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Archiv "Arzneimittelindustrie: Warten auf das Biotech-Wunder" (08.10.2010)

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A 1940 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 40

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8. Oktober 2010

W I R T S C H A F T

E

s klang nach einer wissen- schaftlichen Sensation: Am 6. April 2000 gab der amerikani- sche Biochemiker Craig Venter be- kannt, er habe das menschliche Erbgut entschlüsselt. Die Euphorie erfasste auch deutsche Forscher. Sie gründeten Biotechnologieunterneh- men und fanden ebenso begeisterte Finanziers. „Allein im Boomjahr 2000 nahmen deutsche Biotech - nologieunternehmen mehr als eine halbe Milliarde Euro an Risikokapi- tal auf – mehr als dreimal so viel wie im Vorjahr. Dieser Wert wurde seitdem nie wieder erreicht“, sagt Marion Jung. Die promovierte Mo- lekularbiologin ist Beteiligungsma- nagerin bei Earlybird, einem Tech- nologieinvestor, der sich auf frühe Unternehmensphasen spezialisiert hat. Zusätzlich stellt die deutsche Bundesregierung von 2001 bis 2005 mehr als 980 Millionen Euro für Biotechnologieprojekte bereit. Mit Hilfe der Kenntnis aller menschli- chen Gene sollte der Ursprung bis- lang unzureichend therapierbarer Erkrankungen gefunden werden.

Die Bilanz fällt heute ernüch- ternd aus: Gerade einmal acht Me-

dikamente hat die deutsche Bio- technologiebranche bisher hervor- gebracht – davon wurde nur ein ein- ziges Medikament tatsächlich vom Labor bis zur Marktzulassung ent- wickelt. Es ist ein Wirkstoff für die Krebstherapie, den die Münchener Firma Trion mit finanzieller Unter- stützung der Fresenius-Gruppe ent- wickelt hat. Die anderen zugelasse- nen Medikamente wurden zum Teil in fortgeschrittenem Stadium ein - lizenziert oder von Pharmafirmen übernommen. „Sicherlich wurde die Zeitdauer von der Entwicklung ei- nes Medikaments bis zur Marktein- führung von vielen unterschätzt“, meint Elmar Kraus, Biotechexperte bei der DZ-Bank.

Seit der Finanzkrise fehlt das Risikokapital

Die Mehrzahl der Firmen schreibt noch immer rote Zahlen. Immerhin konnten die börsennotierten deut- schen Unternehmen ihre Verluste durch Produktverkäufe und lukrati- ve Allianzen im vergangenen Jahr um 37 Prozent auf insgesamt 150 Millionen Euro verringern, schreibt das Wirtschaftsprüfungs- und Bera-

tungsunternehmen Ernst & Young in einer aktuellen Studie. Die Ver- lustbilanz der privaten Unterneh- men sei dagegen, aggregiert um 13 Prozent, auf insgesamt 270 Millio- nen gestiegen. Viele private Firmen stünden mit dem Rücken zur Wand.

„Die Biotechbranche hat im ver- gangenen Jahr stark unter der Wirt- schafts- und Finanzkrise gelitten.

Venture Capital als klassisches In- strument für die Bereitstellung von Beteiligungskapital ist als Finan zie - rungsquelle in Deutschland fast voll - ständig ausgetrocknet“, erläutert Sieg - fried Bialojan, Leiter des European Life Science Center von Ernst &

Young. Andererseits hätten sich die pessimistischen Prognosen man- cher Analysten, die von einem mas- siven Einbruch bei der Anzahl der Biotechunternehmen im Laufe des Jahres 2009 ausgegangen waren, nicht bestätigt. „Jetzt gelten neue Spielregeln“, erklärt Bialojan das Phänomen. Die Biotechunterneh- men hätten gelernt, das verfügba - re Kapital effizienter einzusetzen.

