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Archiv "56. Deutscher Juristentag zu künstlicher Befruchtung und Sterbehilfe" (19.11.1986)

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HEMEN DER ZEIT

Meinungsbildung im Sinne der Bundesärztekammer-Richtlinien

)er 56. Deutsche Juristentag in Berlin 1986 befaßte sich in der Ab- eilung Zivilrecht eingehend mit dem Thema „Die künstliche Be- ruchtung — Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen" sowie in der Abteilung Strafrecht mit der Frage „Recht auf den eigenen Tod?

;trafrecht im Spannungsfeld zwischen Lebenserhaltungspflicht und

;elbstbestimmung". — Die Beschlüsse haben zwar keine normative Virkung; es handeltsich vielmehr um eine Meinungsbildung der Mit- gliederdes Deutschen Juristentages (dessen Mitgliedschaft jederJu- ist erlangen kann). Die Beschlüsse geben aber Aufschluß über die

Stimmungslage" unter Juristen zu den beiden kritischen Themen.

]

n der Abteilung Zivilrecht wur- den zur künstlichen Befruch- tung beim Menschen vom 56.

)eutschen Juristentag in Berlin Be- chlüsse gefaßt, die sich zum gro- en Teil mit den Richtlinien der Bundesärztekammer decken (dazu left 22/1985, Seite 1649). Die künst- che Befruchtung im homologen

;ystem wird als rechtlich zulässig nd ethisch unbedenklich angese- en. Dabei wird es auch für vertret- ar gehalten, die künstliche Zeu- ung eines Kindes außer bei Ehe- aaren auch bei einer (stabilen) icht ehelichen Lebensgemein- chaft vorzunehmen.

erngegenüber soll künstliche Zeu- ung eines Kindes bei einer ledigen rau ohne Geschlechtspartner icht vertretbar sein. Beide Be- chlüsse sind mit knappen Stirn- ienmehrheiten zustande gekom-

.uch die heterologe Insemination 'ird als solche nicht als rechtswid-

g angesehen. Während jedoch die .nfechtung der Ehelichkeit durch en jeweiligen Ehepartner für un- ulässig erklärt werden soll, wird em Kind ausdrücklich ein solches

nfechtungsrecht eingeräumt. Dar- ber hinaus wird das Recht des indes auf Kenntnis seiner geneti- chen Herkunft unterstrichen und ur Gewährleistung dieses Rechtes ine Eintragung im Personen- tandsregister sowie ein Einsicht- ahmerecht des Kindes ab Vollen- ung seines 16. Lebensjahres be- tht. Dies würde im Endergebnis edeuten, daß trotz Zulässigkeit ei- er heterologen Insemination kaum in Spender bereit sein dürfte, die

56. Deutscher Juristentag

zu künstlicher Befruchtung

und Sterbehilfe

auf ihn mit großer Sicherheit zu- kommenden erbrechtlichen und fa- milienrechtlichen Folgen zu tragen.

Gleiches gilt für die Ei- oder Em- bryospende, die nach den Be- schlüssen des Deutschen Juristen- tages unter bestimmten Vorausset- zungen zulässig sein soll.

Während in Übereinstimmung mit dem Beschluß des Deutschen Ärz- tetages „Tragemutterschaft" ein- hellig abgelehnt wurde, wird die Möglichkeit einer Ersatzmutter- schaft, bei der die Frau ihr eigenes Kind austrägt, um es danach an ei- ne Wunschmutter herauszugeben, für zulässig angesehen, wobei je- doch der Gesetzgeber aufgefordert wird, auch diese Form der Leihmut- terschaft zu verbieten.

Soweit es die Forschung mit menschlichen Embryonen betrifft, hat der Deutsche Juristentag eine sehr restriktive Haltung eingenom- men. In grundsätzlicher Überein- stimmung mit der Beschlußfassung des Deutschen Ärztetages wird die

Erzeugung menschlicher Embry- onen mit dem Ziel einer Verwen- dung in der Forschung für unzuläs- sig erklärt. Ebenfalls für unzulässig erklärt wird jedoch die Forschung an überzähligen Embryonen, die nur zur Implantation bei einer ande- ren Frau verwendet werden dürfen und die für den Fall, daß eine Im- plantationsmöglichkeit fehlt, „ih- rem Schicksal zu überlassen sind".

