• Keine Ergebnisse gefunden

Die Rolle der Autorität in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen MASTERARBEIT

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Die Rolle der Autorität in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen MASTERARBEIT"

Copied!
111
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Die Rolle der Autorität in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

MASTERARBEIT

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts

an der Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Lisa-Maria LUGITSCH, BA

am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft Begutachterin: Univ.-Prof. Dr.phil. Johanna Hopfner

Graz, August 2021

(2)

Danksagung

Mein spezieller Dank gilt meinen Eltern, denen ich es zu verdanken habe, diesen Weg gehen zu können. Danke für eure Unterstützung in den letzten Jahren und die aufmunternden Worte.

Ihr habt es mir ermöglicht, nun meinen Master in den Händen halten zu können!

Bedanken möchte ich mich bei meiner Schwester, die immer ein offenes Ohr für mich hat und mich im Laufe meines Studiums tatkräftig unterstützt hat. Danke auch an meine Cousinen, für das Korrekturlesen und den Beistand in der letzten Phase. Stets an meiner Seite waren meine Freundinnen, DANKE für eure Zeit und euren Support!

Ein großes Dankeschön geht an den wunderbaren Menschen, der meine Launen in den letzten Wochen und Monaten stets mit Humor genommen hat. Danke Gabriel!

Bedanken möchte ich mich auch bei den InterviewpartnerInnen und der Seminargruppe. Vor allem aber bei Univ.-Prof. Dr.phil. Johanna Hopfner, welche mich durch ihre engagierte Haltung im Verfassen der Masterarbeit begleitet hat.

(3)

Kurzzusammenfassung

Kinder und Jugendliche aus problembelasteten Familien kommen früh mit Hilfsangeboten der Kinder- und Jugendhilfe in Kontakt. Durch diese wird versucht, die Familien in der Erziehung zu unterstützen und den heranwachsenden Individuen ein harmonisches Familienleben zu ermöglichen. Sind die Probleme tiefgreifend, werden Kinder und Jugendliche durch die pädagogische Arbeit und der Einbeziehung von Fachkräften der Kinder- und Jugendhilfe unterstützt. Durch individuelle Maßnahmen wird auf das Individuum eingegangen und dessen Fähigkeiten gefördert. Mit einer geborgenen Umsorgung wird anhand der pädagogischen Arbeit ein Erziehungsziel verfolgt, welches die Kinder und Jugendlichen zu selbstwirksamen und mündigen Individuen versucht zu erziehen.

Wissen und Erfahrungen schreiben der erwachsenen Person im Erziehungsgeschehen eine autoritäre Rolle zu. Die Stellung der pädagogischen Fachkräfte ist durch eine Haltung zu definieren, die sich am Wohl des Kindes und Jugendlichen zu richten hat. Die Zuweisung von Autoritäten beruht auf einer freiwilligen Unterwerfung der Kinder und Jugendlichen und definiert eine akzeptierende Haltung gegenüber dem Wissen von Erwachsenen. Die Bedeutung von Autoritäten in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ist mit einem hohen Einfluss auf die Heranwachsenden verbunden.

Anhand einer empirischen Erhebung mittels ExpertInneninterview werden autoritäre Züge analysiert, die das Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe beeinflussen.

(4)

Abstract

Children and adolescents of troubled families face the intervention of child and youth welfare services at an early stage in life. These services try to support the families in parenting and to provide the individuals a harmonious family surrounding while growing up. In intense cases, children and teenagers receive help from educational advisors from child and youth welfare services. Each individual child receives specific measures to take care of their needs in order to enhance their abilities. With the warm and sheltering care through parenting based on educational work, the children and adolescents are being raised to become independent and responsible.

Adults are placed into an authoritarian role in a parenting context, given their possession of knowledge and experience. The status of pedagogic experts is to be defined by their attitude towards the well-being of the child or teenager. The level of an adult`s authority, defined by the acceptance of the adult`s knowledge, depends on the voluntary submission of the child or teenager. The meaning of authorities in educational work with children and teenagers is connected with the high influence on the adolescents.

With an empirical survey by means of expert interviews authoritarian traits are analyzed that influence the way children and teenagers grow up in the context of child and youth welfare services.

(5)

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Allgemeine Annäherungen ... 3

2.1 Autorität ... 3

2.2 Die pädagogische Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe ... 7

2.3 Kindheit und Jugendalter ... 10

2.3.1 Kind sein dürfen ... 10

2.3.2 Jugendliche als Rebellen ... 12

3 Autorität im Wandel ... 14

3.1 Der traditionelle Autoritätsgedanke ... 14

3.2 Der Wertewandel ... 20

3.3 Der antiautoritäre Zugang ... 25

3.4 Der neue Autoritätsgedanke ... 31

4 Die pädagogische Arbeit und Autorität ... 35

4.1 Autorität in der pädagogischen Arbeit ... 38

4.2 Die Aufgabe der Autorität in der pädagogischen Praxis ... 44

4.3 Das Legitimationsproblem der Autorität ... 48

5 Empirische Untersuchung der Rolle von Autoritäten ... 52

5.1 Zielsetzung und Fragestellung ... 53

5.2 Die Stichprobe ... 54

5.3 Die Erhebungsmethode ... 55

5.3.1 Die Befragung ... 56

5.3.2 Das ExpertInneninterview ... 57

5.4 Das Erhebungsinstrument ... 58

5.4.1 Der Interviewleitfaden ... 58

5.4.2 Der Interviewleitfaden für ExpertInnen ... 59

5.5 Die Durchführung der Forschung ... 60

(6)

5.6 Die Auswertungsmethode der Daten ... 61

5.6.1 Die Aufbereitung des Datenmaterials ... 62

5.6.2 Die Auswertung des Datenmaterials ... 63

6 Darstellung und Interpretation der Ergebnisse ... 64

6.1 Autorität ... 64

6.1.1 Definition der Autorität ... 66

6.1.2 Formen der Autorität ... 68

6.1.3 Rollenzuschreibungen ... 69

6.1.4 Legitimationsproblem der Autorität ... 72

6.2 Pädagogische Arbeit ... 75

6.2.1 Autorität in der pädagogischen Arbeit ... 77

6.2.2 Pädagogischer Auftrag ... 80

6.3 Kinder und Jugendliche ... 83

6.3.1 Aufwachsen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe ... 84

6.3.2 Akzeptanz gegenüber Autoritäten ... 87

7 Resümee ... 91

8 Ausblick ... 95

9 Literaturverzeichnis ... 96

10 Anhang ... 104

10.1 Interviewleitfaden der ExpertInneninterviews ... 104

(7)

1 Einleitung

In der pädagogischen Arbeit sind Fachkräfte dazu angehalten, Kinder und Jugendliche zu einem guten Leben zu führen. Es geht um Begleitung und Unterstützung, Sicherheit und Schutz, Vertrauen und Geborgenheit. Diese Grundpfeiler bilden in der Kinder- und Jugendhilfe die Ziele in der Betreuung und Erziehung von heranwachsenden Individuen, die in problembelasteten Familienverhältnissen aufgewachsen sind.

Mit der Masterarbeit ist ein Blick in die Struktur der pädagogischen Arbeit zu wagen und sich ein Bild darüber zu machen, wie sich autoritäre Verhältnisse entwickeln. Es sind Mechanismen zu hinterfragen, die eine Hierarchie in den Institutionen festschreibt. Eine Überprüfung der Zuweisung von Autoritäten aufgrund einer hierarchischen Stellung in der Institution oder der freiwilligen Anerkennung ist durchzuführen. Der Platz, welchen autoritäres Verhalten im Erziehungsgeschehen einnimmt, ist mit der Rolle von Autoritäten zu besetzen und anhand der Ausübung zu definieren. Die wissenschaftliche Arbeit hat sich an pädagogische Fachkräfte, Eltern und andere zur Erziehung besorgten Erwachsenen zu richten. Es gilt sich mit den Eigenschaften von Autoritäten auseinanderzusetzen und diese zu hinterfragen. Ein differenzierter Blick ergibt sich in Anbetracht der geschichtlichen Wandlung von Autoritäten und bedingt eine neue Bewertung.

Das Forschungsinteresse der wissenschaftlichen Arbeit liegt in der Aufdeckung von Mechanismen, die eine autoritäre Ausübung in der pädagogischen Arbeit rechtfertigen. Es sind Strukturen zu untersuchen, in welchen sich Kinder und Jugendliche an erwachsene Vertrauenspersonen wenden und diesen eine autoritäre Position zuschreiben. Die Beziehungsebene ist, aufgrund ihrer Bedeutung in der pädagogischen Arbeit, als wesentliches Merkmal zu definieren. Aus einer feinen Analyse der Thematik ergeben sich folgende Forschungsfragen, welche in einem abschließenden Resümee beantwortet werden:

Welche Rolle wird der Autorität in der pädagogischen Arbeit zugeschrieben?

Wie ist Autorität in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen gezielt einzusetzen?

(8)

Die Auseinandersetzung mit der Rolle der Autorität ergibt eine detaillierte Literaturanalyse, welche sich in drei Kapiteln unterteilt. Das zweite Kapitel nimmt eine allgemeine Annäherung zur Thematik vor und definiert wichtige Begriffe. Die Autorität, die pädagogische Arbeit, sowie Kinder und Jugendliche erhalten eine Definition, durch welche sie eine Einordnung in die wissenschaftlichen Arbeit erhalten. Im dritten Kapitel werden die allgemeinen Annäherungen im Themenfeld der Autorität integriert und diese in einem Wandel gesehen. Der traditionelle Autoritätsgedanke nimmt Bezug auf die Stellungen in der Familie und charakterisiert diese anhand historischer Werke. Mit dem Wertewandel wird die Autorität dem modernen Diskurs nähergebracht und mit dem Ausläufer der antiautoritären Zugänge beschrieben. Mit dem neuen Autoritätsgedanken wird der Blick in die Zukunft gewagt und die Definition der Autorität angepasst. Das vierte Kapitel befasst sich mit dem Autoritätsverhältnis in der pädagogischen Arbeit. Es wird die Autorität in der pädagogischen Arbeit dargestellt und mit Aufgaben besetzt, die dem Aufwachsen der Kinder und Jugendlichen förderlich sind. Der Anspruch auf die Legitimität von Autoritäten lässt sich durch eine Problemanalyse formulieren und nimmt positive, wie negative Aspekte heraus.

