Hamza, Hä' und Alif dem entlegensten {'aqsä) Teil des Kehlkopfes zu,
während der muhra^ des 'Ain und Hä* im mittleren Kehlkopf (min 'avsati
l-halq) liegen soll. Daraus haben wohl Gelehrte wie Cantineau den Schluß
gezogen, daß, da zwischen dem Kehlkopf und der Öffnung zum Munde hin
nur noch der Kehlkopfrachen (Pharynx) liegt, ' und h Pharyngale sein
müssen. Man vergleiche aueh das, was W. H. T. Gaibdneb, The Phonetics
of Arabic, Oxford University Press (1925) 15,-5f. über h sagt: „Articulated in the pharynx (i.e. the passage below the uvula and above the larynx)",
und C. A. Wallin, Über die Laute des Arabischen und ihre Bezeichnung,
ZDMG IX (1855) 1—68, besonders pp. 22 Mitte und 30 unten.
3 Im folgenden wird die genaue Kenntnis der physiologischen Beschaffen¬
heit des Kehl- und Schlundkopfes vorausgesetzt. Den besten Überblick über
die Artikulationsmöglichkeiten dieser beiden Teile der Sprechwerkzeuge
Über die Artikulation des ' und h sind sich alle einig, nämlich darin,
daß diese beiden Laute an der Glottis, ' durch Sprengung der vorher
geschlossenen gesamten Glottis — der Bänder- und Knorpelglottis —
und h durch die Reibung des Luftstroms an der geöffneten Stimmritze
erzeugt werden. Demzufolge tragen sie den Namen ,, Laryngale" zurecht.
Beide Laute werden außerdem den stimmlosen Lauten zugerechnet. Bei
h leuchtet das sofort ein. Denn wenn zu der Artikulation dieses Lautes
die geöffnete Stimmritze erforderlich ist, kann nicht gleichzeitig der
Stimmton erzeugt werden, da dieser eine regelmäßig wiederkehrende
Schließung der Stimmlippen erfordert. Etwas anders aber liegen die
Verhältnisse bei Es ist zu wenig, diesen Laut nur als stimmlos zu be¬
zeichnen. Es lassen sich nämlich zwei Arten der Artikulation dieses
Phonems beobachten^, je nach dem, ob hinter dem ' ein Vokal oder ein
Konsonant folgt. Folgt dem ' ein Konsonant, m.a.W. schließt ' die Silbe,
so stürzt nach der Verschlußöffnung der Stimmritze ein stimmloser
Luftstrom, den man deutlich bei na'kulu z.B. an der vor den Mund
gehaltenen Hand spüren kann, aus dem Munde. Folgt aber nach dem '
ein Vokal wie in 'akala, so ist die Öffnung des Stimmritzenverschlusses
zugleich der Anfang der den Ton erzeugenden Schwingungen der Stimm¬
lippen, so daß diese Artikulation analog dem Verhältnis von hjp, djt,
gß als stimmhaft bezeichnet werden muß. Der Luftstrom, der bei dem
Worte na'kulu deutlich spürbar ist, fehlt denn auch bei ^akald^.
An der Bezeichnung der Laute ' und h als Laryngale ist also nichts
auszusetzen. Man muß sich nur bewußt sein, daß ' zwei kombinatorische
Varianten hat tmd weder den Stimmton noch die Stimmlosigkeit als
gibt meiner Ansicht naeh J. Forchhammer : Theorie und Technik des Singens
und Sprechens, Leipzig 1921, 126—136; 231ff.
1 Sowohl an arabischen Studenten aus Ägypten, Tunis und Irak als aueh
an mir selbst hatte ich Gelegenheit dazu. Inwieweit man Beobachtungen an
heutigen Dialekten bzw. an der Aussprache des klassischen Arabisch diirch
moderne Araber einfaeh auf ältere Spraehstufen übertragen darf, ist zwar
eine berechtigte und oft genug problematische Frage. Sie kann aber in diesem
Fall außer aeht gelassen werden, da die Laute ', h, ' und h entweder so wie
heute artikuliert worden sind, oder sie sind eben nicht ', h, ' und h gewesen.
Und nur diese interessieren hier.
2 Eine stimmlose Artikulation des ' vor Vokal ist dabei sehr wohl zu
bewerkstelligen, das akustische Resultat dieser Artikulation wäre, graphisch
ausgedrüekt, 'hakala. Phonetisch heißt das, daß man die Sprengung der
Stimmritze nioht als Anfang der Tongebung artikuliert, sondern wie bei
na'kulu, die tonlose Luft durch die geöffnete Glottis streichen läßt, so daß
naeh dem Explosionsgeräusch der Hauchlaut entsteht, und danach erst mit
Stimmton für das folgende a begonnen wird. Diese Artikulationsweise habe
ich jedoch weder bei ägyptischer, nooh bei tunesischer, syrischer oder iraki¬
scher Aussprache des ' beobachten körmen.
distinktives Merkmal aufweist, sondem nur die VerschlußöfFnung der Stimmritze^.
