• Keine Ergebnisse gefunden

„Selbstsicherheit, überlegenes Urteilsvermögen, die Fähigkeit, andere zu Disziplin anzuhalten – das sind Eigenschaften einer Autorität“ (Sennett 1985, S. 22).

Laut Richard Sennet (1985) sind die Eigenschaften von Autoritäten in Verbindung mit dessen Wortstamm zu betrachten. Das Wort Autorität stammt von den lateinischen Wörtern

«auctoritas» und «auctor» ab. Auctoritas beruht auf einem Rat, welcher vom Urheber, den PädagogInnen oder Eltern, zugesprochen wird. Die ratgebende Funktion lässt eine freiwillige Unterwerfung vermuten und steht in keiner Verbindung mit einem Befehl. Im Erziehungsgeschehen wird der Rat als Befehl gesehen, da der Ratschlag von einer bevollmächtigten Person ausgesprochen wird. Das Wesensmerkmal der Auctoritas ist ein helfendes und beruht auf dem Vertrauen, welches den RatgeberInnen zugesprochen wird. Der Auctor hat die Botschaft eines Urhebers in sich und lässt einem eine beratende Funktion zukommen. Sowohl der Rat und der Urheber stehen in Zusammenhang mit dem Wort «augere», welches sich vermehren, wachsen und fördern bedeutet (vgl. Eschenburg 1977, S. 7 f.).

Um es mit den Worten des Autors Dietz (1960) zu verdeutlichen, ist folgende Stelle zu erwähnen: „Das Gesetz, nach welchem die auctoritas in extremis in das menschliche Schicksal eingreift, prägt die Konsequenzen ihres Wirkens“ (Dietz 1960, S. 33).

Der Autor verdeutlicht die Vorsorge von ausübender Autorität, die einen möglichen Wiederholungsfall zu verhindern versucht. Die Autorität wirkt in der Zeit versetzt, ist unbewusst und greift beiläufig ein (vgl. ebd.).

Die Autorin Lüdemann (2009) weitet die Definition von Sennet und Dietz über Autorität folgendermaßen aus:

„Autorität, so dürfen wir vielleicht etwas freier formulieren, haben in römischer Perspektive die, denen es zukommt, das Handeln anderer in seiner Legitimität zu beglaubigen, und sie haben diese Autorität kraft ihres Amtes (als Vormund oder Senatsmitglied). Auctores sind also die, die das Gesetz verbürgen, unter denen das Handeln aller steht“ (Lüdemann 2009, S. 125).

Erweiternd sieht Michael Wimmer (2014) die Autorität im römischen Wort «potestas»

begründet, welches mit Macht gleichzusetzten ist und ein Herrschaftsbefugnis der höher Gestellten vermuten lässt. Dem Auctoritas werden positive Eigenschaften zugesprochen, wie das Vertrauen, die Achtung und freiwillige Unterwerfung. Potestas beschreibt hingegen die negativen Eigenschaften, welche sich durch Zwang und Sanktionen den Gehorsam erarbeiten.

Ein Autoritätsverhältnis baut auf der Unvereinbarkeit von freiwilliger und zwanghafter Unterwerfung auf und setzt dem Zwang die Freiwilligkeit voraus. Ohne eine freiwillige Unterwerfung ist keine Autoritätsbeziehung möglich. Die „freiwillige Folgschaft“ (Wimmer 2014, S. 195), setzt ein asymmetrisches Sozial- und Interaktionsverhältnis voraus, „in denen es um Lenkung, Leitung, Führung und Regierung geht und in denen die Adressaten zustimmen können müssen“ (Wimmer 2014, S. 195).

Das synonym verwendete Wort der Macht wird dem der Stärke gleichgesetzt, mit welcher die Autorität erläutert wird. Im Wort der Autorität ist eine weitläufige Definition enthalten, welche als Erzeugung betrachtet wird und mit dem lateinischen Wortstamm des Auctor über eine gewisse Vorstellung der Autoritätsperson verfügt. Der „der über Autorität verfügt, [kann]

anderen den bleibenden Wert dessen, was er tut, verbürgen“ (Sennett 1985, S. 23).

