Moderne Theoretische Physik I – Klausur
Institut für Theoretische Physik
Prof. Dr. F. R. Klinkhamer, Dr. S. Ertl
Datum: Freitag, 02.08.2013 Uhrzeit: 11:00 Uhr
Ort: Gerthsen-Hörsaal / Gaede-Hörsaal
Hinweise:
Die Klausur beinhaltet 4 Aufgaben mit einer maximal erreichbaren Punkteanzahl von 30 Punkten.
Die Klausur gilt als bestanden, wenn 50% der Punkte (= 15 Punkte) erreicht wurden.
Die Bearbeitungszeit beträgt 2 Stunden.
Erlaubte Hilfsmittel sind ein beidseitig handbeschriebenes A4-Blatt und ein zweisprachiges Wörterbuch.
Schreiben Sie Ihren Namen und Matrikelnummer auf jedes Blatt (auch auf das Deckblatt). Beginnen Sie jede Aufgabe auf einem neuen Blatt.
Viel Erfolg!
Name: _____________________________________________________
Vorname: _____________________________________________________
Matrikel-Nr.: _____________________________________________________
Aufgabe 1 Aufgabe 2 Aufgabe 3 Aufgabe 4 Erreichte
Gesamtpunkte
Korrektor
Aufgabe 1: 10 Punkte
(a) Geben Sie das allgemeine Kriterium f¨ur die Linearit¨at eines Operators Oˆ an (welcher auf Wellenfunktionenψ(~x) wirkt). (1 Punkt)
(b) Geben Sie das allgemeine Kriterium f¨ur dieHermitezit¨ateines OperatorsOˆ an (welcher auf Wellenfunktionenψ(~x) wirkt). (1 Punkt)
(c) Untersuchen Sie die folgenden Operatoren auf Ihre Linearit¨at und Hermitezit¨at:
Oˆ1ψ(~x) =−i~x1
∂
∂x1ψ(~x), Oˆ2ψ(~x) =~x1
∂
∂x1ψ(~x), Oˆ3ψ(~x) =−i~
x1 ∂
∂x1 + ∂
∂x1x1
ψ(~x). (3 Punkte)
(d) Von nun an schreiben wir Operatoren ohne “ˆ”.
Wann nennen wir 2 Observablen A1 und A2 kompatibel? (1 Punkt) (e) Zeigen Sie, daß
1 r, Li
= 0
Hinweis: Wie kann man sich die Inverse vonr clever definieren? (2 Punkte)
(f) Berechnen Sie den Kommutator zwischen ~p2 = p2x+p2y +p2z und xpy−ypx, wobei ~r = (x, y, z) der Orts- undp~= (px, py, pz)der Impulsoperator ist. (2 Punkte)
Aufgabe 2: 5 Punkte
Gegeben sei die folgende eindimensionale Wellenfunktion ψ(x, t) = exp
−ik2t
2m~ Aexp ikx
~
+Bexp
−ikx
~
.
wobeiA, B ∈C.
Bestimmen Sie die zugeh¨orige Wahrscheinlichkeitsstromdichte~j(x, t)und interpretieren Sie Ihr Ergebnis.
Aufgabe 3: 8 Punkte
Ein eindimensionales Teilchen der Masse m befinde sich im Zustand ψ(x, t) =Aexp
−a mx2
~ +it
,
wobeiA und apositive reelle Konstanten sind.
(a) Bestimmen Sie die Konstante A, sodassψ auf Eins normiert ist. (1 Punkt)
(b) F¨ur welche Funktion der potentiellen EnergieV(x) erf¨ullt ψdie Schr¨odingergleichung?
(1 Punkt)
(c) Bestimmen Siehxi,hx2i,hpi,hp2i. (4 Punkte)
(d) Bestimmen Sie∆xund∆p. Ist das Produkt(∆x)(∆p)konsistent mit der Unsch¨arferelation?
(2 Punkte)
Formelsammlung:
Z
dx exp(−ax2) = rπ
a
Aufgabe 4: 7 Punkte
Wir betrachten ein Teilchen, daß sich entlang der x-Achse im repulsiven Delta-Potential bewegt
V(x) =V0δ(x) (V0>0)
(a) Wie lauten die Bedingungen an die L¨osung der zeitunabh¨angigen Schr¨odingergleichung an der singul¨aren Stelle x= 0? (1 Punkt)
(b) Bestimmen Sie die von links her einfallenden ungebundenen L¨osungen. (3 Punkte)
(c) Berechnen Sie Reflexions-und Transmissionskoeffizienten als Funktion der Teilchenenergie.
