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Archiv "Nadelöhr für die Medizinerausbildung: Ein ärztliches Fach" (25.08.2003)

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Nachwuchsprobleme? Glücklicherwei- se können heute aus allen Teilen Euro- pas Wissenschaftler zu uns kommen. Sie kommen aber nur, wenn wir attraktive Forschungskonzepte haben. Und dann sollten wir die besten für unsere Anato- mischen Institute gewinnen!

Die Autoren haben schon Recht; es gibt durchaus Probleme in der theoreti- schen Medizin. Eine magische Zeitlimi- tierung (Bulmahn-Gesetz) ist sicherlich keine optimale Lösung angesichts der gestiegenen Anforderungen an die Qualitätssicherung bei komplizierten Techniken oder auch angesichts der ge- stiegenen Anforderungen in der Lehre.

Die Universität sollte in der Lage sein, entscheiden zu können, wie wertvoll ihr ein Mitarbeiter ist, wenn es um Verlän- gerung oder Kündigung geht. Gerade in der Lehre kann gelegentlich ein Bewer- ber mit langjähriger Erfahrung den Vorzug vor einem jüngeren, unerfahre- nen Bewerber erhalten. Es sollte um die Sache, um die Eignung eines Bewerbers für eine Aufgabe gehen und nicht um die Zeit, die er schon an universitären Einrichtungen verbracht hat. Wenn es aber Nachwuchsprobleme gibt, wie sie die Autoren für das Fachgebiet Anato- mie sehr düster zeichnen, dann ist wohl zu fragen, ob die Forschungskonzepte für unsere jungen Wissenschaftler nicht mehr attraktiv sind. Ich kenne eine Rei- he Anatomischer Institute, die keine Nachwuchsprobleme haben. Es sind ge- nau jene, die wegen ihrer Forschungs- konzepte für den wissenschaftlichen Nachwuchs attraktiv sind.

Prof. Dr. M. Frotscher, Institut für Anatomie und Zell- biologie der Universität Freiburg, Albertstraße 17, 79104 Freiburg

Ein ärztliches Fach

Da auch die Anatomie (trotz aller Be- nachteiligungen und trotz des „Verlu- stes des Berufsbildes Anatom“) noch immer zur „medizinischen“ Fakultät ge- rechnet wird, sollte man auch die Ana- tomie „ärztlich“ betrachten. Denn ein Hauptgrund für die heutige Situation der Anatomie ist Folge ihrer „Loslösung vom ärztlichen Geschehen“. Und die Wiederherstellung ihrer Stellung inner- halb des ärztlichen Handelns ist eigent- lich der primäre „Lösungsweg“, dem al- le übrigen angegebenen Wege folgen.

Eine Aufwertung des Grundlagen- faches Anatomie innerhalb der ärztli- chen Ausbildung ist dringend geboten, auch wegen bestehenden oder drohen- den Personalmangels, besonders aber wegen ihrer zentralen Bedeutung für den behandelnden Arzt. Darauf weisen auch Umfragen bei niedergelassenen Ärzten hin, die einhellig betonen, dass das für ihre ärztliche Tätigkeit wichtig- ste Fach die Anatomie ist. Ähnlich be- urteilen Studenten den anatomischen Unterricht. Ähnlich auch z. B. ein Or- dinarius für Radiologie, der 70 % sei- ner Tätigkeit in der Anwendung anato- mischen Wissens sieht. Und die Be- liebtheit der vielen von der Anatomie

durchgeführten Operationskurse be- stätigt es ebenfalls.

Für die Aufwertung des Faches Ana- tomie sind die genannten Lösungswege allerdings nur zweitrangig. Das Wesent- lichste ist meiner Meinung nach, dass in einem ärztlichen Fach auch Ärzte arbei- ten. Biologen, Genetiker, Materialprü- fer usw. müssen die Ausnahme bleiben (ähnlich wie auch ein Chirurg, dessen Patient neben seinem Knochenbruch an einer Herzinsuffizienz leidet, die Er- forschung des Herzleidens nur im Ne- benhinein betreiben darf). Ärzte kön- nen auch im Rahmen ihrer Forschungs- projekte den Kontakt zur Klinik her- stellen, indem sie z. B. die Patienten, de- ren Untersuchungsergebnisse sie für ih- re Forschungen verwenden, mitbehan- deln und dadurch zusätzliche Einblicke erhalten. Durch eine solche Wiederher- stellung des Kontaktes zum Patienten wird dem Verlust des Berufsbildes Ana- tom wirkungsvoller entgegengearbeitet als durch Anatomieordinarien, die auf die Frage nach der Anwendbarkeit ih-

res wissenschaftlichen Spezialwissens auf die Therapie von Patienten antwor- ten, das wüssten sie nicht, denn sie wür- den als Anatomen nur Fakten darlegen.