Etwas schwieriger gestaltet sich das Problem bei * xmd h. Prüfen wir
zimächst einmal, ob die Benennung ,, pharyngal" sinnvoll ist. Der
Rachenraum (= Pharynx) wird in drei Teile gegliedert, den Kehlkopf-,
Mimd- und Nasenrachen. Ein ßachenlaut muß folglich an einer dieser
drei Stellen gebildet werden. Mund- und Nasenrachen scheiden als
Artikulationsstellen von vornherein aus, da es klar ist, daß die Artiku¬
lationsstelle tiefer als diese beiden Rachenräume liegt. Es bleibt also nur
noch der Kehlkopfrachen übrig. Zur Artikulation eines Lautes gehört
außer der Artikulationsstelle bzw. dem passiven Artikulationsorgan
auch noch das aktive artikulierende Organ. Für den Kehlkopfraum
kommt nur die Zungenwurzel in Frage^. Es ist ganz klar, daß solche mit
Recht pharyngal genannten Laute, eben weil sie im Pharynx gebildet
werden, nichts mit unserm ' und h zu tun haben. Denn soviel läßt sich
durch Selbstbeobachtung feststellen, daß diese beiden Laute nicht durch
eine Reibung zwischen Zungenwurzel und hinterer Rachenwand zu¬
stande kommen. Daraus ergibt sich eine logische Konsequenz: ' und h
körmen vom physiologischen Standpunkt aus keine Phar3mgale sein.
Durch Selbstbeobachtung scheint mir E.Mattssons Beschreibung des
aufs beste bestätigt zu werden, nämlich daß h jenes Reibegeräusch ist,
das durch die Schließung der Bänderglottis und der OfFenhaltung der
Knorpelglottis entsteht und auch als starkes Flüstern bezeichnet wird*.
h ist folglich wie ' und h auch ein Kehlkopfgeräuschlaut und kein
Pharyngal.
Die Bildungsweise des h, Schließung der Bänderglottis bei geöffneter
Knorpelglottis, gibt die Möglichkeit, das h vom Verschluß auch der
Knorpelglottis aus zu bilden, so daß dann vor dem Reibegeräusch des h
ein schwacher Explosionslaut zu hören ist. Dies ist häufig der Fall,
1 Sowohl theoretisch donkbar als auch praktisch artikulierbar (vgl. S. 237)
wären die emphatischen Varianten i imd %. Vgl. dazu R. S. Habrell,
The Phonology of Colloquial Egyptian Arabic, New York 1957, § 8.6;
A Linguistic Analysis of Egyptian Radio Arabic 21,2t., in Harward Middle
Eastem Monographs III, Massachusetts I960.
2 So sehreibt FoRCHHAMMER, Theorie u. Technik 228,10ff. : ,,Aueh in den
Rachenräumen können Geräuscherzeugungen stattfinden, und zwar sowohl
zwischen der Zungenwurzel und der hinteren Rachenwand, wie auch zwi¬
schen dieser und dem Gaumensegel." Im Prinzip gleich sind die Besehreibun¬
gen bei R.-M. S. Heffner, Oeneral Phonetics. Univ. Wisconsin Press 1949,
6.43 imd M. Grammont, Traiti de phonitique, 1933, 49ff.
^ Etudes phonologiques surle dialecte arabe vulgaire de Beyrouth, Upsal 1911, 42,-4 ff.
^ So auch FoRCHHAMMER, a.a.O. 138 und Czermak bei C. Brookelmann,
Sjt. Gramm. § 16 Anm. 2.
wenn dem h kein Vokal folgt und kera Vokal vorangeht wie bei hmär, hllb usw.i.