Außerdem gebe es eine Reihe von Investoren, die sich der Biotechno- logie als Herzensangelegenheit an- ARZNEIMITTELINDUSTRIE

Warten auf das Biotech-Wunder

Zehn Jahre nach dem Gründungsboom in der deutschen Biotechnologiebranche sind erst acht Medikamente zugelassen.

Mit Hochdruck erforschen die Bio-

techunternehmen neue Wirkstoffe be- ziehungsweise prü- fen, welche Wirk- stoffkandidaten Po- tenzial besitzen (hier in einem Bio- reaktor) – der große Durchbruch steht

aber noch aus. Foto: mauritius images

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Deutsches Ärzteblatt

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8. Oktober 2010 A 1941 genommen hätten, sagt DZ-Bank-

Experte Kraus. „Diese Personen werden weiterhin da sein, davon gehe ich aus“, meint er. Zu den privaten Investoren zählen unter an - derem die Hexal-Gründer Thomas und Andreas Strüngmann sowie der SAP-Mitgründer Dietmar Hopp.

Erfolgreiche Kooperationen mit der Pharmabranche

Erfolgreich sind vor allem diejeni- gen Biotechunternehmen, die Ko- operationen mit der Pharmabranche eingegangen sind. Schon heute stammten 25 bis 55 Prozent der in der Entwicklung befindlichen Phar- maprodukte aus Lizenzvereinba- rungen oder aus Partnerschaften mit oftmals kleinen Biotechnologieun- ternehmen, erklärt Jung.

Das Hamburger Unternehmen Evotec zum Beispiel kooperiert un- ter anderem mit Roche, Boehringer Ingelheim, Novartis und Ono Phar- maceutical. Das 1993 gegründete Unternehmen sieht sich als All- rounddienstleister für die präklini- sche Forschung der Pharmaindus- trie und prüft, welche Wirkstoffkan- didaten Potenzial besitzen. Das ers- te Halbjahr 2010 ist so gut gelaufen wie nie zuvor in der Unternehmens- geschichte: Evotec erwirtschaftete einen kleinen Gewinn in Höhe von 300 000 Euro. Grund dafür sind hohe Prämienzahlungen der Partner Genentech und Boehringer Ingel- heim, die den Umsatz um 33 Pro- zent nach oben trieben. Unterneh- menschef Werner Lanthaler hat im August die Umsatzprognose für das gesamte Jahr auf 52 bis 54 Millio- nen Euro angehoben, das entsprä- che einem Anstieg um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vor- jahr. Im Jahr 2012 will das Unter- nehmen dann zum ersten Mal auch auf Jahressicht schwarze Zahlen schreiben. Trotz der guten Entwick- lung ist die Krise auch an Evotec nicht spurlos vorbeigegangen: Die Ausgaben für Forschung und Ent- wicklung wurden in den ersten sechs Monaten um 82 Prozent auf 2,9 Millionen Euro gekürzt. Evotec beschäftigt circa 350 Mitarbeiter.

Die Aktien des Unternehmens sind im TecDAX gelistet und werden am Nasdaq Global Market gehandelt.

Das dem Umsatz nach erfolg- reichste deutsche Biotechunterneh- men ist Qiagen aus Hilden. Qiagen startete als reiner Laborzulieferer und ist nun ein wichtiger Dia - gnos tika anbieter, der zum Beispiel Gentests verkauft. Im Jahr 1996 ging Qiagen als erstes deutsches Life-Science-Unternehmen an die US-Technologiebörse Nasdaq. Im Jahr darauf wurde es in das Markt- segment des Neuen Markts aufge- nommen, seit 1998 notiert die Ak - tie des Unternehmens im TecDAX.

In den vergangenen drei Jahren hat Qiagen sowohl seinen Umsatz als auch seinen Gewinn in etwa ver- doppelt. Im zweiten Quartal dieses Jahres stieg der Umsatz um neun Prozent gegenüber dem Vorjahres- zeitraum auf 263 Millionen Euro, der Nettogewinn erhöhte sich auf 38,5 Millionen US-Dollar. „Die Ge- schichte von Qiagen ist eine Er- folgs story“, sagt Kraus.