Die Zukunft des Faches Anatomie wird also keineswegs durch die wissenschaft- liche Qualifikation des akademischen Nachwuchses gesichert, vor allem wenn sich die Tätigkeit auf sachfremde Ge- biete wie Zell- und Entwicklungsbiolo- gie oder Biomaterialforschung auswei- tet. Denn gerade solche Bereiche, die nicht umsonst den Namen Biologie tra- gen, führen eher zum Verlust des Be- rufsbildes Anatom.

Nebenbei, der Einsatz von Emeriti als Honorarfachkräfte ist zwar wegen des hohen Fachwissens wünschenswert, doch sind nach meinen Erfahrungen in München gerade die kompetenten Kol- legen nicht zu erneuter Tätigkeit bereit, da auch sie die derzeitige Situation analy- sieren und ihnen eine weitere Mitarbeit nicht wünschenswert erscheint. Es wird im Gegenteil sogar über ein verfrühtes Ausscheiden aus dem Dienst nachge- dacht. Ebenso ist die Einführung von Pflichtweiterbildungszeiten keine sinn- volle Lösung, da ein Kollege erfahrungs- gemäß dann den Arbeitsplatz wechselt, wenn er sich endlich eingearbeitet hat.

Er belastet also anstatt zu entlasten.

Der Bezug der Anatomie zur Lehre ist uralt. Denn in der Anatomie lernt man u. a. die Grundlage der ärztlichen Fachsprache und stellt innerhalb des Studienganges den ersten wirklichen Kontakt zu Ärztlichem und auch zum Patienten her, wenn auch meist in extre- mer Form. Hier wird festgelegt, wie der Student sich später zum Patienten, zur Forschung usw. verhält. Und um hier ei- nen angemessenen Unterricht gewähr- leisten zu können, muss (nicht „sollte“

oder „es wird empfohlen“) eigentlich jeder, der in der Anatomie eine Dauer- stelle anstrebt, Kenntnisse und Fähig- keiten (so die Formulierung in den verschiedenen Facharztordnungen) in Pädagogik nachweisen, d. h., er muss sich die Grundlagen der Pädagogik in Vorlesungen und Kursen aneignen. Al- le übrigen Maßnahmen wie Gruppen- größen, Tischbetreuungsrelationen müs- sen auf lokale Notsituationen be- schränkt bleiben. Besonders wichtig ist, dass aus den vielen zur Verfügung ste- henden Lehrmethoden diejenigen aus- T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 34–3525. August 2003 AA2211

Personalmangel in Anatomischen Insti- tuten war das Titelthema in Heft 24/2003.

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gewählt werden, die für das Studium am geeignetsten sind, d. h. die in kürzester Zeit das meiste Wissen vermitteln kön- nen. Hier richtungweisend zu wirken, hat auch die neueste Studienreform versäumt. Es wäre viel wirkungsvoller, der Anatomie innerhalb der Lehrveran- staltungen die Bedeutung zurückzuge- ben, die ihr innerhalb des ärztlichen Handelns zusteht, d. h. die klinisch-to- pographische Anatomie wieder im kli- nischen Teil des Studiums zu lehren und im Staatsexamen zu prüfen.

Der Bezug der Anatomie zur Lehre äußert sich übrigens auch beispielswei- se in der Tatsache, dass Studenten sich gerne als Koassistenten im Präparier- kurs oder für Demonstrationen zur Ver- fügung stellen, soweit es ihr Stunden- plan zulässt.

Eine wesentliche Maßnahme, die die personelle Situation in der Anatomie verbessern würde, ist die längst überfäl- lige Einführung des „Facharztes Ana- tomie“ und sind nicht „Habilitations- änderungen“ oder „Juniorprofessuren“.

Ich bin überzeugt, dass der personale Notstand in der Anatomie der Vergan- genheit angehört, wenn die von Prof. Fi- scher und Prof. Papst angegebenen Lö- sungswege in modifizierter Form durch- geführt werden.

Dr. E. Kaiser, Pettenkoferstraße 11, 80336 München

Schlusswort

Das in verschiedener Form (Briefen, Anrufen, Gesprächen) geäußerte Inter- esse an unserem Beitrag im Deutschen Ärzteblatt und die beiden ausführli- chen und inhaltlich kontroversen Le- serbriefe zeigen uns nicht nur die Ak- tualität des Themas, sondern auch, in welch schwieriger Lage sich die Anato- mie derzeit befindet. Die beiden Zu- schriften kennzeichnen stellvertretend für viele weitere Reaktionen auf unse- ren Beitrag wichtige Facetten des Nach- wuchsproblems. Während Herr Kollege Frotscher die Lehre als etwas mehr Ne- bensächliches beschreibt, betont Herr Dr. Kaiser die ärztlichen Aspekte der Anatomie und wünscht sich sogar Pati- entenkontakte. Diese beiden zugespitz- ten Standpunkte lösen unserer Mei- nung nach die Nachwuchsproblema- tik in unserem Fach nicht. Der Anlass