Um die theoretische Analyse zu stärken, wird im fünften Kapitel auf die empirische Untersuchung zur Rolle der Autorität in der pädagogischen Arbeit verwiesen. Die Zielsetzung greift das Forschungsinteresse auf und ist mit den theoretischen Grundlagen einer empirischen Sozialforschung darzustellen. Die Stichprobe repräsentiert die ausgewählten ExpertInnen, die Erhebungsmethode wird durch die Befragung und dem ExpertInneninterview charakterisiert, sowie das Erhebungsinstrument durch einen Leitfaden gestützt. Die Durchführung und Auswertung der empirischen Untersuchung werden anhand ihrer Methode beschrieben. Im sechsten Kapitel werden die Ergebnisse der Forschung durch eine interpretative Darstellung erläutert und mittels der fachlichen ExpertInneninterviews diskutiert. Das siebte Kapitel stellt mit dem Resümee eine Zusammenfassung der Ergebnisse zur Rolle der Autorität in der pädagogischen Arbeit bereit und ist mit dem finalen achten Kapital mit einem Ausblick auf die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen beschrieben.

Anschließend befindet sich das Literaturverzeichnis und im Anhang der Interviewleitfaden der ExpertInneninterviews.

(9)

2 Allgemeine Annäherungen

In den allgemeinen Annäherungen werden Begriffe ausformuliert, die sich durch die wissenschaftliche Arbeit ziehen und einer gesonderten Definition bedürfen. Die Autorität ist mit der Prämisse zu beschreiben, sie als übergeordnetes Themengebiet der Arbeit darzustellen und in ihrer Vielfalt zu beschreiben. Mit der Einordnung in die pädagogische Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe wird Autorität ausgeweitet und mit den Aufgaben der pädagogischen Tätigkeit besetzt. Die Kinder und Jugendlichen stellen mit ihren Lebensabschnitten den Bereich dar, welchen es innerhalb der pädagogischen Arbeit zu veranschaulichen gilt.

2.1 Autorität

„Selbstsicherheit, überlegenes Urteilsvermögen, die Fähigkeit, andere zu Disziplin anzuhalten – das sind Eigenschaften einer Autorität“ (Sennett 1985, S. 22).

Laut Richard Sennet (1985) sind die Eigenschaften von Autoritäten in Verbindung mit dessen Wortstamm zu betrachten. Das Wort Autorität stammt von den lateinischen Wörtern

«auctoritas» und «auctor» ab. Auctoritas beruht auf einem Rat, welcher vom Urheber, den PädagogInnen oder Eltern, zugesprochen wird. Die ratgebende Funktion lässt eine freiwillige Unterwerfung vermuten und steht in keiner Verbindung mit einem Befehl. Im Erziehungsgeschehen wird der Rat als Befehl gesehen, da der Ratschlag von einer bevollmächtigten Person ausgesprochen wird. Das Wesensmerkmal der Auctoritas ist ein helfendes und beruht auf dem Vertrauen, welches den RatgeberInnen zugesprochen wird. Der Auctor hat die Botschaft eines Urhebers in sich und lässt einem eine beratende Funktion zukommen. Sowohl der Rat und der Urheber stehen in Zusammenhang mit dem Wort «augere», welches sich vermehren, wachsen und fördern bedeutet (vgl. Eschenburg 1977, S. 7 f.).

Um es mit den Worten des Autors Dietz (1960) zu verdeutlichen, ist folgende Stelle zu erwähnen: „Das Gesetz, nach welchem die auctoritas in extremis in das menschliche Schicksal eingreift, prägt die Konsequenzen ihres Wirkens“ (Dietz 1960, S. 33).

Der Autor verdeutlicht die Vorsorge von ausübender Autorität, die einen möglichen Wiederholungsfall zu verhindern versucht. Die Autorität wirkt in der Zeit versetzt, ist unbewusst und greift beiläufig ein (vgl. ebd.).

(10)

Die Autorin Lüdemann (2009) weitet die Definition von Sennet und Dietz über Autorität folgendermaßen aus:

„Autorität, so dürfen wir vielleicht etwas freier formulieren, haben in römischer Perspektive die, denen es zukommt, das Handeln anderer in seiner Legitimität zu beglaubigen, und sie haben diese Autorität kraft ihres Amtes (als Vormund oder Senatsmitglied). Auctores sind also die, die das Gesetz verbürgen, unter denen das Handeln aller steht“ (Lüdemann 2009, S. 125).

Erweiternd sieht Michael Wimmer (2014) die Autorität im römischen Wort «potestas»

begründet, welches mit Macht gleichzusetzten ist und ein Herrschaftsbefugnis der höher Gestellten vermuten lässt. Dem Auctoritas werden positive Eigenschaften zugesprochen, wie das Vertrauen, die Achtung und freiwillige Unterwerfung. Potestas beschreibt hingegen die negativen Eigenschaften, welche sich durch Zwang und Sanktionen den Gehorsam erarbeiten.

Ein Autoritätsverhältnis baut auf der Unvereinbarkeit von freiwilliger und zwanghafter Unterwerfung auf und setzt dem Zwang die Freiwilligkeit voraus. Ohne eine freiwillige Unterwerfung ist keine Autoritätsbeziehung möglich. Die „freiwillige Folgschaft“ (Wimmer 2014, S. 195), setzt ein asymmetrisches Sozial- und Interaktionsverhältnis voraus, „in denen es um Lenkung, Leitung, Führung und Regierung geht und in denen die Adressaten zustimmen können müssen“ (Wimmer 2014, S. 195).

Das synonym verwendete Wort der Macht wird dem der Stärke gleichgesetzt, mit welcher die Autorität erläutert wird. Im Wort der Autorität ist eine weitläufige Definition enthalten, welche als Erzeugung betrachtet wird und mit dem lateinischen Wortstamm des Auctor über eine gewisse Vorstellung der Autoritätsperson verfügt. Der „der über Autorität verfügt, [kann]

anderen den bleibenden Wert dessen, was er tut, verbürgen“ (Sennett 1985, S. 23).

Im Denken Nietzsches schlägt sich eine Definition von Autorität nieder, die die Macht im Erziehungsgeschehen in den Vordergrund rückt. In dieser geht es um den Willen, welcher „auf dem Willen zur Macht als dem einen Willen in den Befehlenden und Gehorchenden beruht, wobei der Wille zur Ausführung des Gewollten auf das Widerstreben der Gehorchenden angewiesen ist“ (Kerger 1988, S. 185). Es geht um Regeln, die das menschliche Handeln festschreiben und ein institutionalisiertes Verhalten produzieren, in dem sich ein Machtverhältnis zwischen Befehlendem und Gehorchendem ergibt (vgl. ebd., S. 186).

Die Autorität ist ein asymmetrisches Verhältnis, hängt mit der Beziehungsebene zusammen und lässt mit seinem Wortstamm auf Herrschaft verweisen. Die erwachsene Person fordert Unterwerfung in Form von Befehlen, der Vorbildwirkung und dem vorhandenen Wissen ein.

(11)

Die Autorität der Person entsteht in gesellschaftlichen Bezügen, wie der sozialen Position und setzt die Autorität nicht als Eigenschaft einer Person voraus, sondern ist auf die Bestätigung in Beziehungen bezogen. Eine Anerkennung kann auf freiwilliger Basis oder durch Unterwerfung stattfinden. Die Adjektive «autoritativ» und «autoritär» charakterisieren den Unterschied, während „autoritativ eher auf zwanglose Anerkennung verweist, steht autoritär für die ggf. auch gewaltsame Durchsetzung von Autorität. Aber Autorität kann auch stets infrage gestellt, bestritten und verweigert werden“ (Roth 2016, S. 26).

Als legitimiert kann Autorität nur angesehen werden, wenn diese aus den wahrgenommenen Stärkeunterschieden resultiert. Das Unerreichbare verdeutlicht die Autorität, es liegt ein großer Unterschied zwischen dem mir Überlegenen, welches Furcht und Respekt gegenüber dem mir Stehenden verursacht. Der Autor Sennett (1985) verweist auf Hegel und gibt an, dass „die Autorität als legitim wahrgenommen [wird], wenn ihre Stärke sie zu einem anderen macht, zu einer Person, die aufgrund dieser Stärke einer anderen Sphäre angehört“ (Sennett 1985, S. 187 f.). Eine anerkannte Autorität vermag zu urteilen und Sicherheit bieten. Ableiten lässt sich das vom römischen auctor, welcher Garantien und Schutz geben konnte. Lediglich die Gegenwart einer legitimierten Autorität lässt ihre Wirkung bestätigen, wobei es gleichkommt ob der Autorität gehorcht wird oder nicht (vgl. ebd., S. 187 ff.).

Nach der Auffassung von Aristoteles und dem natürlichen Vorhandensein von Jung und Alt, wird es als naturgegeben gesehen, im menschlichen Zusammenleben einen Befehlenden und Gehorchenden zu definieren, was zu Herrschern und Beherrschten führt. Die Autorin Arendt (2020) sieht ein elementares Element in der Beziehung zwischen Individuen und sieht diese in Frage gestellt, was die Autorität in der modernen Gesellschaft nicht mehr plausibel erscheinen lässt. Es entsteht eine Autoritätsfeindlichkeit, wie es Arendt (2020) beschreibt, und lässt das Phänomen des hilfsbedürftigen Kindes der Welt als Fremdling entgegenstehen. Es scheint, als würden sich die Eltern und PädagogInnen aus ihrer elementarsten Aufgabe des Gemeinwesens entziehen und das neugeborene Kind sich seiner selbst überlassen. Die Verantwortung wird abgelegt und zeigt den spezifischen Moment einer modernen Weltentfremdung (vgl. Arendt 2020, S. 164 f.).