Beim ' Uegt das Problem weniger schwierig, als der Mangel an direkter
Beobachtung^ glauben machen könnte. Übereinstimmung herrscht in
der Angabe, daß dieser Laut stimmhaft ist, aber insofern nicht im ge¬
wöhnlichen Sinne stimmliaft, als man von einer Press-, Quetsch- oder
Knödelstimme spricht. Er ist also besser nicht als stimmhaft, sondern
als preßstimmhaft zu bezeichnen. Weiter hat man festgestellt, daß
1. < -|- /t in hh übergehen, 2. ' am Wortende zu h werden kann und 3.
durch die Hinwegnahme der Preßstimme aus ' ein h wird. Damit dürfte
die Verwandtschaft von ' mit h außerhalb jedes Zweifels liegen. Bedenkt
man nun, daß die Bänder- und Knorpelglottis unabhängig voneinander
geöffnet und geschlossen werden können, und zwar sowohl zeithch hinter¬
einander als auch nebeneinander^, so ergibt sich für die Artikulation des '
die Folgerung, daß es ein gepreßter Stimmlippenreibelaut ist, der vmter
gleichzeitiger Bildung des h (= Flüsterlautes) artikuliert wird, analog der
Bildung der stimmhaften Reibelaute, die eine Zusammensetzung aus
dem Reibegeräusch an der Engenbildung und dem Stimmton sind.
Physiologisch ist das ' so zu beschreiben: Die Stimmlippen werden mit
relativ großer Kraft aneinandergepreßt, während das Flüsterdreieck ge¬
öffnet bleibt. Der Luftstrom muß, um die Bänderglottis auseinander¬
zudrücken, mit viel größerem Druck gegen den Stimmritzenverschluß
geblasen werden als beim normalen Stimmton*. Dieser feste Verschluß
der Bänderglottis verhindert einerseits das Zustandekommen der nor¬
malen Stimme und erklärt andererseits die geringe Höhe der Schwingungs-
1 Bei einer Tonbandaufnahme eines Arabers aus Mosul kam die Wort¬
verbindung nisma' hkaitak . .. „wir hören deine Erzählung ..." vor, in der
ganz deutlich das ' mit völligem Verschluß der Stinunritze abgesetzt und
das nachfolgende h mit der Explosion der Knorpelglottis eingesetzt wurde,
so daß der bei Tripelkonsonanz sonst notwendige Aufsprengungsvokal
nach dem ' nieht erforderlich war und statt seiner der Flüsterexplosionslaut mit nachfolgender Flüsterstimme eintrat.
" Was über das ' empirisch feststellbar ist, hat am zuverlässigsten G. Pancon-
CELli-Calzia in seinem Aufsatz „Experimentelle Untersuchungen des ^ im
Arabischen von Jemen und Aleppo" in Vox (1916) 45ff., zusammengestellt.
Seine aus der während der Dauer der Artikulation des ' relativ niedrigeren Ton¬
höhe gezogene Schlußfolgerung, daß die Stimmbänder nichtsehr gespannt sein
können, ist aber ein Irrtum, denn wie unten ausgeführt wird, ist es gerade
die große Spannung, bzw. das starke Aneinanderrücken der Stimmbänder,
die das Zustandekommen der für die normale Tonhöhe nötige Schwingungs¬
zahl verhindert.
3 Fobchhammeb, a.a.O. 235 Mitte.
* Die Artikulation, die G. Bebostbässeb, Zum arabischen Dialekt von
Damaskus. I Phonetik — Prosatexte, Hannover 1924, 40, 39ff., beschreibt,
kann ieh physiologisch nicht nachvollziehen.
frequenz des ' und den gequetschten Eindruck, den dieser Laut akustisch
macht. Der Übergang zum h durch Wegnahme der Preßstimme ist damit
auch klar. ' ist also ebenfalls als Laryngal erwiesen und die Existenz
von Pharjmgalen für das Semitische in modernarabischer Ausprägung
widerlegt.
Infolge der Kenntnis der phonetischen Eigenart des ' läßt sich nun
über die zwischen J. J. Hess und E. Littmann in ZS II 219 flF. und
274 f. geführte Diskussion darüber, ob das r oder die emphatischen
Laute ein ' zu ' „steigern"^ können, eine lautphysiologisch begründete
Entscheidung treffen. Die sogenannten emphatischen Laute besitzen den
nicht emphatischen Lauten gegenüber nicht nur das Mehr der Hebung
der Hinterzunge gegen das Velum, sondern sind außerdem noch ohne
nachfolgende Aspiration gesprochene Laute^. Das bedeutet für die
Stellung der Stimmbänder während der oralen Artikulation der t, s, d
usw., daß sie so sehr einander angenähert sein müssen, daß der Luft¬
strom nicht wie bei den /, t, k usw. nachstürzen kann. Nach Berg¬
strässebs Angaben über die Artikulation der Emphatica in Damaskus
(Phonetik 36, 33 flF.) kann man noch weitergehen und sagen, daß die
Stimmbänder nicht nur dicht zusammenliegen, sondern sogar noch
einen gewissen Grad der für die Bildung des ' charakteristischen
Pressung aufweisen. Der Übergang von ' > ' unter Einfluß von empha¬
tischen Lauten ist daher physiologisch bedingt.