für unseren Beitrag war eine Umfrage bei allen Anatomischen Instituten in Deutschland und die eindeutigen Er- gebnisse und nicht die Situation in un- seren eigenen Instituten. Verschiedene Passagen in dem detaillierten Brief von Herrn Kollegen Frotscher zu aktuellen Forschungsmethoden und Fragestellun- gen in der Anatomie unterstreichen un- sere Ausführungen zur Bedeutung ei- ner „national und international wettbe- werbsfähigen Forschung“ und unsere Hinweise auf interdisziplinäre For- schung.Wir hatten ausgeführt, dass „die Zukunft des Faches Anatomie durch die wissenschaftliche Qualifikation des akademischen Nachwuchses gesichert“

werden muss. „Attraktive“ Forschung mit interessanten wissenschaftlichen Fragestellungen und Methoden sind je- doch kein Allheilmittel. Das lässt sich allein schon dadurch nachweisen, dass die Anatomischen Institute, die angeb- lich kein Nachwuchsproblem haben, vielfach ganz andere Standortvorteile als attraktive Forschung bieten. Be- werbern sind bei ihrer Berufs- und Standortwahl häufig andere Prioritäten (attraktive Wohnorte, Lebensqualität, Lebenshaltungskosten, Vertragsdauer, mittel- und langfristige berufliche Per- spektive von Stelle und Fach, persönli- che Beziehungen zu Professoren) wich- tiger als das Forschungsgebiet und die internationale Reputation der Arbeits- gruppe. Dies ist zwar unter dem Aspekt der Hochleistungsforschung bedauer- lich, spiegelt aber die reale Bewer- bungssituation und Arbeitswelt wider.

Unsere Lösungsvorschläge waren in kurz- und langfristig unterteilt. Eini- ge Vorschläge zur Minderung der Nachwuchsproblematik (Teilzeitarbeit, Emeriti, Ärzte aus Osteuropa) dienten der kurzfristigen Absicherung der Leh- re und sollen dadurch helfen, Zukunfts- chancen für den Nachwuchs mit mehr Zeit für Forschung zu schaffen. Wir tei- len die Meinung von Herrn Kollegen Frotscher über den Stellenwert der Lehre nicht. Wir sind der Meinung, dass sie nicht nur die zweite Säule unseres Berufes, sondern gleichzeitig auch ein wesentliches Element der Nachwuchs- problematik ist, gerade dann, wenn die Lehre bei der Leistungsbewertung der akademischen Mitarbeiter innerhalb der Institute und innerhalb der Fakultä-

ten nicht fair verteilt und berücksichtigt wird. Es ging uns nicht darum, der Lehre in der Anatomie einen „noch höheren Stellenwert“ einzuräumen, wie Herr Kollege Frotscher schreibt, sondern der Lehre in Ergänzung zur Forschungseva- luation endlich die höhere Wertschät- zung in der Leistungsbewertung und Mittelverteilung in den Fakultäten zu geben, die ihr zusteht. Es war nicht Ziel unseres Beitrags, wie Herr Kollege Kai- ser schreibt, auf die Einschätzung der großen klinischen Relevanz, besonders der makroskopischen Anatomie, durch Medizinstudierende und praktizierende Ärzte hinzuweisen, weil dazu bereits früher repräsentative Daten zurzeit des Staatsexamens und durch Ärzte zurzeit der Facharztprüfung publiziert worden sind. Auf den Hinweis auf eine „Ein- führung des Facharztes Anatomie“

durch Herrn Dr. Kaiser möchten wir er- läutern, dass es in zahlreichen Weiterbil- dungsordnungen von Landesärztekam- mern diesen Facharzt seit Jahren gibt.

Die Anatomische Gesellschaft hat für Nicht-Mediziner den „Fachanatomen“

geschaffen, vergleichbar zum „Fach- pharmakologen“. Die Forderung von Herrn Kollegen Frotscher, dass die Uni- versitäten über Verlängerung oder Kün- digung von Mitarbeitern entscheiden und so aktive Nachwuchspolitik betrei- ben sollten, ist uneingeschränkt zu un- terstützen. Nur: Sie geht an den Vorga- ben des Arbeits- und Tarifrechtes vorbei und ist derzeit kein realistischer Ansatz zur Lösung des Nachwuchsproblems.

Schließlich: Die von uns dargestellte Si- tuation in der Anatomie ist nicht nur ty- pisch für Deutschland. Nach einer Mel- dung in Science Ende Februar 2003 ha- ben über 80 % der anatomischen De- partments in den USA „great or mod- erate“ Probleme, qualifizierten akade- mischen Nachwuchs zu finden. Und die- ser Mitteilung zufolge bedienen sich die US-Fakultäten genau einiger der Vor- schläge, die wir in unserem Artikel für Deutschland angeregt haben.

Literatur bei den Verfassern

Prof. Dr. Dr. Bernd Fischer, Institut für Anatomie und Zellbiologie der Martin-Luther-Universität Halle-Witten- berg, Halle/Saale

Prof. Dr. Reinhard Pabst,Abteilung II: Funktionelle und Angewandte Anatomie, Zentrum Anatomie der Me- dizinischen Hochschule Hannover

T H E M E N D E R Z E I T

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A2212 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 34–3525. August 2003

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