Wie bereits der Autor Roth (2016) sehen die AutorInnen Schäfer und Thompson (2009) die Über- und Unterordnung als Resultate der Autorität, welche es zu interpretieren gilt. Die Über- und Unterordnung beruhen auf einem Führungsanspruch auf der einen und einer akzeptierten

(12)

Führung auf der anderen Seite, weshalb sich die Autorität als ein „anerkanntes Führungsverhältnis“ (Schäfer/Thompson 2009, S. 7) verstehen lässt. Die Akzeptanz dieser Führung wird einer Person durch die unterschiedlichen Typen von Autorität zugesagt, wie es Straßenberger (2013) formuliert. Die Autorin sieht in der Autorität einen politischen Begriff, der sich auf sämtliche Personen ableiten oder mit Macht gleichsetzen lässt. Als Resultat entsteht eine legitimierte Befehlsgewalt. Autorität lässt sich nach dieser Auffassung in vier Autoritätsbegriffe unterteilen und setzt (1) die personale Autorität, (2) die Sachautorität, (3) die ratgebende Autorität und (4) die Amtsautorität voraus. Der (1) personalen Autorität kommt eine vorbildhafte Wirkung zu, was sich in einer guten Lebensweise und einem Charakterbild, welches sich durch Mut und Stärke, Entschlossenheit und dem Werteaufbau, auszeichnet. In der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung wird diese Art der Autorität mit der Elite gleichgesetzt, was Personen hervorhebt, die mündig sind, sich ihrer personellen Fähigkeiten zu bedienen (vgl. Straßenberger 2013, S. 495 f.). Die (2) Sachautorität markiert das Wissen der Autoritätsperson und stellt eine vertrauenswürdige Basis im Handeln dar. Verweisend auf Pierre Bourdieu hebt Grit Straßenberger (2013) hervor, dass es sich um eine Verbindung der persönlichen und der Amtsautorität handelt, was sich im kulturellen Kapital niederschlägt. Der Person haftet die Autorität an, in Form von Titeln durch das Bildungssystem oder einer entscheidenden Rolle im Staat (vgl. ebd., S. 499). In der (3) ratgebenden Funktion ist Autorität mit dessen Wortstamm zu erläutern und mit dem Ursprung auctor verbunden (vgl. ebd., S. 501).

Die (4) Amtsautorität bekommt durch ihren zeitlich festgelegten Rahmen eine verantwortungsvolle Aufgabe zugeschrieben und wird auf der personalen Ebene angesehen. Sie trägt ein leistungsorientiertes Moment in sich und ist dazu bemächtigt, sich durch ihr zugewiesenes Amt und der festgelegten Aufgaben im Rahmen ihrer Verantwortung zu repräsentieren (vgl. ebd., S. 505).

Diese Auffassung von Autorität ergänzend, ist die Sichtweise von Max Weber darzustellen, welche sich bei Sennett (1985) in drei Stufen untergliedert. In der ersten Stufe geht es um (1) die traditionelle Autorität, welche vom Alltagsglauben abgeleitet und der Tradition zugeschrieben wird. Die (2) „legal-rationale Autorität“ (Sennett 1985, S. 26) beruft sich auf den Glauben der Ordnung, der Anweisung und der zur Herrschaft Berufenen, welche auf die Gesellschaft übertragen werden kann. Mit der (3) charismatischen Autorität wird auf Personen verwiesen, die als Vorbilder gelten und eine Ordnung vorgeben. Durch die von Weber markierten Arten der Autorität lässt sich eine Legitimität dieser feststellen, denn eine Autorität ist stets „als Glaube an die Legitimität, gemessen an der Bereitschaft zu freiwilligem

(13)

Gehorsam“ (Sennet 1985, S. 28) initiiert. Der Gehorsam ist als eine starke Anlage im Menschen verankert und als Gefühl vorhanden, denn „alles, was wir sagen können, ist, daß Menschen gehorchen, weil sie einen Instinkt dazu besitzen“ (Milgram 1974, S. 147).

Für Hannah Arendt (2020) steht im Gegensatz fest, die Autorität lässt sich nicht anhand einer Definition beschreiben, sondern ist aus dem geschichtlichen Kontext heraus zu betrachten. In der modernen Welt würde eine neue Auffassung über Autorität bestehen. Die Autorität steht mit Gehorsam in Verbindung, welche eine Form der Macht vermuten lässt. Mit den Worten von Arendt löst sich diese Vermutung auf: „Autorität jedoch schließt gerade den Gebrauch jeglichen Zwanges aus, und wo Gewalt gebraucht wird, um Gehorsam zu erzwingen, hat Autorität immer schon versagt“ (Arendt 2020, S. 159). Vielmehr geht es bei Autorität um das Argumentieren, welches mit einer äußeren Kraft besetzt ist und eine Überzeugung darstellt.

Sich gegen Zwang und Gewalt stellend, beruht eine autoritäre Beziehung zwischen dem Befehlenden und Gehorchenden auf einer anerkannten Hierarchie und setzt weder die Macht des Befehlenden noch die Vernunft der beiden voraus. Was beiden AkteurInnen gleich kommt, ist die Anerkennung des jeweiligen Gegenübers, welche die vorbestimmten Plätze der Individuen legitimiert (vgl. ebd., S. 159 f.).

2.2 Die pädagogische Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe

Als personenbezogene Interventionsform stellt die Kinder- und Jugendhilfe einen Apparat zur Verfügung, welcher die AdressatInnen anhand einer Hilfe zur Selbsthilfe zu den erwünschten Lebensverhältnissen führt. Die Soziale Arbeit übernimmt den Auftrag, hilfsbedürftige Personen mittel- oder langfristig mit Unterstützungsangeboten unter die Arme zu greifen und sie in ihren Handlungskompetenzen zu stärken (vgl. Dahme/Wohlfahrt 2018, S. 220 f.).

In Bezug auf die Institutionalisierung der Kinder- und Jugendhilfe lässt sich feststellen, dass es ein kontroverses Unterfangen darstellte, die Sozialpädagogik als eigenständige Instanz hervorzuheben und diese als dritte Erziehungsinstanz anzusehen, die neben der Schule und Familie zu agieren hat. Seit den 1990er Jahren erhebt sich die Debatte nochmals, wodurch die Kinder- und Jugendhilfe als Erziehungsinstanz an Bedeutung gewann und in Notlagen ein allgemeines Regelangebot für die heranwachsende Generation bereithält. „Die Kinder- und Jugendhilfe, so die These, habe sich de facto zu einer ubiquitären, von einem Randgruppen-´

und Problembezug emanzipierten, Sozialisationsinstanz mit einem allgemeinen

(14)

Erziehungsauftrag entwickelt“ (Ziegler 2012, S. 669) und nimmt die Bedeutung dieser heraus.

Es geht weniger um die heranwachsenden Individuen, sondern um die Erziehungsberechtigten, die eine Hilfe zur Erziehung benötigen (vgl. ebd., S. 672 f.).

Ulrike Voigtsberger (2018) betont, dass sich die Kinder- und Jugendhilfe als familienergänzende und in besonderen Fällen als familienersetzende Institution gelungen herausstellt, wenn diese Zuwendung zulässt, eine Beziehungsqualität sichern, das Urvertrauen aufbauen und eine zwischenmenschliche Begegnung ermöglichen kann (vgl. Voigtsberger 2018, S. 258). In diesem Rahmen können die laut § 3 KJGS aufgestellten Grundsätze verfolgt werden und unterstützen die Kinder und Jugendlichen in der Stärkung, Ausweitung und Nutzung ihrer Anlagen und Fähigkeiten.

Der Autor Ziegler (2012) beschreibt die Erziehung der Kinder- und Jugendhilfe anhand aussagekräftiger Strategien und greift auf „Empowerment, Förderung, Hilfe und Kontrolle, Problembearbeitung oder Problemlösung, Aktivierung, Befähigung, Care, Integration etc.“

(Ziegler 2012, S. 665) zurück. Diese Definition lässt sich ausweiten, indem das Hervorbringen handlungsfähiger und normaler Subjekte in der Erziehung zu verfolgen ist (vgl. ebd., S. 665 f.).

Zentrale Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe sind die Betreuung, Erziehung und Bildung von Kindern und Jugendlichen und stellen die sozialpädagogische Infrastruktur bereit. In familiären Notlagen, in denen die Eltern nicht für ihre Kinder sorgen können, tritt die Kinder- und Jugendhilfe als familienersetzende Maßnahme ein und übernimmt die Pflege und Erziehung der noch minderjährigen Kinder und Jugendlichen (vgl. Voigtsberger 2018, S. 243 ff.). Die (1) Betreuung galt lange als Konzept der Pflege und Versorgung, wurde im 19.

Jahrhundert auf den Bereich der Aufsicht erweitert und erfährt im aktuellen Diskurs eine Wende. In Einbezug des englischen Begriffes «care» „umfasst Betreuung mehr als „nur“ die zeitweilige Zuständigkeitsverlagerung zur Pflege und Aufsicht von Kindern von der Institution Familie auf eine öffentliche pädagogische Institution. Sie beinhaltet neben der psychischen Versorgung, Ernährung und Pflege der Kinder auch deren soziale Unterstützung und schließt die emotionale Zuwendung sowie den Aufbau von Bindung und persönlicher Beziehung mit ein“ (Voigtsberger 2018, S. 257). Im Gegensatz stellt die (2) Erziehung einen wesentlichen Beitrag dar, um die Kinder und Jugendlichen zu einem verantwortungsbewussten Erwachsenenleben zu führen. (3) Bildung vollzieht sich im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe anhand nicht formeller Bildungsprozesse und ist auf professioneller, sowie

(15)

freiwilliger Basis angesiedelt und als zusätzlicher Bildungsort markiert. Der Bildungsprozess vollzieht sich im Kontext der Biografie und Subjektorientierung in welcher gesellschaftliche Beziehungen zu einer Identitätsbildung beitragen (vgl. Voigtsberger 2018, S. 265 f.).

Die Betreuung, Erziehung und Bildung stellen eine Übernahme gesellschaftlicher Werte und Normen, sowie die Verteilung von Rollen dar. Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe sind diese im erzieherischem Geschehen als familienunterstützende Maßnahmen anzusehen.