Die Diskussion in der Abteilung Strafrecht hat im Ergebnis die von der Bundesärztekammer herausge- gebenen Richtlinien voll bestätigt.

Ein Einschreiten des Gesetzgebers mit der Zielsetzung einer Änderung strafrechtlicher Vorschriften wird abgelehnt. Ausdrücklich wird fest- gestellt, daß die sogenannte aktive Sterbehilfe auch in Zukunft gesetz- lich nicht zugelassen werden sollte.

Negative Beschlüsse wurden zur Bedeutung von Patiententestamen- ten und zur Einschaltung soge- nannter Patientenanwälte gefaßt.

Kritisiert wurde die Tendenz der höchstrichterlichen Rechtspre- chung, selbst einen erkennbar wohlüberlegten und menschlich nachvollziehbaren Selbsttötungs- willen in der Regel für unbeachtlich zu halten, wenn der freiverantwort- lich handelnde Suizident in Ausfüh- rung seines Entschlusses bewußt- los wird. Die strafrechtliche Garan- tenpflicht des behandelnden Arztes zur Lebenserhaltung soll nach dem Willen des Juristentages ihre Gren- zen in der entgegenstehenden frei- verantwortlichen Entscheidung des Patienten finden. Auch insoweit wird jedoch keine Gesetzesände- rung empfohlen, sondern lediglich angeregt, bei der Anwendung des

§ 323 c StGB die Rettungspflicht eines Garanten und seine Hilfelei- stungspflicht nach den in § 215 des Alternativentwurfes einer ge- setzlichen Regelung zur Sterbehilfe genannten Kriterien zu bestimmen.

Dr. jur. Rainer Hess

• Dokumentation der Beschlüsse des 56. Deutschen Juristentages auf den nachfolgenden Seiten

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Deutscher Juristentag 1986

Thema: Die künstliche Befruchtung beim Menschen — Zulässigkeit und zivilrechtliche Folgen

DOKUMENTATION DER BESCHLÜSSE

Allgemeine Grundsätze

Die künstliche Befruchtung kann in be- stimmten Formen eine medizinisch vertretbare, ethisch billigenswerte und rechtlich anzuerkennende Therapie zur Überwindung von Unfruchtbarkeit sein.

Bevor sie in Erwägung gezogen wird, sollten zuvor alle anderen Möglich- keiten zur Erfüllung eines Kinderwun- sches, namentlich auch die Möglich- keit einer Adoption, geklärt werden.

Das Kind ist Gabe und Aufgabe und darf nicht als bloßes Mittel zum Zweck benutzt werden.

Die künstliche Befruchtung setzt nicht nur eine streng — medizinische, son- dern auch eine psychosomatische Indi- kation voraus, bei der neben der Ernst- haftigkeit des Kinderwunsches und der Stabilität der Partnerbeziehung vor al- lem auch das Wohl des zukünftigen Kindes zu berücksichtigen ist.

Die Verwirklichung des Kinderwun- sches steht unter dem Schutz des Art.

2 Abs. 1 GG in den dort genannten und durch Art. 1 Abs. 1 GG vorgegebenen Schranken.

Forschung auf dem Gebiet der Repro- duktionsmedizin und der Gentechnolo- gie steht zwar unter dem Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG; die Beachtung der Menschenwürde ist jedoch eine der Schranken der Forschungsfreiheit.

Auch wenn die künstliche Befruchtung als eine Therapiemöglichkeit anzuer- kennen ist, gibt es keine Rechtspflicht des Arztes, hieran mitzuwirken.

Homologe Insemination

Die medizinisch indizierte homologe künstliche Insemination, der beide Ehegatten zugestimmt haben, begeg- net keinen ethischen oder rechtlichen Bedenken.

Die fehlende Zustimmung eines Ehe- gatten läßt die auf der genetischen Ver- bindung beruhende rechtliche Zuord- nung des Kindes zu beiden Elternteilen mit allen rechtlichen Folgen (Unter- haltsrecht, Erbrecht usw.) unberührt.

Der Ehegatte, der der Insemination nicht zugestimmt hatte, kann gegen den anderen Teil Schadensersatzan- sprüche wegen der Belastung mit Un- terhaltspflichten und wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts (§§ 823, 847 BGB) geltend machen. Er kann evtl. eherechtliche Konsequenzen zie- hen.