Im Denken Nietzsches schlägt sich eine Definition von Autorität nieder, die die Macht im Erziehungsgeschehen in den Vordergrund rückt. In dieser geht es um den Willen, welcher „auf dem Willen zur Macht als dem einen Willen in den Befehlenden und Gehorchenden beruht, wobei der Wille zur Ausführung des Gewollten auf das Widerstreben der Gehorchenden angewiesen ist“ (Kerger 1988, S. 185). Es geht um Regeln, die das menschliche Handeln festschreiben und ein institutionalisiertes Verhalten produzieren, in dem sich ein Machtverhältnis zwischen Befehlendem und Gehorchendem ergibt (vgl. ebd., S. 186).

Die Autorität ist ein asymmetrisches Verhältnis, hängt mit der Beziehungsebene zusammen und lässt mit seinem Wortstamm auf Herrschaft verweisen. Die erwachsene Person fordert Unterwerfung in Form von Befehlen, der Vorbildwirkung und dem vorhandenen Wissen ein.

Die Autorität der Person entsteht in gesellschaftlichen Bezügen, wie der sozialen Position und setzt die Autorität nicht als Eigenschaft einer Person voraus, sondern ist auf die Bestätigung in Beziehungen bezogen. Eine Anerkennung kann auf freiwilliger Basis oder durch Unterwerfung stattfinden. Die Adjektive «autoritativ» und «autoritär» charakterisieren den Unterschied, während „autoritativ eher auf zwanglose Anerkennung verweist, steht autoritär für die ggf. auch gewaltsame Durchsetzung von Autorität. Aber Autorität kann auch stets infrage gestellt, bestritten und verweigert werden“ (Roth 2016, S. 26).

Als legitimiert kann Autorität nur angesehen werden, wenn diese aus den wahrgenommenen Stärkeunterschieden resultiert. Das Unerreichbare verdeutlicht die Autorität, es liegt ein großer Unterschied zwischen dem mir Überlegenen, welches Furcht und Respekt gegenüber dem mir Stehenden verursacht. Der Autor Sennett (1985) verweist auf Hegel und gibt an, dass „die Autorität als legitim wahrgenommen [wird], wenn ihre Stärke sie zu einem anderen macht, zu einer Person, die aufgrund dieser Stärke einer anderen Sphäre angehört“ (Sennett 1985, S. 187 f.). Eine anerkannte Autorität vermag zu urteilen und Sicherheit bieten. Ableiten lässt sich das vom römischen auctor, welcher Garantien und Schutz geben konnte. Lediglich die Gegenwart einer legitimierten Autorität lässt ihre Wirkung bestätigen, wobei es gleichkommt ob der Autorität gehorcht wird oder nicht (vgl. ebd., S. 187 ff.).

Nach der Auffassung von Aristoteles und dem natürlichen Vorhandensein von Jung und Alt, wird es als naturgegeben gesehen, im menschlichen Zusammenleben einen Befehlenden und Gehorchenden zu definieren, was zu Herrschern und Beherrschten führt. Die Autorin Arendt (2020) sieht ein elementares Element in der Beziehung zwischen Individuen und sieht diese in Frage gestellt, was die Autorität in der modernen Gesellschaft nicht mehr plausibel erscheinen lässt. Es entsteht eine Autoritätsfeindlichkeit, wie es Arendt (2020) beschreibt, und lässt das Phänomen des hilfsbedürftigen Kindes der Welt als Fremdling entgegenstehen. Es scheint, als würden sich die Eltern und PädagogInnen aus ihrer elementarsten Aufgabe des Gemeinwesens entziehen und das neugeborene Kind sich seiner selbst überlassen. Die Verantwortung wird abgelegt und zeigt den spezifischen Moment einer modernen Weltentfremdung (vgl. Arendt 2020, S. 164 f.).

Wie bereits der Autor Roth (2016) sehen die AutorInnen Schäfer und Thompson (2009) die Über- und Unterordnung als Resultate der Autorität, welche es zu interpretieren gilt. Die Über- und Unterordnung beruhen auf einem Führungsanspruch auf der einen und einer akzeptierten