Bezogen auf Ziegler und Honneth formuliert die Autorin Voigtsberger (2018), dass es sich im Rahmen der Erziehung um eine Autonomisierung und Normalisierung der AdressatInnen handelt, durch welche sie sich eigenverantwortlich und selbständig zeigen (vgl. ebd., S. 259 ff.).

Vor diesem Hintergrund bekommt die Kinder- und Jugendhilfe einen erzieherischen Charakter zugeschrieben. Verweisend auf Winkler und Scherr gibt Ziegler (2012) an, dass es sich bei der Erziehung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe um Probleme der Erziehung im Generellen handelt, auf die reagiert wird und die auf alltägliche Bewältigung des Lebens ausgerichtet sind (vgl. Ziegler 2012, S. 675 f.).

Der klassische und wichtige Charakter der Kinder- und Jugendhilfe liegt in den Hilfen zur Erziehung und stellt ein Instrument parat, welches dazu dient, im Notfall einzugreifen, wenn Familien die Funktionen der Erziehung nicht mehr selbständig bewältigen können. Zur Förderung des Kindeswohls und Schutzes der Kinder und Jugendlichen sind laut dem § 1 des KJGS die Eltern, oder sonstige mit der Pflege und Erziehung betraute Personen, für das Kind oder den Jugendlichen verantwortlich. Das Recht der Kinder und Jugendlichen auf eine individuelle Förderung der Entwicklung, sowie der Schutz vor Gewalt und anderen Gefährdungen sind zu gewährleisten. In § 2 KJSG werden die Ziele nochmals verdeutlicht, in welchem Vordergrund steht, „dass Kinder und Jugendliche ihre Anlagen und Fähigkeiten frei entfalten können und sie sich zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten entwickeln“ (§ 2 Abs. 1 KJSG). Für die Problembewältigung und die soziale Integration in Familie, Schule, Öffentlichkeit und Arbeitsplatz bietet die Kinder- und Jugendhilfe Dienste an, welche sich in folgende Bereiche unterteilen. Die (1) allgemeinen Beratungsangebote für altersspezifische Fragen, (2) die Schulsozialarbeit, (3) die Unterstützung für sozial benachteiligte und entwicklungsgefährdete Kinder und Jugendliche, sowie die (4) stationäre Betreuung in Notsituationen (im Sinne des § 14 KJSG).

(16)

Zusammenfassend lässt sich die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe als zentrales Element definieren, wie es Ziegler (2012) angibt. Durch die pädagogische Arbeit werden heranwachsenden Individuen zu selbständigen und mündigen Personen. Ferner geht es um eine Unterstützung im Erziehungsgeschehen.

„Im Sinne einer Gesamtbetrachtung aller Felder der Kinder- und Jugendhilfe lässt sich davon sprechen, dass die Kinder- und Jugendhilfe eine öffentliche Einrichtung darstellt, die in erzieherischer Form in die Lebensführung von Familien und jungen Menschen eingreift und dabei ggf. Bildungsprozesse befördert“ (Ziegler 2012, S. 677).

2.3 Kindheit und Jugendalter

Die Kindheit und das Jugendalter werden als getrennte Lebensphasen gesehen und bedürfen einer eigenen Auseinandersetzung. Im Folgenden wird auf die Definition der Kindheit eingegangen, diese anhand ihrer Charakteristika beschrieben und in einem geschichtlichen Kontext dargestellt. Mit dem Jugendalter wird in die Lebensphase vor dem Erwachsensein eingegangen und diese als eigenständige Phase im Heranwachsen betrachtet.

2.3.1 Kind sein dürfen

Grundsätzlich gelten Personen unter dem vollendeten 18. Lebensjahr als Kinder und Jugendliche (vgl. § 5 KJSG). Die Kindheit umfasst eine frühe Phase im Leben, in der das Kind mit kindlichen Attributionen verbunden und gegenüber den Erwachsenen gestellt wird. Sie ist von Beginn des Säuglingsalters bis hin zur Pubertät charakterisiert und geht in das Jugendalter über, welches als Teenageralter oder Adoleszenz bekannt ist. Aus juristischer Sicht kommen den Kindern und Jugendlichen weniger Rechte als den Erwachsenen zu, wodurch sie für ihr Handeln weniger Verantwortung zu tragen haben. Es sind keine Alterslimite, wie es Giesinger (2019) benennt, an das Alter geknüpft, denn sonst würden Fähigkeiten lediglich mit dem Alter in Verbindung gesetzt werden. Eine individuelle Entwicklung wäre innerhalb von Altersgrenzen nicht möglich, da sich Fähigkeiten den natürlichen Veranlagungen entsprechend entwickeln (vgl. Giesinger 2019, S. 43).

In Bezug auf Autorität ist eine Einstellungsuntersuchung zu erwähnen, die 1969 an Vorschulkinder unter sechs Jahren, anhand eines standardisierten Fragebogens, durchgeführt wurde. Dafür wurden 171 Vorschulkinder mit ihren Eltern in Gruppendiskussionen über Autoritäten befragt und daraus resultierend ein Fragebogen erstellt. Mit Fragen wie etwa „Wer

(17)

1973, S. 44) wurden die Hauptkategorien für die spätere Erhebung gesammelt. Bei den Einstellungen zu autoritären Verhältnissen in der Familie und Schule wiesen zwei Drittel der befragten Kinder einen geringen persönlichen Spielraum auf. Bei Auseinandersetzungen mit anderen Kindern wurden diese nicht durch das Eingreifen von Erwachsenen bestimmt. Es ergab sich eine geleitete Fremdbestimmung, da in den meisten Situationen auf andere gehört wurde und es Regeln für das Zusammensein gab. Bei Nichteinhalten folgten Strafen, das Vorgeschriebene musste eingehalten werden. Unterschiede ergaben sich je nach angehörender Sozialschicht, wo Kinder aus der Mittelschicht über eine Anpassungsfähigkeit ohne Anleitung von Autoritäten verfügten, Kinder aus der Unterschicht und außerhalb der Familie einer Führung durch Erwachsene bedurften (vgl. ebd., S. 79). Die vor Beginn der Untersuchung aufgestellte Hypothese, dass Kinder aus der Unterschicht mehr an Führung benötigen und sich an Autoritäten orientieren, bestätigte sich im Zuge der Erhebung. Es wurde eine Unsicherheit außerhalb der Familie sichtbar, Autoritäten wurden benötigt und bekamen einen befriedigenden Charakter zugeschrieben. In der Mittelschicht waren die Normen innerhalb und außerhalb der Familie gefestigt und erforderten bei Fehlverhalten sanktionierende Konsequenzen (vgl. ebd., S. 82).

Lothar Böhnisch (2018) nimmt in der Betrachtung der Lebensalter die Entwicklung der Kindheit heraus und sieht diese als ein Produkt der Moderne, ausgehend vom vorindustriellen zum industriell gestalteten Zeitalter. Mit dem Wandel des Menschenbildes werden die Kinder nicht mehr als kleine Erwachsene, sondern als Kinder, so wie sie sind, wahrgenommen. Die Zeit, in der Kinder als Besitz galten und weniger an Wert zugeschrieben wurde als dem Gesinde, war von da an vorbei. Mit einer gleichgültigen Haltung wurde eine Mutter-Kind-Beziehung vorausgesetzt, welche nicht als fortlaufend erachtet werden kann, sondern als neuzeitliches Phänomen zu untersuchen ist. Sie stellen „keine universalen festen Größen, sondern historisch different und variabel“ (Böhnisch 2018, S. 59) geltende Bezüge dar. In der Sozialpädagogik sind die geschichtlich verankerten Prozesse ein Indikator für die bestehenden Eltern-Kind- Verhältnisse und legen Bewältigungskonstellationen offen. Mit der Moderne hat sich die Wertschätzung gegenüber dem Kind vergrößert und sich die familiäre Beschäftigung gesteigert, zur gleichen Zeit aber werden die gewaltförmigen Triebe in den Beziehungen innerhalb der Familie unterdrückt. Daraus resultiert Folgendes:

„Deshalb sind wir umso erschrockener und entsetzter, wenn wir zunehmend von Gewalt gegen Kinder in Familie hören, wenn wir über Ausbeutung und Missbrauch von Kindern lesen und uns gleichzeitig in moderner Distanz der Vorstellung entziehen wollen, dass Kinder vor zweihundert Jahren der Gewalt anheimfielen, wobei die Gesellschaft damals –

(18)

Kindstodes hatten, als es bei der heute im Privaten ausgeübten nackten Missbrauchs-Gewalt der Fall ist“ (Böhnis 2018, S. 60).

Der Autor Winterhoff (2010) stimmt der Meinung von Böhnisch zu und beschreibt die Kindheit folgendermaßen. „Kinder müssen wieder als Kinder gesehen werden. Heute sind wir dazu übergegangen, sie uns als kleine Erwachsene ebenbürtig zu machen und damit restlos zu überfordern“ (Winterhoff 2010, S. 20). Mit dem Gedankengut der bürgerlichen Familie erlangte das Kind eine neue Stellung und wurde nicht nur als Individuum akzeptiert, sondern als Mensch angesehen. Die Kindheit wurde von da an als eigenständige Entwicklungsphase anerkannt und mit dem von Ellen Key formulierten «Jahrhundert des Kindes» in den Vordergrund gerückt.

Der nun vorherrschende Entwicklungsbegriff der Kindheit wurde von der Reformpädagogik Anfang des 20. Jahrhunderts aufgenommen und stellte das Kind in den Mittelpunkt, welches die Fähigkeit in sich trägt, sich selbständig zu entwickeln. Im folgenden Jahrhundert steht das Kind einer Hürde entgegen und hat mit der Mediatisierung der Individuen zu kämpfen. Mit der Eigenentwicklung setzt sich das Kind mit seiner Umwelt auseinander und versucht diese zu bewältigen, um sich als soziales Wesen behaupten zu können (vgl. Böhnisch 2018, S. 61 f.).