Die Bestimmung, daß die eigenen Keimzellen zur Zeugung eines Kindes

Heterologe Insemination

Die heterologe künstliche Befruchtung verstößt als solche nicht gegen die Menschenwürde. Ein Verbot kann auch weder auf das Sittengesetz noch auf Art. 6 Abs. 1 GG gestützt werden.

Die künstliche Zeugung eines Kindes kann außer bei Ehepaaren auch bei ei- ner (stabilen) nichtehelichen Lebens- gemeinschaft vertretbar sein.

Art. 6 Abs. 1 und 2 GG rechtfertigt nicht die Einrichtung einer Ethikkom- mission, die nach eheberaterischen, psychologischen und soziologischen Gesichtspunkten über die Zulässigkeit einer heterologen Befruchtung ent- scheidet.

Der Betrieb von Samenbanken ist nur mit staatlicher Erlaubnis und unter staatlicher Aufsicht zulässig.

Auch bei der heterologen Insemination ist die Verwendung von Samen eines Verstorbenen (gleiches gilt bei der In- vitro-Fertilisation im heterologen Sy- stem für die Verwendung von Eizellen einer Verstorbenen) unzulässig.

verwertet werden sollen, kann nur im Zusammenhang mit einer konkreten Zeugung getroffen werden. Die Erklä- rung ist bis zur Durchführung der Zeu- gung frei widerruflich. Sie wirkt nicht über den Tod hinaus.

Die künstliche Befruchtung mit dem Samen eines inzwischen Verstorbenen ist unzulässig. Sie verstößt auch gegen die in Art. 6 Abs. 2 GG statuierte Ver- antwortung beider Elternteile für das Kind.

Der Arzt kann sich vertrags- und de- likts rechtlich schadensersatzpflichtig machen, wenn er schuldhaft

a) eine künstliche Insemination vor- nimmt, ohne sich von der (noch) vor- liegenden Zustimmung beider Ehegat- ten überzeugt zu haben,

b) seine Aufklärungs- und Beratungs- pflicht nicht gehörig erfüllt oder c) Keimzellen schädigt oder geschä- digte Keimzellen verwendet.

Verträge, die ein Entgelt für die Samen- spende vorsehen, verstoßen gegen die guten Sitten und sind insoweit nichtig.

§ 817 Satz 2 BGB ist nicht anzuwen- den.

Art. 1 Abs. 1 i. V. mit Art. 2 Abs. 1 GG erfordert es, daß dem durch künstliche Befruchtung gezeugten Kind nicht die Möglichkeit genommen werden darf, seine genetische Abstammung zu klä- ren. Kenntnis der genetischen Herkunft kann auch zur Verhütung von Erb- krankheiten und Vermeidung inzestuö- ser Verbindungen erforderlich sein.

Deshalb ist, soweit das geltende Recht nicht ausreicht, vom Gesetzgeber zu gewährleisten:

a) Anonymitätszusicherungen dürfen dem Samenspender nicht gegeben werden.

b) Der Arzt hat durch entsprechende Dokumentation die Identifizierung des Spenders zu ermöglichen. Die Verlet- zung dieser Pflicht macht ihn scha- densersatzpflichtig.

c) Bei der Geburt ist die Tatsache der heterologen Befruchtung mitzuteilen

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Deutscher Juristentag 1986: Beschlüsse

und ein Verfahren auf Feststellung der genetischen Elternschaft einzuleiten.

d) Die genetische Elternschaft ist wie bei der Adoption in einem nicht der Öf- fentlichkeit zugänglichen Randvermerk des Personenstandsbuches festzuhal- ten.

e) Das Kind kann ab Vollendung sei- nes 16. Lebensjahres Einsicht neh- men.

Die künftigen „sozialen Eltern" müs- sen mit der heterologen Befruchtung einverstanden sein.

Das Einverständnis und sein — bis zum Vollzug der künstlichen Befruchtung möglicher — Widerruf bedürfen der no- tariellen Beurkundung, um Beweis- schwierigkeiten auszuschließen und ei- ne Belehrung über die rechtlichen Fol- gen zu gewährleisten.

Eine Sozialberatung ist wünschens- wert.

Eine vormundschaftsgerichtliche Ge- nehmigung ist nicht vorzusehen.