Auch Morphosys aus Martins- ried bei München zählt zu den gro- ßen Namen der deutschen Biotech- branche und schreibt dank zahlrei- cher Kooperationen bereits schwar- ze Zahlen. Das 1992 gegründete Unternehmen hat sich auf die Syn- thetisierung von Antikörpern spe- zialisiert und verfügt über eine rie- sige Datenbank, in der mehr als 45 Milliarden humane Antikörper- varianten gespeichert sind. Das ist mehr als das Zwanzigfache der durchschnittlichen Anzahl von zwei Milliarden Antikörpern im mensch- lichen Blut. Wie wertvoll diese Bi- bliothek ist, zeigt die Bereitschaft des schweizerischen Pharmakon- zerns Novartis, dem Unternehmen für eine auf zehn Jahre angesetzte Kooperation jährlich 40 Millionen Euro zahlen zu wollen. Seitdem gibt es Gerüchte, Novartis könnte Morphosys übernehmen. Im ersten Quartal dieses Jahres stieg der ope- rative Gewinn gegenüber dem Vor- jahreszeitraum von 4,2 auf 4,7 Mil- lionen Euro. Der Umsatz erhöhte sich um acht Prozent auf 20,6 Mil- lionen Euro. Für das Gesamtjahr er- wartet Morphosys einen Umsatz bis zu 93 Millionen Euro sowie einen operativen Gewinn bis zu neun Mil- lionen Euro. Die Aktie von Mor- phsys wird im TecDAX gehandelt.

Noch in den roten Zahlen steckt Medigene. Allerdings konnte das Unternehmen den Verlust im ersten Halbjahr dieses Jahres um 60 Pro- zent auf 3,3 Millionen Euro verrin- gern. Der Umsatz kletterte um ein Viertel auf 25,2 Millionen Euro – vor allem dank steigender Erlöse mit dem Krebsmedikament Eligard und der Genitalwarzensalbe Vere - gen. Das 1994 gegründete Unter- nehmen aus Martinsried bei Mün- chen konzentriert sich auf die Er- forschung und Entwicklung inno- vativer Medikamente gegen Krebs- und Autoimmunkrankheiten. Medi- gene hatte als erste deutsche Bio- technologiefirma Medikamente auf den Markt gebracht und diese über Partner vertrieben. Auch Medigene ist im TecDAX gelistet. In der For- schungspipeline befinden sich zur- zeit Wirkstoffe zur Behandlung von rheumatoider Arthritis, therapeuti- sche Impfstoffe und sogenannte on- kolytische Viren. Das sind gentech- nisch veränderte Herpes-simplex- Viren, die sich ausschließlich in Tumorzellen vermehren und diese zerstören. Große Hoffnungen setzt das Unternehmen in seinen Medi- kamentenkandidaten „EndoTAG“

gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs.

„Wir konnten mit unserer kontrol- lierten Phase-II-Studie bereits sehr positive Ergebnisse veröffentli- chen“, sagt der Vorstandsvorsitzen- de, Frank Mathias.

Gut gefüllte Produktpipeline macht Hoffnung

Die Aussichten der deutschen Bio- techbranche zu beurteilen, fällt nicht leicht. „Die Konsolidierungswelle könnte zeitverzögert noch gravie- render zuschlagen“, schreiben Ernst

& Young in ihrer Studie, „es könn- ten aber auch neue Impulse der all- gemeinen Wirtschaftserholung eine Rolle spielen.“ Etwas optimisti- scher zeigt sich Beteiligungsmana- gerin Jung: „Auch wenn erst we - nige von deutschen Biotechfirmen entwickelte Produkte eine Marktzu- lassung erreicht haben, die Produkt- pipeline der Firmen ist gut gefüllt und braucht sich im internationalen Vergleich nicht zu verstecken. Gut Ding will eben Weile haben.“ ■

Petra Prenzel

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