Ausgehend von der Kindergruppe ist der Übergang der Kindheit in die Adoleszenz anhand der Autoritätsverhältnisse zu Erwachsenen und Gleichaltrigen zu betrachten. In der Kindheit befinden sich die Individuen in einer untergeordneten Position, die ihnen von Natur aus zugestanden wird. Sie gehören zu den Kleinen und Schwachen der Gesellschaft, sind ökonomisch von anderen abhängig und stehen mit ihren Bedürfnissen unter der Handhabe ihrer Erziehungsbeauftragten. Der soziale Einfluss ist gering und erwartet vom Kind eine Unterwerfung und den Gehorsam gegenüber Größeren und Mächtigeren. William Damon (1984) nimmt eine Untersuchung von Youniss auf, welche sich mit den Autoritätsbeziehungen von Kindern im Alter von sechs bis dreizehn Jahren beschäftigte. Es stellte sich heraus, dass Kinder der Auffassung waren, eine Eltern-Kind-Beziehung beruhe auf Gehorsam und es wäre das zu tun, was von ihnen verlangt wird. Die jüngeren Kinder verwiesen auf einen Gehorsam, der beispielsweise von den Eltern verlangt wurde. Ältere Kinder spiegelten den Gehorsam auf freiwilliger Natur und sahen sich nicht in Aufgaben verpflichtet (vgl. Damon 1984, S. 198 f.).

2.3.2 Jugendliche als Rebellen

Die Jugend stellt eine Lebensphase dar, in welcher Jugendlichen Neues ausprobieren, sich versuchen gegen Regeln zu stellen und Grenzen austesten. Es bezeichnet einen sozialen Status,

(19)

der sich in der Position des „Nicht-mehr und Noch-nicht“ (Niekrenz/Witte 2018, S. 383) befindet und die Tatsache beschreibt, in welcher ein noch nicht eigenständiger Lebensabschnitt zu einer anerkannten, selbständigen Phase des Alters wird (vgl. ebd., S. 382 f.).

In der sozialpädagogischen Jugendhilfe ist Kindheit als vorangegangene Entwicklungsstufe zu sehen und markiert mit dem Ende der Kindheit die «Erfindung des Jugendlichen». Dem Jugendlichen wurde der „Typ des schulentlassenen, männlichen, in der Großstadt beheimateten, proletarischen Jugendlichen“ zugeschrieben „der nicht (mehr) in der bürgerlich gelenkten Schule bzw. in geordneten Lehr- und Arbeitsverhältnissen integriert war, sondern seine Zeit ungeregelt auf der Straße verbrachte“ (Böhnisch 2018, S. 65). Diesem Charakter wurde keine pädagogische oder disziplinarische Kontrolle zugeschrieben, weshalb er zu verwahrlosen drohte. Im Inbegriff der bürgerlichen Familie standen die Heranwachsenden in einem anderen Licht, wo ihnen die Möglichkeit zum Lernen gewährt wurde, um sie für ihre spätere Rolle in der Gesellschaft vorzubereiten. „Der sich weiterentwickelnde Mensch in einer sich weiterentwickelnden (also modernen) Gesellschaft ist somit das Grundthema der pädagogischen Jugend“ (Böhnisch 2018, S. 66). Da es nicht reichte, die Jugend zwischen der Schulbank und dem sogenannten Kasernentor einzuordnen, formte sich ein neuer Jugendbegriff, welcher „nicht mehr nur junge Menschen, die sich der öffentlichen Kontrolle zu entziehen drohten, bezeichnet, sondern alle, die generell aus dem tradierten Bild der bürgerlichen Jugend herausfielen“ (Böhnisch 2018, S. 67). Disziplinierung und Strafe durch Dritte drohte den aus dem Raster fallenden und nicht pädagogisch zu betreuenden Jugendlichen.

Da sich diese nicht der Jugend entsprechend verhielten, musste mit ihnen nicht gemäß ihrem Alter und Wissensstand umgegangen werden. Nach dem Ersten Weltkrieg schien sich die Lage der Jugendlichen zu ändern und hob diese in einen privilegierten Stand, sie erlernten Berufe und hielten die Gesellschaft am Laufen. Die Jugendlichen schienen sich individuell zu entfalten und ihr traditionell nachgesagtes Bild zu dementieren. Ohne Vorbilder, wohl aber durch Modernisierungsprozesse haben sie es geschafft, eine eigenständige Lebensphase zu entwickeln und die Auffassungen der Jugendbewegung und Machteliten zu entkräften (ebd., S.

65 ff.).

Mit dem Beginn des Jugendalters gelangt das Kind in die Pubertät, durchläuft biologische und physiologische Veränderungen, setzt sich mit dem Erwachsenenalter auseinander und befindet sich in der Adoleszenz. Die Jugendlichen haben gewisse Veränderungen zu überwinden, wie etwa psychologische Herausforderungen. Sie sind nun in der Lage über gewisse

(20)

Lebensumstände selbst zu entscheiden und bedürfen in manchen Belangen noch einer Hilfe.

Die Adoleszenz wird in drei Phasen unterteilt und beinhaltet (1) die frühe Adoleszenz von 11- 14 Jahren, (2) die mittlere Adoleszenz von 15-17 Jahren und (3) die späte Adoleszenz von 18- 21 Jahren. In der frühen Phase kann es fälschlicherweise dazu führen, die nunmehr Jugendlichen als reif zu betrachten und ihnen zu viele Freiheiten zu geben, was aus einer geringen Behütung und einem fehlenden Interesse der Erziehungsbeauftragten resultiert. Das kommt vielfach zustande, da sich die Jugendlichen in der Übergangsphase vom Kind zum Erwachsenen befinden, wo der Ursprung von psychischen Störungen liegt, welche sich durch zu wenig Führung und Bewältigung der Entwicklungsaufgaben zeigen (vgl.

Wenglorz/Heinrichs 2018, 252 ff.).

Bezogen auf Erikson geben Niekrenz und Witte (2018) an, die Jugend handelt sich um eine Zeit, in welcher Krisen gegenwärtig sind und die heranwachsenden Individuen in eine Identitätskrise fallen, wo Verunsicherungen gegeben sind. Diese Krise ist in einer Schonzeit zu bewältigen, welche unter dem Wort «Moratorium» bekannt ist und den Jugendlichen eine Zeit zur Bewältigung der Krise zuspricht. In dieser wird den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben mit Rollen zu experimentieren, Verhaltensweisen auszuprobieren und Leitbilder zu definieren (vgl. Niekrenz/Witte 2018, S. 387).

3 Autorität im Wandel

Veränderungen über die Jahrzehnte und reformierte Familienbilder führen zu einer historischen Abwandlung der Autorität im Erziehungsgeschehen von Kindern und Jugendlichen. Es gilt die traditionelle Sichtweise von Autorität, den Wandel der Erziehungswerte, Ausläufer der Autoritätserziehung und die moderne Auseinandersetzung der Autorität zu betrachten.

3.1 Der traditionelle Autoritätsgedanke

Der ursprüngliche Gedanke der erzieherischen Autorität liegt in der Kernfamilie und schreibt dem Mann, dem Vater, die Rolle der Autorität zu. Diese Tatsache wird als natürlich angesehen und lässt einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Erziehung erahnen. Der Autor Erlinghagen (1973) geht in seinem Werk auf literarische Dokumente ein, aus welchen er die Bedeutung der Autorität und der mit Macht besetzten Person hervorhebt. Autorität ohne Macht

(21)

ist laut dieser Definition nicht zu denken. Es verlangt von den Kindern, sich gehorsam zu verhalten, unterzuordnen und sich an die Gesellschaft anzupassen (vgl. Erlinghagen 1973, S.

18 f.). Mit der Machtausübung übereinstimmend stellt der Autor Schmid (1975) in seiner Auseinandersetzung einen treffenden Punkt fest und setzt Autorität explizit mit Macht in Verbindung:

„Weil Autorität und Macht Befolgung von Verhaltensmustern wollen, erheben sie beide einen gewissen Gehorsamsanspruch. Für die Macht ist es Anspruch darauf, daß sich der Zögling unterwirft. Deshalb tritt er stets als Forderung auf, wie immer der Ton sei, in dem er vorgebracht wird. Dabei wird als Vorteil angesehen, daß im Kinde die Bereitschaft sich im Sinne der «Gültigkeiten» zu verhalten, schon gegeben sei, aber gefragt danach wird eigentlich nicht“ (Schmid 1975, S. 55).

Der Autorität wird im Erziehungsgeschehen eine Notwendigkeit zugeschrieben und sie ist „eine conditio sine qua non“ (Langeveld 1978, S. 55) in der Erziehung. Speziell in der Institution Familie lassen sich, durch die Stellung der männlichen Bezugsperson, Merkmale erkennen, welche als erzieherische Mächte einen Beitrag zu einem gesellschaftlichen Leben leisten. Darin eingebettet ist ein geordnetes autoritäres Verhalten, durch welches die Gesellschaft aufrecht gehalten wird. Dem Vater wird die Pflicht der Strenge zugeschrieben und Kinder sind dem Gehorsam unterworfen, was der bürgerlichen Familie die Pflicht des kategorischen Imperativs zuspricht. Die sittliche Autorität des Vaters ist zu respektieren und bringt die Kinder in die Lage, die Stärke dessen anzunehmen und der Gesellschaft mit einem bürgerlichem Autoritätsverhalten zu begegnen. Die Unterordnung hat unter dem Vater, beziehungsweise einem männlichen Mitglied, zu passieren, da er das Oberhaupt der Familie ist und es diesem zu gehorchen gilt (vgl. Horkheimer 1973, S. 128 ff.).

Erich Fromm (1973) formuliert es in seinem Werk anhand einer lustvollen Unterwerfung, die es dem Menschen vorschreibt, die eigene Autonomie zu untergraben. Der Autor ist der Meinung, „daß die Unterwerfung unter die Autorität lustvoll sein kann“ (Fromm 1973, S. 149) und setzt diese mit einer Selbstverständlichkeit gleich, sich anderen zu unterwerfen. Weiters sieht der Autor einen kritischen Aspekt und betont, „daß diese Aufgabe oft viel leichter war als die umgekehrte, Menschen zu veranlassen, die Unterordnung für innere Selbständigkeit und Mündigkeit aufzugeben“ (Fromm 1973, S. 149).