Dem Kind, das aus einer konsentierten heterologen Befruchtung hervorgeht, muß der Status eines ehelichen Kindes mit allen unterhalts- und erbrechtlichen Folgen erhalten bleiben. Es ist gesetz- lich zu gewährleisten, daß der Ehe- mann, der der heterologen Befruch- tung zugestimmt hat, insoweit nicht

mehr zur Anfechtung der Ehelichkeit berechtigt ist.

Dem Kind ist auch für den Fall seiner heterologen Erzeugung ein Anfech- tungsrecht einzuräumen.

Ist eine unverheiratete Frau Samen- empfängerin, so darf der Gesetzgeber mit Rücksicht auf Art. 6 Abs. 5 in Ver- bindung mit Abs. 1 GG keine Regelung treffen, die den Samenspender von Rechts wegen aus seiner Unterhalts- pflicht entläßt.

Ersatzmutterschaft

Eine Frau, die natürlich oder künstlich, homolog oder heterolog befruchtet worden ist und sich verpflichtet hat, ihr Kind nach der Geburt an eine Wunsch- mutter (und einen Wunschvater, der zugleich der Samenspender sein kann) herauszugeben, ist auch als sog. Er-

satzmutter Mutter des von ihr gebore- nen Kindes. Die Wunschmutter kann nur über die Adoption rechtlich eine El- ternstellung erlangen.

Die Ersatzmutterschaft verstößt nicht gegen die Menschenwürde. Wegen der negativen Begleitumstände ist der Ge- setzgeber jedoch berechtigt, sie zu ver- bieten.

Hiervon sollte Gebrauch gemacht wer- den.

Die entgeltliche, geschäftsmäßige oder gewerbsmäßige Vermittlung von Er- satzmutterschaften ist zu verbieten, für Zuwiderhandlungen sind ebenso wie für unbefugte Adoptionsvermittlungen Sanktionen vorzusehen.

In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer

Die extrakorporale Befruchtung und die darauf folgende Embryoeinpflanzung können nicht als Verstoß gegen die Menschenwürde der Mutter oder des künftigen Kindes beurteilt werden, so- fern bestimmte, noch näher zu be- zeichnende Voraussetzungen erfüllt sind.

Zur extrakorporalen Befruchtung im heterologen System mit Samenspende gelten die gleichen Grundsätze wie für die künstliche heterologe Insemina- tion

Die Embryospende ist allenfalls dort zu rechtfertigen, wo sie dazu dient, den Embryo vor dem Absterben zu bewah- ren und die Bereitschaft eines Paares besteht, das Kind als eigenes anzuneh- men.

Die bei der Ei- oder Embryospende ent- stehende Aufteilung in eine genetische und eine biologische Mutterschaft ver- stößt als solche weder gegen die Men- schenwürde noch gegen Art. 6 Abs. 2 GG.

Das Anonymitätsverbot gilt wie bei der Samenspende, bei der Embryospende in doppelter Hinsicht. Dem Kind ist die Möglichkeit zu gewährleisten, seine genetische Herkunft zu erfahren.

Verträge über eine Ei- oder Embryo- spende, die ein Entgelt vorsehen, ver-

stoßen gegen die guten Sitten und sind insoweit nichtig. § 817 Satz 2 BGB ist nicht anzuwenden.

Ein Ehepaar, das selbst den Weg der extrakorporalen Befruchtung gewählt hat, darf zur Spende von Keimzellen nur herangezogen werden, wenn es vorher in qualifizierter Form zuge- stimmt hat.

Die Frau, die nach Ei- oder Embryo- spende ein Kind zur Welt bringt, ist die Mutter des Kindes. Hatte sie der Spen- de zugestimmt, steht ihr kein Recht zur Anfechtung der Mutterschaft zu. Die Eispenderin kann nur durch Adoption die rechtliche Stellung einer Mutter er- langen.

Damit die oben bezeichneten Voraus- setzungen und Grenzen der In-vitro- Fertilisation beachtet und Frau und Kind keinen vermeidbaren Risiken aus- gesetzt werden, empfiehlt sich eine ge- setzliche Regelung, die diese Art der künstlichen Befruchtung nur in medizi- nischen Einrichtungen erlaubt, die be- stimmten Mindestanforderungen in personeller und sachlicher Hinsicht ge- nügen und staatlicher Aufsicht unterlie- gen.