(2 Punkte)
(d) Gibt es gebundene Zust¨ande? Begr¨unden Sie Ihre Antwort. (1 Punkt)
L¨osung zu Aufgabe 1
(a) Ein Operator Oˆ ist linear, wenn f¨ur alle quadratintegrablen Wellenfunktionen ψ1, ψ2 und λ1, λ2∈Cgilt
O(λˆ 1ψ1+λ2ψ2) =λ1Oψˆ 1+λ2Oψˆ 2.
(b) Ein Operator Oˆ ist hermitesch, wenn f¨ur alle quadratintegrablen Wellenfunktionen ψ1, ψ2
gilt
Z
R3
d3x ψ∗1(~x) ˆOψ2(~x) = Z
R3
d3xh
Oψˆ 1(~x)i∗
ψ2(~x)
(c) Alle 3 Operatoren sind linear, da sowohl die Multiplikation mit x1 als auch die Ableitung
∂
∂x1 linear sind und die Hintereinanderausf¨uhrung von linearen Operatoren ebenfalls linear ist.
Es gilt allgemein f¨ur 2 Operatoren ( ˆAB)ˆ † = ˆB†Aˆ†. Ein Operator ist hermitesch genau dann, wenn Aˆ†=A.
Aus der Hermitezit¨at von ~xˆ und ~pˆfolgt Oˆ†1=
−i~x1
∂
∂x1
†
= (ˆx1pˆ1)†= ˆp1xˆ16= ˆx1p1.
→Oˆ1 ist also nicht hermitesch.
Oˆ2†= (iˆx1pˆ1)†= (−i)ˆp1xˆ1 6=iˆx1pˆ1
→Oˆ2 ist also nicht hermitesch.
Das symmetrische ProduktOˆ3= ˆx1pˆ1+ ˆp1xˆ1 ist hermitesch, weilxˆ1undpˆ1hermitesch sind.
Man kann die Hermitezit¨at auch nachpr¨ufen, indem man jeweils die Definition ¨uberpr¨uft und bez¨uglich x1 partiell integriert, wobei Randterme wegfallen, da die Funktionen quadratinte- grable vorausgesetzt sind.
(d) Zwei ObservablenA1, A2 werden kompatibel genannt, wenn gilt [A1, A2] =A1A2−A2A1 = 0.
(e) Starten mit: [I, Li] = 0 → [rr, Li] = 0 Das impliziert
1 r, Li
=−1
r[r, Li]1 r und wir k¨onnen ausrechnen:
[r, Li] =ijk[r, rjpk] =ijkrj[r, pk] =i~1
rijkrjrk= 0 (f)
[~p2, xpy −ypx] = [p2x+p2y+p2z, xpy−ypx]
= [p2x, x]py−[p2y, y]px
=px[px, x]py+ [px, x]pxpy−py[py, y]px−[py, y]pypx
=−2i~pxpy−2(−i~)pxpy = 0
L¨osung zu Aufgabe 2
ψ(x, t) =e−ik
2t 2m~
h
Aeikx~ +Be−ikx~ i
. Komplexe Konjugation von ψ liefert:
ψ∗(x, t) =eik
2t 2m~
h
A∗e−ikx~ +B∗eikx~ i .
Wahrscheinlichkeitsstromdichte j(x, t) = ~
2mi
ψ∗∂ψ
∂x −∂ψ∗
∂x ψ
= ~ 2mi
A∗e−ikx~ +B∗eikx~ ik
~Aeikx~ −ik
~Be−ikx~
−
−ik
~A∗e−ikx~ +ik
~B∗eikx~
Aeikx~ +Be−ikx~
= k 2m
h|A|2−A∗Be−2ikx~ +AB∗e2ikx~ − |B|2
−
−|A|2−A∗Be−2ikx~ +AB∗e2ikx~ +|B|2i
= k
m |A|2− |B|2
Superposition zweier Teilchenstr¨ome in entgegengesetzter Richtung.