Besonders in Primitivgesellschaften ist es vorherrschend, die Autorität dem Mann zuzuschreiben, egal ob gegenüber seinen Kindern oder den Frauen in der Familie. Es ist in der natürlichen Form der Gesellschaft festgelegt und bis heute deutlich spürbar, was durch erzieherische Aufzeichnungen aus der Vorzeit bestätigt wird. Durch Machtausübung wird ein

(22)

Gehorsam der heranwachsenden Generation abverlangt. Karl Erlinghagen (1973) nimmt diesen Hintergrund zur Kenntnis und hält es wie folgt fest:

„Gehorsam und Unterordnung werden als Tugenden verstanden, die dem Heranreifenden seine Einpassung in die bestehende Gesellschaft im reifen Alter erleichtern sollen – eine Auffassung von der Erziehungswirklichkeit (…)“ (Erlinghagen 1973, S. 19).

Eine der berühmtesten Experimente ist die von Stanley Milgram durchgeführte Untersuchungsreihe zum Autoritätsgehorsam. Die im Jahr 1961 durchgeführte Studie stellte die zentrale Frage nach dem Regime der Nationalsozialisten in den Mittelpunkt. Roland Reichenbach (2011) greift eine Metapher heraus und sieht darin eine Begebenheit „wie wir (nicht mehr) zu sein meinen“ (Reichenbach 2011, S. 35).

Für die Studien wurden ProbandInnen gesucht, welche sich für eine vermeintliche Untersuchung über das Gedächtnis und dem Lernvermögen bereiterklärten. Für die Experimente gab es eine Versuchsperson und ein vermeintliches Opfer. Vor Beginn der Untersuchung wurden die TeilnehmerInnen mit einer Instruktion über die Gehorsamsbereitschaft vorbereitet. In dieser kamen folgende Thesen vor: „Eine Theorie lautet, daß der Mensch etwas exakt lernt, wenn er für einen Fehler jedesmal bestraft wird“ oder „Wir wissen jedoch noch sehr wenig über den Einfluß von Strafe auf den Lernprozeß, weil es fast keine wirklich wissenschaftlichen Untersuchungen am Menschen darüber gibt“ (Milgram 1974, S. 34). In der Testsituation hatten die LehrerInnen den SchülerInnen Aufgaben zu stellen, bei welcher den SchülerInnen bei jeder falschen Antwort ein Elektroschock verabreicht wurde und das in einer stetig erhöhten Frequenz. Falls sich die LehrerInnen den Anweisungen der VersuchsleiterInnen zu widersprechen versuchten, wurde auf ein Fortfahren hingewiesen, sodass die LehrerInnen ohne andere Wahl dazu angehalten waren, weiterzumachen. Eine Rückkoppelung vom Opfer kontrollierte das Verhalten der Versuchsperson, jegliches Zögern wurde von den VersuchsleiterInnen unterbunden (vgl. ebd., S. 36 ff.).

Die pädagogische Begründung der Autorität liegt nach Butler (1973) auf der psychoanalytisch- sozialpsychologischen Ebene und bezieht sich auf Sigmund Freud und dessen klinische Befunde. Wie es aus diesen Befunden zu entnehmen ist, unterwirft sich das Kind dem Vater, da es Angst verspürt und ein Bedürfnis von Liebe in sich trägt. Erst durch ein soziales Verhältnis, in welchem der Vater die Rolle des Mächtigen und das Kind die Rolle des Unterlegenen zugeschrieben bekommt, setzt sich ein Beziehungsablauf fort. Das Kind identifiziert sich mit der ihr überlegenen Person und möchte von dieser akzeptiert werden, eine Auflehnung gegen diese Person ist ausgeschlossen. Das Kind trägt den Wunsch nach

(23)

Anerkennung in sich und partizipiert gleichwohl an der Macht des Vaters. Es findet eine

„seelische Unterwerfung des primär physisch schwächeren Subjekts unter das stärkere“ (Butler 1973, S. 11) statt.

Überhaupt kann eine Erziehung nie völlig frei von Autoritäten gedacht, schon gar nicht praktiziert, werden. Mit der autoritären Erziehung wird versucht, ein Ziel vorzugeben, an welchem die heranwachsenden Individuen Verhaltensweisen internalisieren, um diese auf ihrem späteren Lebensweg anwenden zu können. Zu unterscheiden ist der autoritäre und autoritative Charakter der Erziehung, welcher sich gegenseitig bedingt. Eine autoritative Lenkung sieht nicht die Zukunft des Kindes als letzte Instanz an, sondern das, was hinter dem Ziel ist, die Person selbst. Es ist ersichtlich, dass es um die Lenkung eines selbstbestimmten Individuums geht, welches durch Autorität eingeschränkt wird. Erst in der Haltung der PädagogInnen wird der Unterschied sichtbar und zeigt im Umgang mit den heranwachsenden Individuen die Lenkungsabsicht und Forderung der Werte. Autoritative Haltungen geben keinen Nachdruck und lassen das Kind sich selbst entfalten, während eine autoritäre Haltung eingreift und mit Nachdruck versucht, die Forderung zu vollbringen. Meist wird dies nur im Tonfall und der Lautstärke spürbar, durch welche die Autorität ihre Machtposition ausnutzt (vgl. Schmid 1975, S. 53 f.). Ein autoritärer Charakter kommt im Erziehungsgeschehen so zustande, indem dieser in der Sozialisationsinstanz Familie und im ersten Sozialisationsschritt der Heranwachsenden erlernt wird (vgl. Kuckartz 1973, S. 34). Tritt im Laufe des Lebens eine weitere Sozialisationsinstanz in das Leben des Kindes, ob Schule, Betrieb oder Staat, zeigen sich die in der Familie erlernten Haltungen gegenüber Autoritäten. Den Autoritätspersonen wird autoritätsfixiert und mit dem im Habitus erlernten Verhalten entgegengetreten. Die in der Kindheit erworbenen Prozesse werden an die äußere Umgebung angepasst und haben Unterwerfung und Gehorsam zur Folge. Die Autorität ist nicht nur als in der Familie produziertes Mittel zu betrachten, sondern als durch externe Einflüsse geprägt zu sehen (vgl.

Butler 1973, S. 12 f.).

Eine Studie aus der Schweiz (1936) bestätigte die Interpretation von Autorität bei Jugendlichen, in welcher knapp 508 Fragebögen zur Analyse standen. In diesen Fragebögen wurde die Ausübung von Autoritäten in Form des Gebietsumfanges, dem Ausmaß und der durchgeführten Mittel, sowie die Hinnahme der Autorität durch die äußerliche und seelische Wahrnehmung abgefragt (vgl. Lazarsfeld/Leichter 1936, S. 353 ff.). Der Einfluss auf die Erziehung durch die ausübende Person wurde in den meisten Fällen auf beide Elternteile aufgeteilt, wo dem Vater

(24)

ein höheren Einfluss zugesagt wurde (21 %) als der Mutter (18 %). In Belangen des Vertrauens gaben die Jugendlichen vermehrt die Mutter (24 %) an, folgend vom Vertrauen beider Elternteile, von jeglichen Dritten, schließlich gefolgt vom Vater (7 %). Die Entwicklung des Vertrauens ist vom Alter der Jugendlichen abhängig und lässt die Vertrauensbasis zu den Eltern ab dem 18. Lebensjahr schrumpfen. In dieser Phase wächst das Vertrauen zu Dritten. Bei der körperlichen Bestrafung gaben knapp 45 % an, bereits Gewalt durch Schläge erfahren zu haben (vgl. Lazarsfeld/Leichter 1936, 378 ff.).

In der Zusammenfassung der Ergebnisse zeigte sich eine Autoritätsbeziehung in den ausgewählten schweizerischen Familien. Der Unterschied der Geschlechter war darauf zurückzuführen, da sich Mütter vermehrt um die Mädchen in der Familie kümmerten. Die intensive Beziehung zu der Mutter schlug sich im Vertrauen der Kinder zu den Eltern nieder und der Abbau von Autoritäten im Alter der Jugendlichen kam deutlich hervor. Durch die Bildung von Korrelationen ließ sich ein Faktor herausheben, der eine starke Einflussnahme der Eltern in der Erziehung mit einem hohen Maß an Vertrauen in den späteren Jahren der Jugendlichen aufzeigte. Als Resultat der Erhebung ergaben sich zwei Typen von Autorität.

Diese gliederten sich in eine umfassende Autorität und eine Auflehnung. Die Autorität kann nicht mit der Auflehnung verbunden werden, sondern wird als Ausdruck einer Tatsache angesehen. Dort wo Autoritäten ausgeübt wurden, wurden sie hingenommen und akzeptiert (vgl. ebd., S. 414 f.).

Die im Familiensystem erworbenen Werte resultieren aus den Erfahrungen mit Autoritäten, wobei es einen differenzierten Blick der biologischen Geburt und der zweiten Geburt innerhalb des Familiensystems, der soziokulturellen Geburt, bedingt. Durch diese wird das Kind befähigt, die Kultur aufrecht zu halten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und seine eigene Persönlichkeit zu entfalten. Die Erziehung basiert in der zweiten Geburt auf einem Urvertrauen, durch welches dem Kind eine Sicherheit der Regelmäßigkeit vermittelt wird. Die Erfahrung eines wiederkehrenden Prozesses, wie das Reagieren auf den Schrei eines Kleinkindes, wird als bedürfnisbefriedigend empfunden und das Urvertrauen gefestigt. Dieses wird in erwachsene Personen gelegt und weist ihnen die Rolle der Autorität zu. Die zur Hilfe kommende Person wird als überlegen angesehen und kann das umsetzen, was das Kind allein noch nicht schafft.