Dagegen fehlt dem normalen Zungenspitzen-r jede phonetisch-
artikulatorische Voraussetzung, ein ' zu * werden zulassen. Nimmt man
aber an, daß, wie ich es bei Ägyptern mit kairener Mundart fast aus¬
schließlich gehört habe, das r velarisiert wird, dann liegt der gewöhnliche
Übergang von ' zu ' unter Einfluß der für die Emphatica spezifischen
Stimmbandpressung vor. Die Frage, ob r oder die Emphatica, oder r
imd die Emphatica für den Lautwandel verantwortlich sind, erledigt
sich somit, indem das den besagten Wandel hervorrufende r zu den
Emphatica gehört und gar keine Disjunktion vorliegt.
Aus der oben gegebenen Beschreibung des * ergeben sich für den Ein-
und Absatz dieses Lautes folgende Möglichkeiten : 1. Das ' wird von dem
Verschluß der Bänderglottis aus gebildet. Dann entsteht ein Verschluß-
reibelaut'. 2. Das * wird von der Stimmstellung aus gebildet. Dann ent¬
steht der normale Preßstimmreibelaut. Für den Absatz des ' gilt dasselbe.
1 Natürlich kann ein ' niemals durch Steigerung wovon auch immer zu
einem ' werden. Man sollte daher diesen Ausdruek am besten vermeiden.
2 Das kann sieh akustisch nur bei den Verschlußlauten bemerkbar machon.
3 D.h. die Verschlußöfthung ist zugleich der Anfang der Engenbildung, die das Reibegeräusch erzeugt, analog etwa dem deutsohen jz/ oder arabischen /§/
die phonetisch als t-f-s und d-j-z zu beschreiben sind.
Die Pressung der Bänderglottis kann in den völligen Verschluß (= ' -f
oder aber in den normalen Stimmton übergehen, so daß man einen ganz
kurzen Vokal nachhört, z.B. in sa¥ (= saba'") usw.i. Ich habe am Wort¬
ende auch eine Kombination von ' und h gehört, indem das * mit Pre߬
stimme begonnen, letztere aber sogleich wieder weggenommen wurde,
so daß noch ein ganz kurzes Reibegeräusch der Knorpelglottis zu hören
war^. Phonologisch relevant sind diese Ein- und Absätze nicht. Für die
Aussprache der Kehlkopflaute * und h im Dialekt von Palmyra hat
Cantineau^ die velarisierten Varianten f und h beobachten köimen. Die
phonetische Voraussetzung für ? und h sind ohne weiteres gegeben. Denn
da bei der Bildung der Kehlkopflaute das gesamte Ansatzrohr unbe¬
teiligt ist und daher die Artikulationsorgane ohne Beeinträchtigung der
im Kehlkopf erzeugten Laute jede durch die dem ' und h vorhergehen¬
den oder nachfolgenden Laute bedingte Stellung beibehalten können,
liegt es nahe, die z.B. für d, t, r oder s notwendige Hebung der Hinter¬
zunge gegen das Volum entweder schon bei ' und h einsetzen zu lassen
oder aber während ihrer Artikulation beizubehalten. Obwohl über diese
velarisierten Varianten des ' und h für andere Dialekte keine Bcobach-
tmigen vorliegen, bin ich davon überzeugt, daß diese Varianten in allen
Gebieten, wo die Laryngale gesprochen werden, vorkommen. Da sie
aber phonologisch irrelevant sind, konnten sie leicht übersehen werden.
Um so mehr ist Cantineaus feines Gehör zu bewundern, der die Velari¬
sierung (lourde) trotz ihrer sprachlichen Funktionslosigkeit erkannt hat.
Die phonologische Klassifizierung der Laryngale
Nachdem nun die phonetisch-physiologische Natur der vier Kehlkopf¬
laute klar ist, ist es auch möglich, sie phonologisch genau zu systemati¬
sieren*. ' steht als Explosionslaut dem h als Reibelaut derselben Lokali¬
sierungsreihe (= Kehlkopfreihe) gegenüber, und zwar in eindimensionaler
(Vergleichsgrundlage gegenüber allen anderen Phonemen ist die gesamte
Stimmritze, also Bänderglottis -f Knorpelglottis), privativer (Merkmal
ist die Verschlußbildung), proportionaler ('jh = tjt = djd = tjs = djz =
tjs) Opposition und gehört somit der Annäherungskorrelation an.