Tragemutterschaft

Eine Frau, die das befruchtete Ei einer anderen Frau austrägt und sich ver- pflichtet hat, das Kind nach der Geburt an die Eispenderin (genetische Mutter) herauszugeben, ist als sog. „Trage- mutter" Mutter des von ihr geborenen Kindes.

Tragemutterschaft ist schlechthin ab- zulehnen. Sie läßt außer acht, daß die Entwicklung im Mutterleib ein wichti- ger Teil der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ist und verstößt gegen die Menschenwürde der damit instrumen- talisierten Frau und des zukünftigen Kindes.

Die Mutterschaft knüpft an die Geburt an. Eine Anfechtung der Mutterschaft, die die anschließende Anerkennung der Mutterschaft der genetischen Mutter ermöglichen würde, ist abzulehnen.

Die genetische Mutter kann nur durch Adoption nach der Geburt die rechtli- che Stellung einer Mutter erlangen.

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Deutscher Juristentag 1986: Beschlüsse

Für die Vermittlung von Tragemutter- schaften gilt dasselbe wie für die Ver- mittlung von Ersatzmutterschaften.

Freiheit der Forschung und Embryonenschutz

Mit der Verschmelzung von Ei- und Sa- menzelle entsteht menschliches Leben, das einen kontinuierlichen Entwick- lungsprozeß ohne entscheidende quali- tative Zäsuren nimmt. Bereits in die- sem Zeitpunkt setzt der Schutz der Ver- fassung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) ein, und zwar unabhängig von der Art der Zeugung und davon, ob die Entwicklung innerhalb oder außerhalb des Mutterleibes stattfindet.

Embryonen dürfen nur mit dem Ziel der späteren Implantation und nicht zu For- schungszwecken erzeugt werden. Es dürfen nur soviel Eizellen befruchtet werden, als zur einmaligen Implanta- tion erforderlich sind.

Allgemeines

Im Hinblick auf vielfältige Unsicher- heiten und Beunruhigungen hält die Strafrechtliche Abteilung des 56. Dt.

Juristentages — unabhängig von der Frage eventueller Rechtsänderungen — die folgenden Erklärungen für ange- zeigt.

1. Der undifferenzierte, schlagwortar- tige Gebrauch des Wortes „Sterbehil- fe" begründet in bedenklicher Weise die Gefahr, daß eine entscheidende ärztliche Zielrichtung übersehen wird, nämlich die Leidhilfe als Form der Krankenbehandlung.

2. a) Sterbehilfe im Sinne der Hilfe im Sterben (sogenannte reine Sterbehilfe) ist allgemeine menschliche Pflicht, ins- besondere von Angehörigen. Die Mög- lichkeiten ihrer Erfüllung zu verbes- sern, ist dringliche Aufgabe aller betei- ligten Institutionen. Dies gilt nament-

Die Kryokonservierung von Eizellen ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit einer Konservierung von Embryonen in jedem Falle vorzuziehen.

Eine Kryokonservierung von Embryo- nen ist nur zu deren Erhaltung und zum Zwecke einer in zeitlich begrenztem Rahmen liegenden späteren Implanta- tion zulässig.

„Verwaiste Embryonen" dürfen nur zur Implantation bei einer anderen Frau verwendet werden.

Fehlt eine Implantationsmöglichkeit, sind sie ihrem Schicksal zu überlassen.

Diagnostische und therapeutische Ein- griffe in einen zur Implantation vorge- sehenen Embryo dürfen nur in seinem eigenen Interesse vorgenommen wer- den.

Embryonen dürfen niemals Gegen- stand kommerzieller Nutzung sein.

lich für große Krankenanstalten mit hochtechnisierter Ausstattung.

b) Für den Arzt ist die reine Sterbehilfe Rechtspflicht. Sie umfaßt alle indizier- ten Maßnahmen zur medizinischen Be- handlung einschließlich der Schmerz- linderung. Verlangt wird auch das Be- mühen um seelischen Beistand; Ärzte und nichtärztliches Klinikpersonal sind auf diese Aufgabe noch besser vorzu- bereiten.

c) Auch bei der Behandlung von Tod- kranken gelten die Grundsätze der ärzt- lichen Aufklärungspflicht. Jedoch ist auf die Grenzen des dem Patienten Zu- mutbaren besonders zu achten.