Das Autoritätsbewusstsein wird als positiv bewertet und trägt emotionale Bestandteile in sich, was ohne Vertrauen nicht möglich wäre. Tritt dem Kind eine Person gegenüber, die es in der frühkindlichen Phase als Autoritätsperson, durch Vertrauensbasis akzeptiert hat, wird dem Kind deutlich was es darf und soll, was es nicht darf und nicht soll. Die auf Werte hin erziehende

(25)

Bezugsperson zeigt dem Kind durch erzieherische Weise eine Selektion an Erwartungen und dem Kind, welche Verhaltensweisen erwünscht und welche nicht gewollt sind. Mit dem Eingriff der erwachsenen Bezugsperson erlebt das Kind eine Bedürfnisbefriedigung und legt einen positiven Charakter in die Erziehungsabsicht. Mithilfe des Verhaltens der Erwachsenen werden dem Kind Triebregulationen dargeboten, um dem Kind die Erfahrung zu ermöglichen, warum gewisse Situationen so sein müssen und andere nicht. Wichtig ist die Erfahrung der Bezugsperson, welcher das Wissen über der Situation zugesprochen wird. Die Zuschreibung der Autorität mündet in einer Autoritätsnatur von Erwachsenen, welche Kinder gegenüber, allein durch ihr Erwachsensein, ausgeübt wird. Autorität kommt zustande, indem die Bezugsperson eine erwachsene Person ist und dem heranwachsendem Individuum Erfahrungen ermöglicht, welche internalisiert als Autoritätsausübung wahrgenommen werden. Autorität gilt als naturgegeben und setzt eine zwischenmenschliche Beziehung voraus (vgl. Erlinghagen 1973, S. 59 ff.).

In Einbezug von Dritten in das Erziehungsgeschehen und durch die Übertragung der Autorität ist das Erziehungsgefüge der Familie als weitläufiges System zu betrachten und zieht Großeltern, Tanten und Onkeln, weitere Verwandte mit ein. Kann die Familie dem Kind nicht die nötige Führung bieten, werden andere Bezugspersonen zur Autoritätsausübung gewählt.

Mit den Eingriff einer externen Person in das Erziehungsgeschehen erlebt das Kind eine Autoritätserfahrung und kann diese als positiv bewerten, da sie in der scheinbar undurchsichtigen Situation hilfreich war. Wiederum bezieht sich der Autor Erlinghagen (1973) auf Erfahrungen, welche aus der Übernahme von Werten und dessen Anwendung in der Gesellschaft bekannt sind. Diese spiegeln eine primäre Autoritätserfahrung wieder, welche innerhalb der Familie getätigt werden (vgl. Erlinghagen 1973, S. 59 ff.). Die primäre Wahrnehmung der Autoritätsausübung stellt eine Urerfahrung im Heranwachsen der Kinder dar und legt den Grundstein dafür, in welcher Weise sich das Kind später Autoritäten untergibt und sich persönliche Autoritätswerte entwickeln (vgl. ebd., S. 77).

Die Autoritätsausübung in der Familie ist dadurch begründet, einen Grad an Schutz und Geborgenheit für die Kinder bieten zu können. Diese kann sich im Lauf der Erziehung in Liebe umwandeln und den Kindern eine legitime Grundlage bieten, ihnen Ratschläge mit auf den Weg zu geben, es wird neues Wissen einverleibt. Der Autor Bueb (2006) rechtfertigt ein gewisses Maß an Macht und Autorität in der Erziehung, indem er sagt: „Rechtmäßig genutzte Macht,

(26)

also Autorität, erzeugt keine Angst, sondern schafft Vertrauen. Der Mangel an Autorität führt zu Angst, Unsicherheit und Orientierungslosigkeit“ (Bueb 2006, S. 48).

„Aus diesem Blickwinkel ist Autorität nur eine von vielen sozialen Beziehungen, mit denen das Kind umzugehen lernen muß, und nicht, wie viele vermuten, der Ausgangspunkt für den Erwerb aller sozial-moralischen Prinzipien“ (Damon 1984, S. 203). Mit diesen Worten verdeutlicht William Damon die fundamentale Wirkung von Autorität in der Kindheit und sieht es als soziale Erfahrung, welche sich im entwickelnden Individuum festigt. Das heranwachsende Individuum durchläuft zahlreiche Veränderungen im Autoritätsverständnis (vgl. ebd.).

Der Autor Dietz (1960) begründet die Autorität im erzieherischen Geschehen bezogen auf die ErzieherInnenautorität von Pieper. Das Unergründliche der Welt wird geweckt und lässt Staunen im Heranwachsenden wecken, die sich in der auctoritas wiederfinden. Dort wo mit Wissen reagiert wird, wird die Autorität wirksam und fruchtbarer Natur sein (vgl. Dietz 1960, S. 125).

3.2 Der Wertewandel

Mit dem pädagogischen Zeitalter der Aufklärung wird die Autorität von der Erfahrung des heranwachsenden Individuums abgelöst. Ab da an, werden Kinder als fähig angesehen, eigenständig Erfahrungen zu sammeln, ohne jegliche Schuldzuweisungen für ihr Fehlverhalten zu bekommen (vgl. Erlinghagen 1973, S. 25). Ergänzend kehrte mit dem Werk «Emile» von Rousseau eine Wende in die Auffassung von Autorität ein. Die Erfahrungen eines Kindes führt das heranwachsende Individuum zur Lehre und Erziehung hat den Auftrag sie zu führen, nicht wie bis hierhin gedacht die Autorität. Es findet sich kein Platz für Strafen, Schuldzuweisungen gibt es nicht und dem Kind wird ein freier Rahmen zur Lebensentfaltung ermöglicht. Der bestimmende Wille der PädagogInnen ist zu hinterfragen und lässt laut Erlinghagen (1973) bei Rousseau die Autorität zuwider erscheinen.

Nach der Auffassung von Rousseau (1996) sehen Kinder in der Rolle der PädagogInnen die pure Aufopferung gegenüber ihnen, als heranwachsende Individuen, um dessen Wohlbefinden es sich zu kümmern gilt. Das Urteilsvermögen wird von dem der erziehenden Person abhängig gemacht und alles was zugänglich erscheint wird ausgetestet, ohne ein Risiko einzugehen (vgl.

Rousseau 1996, S. 23). Ferner geht es um einen Irrglauben, in welchem sich das Kind in seiner

(27)

Entwicklung befindet. Dem Schein trügend hält das Kind das Zepter in den Händen, ist in Wahrheit aber in den Händen der PädagogInnen, denn „es gibt keine vollkommenere Unterwerfung als die, der man den Schein der Freiheit zugesteht“ (Rousseau 1996, S. 25).

Mit dem Werk Emile von Rousseau auseinandersetzend, vollzieht die erziehende Person einen Eingriff in die Natur und versucht das Natürliche zu gestalten, wie es Oelkers (2001) herausnimmt. Das verlangt Selbstbeherrschung, da sonst keine Herrschaft über andere vollzogen werden kann und ist dadurch verpflichtet, sich nicht vom Kind abhängig zu machen.

Denn nur PädagogInnen können die wahren Meister sein und vermitteln dem Kind über die Situation bestimmen zu können. Ein gewisser Grad an Freiheit ist zu gewähren, da ansonsten das Konstrukt der Unterwerfung nicht stattfindet. Nur auf diese Weise ist der Wille des Kindes gesteuert, welches die manipulative Absicht nicht durchschaut und die Vorgaben befolgt. Im Erziehungsgeschehen kommt eine totale Kontrollabsicht zustande, worin das Kind keinen Schritt und Laut ohne dem Wissen der erziehenden Person tun soll. Dieser Kernpunkt aus Rousseau`s Werk ist hervorzuheben. Die Erziehung ist kein natürliches Faktum, sondern künstlicher Natur, in der jegliches Risiko abgewendet werden möchte und eine totalitäre Überwachung des Kindes in Kauf genommen wird (vgl. Oelkers 2001, S. 65 f.). Vertiefend kennzeichnet Erlinghagen (1973) den aufgezwungenen Gehorsam, nicht als Ziel der Erziehung.

Näher eingehend auf Kant wird durch Erlinghagen (1973) hervorgehoben, wie wichtig Gehorsam in Bezug auf die persönliche Entwicklung des Kindes ist. Zugleich hat das Kind nicht gegenüber der erziehenden Person zu gehorchen, „sondern [es muss] um der hinter ihm stehenden Pflicht das Gewünschte ausführen“ können (Erlinghagen 1973, S. 27).

In der proletarischen Sichtweise wird der Autorität der Gehorsam zugesagt, was sich in der Erziehung in unselbstständigen Individuen zeigt. Durch Anweisungen gelenkt zu werden und nicht selbst denken zu müssen steht für sie im Vordergrund. Eine Erziehung eines freien Menschen, der sich in der Welt bewegen und diese interpretieren kann, findet nicht statt.

Unterdessen würde es recht einfache Wege geben, das Kind partizipativ in den Erziehungsalltag zu integrieren, die Meinungen der Kinder einzufordern und ihnen das Wort zu überlassen. Der Autor Geuenich (2018) verweist explizit auf das Vertrauen in der Erziehung, den Autoritätspersonen eine kritische Selbstwahrnehmung zuzuschreiben und die Kinder in ihrer Selbständigkeit zu fördern. Ganz ohne Führung in der Erziehung könnte das Kind nicht zu einem denkenden, sich selbst entwickelnden und disziplinierten Wesen heranreifen. Der Zwang

(28)

ist zu unterbinden, aber mit der Notwendigkeit der Disziplin in der Erziehung zu ersetzen (vgl.

Geuenich 2018, S. 138 f.)

Wird die Pädagogik von Kant betrachtet, werden Regeln zum allgemeingültigen Gut, welches in der Erziehung an Zuspruch gewinnt. Ohne Regeln in der Erziehung würden die Kinder zu unzuverlässigen Individuen werden. Um das zu vermeiden, benötigt es Gehorsam gegen die absoluten FührerInnen und gegen einen vernünftigen Willen der FührerInnen. Der Gehorsam ist keine Grundvoraussetzung, sondern bereitet das Kind auf Gesetze vor, welche es als gute/r BürgerIn zu befolgen hat (vgl. Kant 1996, S. 37). Dieser Auffassung folgend, ist das Erziehungsverhältnis als ein Hierarchisches festgeschrieben, was den Erziehenden die Aufgabe der Leitung der Kinder und Jugendlichen überträgt und diese in ihrer Entwicklung bestärkt (vgl.