L¨osung zu Aufgabe 3
(a)
1 = 2|A|2 Z ∞
0
e−2amx2/~2dx= 2|A|21 2
r π~
2am → A=
2am π~
1/4
(b)
∂ψ
∂t =−iaψ
∂ψ
∂x =−2amx
~ ψ
∂2ψ
∂x2 =−2am
~
ψ+x∂ψ
∂x
=−2am
~
1−2amx2
~
ψ
→ einsetzen in die Schr¨odingergleichung:
i~∂ψ
∂t =−~2 2m
∂2ψ
∂x2 +V ψ
→ V ψ=i~(−ia)ψ+ ~2 2m
−2am
~ 1−2amx2
~
ψ
=
~a−~a
1−2amx2
~
ψ= 2a2mx2ψ
→ V = 2a2mx2
(c)
hxi= Z ∞
−∞
x|ψ|2dx= 0
hx2i= 2|A|2 Z ∞
0
x2e−2amx2/~dx= 2|A|2 1 4 2am
~
r π~
2am = ~ 4am
hpi=mdhxi dt = 0 hp2i=
Z ψ∗
~ i
∂
∂x 2
ψ=−~2 Z
ψ∗ ∂2ψ
∂x2
| {z }
−2am
~
1−2amx2
~
ψ
dx
= 2am~
Z
|ψ|2dx−2am
~ Z
x2|ψ|2dx
= 2am~
1− 2am
~ hx2i
= 2am~
1−2am
~
~ 4am
=am~
(d)
(∆x)2 =hx2i − hxi2= ~
4am → ∆x=
r
~ 4am (∆p)2 =hp2i − hpi2 =amh → ∆p=
√ amh
(∆x)(∆p) = r
~
4am·am~= ~
2 → ist also (gerade) erf¨ullt.
L¨osung zu Aufgabe 4
(a) Da erst die zweite Ableitung beix= 0eineδ-distributionsartige Singularit¨at aufweist, kann die erste Abletiung h¨ochstens einen endlichen Sprung aufweisen und die Wellenfunktion muß stetig sein.
Integriert man die zeitunabh¨angige Schr¨odingergleichung ¨uber ein infinitesimales Intervall (−, ) mit >0, erh¨alt man die Randbedingungen f¨ur die Ableitung:
ψ0(0+)−ψ0(0−) = 2mV0
~2 ψ(0) (1)
Die Stetigkeitsbedingung f¨ur die Wellenfunktion selbst lautet
ψ(0+)−ψ0(0−) = 0 (2)
(b) F¨ur eine von links her einfallende Welle lautet die L¨osung ψ(x) =
Aeikx+Be−ikx x <0
eikx x≥0
mit k=
√ 2mE
~ >0
Dabei wurde von der freien W¨ahlbarkeit der Normierung dadurch Gebrauch gemacht, daß f¨ur x≥0der Koeffizient 1 gesetzt wurde.
Die Koeffizienten A und B sind dann durch die Randbedingungen (1) und (2) eindeutig bestimmt.
Setzt man die L¨osung dieser Bedingung ein, ergibt sich das lineare Gleichungssystem ik(1−A+B) = 2mV0
~2 , A+B = 1 Aufl¨osen nachA und B liefert
A= 1−mV0
i~2k, B= mV0 i~2k
(c) Transmissions- und Reflexionskoeffizienten sind dann wegen k2= 2mE
~2
T = 1
|A|2 = 1 1 +2E~mV022
= 2E~2 2E~2+mV02
R= |B|2
|A|2 = mV02
2E~2+mV02 = 1−T
(d) Es gibt keine gebundenen Zust¨ande, denn die Energie kann nicht negativ werden.
F¨ur eine Energieeigenfunktion ψ(x)gilt n¨amlich hEi=
Z ∞
−∞
dxψ∗(x)Hψ(x)
| {z }
Eψ(x)
=E = Z ∞
−∞
dxψ∗(x) p2
2m+V0δ(x)
ψ(x)
Wegen der Hermitezit¨at von p ist weiter E =
Z ∞
−∞
dx 1
2m[pψ(x)]∗[pψ(x)]
+V0|ψ(0)|2>0
12
d.h. es kann keine EnergiewerteE <0und folglich auch keine gebundenen Zust¨ande geben.
Es ist auch schon ausreichend zu argumentieren, daß das Potential V0δ(x) mit V0 >0 ein Grenzfall einer Potentialschwelle ist und nicht eines Potentialtopfes, so daß das Potential keine Mulde bildet in der das Teilchen “gefangen” werden k¨onnte.