3. Schmerzlinderung ist als ärztliche Aufgabe bei tödlich Kranken auch dann erlaubt und geboten, wenn sie als un- vermeidbare Nebenwirkung möglicher- weise den Todeseintritt beschleunigt (sogenannte indirekte Sterbehilfe). Die

Verweigerung dieser Linderung kann als Körperverletzung durch Unterlas- sen oder als unterlassene Hilfeleistung strafbar sein.

4. Medizinische Maßnahmen zur Be- handlung eines Todkranken, die ledig- lich den natürlichen Ablauf des Ster- bens verzögern, sind kein Gebot des Lebensschutzes, sondern eine Verfäl- schung des Sterbens. In diesen Fällen ist daher ein Abbruch der Behandlung erlaubt und in der Regel geboten (so- genannte passive Sterbehilfe).

5. Der direkte und auf Tötung abzie- lende Eingriff zur Lebensbeendigung eines Todkranken, aber auch jedes Lei- denden, um ihn von seinen Schmerzen zu erlösen (sogenannte aktive Sterbe- hilfe), ist nach geltendem Recht ein Tö- tungsdelikt.

6. Die Vorschläge des AE-Sterbehilfe zur sogenannten passiven und zur so- genannten indirekten Sterbehilfe sind als Entscheidungshilfe für den Arzt und als Orientierungshilfe für die Rechts- praxis nützlich.

7. Auch die allgemein anerkannten Richtlinien, die die Bundesärztekam- mer und die ärztlich-wissenschaft- lichen Gesellschaften erarbeitet haben, sind für die Praxis eine wertvolle Orien- tierungshilfe.

8. Anleitungsbroschüren zur Selbsttö- tung sind äußerst fragwürdig, weil sie Kurzschlußhandlungen begünstigen und im Einzelfall den gebotenen medi- zinischen und psychologischen Bei- stand geradezu abschneiden.

Gesetzliche Regelung der Sterbehilfe

1. „Tendenzabstimmung"

Als Ansatz, den Problemen gerecht zu werden, empfiehlt sich in erster Linie ihre weitere Klärung nur in Auslegung des geltenden Rechts, also das minde- stens vorläufige Absehen von speziel- len gesetzlichen Regelungen.

2. Die sogenannte indirekte Sterbehil- fe, etwa nach dem Vorbild des § 214 a AE-Sterbehilfe, gesetzlich zu regeln, empfiehlt sich nicht.

Thema: Recht auf den eigenen Tod?

Strafrecht im Spannungsverhältnis zwischen

Lebenserhaltungspflicht und Selbstbestimmung

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Juristentag 1986: Beschlüsse KURZBERICHTE

3. Die sog. passive Sterbehilfe, etwa nach dem Vorbild des § 214 AE-Ster- behilfe, gesetzlich zu normieren, emp- fiehlt sich nicht.

4. Es empfiehlt sich, die sog. aktive Sterbehilfe in Abweichung von § 216 StGB auch künftig gesetzlich nicht zu- zulassen.

5. Es empfiehlt sich, bei der Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) gesetzlich die Möglichkeit vorzusehen, daß das Gericht von Strafe absehen kann, wenn die Tötung zur Beendigung eines uner- träglichen Leidenszustandes vorge- nommen worden ist (vgl. § 216 Abs. 2 AE-Sterbehilfe).

Patiententestament und Patientenanwalt

1. Die Bedeutung sog. Patiententesta- mente (Patientenverfügungen) bedarf der kritischen Überprüfung.

2. Die Einschaltung sog. Patientenan- wälte verspricht im deutschen Recht keine Verbesserung der Situation des Patienten. Sie erscheint auch nicht ge- eignet, Mißtrauen in ein am Patienten- wohl orientiertes ärztliches Verhalten auf Dauer ernstlich abzubauen.

Teilnahme an

fremder Selbsttötung

1. Die Tendenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung, selbst einen erkenn- bar wohlüberlegten und menschlich nachvollziehbaren Selbsttötungswillen in der Regel für unbeachtlich zu halten, wenn der freiverantwortlich handelnde Suicident in Ausführung seines Ent- schlusses bewußtlos wird (zuletzt Fall Wittig), verdient keine Zustimmung.

Die strafrechtliche Garantiepflicht des behandelnden Arztes zur Lebenserhal- tung findet ihre Grenze in der entge- genstehenden freiverantwortlichen Ent- scheidung des Patienten.