Geuenich 2018, S. 142).

Ernst Lichtenstein (1977) formuliert die Autorität weiter aus und sieht in ihr eine Überlegenheit, welche auf das Gewicht des Menschen zurückzuführen ist und eine maßgebliche Unterordnung erfordert. Autorität gilt als sich wandelnd, sie ist lebendig und muss sich immer wieder bewähren, sie steht in einem Führungsverhältnis und ist in keinem Zusammenhang mit Herrschaft zu setzen. Die Verbundenheit zwischen den agierenden Personen ermöglicht das gegenseitige Zugehörigkeitsgefühl und die freiwillige Unterwerfung, des von den jüngeren erachteten Mächtigeren. Erst wenn es ein Gegenüber gibt, in dem ein tiefes Gefühl von Verbundenheit und Vertrautheit zu spüren ist, können Ratschläge angenommen und eine Über- und Unterordnung akzeptiert werden (vgl. Lichtenstein 1977, S. 87 f.). Die Autorität trägt eine Verantwortung in sich, durch welche den Heranwachsenden Werte und Normen vermittelt werden, die den Heranwachsenden später zu Freiheiten verhelfen, sowie ein selbstverantwortliches Leben offenhält, sich verantwortlich zu verhalten und sich als Erwachsener, erzogener Mensch, in der Welt zurechtzufinden (vgl. Langeveld 1978, S. 52 f.).

„Denn das präge man sich als unumstößliche Wahrheit ein, daß, welche Lehren man ihnen auch immer erteilt und welch gelehrte Vorträge über gutes Benehmen man ihnen auch täglich einschärft, die Gesellschaft, in der sie verkehren, und das Verhalten ihrer Umgebung, den größten Einfluß auf ihr eigenes Betragen ausüben“ (Locke 1967, S. 52).

John Locke (1967) verweist auf die Übernahme von Beispielen und nennt hierzu ein Chamäleon, an welchem sich der Mensch orientiert und so immer wieder neue Farben aus der Umgebung aufnehmen kann (vgl. Locke 1967, S. 52).

(29)

Kinder werden als folgsam angesehen, wenn sie sich ihren Eltern und den PädagogInnen unterwerfen und Ehrfurcht erweisen. Wird von Anfang an eine lenkende und verwaltende Hand über die heranwachsenden Individuen gelegt, so werden sich diese in einem höheren Alter dieser Macht ergeben. Schwächt die lenkende Hand ihre Aufgabe der Erziehung ab, so kann die frühere Ausübung der Autorität durch Wertschätzung und Liebe ersetzt werden. In jedem Aufwachsen wird ein Zeitpunkt erreicht, indem keine Zucht mehr nötig erscheint. In diesem Zeitpunkt ändert sich die Beziehung zwischen Heranwachsenden und Erziehenden, worin die

„Macht über ihr Gemüt geben, Liebe und Freundschaft aber in reiferen Jahren sie erhalten“

(Locke 1967, S. 36) werden.

Der Autor Ahrbeck (2020) sieht Erziehung in dieser Form als eine anthropologische Notwendigkeit an, sowie als Auftrag, dem Kind behilflich zu sein, seinen Platz in der Welt zu finden. Als unwissendes Wesen ist es darauf angewiesen, Hilfe von anderen zu bekommen, um aus deren Erfahrungen, Wissen und Haltungen lernen zu können. Erst durch die Auseinandersetzung der unterschiedlichen Wissensbestände kann sich das Kind einer individuellen Entwicklung hingeben und sich die Welt zu eigen machen. Auf Bezugspersonen ist nicht zu verzichten, da sie für die Erziehung der unwissenden Individuen notwendig sind.

Die Erwachsenen müssen die Aufgabe der Erziehung in einer freundlichen Art annehmen und in einer strukturierten Weise durchführen (vgl. Ahrbeck 2020, S. 27).

Leonhard Seif (1967) sieht die Autorität zum Gemeinschaftsgefühl und der Vernunft im Vordergrund, sodass dem Erziehungsgeschehen kein Abhängigkeitsgefüge zugesagt werden und eine Erziehung ohne Gewalt und auf freiwilliger Basis der Heranwachsenden von statten gehen kann. Das Verhältnis der PädagogInnen zu den Kindern beruht auf einer Basis der freien Entscheidung und der Gleichberechtigung, lässt Liebe zu, hat Geduld und schenkt den heranwachsenden Individuen Vertrauen. Hier wird deutlich, dass ein „bewußter Abbau des pädagogischen Imperialismus und Militarismus“ (Seif 1967, S. 121) stattfinden müsste. Das Ziel der Erziehung liegt im Aufbau der Selbstbestimmtheit des Kindes und setzt Vertrauen zu den PädagogInnen voraus, welche sich nicht als höher gestellt ansehen dürfen (vgl. ebd., S.

122).

Durch die Begründung vorgegebener Regeln, ein konsistentes Erziehungsverhalten und eine sachliche Kontrolle des Verhaltens, zeigen sich Erfolge im Erziehungsgeschehen von Kindern und Jugendlichen. Der Meinung der AutorInnen Walper et. al (2018) folgend, würde diese Art

(30)

der Erziehung ein Gefühl der Sicherheit geben und das Risiko von Auffälligkeiten reduzieren.

Demgegenüber hinterlassen körperliche Bestrafungen, psychische Gewalt und die Kontrolle der Kinder und Jugendlichen einen negativen Effekt auf das Selbstwertgefühl und die psychische Belastbarkeit. Um dem entgegenzuwirken, lässt sich der autoritative Erziehungsstil als förderlich betrachten, da sich dieser durch ein hohes Maß an Nähe auszeichnet und durch Responsivität in der Einhaltung von Regeln bei den Kindern und Jugendlichen eingreift. In einem autoritären Erziehungsverhältnis reagieren Erziehungsbeauftragte auf den Verstoß von Regeln in einer bestrafenden Haltung und geben den Kindern und Jugendlichen keine sachliche Begründung. Es kann eine psychologische Kontrolle verfolgt werden, welche sich im Widerspruch zu einer autoritativen Erziehung verhält. Zahlreiche empirische Studien haben den Effekt von autoritativ erzogenen Kindern und Jugendlichen aufgezeigt. Die Ergebnisse verdeutlichen eine stabile Emotionalität, die Beliebtheit in der Gleichaltrigengruppe, ein reduziertes Problemverhalten und bessere Leistungen im schulischen Bereich. Der Effekt eines geringen erzieherischen Bindungs- und Sicherheitsgefühls steht mit einem wenig autoritativen Erziehungsstil in Verbindung und kann sich bereits nach einem Jahr im kindlichen Problemverhalten abzeichnen. Gegen Ende des Jugendalters schwächen sich die positiven Effekte einer autoritativen Erziehung allmählich ab, wie es die Ergebnisse der AutorInnen beschreiben. Im Gegensatz dazu weisen Kinder mit einer autoritären Erziehung ein erhöhtes Angstniveau, ein geringes Selbstwertgefühl, häufig psychische Probleme und ein erhöhtes Level an Problemverhalten auf. Eine zu strenge Kontrolle und ein autoritärer Erziehungsstil würden laut Walper et. al (2018) in enger Relation zu externalisierendem Problemverhalten und einem längsschnittlichen Anstieg dieser stehen. Das kindliche und jugendliche Problemverhalten hat enormen Einfluss auf das Erziehungsverhalten und lässt einen autoritativen Erziehungsstil bei einem erhöhten Problemverhalten nicht plausibel erscheinen, was zu einem autoritären Erziehungsstil führt (vgl. Walper/Lux/Witte 2018, S. 121 ff.).

Für den Autor Schmid (1975) stellt sich die Frage, ob nicht die autoritäre Erziehung einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet hätte, Jugendlichen das Wissen von Widerständen zu vermitteln (vgl. Schmid 1975, S. 93). In einer entwicklungspsychologischen Sichtweise ergibt sich für Reichenbach (2011), dass Kinder nicht mit einem Autoritätsglauben auf die Welt kommen und sie förmlich der Welt der Erwachsenen ausgeliefert sind, sie „aber noch lange nicht gehorsam“ (Reichenbach 2011, S. 142) sind. Die entwicklungsorientierte Pädagogik setzt an diesem Punkt an und hinterfragt, ab wann die Kinder welche Autoritätsvorstellungen verstehen, in welchem Setting diese erlernt und welche Strategien erworben werden.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Die Analysen der WB zeigen, dass die MP in den Handlungsfeldern Schule, berufliche Bildung und Justizvollzug die Nutzung der Ergebnisse vor allem durch die betreffenden

Für die westlichen Bundesländer ist herauszustreichen, dass hier teilweise Träger aktiv sind, die sich bereits seit den 90er Jahren mit Fragen der Prävention von Rechtsextremismus

• Die jung gebliebenen Älteren, die sich auf die komischen Ideen der Künstlerin einlassen, Konventionen überschreiten, wieder Kinder sein dürfen, sind ein zweites Element, das

Eine wichtige Voraussetzung für die Durchführung einer Zukunftswerkstatt ist, dass das Thema nicht zu eingeengt, zu kleinteilig und zu spezifisch sein darf, vor allem

Ältere Kinder, die schon gut und vor allen Dingen gerne schreiben, können aufgefordert werden, eine Brief an Martha zu schreiben.. Aufgabe: Du hast Martha heute kennengelernt – du

einem größeren Themenspektrum gerecht zu werden, fand im Jahr 2020 der Elternbildungskurs Familienzirkel statt, ein erweitertes Angebot mit der

Das Kindertagesstätten-Gesetz (KiTaG) sieht seit dem 01.08.2018 im § 18a die Verantwortung für die Sprachförderung im Elementarbereich für alle Kinder, die eine

inwieweit auf Jugendfarmen Ziele zur Umweltbildung unter Berücksichtigung der Prinzipien der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (OKJA) umgesetzt werden können.. Darf ich mich vorstellen