1 Die Tatsache läßt sieh nooh als Beweis dafür anführen, daß das ' im
Kehlkopf an der Stimmritze gebildet wird. ' und der normale Stimmton
müssen nach dem oben Gesagten aufs engste verwandt, d.h. artikulatorisch
sehr ähnlieh soin, was nur bei der Gemeinsamkeit der Artikulation an den
Stimmlippen denkbar ist.
2 Vgl. auch Wallin 46 Mitte. Palmyre I 65.
* Cantineau ging von der als falseh erwiesenen Trennung in Pharyngale xmd Laryngale aus; vgl. fitudes 180,-9. — Für die im folgenden verwendeten Termini vgl. N. S. Trubetzkoy, Orundzüge der Phonologie, 2. Aufl., Göttingen
1958, 59—78.
Der Gegensatz A/A ist zunächst graduell, da die beiden Phoneme
nur durch den verschiedenen Grad der Weite der Stimmritzenöffnung
unterschieden sind. Da es aber kein Phonem gibt, das eine dritte Stufe
der Engenbildung an der Stimmritze als phonologisch relevant aufweist,
ist die Opposition A/Ä ebenfalls als logisch privativ zu bewerten, indem
h als Nullstufe der Enge und h als Nullstufe + Bänderglottisöffnung zu
betrachten ist. Diese Opposition ist demnach eindimensional {Vergleichs¬
grundlage ist die Engenbildung der Stimmritze ohne Stimmton),
privativ und außerdem isoliert, da das Verhältnis hjh sonst nicht mehr
existiert.
Die Opposition 7^ ist eindimensional (Vergleichsgrundlage ist das
Flüsterdreieck), privativ (mit oder ohne Preßstimme) und isoliert. Die
Oppositionen 7' tmd 'jh sind äquipollent.
syrisch-palästinischen Dialekten des Arabischen
Von Stefan Wild, Heidelberg
Im zweiten Band des Grundrisses der vergleichenden Grammatik der
semitischen Sprachen hat Cabl Beockelmann die Syntax der lebenden
Dialekte, d.h. in der Hauptsache der arabischen Dialekte ,,ein wenig
zurücktreten lassen" (S. 4). Ein Grund dafür war ohne Zweifel der
Mangel an einschlägigen Vorarbeiten. Aber auch später sind syntaktische
Untersuchungen der arabischen Dialekte nur spärlich erschienen. Gründ¬
liche Kenner von arabischen Dialekten publizierten Texte und lieferten
zum Teil hervorragende Analysen der phonetisch-phonologischen und
morphologischen Probleme. Die Syntax war aber allzuoft entweder von
vornherein aus dem Untersuchungsgebiet ausgeschlossen oder sie wurde
zwar angekündigt, erschien aber dann nicht^.
Im folgenden soll versucht werden, auf dem Gebiet der arabischen
Dialekte Syriens (eingeschlossen das Gebiet des heutigen Staates Liba¬
non) und Palästinas eine Funktion des aktiven Partizips näher zu
untersuchen, als das bisher geschehen ist. Der Grund für diese Beschrän¬
kung auf den syrisch-palästinischen Dialektbereich ist, daß hier mit
einer verhältnismäßig homogenen Verbalsyntax gerechnet werden kann.
Dennoch kommen bei der Bestimmung der Funktionen des Partizips
in dem hier angegebenen Rahmen Probleme zur Sprache, die von all¬
gemeinerer Bedeutung für die arabische Dialektsyntax sind.
Die eine Voraussetzung, die bei dieser Untersuchung gemacht ist,
nämlieh die, daß die herangezogenen Dialekte sich nicht gerade in diesem
Punkt wesentlich unterscheiden, kann erst im Lauf der Untersuchung
verifiziert werden. Daß diese Dialekte (Jerusalem und Umgebung, Bir
Zet, Damaskus, Hama, Tripolis) im allgemeinen eine deutliche Gruppe
innerhalb der arabischen Dialekte bilden, kann ja kaum bestritten
werden^.
Die zweite Voraussetzung, nämlich daß grammatischen Formen be¬
stimmte syntaktische Funktionen zugeordnet werden können, kann
und braucht hier nicht reflektiert zu werden. Methodisch ist zu bemerken,
1 Ein Beispiel für viele ist Gotthelf Bebgstbässebs Arbeit Zum arabi¬
schen Dialekt von Damaskus, die auf Seite III ein weiteres Heft ankündigt, das ,,auf breiterer Grundlage eine Anzahl wiehtiger Punkte der Grammatik, vor allem der Syntax, behandeln" soll. Dieses Heft ist nie erschienen.
^ Vgl. G. Bebostbässeb, Sprachatlas von Syrien und Palästina, ZDPV 38
(1915) 169—222.