Führung auf der anderen Seite, weshalb sich die Autorität als ein „anerkanntes Führungsverhältnis“ (Schäfer/Thompson 2009, S. 7) verstehen lässt. Die Akzeptanz dieser Führung wird einer Person durch die unterschiedlichen Typen von Autorität zugesagt, wie es Straßenberger (2013) formuliert. Die Autorin sieht in der Autorität einen politischen Begriff, der sich auf sämtliche Personen ableiten oder mit Macht gleichsetzen lässt. Als Resultat entsteht eine legitimierte Befehlsgewalt. Autorität lässt sich nach dieser Auffassung in vier Autoritätsbegriffe unterteilen und setzt (1) die personale Autorität, (2) die Sachautorität, (3) die ratgebende Autorität und (4) die Amtsautorität voraus. Der (1) personalen Autorität kommt eine vorbildhafte Wirkung zu, was sich in einer guten Lebensweise und einem Charakterbild, welches sich durch Mut und Stärke, Entschlossenheit und dem Werteaufbau, auszeichnet. In der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung wird diese Art der Autorität mit der Elite gleichgesetzt, was Personen hervorhebt, die mündig sind, sich ihrer personellen Fähigkeiten zu bedienen (vgl. Straßenberger 2013, S. 495 f.). Die (2) Sachautorität markiert das Wissen der Autoritätsperson und stellt eine vertrauenswürdige Basis im Handeln dar. Verweisend auf Pierre Bourdieu hebt Grit Straßenberger (2013) hervor, dass es sich um eine Verbindung der persönlichen und der Amtsautorität handelt, was sich im kulturellen Kapital niederschlägt. Der Person haftet die Autorität an, in Form von Titeln durch das Bildungssystem oder einer entscheidenden Rolle im Staat (vgl. ebd., S. 499). In der (3) ratgebenden Funktion ist Autorität mit dessen Wortstamm zu erläutern und mit dem Ursprung auctor verbunden (vgl. ebd., S. 501).

Die (4) Amtsautorität bekommt durch ihren zeitlich festgelegten Rahmen eine verantwortungsvolle Aufgabe zugeschrieben und wird auf der personalen Ebene angesehen. Sie trägt ein leistungsorientiertes Moment in sich und ist dazu bemächtigt, sich durch ihr zugewiesenes Amt und der festgelegten Aufgaben im Rahmen ihrer Verantwortung zu repräsentieren (vgl. ebd., S. 505).

Diese Auffassung von Autorität ergänzend, ist die Sichtweise von Max Weber darzustellen, welche sich bei Sennett (1985) in drei Stufen untergliedert. In der ersten Stufe geht es um (1) die traditionelle Autorität, welche vom Alltagsglauben abgeleitet und der Tradition zugeschrieben wird. Die (2) „legal-rationale Autorität“ (Sennett 1985, S. 26) beruft sich auf den Glauben der Ordnung, der Anweisung und der zur Herrschaft Berufenen, welche auf die Gesellschaft übertragen werden kann. Mit der (3) charismatischen Autorität wird auf Personen verwiesen, die als Vorbilder gelten und eine Ordnung vorgeben. Durch die von Weber markierten Arten der Autorität lässt sich eine Legitimität dieser feststellen, denn eine Autorität ist stets „als Glaube an die Legitimität, gemessen an der Bereitschaft zu freiwilligem

Gehorsam“ (Sennet 1985, S. 28) initiiert. Der Gehorsam ist als eine starke Anlage im Menschen verankert und als Gefühl vorhanden, denn „alles, was wir sagen können, ist, daß Menschen gehorchen, weil sie einen Instinkt dazu besitzen“ (Milgram 1974, S. 147).

Für Hannah Arendt (2020) steht im Gegensatz fest, die Autorität lässt sich nicht anhand einer Definition beschreiben, sondern ist aus dem geschichtlichen Kontext heraus zu betrachten. In der modernen Welt würde eine neue Auffassung über Autorität bestehen. Die Autorität steht mit Gehorsam in Verbindung, welche eine Form der Macht vermuten lässt. Mit den Worten von Arendt löst sich diese Vermutung auf: „Autorität jedoch schließt gerade den Gebrauch jeglichen Zwanges aus, und wo Gewalt gebraucht wird, um Gehorsam zu erzwingen, hat Autorität immer schon versagt“ (Arendt 2020, S. 159). Vielmehr geht es bei Autorität um das Argumentieren, welches mit einer äußeren Kraft besetzt ist und eine Überzeugung darstellt.

Sich gegen Zwang und Gewalt stellend, beruht eine autoritäre Beziehung zwischen dem Befehlenden und Gehorchenden auf einer anerkannten Hierarchie und setzt weder die Macht des Befehlenden noch die Vernunft der beiden voraus. Was beiden AkteurInnen gleich kommt, ist die Anerkennung des jeweiligen Gegenübers, welche die vorbestimmten Plätze der Individuen legitimiert (vgl. ebd., S. 159 f.).