2. Es empfiehlt sich nicht, das gelten- de Recht zu ändern. Jedoch empfiehlt es sich, bei seiner Anwendung die Ret- tungspflicht eines Garanten und die Hilfeleistungspflicht gem. § 323 c StGB nach den in § 215 AE-Sterbehilfe genannten Kriterien zu bestimmen.

Positive Erfahrungen mit Studienplatz- Auswahlgesprächen

Die erstmals zum laufenden Win- tersemester an den Universitäten durchgeführten Auswahlgesprä- che für die Vergabe von Medizin- studienplätzen haben nach vorläu- figen Berichten der beteiligten Hochschulen ein wider Erwarten positives Ergebnis gezeigt.

Der Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz, Prof. Dr.

Theodor Berchem (Würzburg), er- klärte anläßlich der 150. WRK-Ple- narversammlung in Bonn gegen- über der Presse, daß — entgegen allen „Unkenrufen" — die häufig auch in den medizinischen Fach- bereichen/Fakultäten vor Beginn des Zulassungsverfahrens anzu- treffende Skepsis nach Abschluß der Gespräche einer überaus posi- tiven Einstellung der Hochschul- lehrer gewichen sei. In den Aus- wahlgesprächen hätten die Pro- fessoren zum Teil überraschend schnell Einigung über die Bewer- tung der Motivation und Eignung der Bewerber für einen Medizin- studienplatz erzielen können. Die Hochschullehrer hätten, so Ber- chem, Gefallen an der für sie un- gewohnten Konfrontation mit den Studienbewerbern gefunden.

Jeder Bewerber für einen der im Auswahlverfahren vergebenen et- wa 1800 Plätze (15 Prozent aller Medizinstudienplätze) mußte sich einem mindestens halbstündigen Interview mit mindestens zwei Prüfern stellen. Die Bewerber ent- stammten allen sozialen Schich- ten. Erste Auswertungen an eini- gen Universitäten hätten erkennen lassen, daß der Erfolg im Interview nicht von einer guten Durch- schnittsnote im Abitur abhängig war.

Berchem betonte, die WRK hoffe, durch die Auswahlgespräche die bisherige Anonymität des Zulas- sungsverfahrens abbauen zu kön- nen. Befriedigt habe das WRK-Ple- num zur Kenntnis genommen, daß

alle Anträge auf einstweilige An- ordnung, mit denen den Universi- täten untersagt werden sollte, Stu- dienplätze nach der Auswahlge- sprächsquote zu vergeben, von den Gerichten zurückgewiesen worden seien.

Zum „Arzt im Praktikum" bemerk- te Prof. Berchem, die WRK halte die jetzige Regelung für nicht praktikabel. Sie müsse zur Kata- strophe führen, bedenke man nur die schwierige Stellensituation oder die Rechtslage. Berchem wörtlich: „Erst kommt man nicht

'rein ins System" (der Mediziner- ausbildung), „dann kommt man nicht mehr 'raus!" Langfristig kön- ne der drohenden Akademiker-

„Proletarisierung” auch unter der Ärzteschaft nur durch eine radika- le Änderung der Zulassung zum Medizinstudium beziehungsweise durch Verschärfung der Prüfungs- anforderungen zu Beginn des Stu- diums begegnet werden. rei

Bosch-Stiftung fördert besonders Gesundheitspflege

Die Robert-Bosch-Stiftung GmbH konnte, wie aus dem Jahresbe- richt 1984/85 hervorgeht, ihren Förderungsaufwand im genann- ten Zeitraum auf mehr als 47 Mil- lionen DM (1982/83: 37 Millionen DM) steigern. Ein Hauptgebiet der Förderungstätigkeit ist nach An- gaben der Geschäftsführung die öffentliche Gesundheitspflege.

1984/85 wurde sie mit rund zehn Millionen DM bedacht.

Drei Institutionen, das Robert- Bosch-Krankenhaus sowie die bei- den Forschungsinstitute für Klini- sche Pharmakologie und für Ge- schichte der Medizin erhielten zwei Fünftel der Gesamtfördermit- tel (fast 19 Millionen DM). Etwa die Hälfte davon wurde für den Neu- bau eines Herzchirurgischen Zen- trums am Robert-Bosch-Kranken- haus verwendet. Zu dieser institu- tionellen Förderung tritt die Pro- iektförderung in ausgewählten Be-

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