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Archiv "Die Risiken für Patienten durch die Datenverarbeitung ohne ärztliche Überwachung" (17.08.1978)

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Die Risiken für Patienten

durch die Datenverarbeitung ohne ärztliche Überwachung

In der jüngsten Sitzung des Vorstandes (Council) des Weltärztebundes ist die ne- benstehend veröffentlichte Ausarbeitung von Dr. med.

Rolf Schlögell (Köln) als Einleitung und Kommentar zur Neuauflage der Richtli- nien des Weltärztebundes (World Medical Associa- tion) über den Einsatz von Computern in der Medizin angenommen worden. Die- se Richtlinien waren von der Generalversammlung des Weltärztebundes 1973 in München beschlossen und verkündet worden (DEUTSCHES ÄRZTE- BLATT 44/1973, Seite 3034). Der Vorstand des Weltärztebundes dankte Dr. Schlögell für die Erar- beitung des Papiers im Zu- sammenhang mit den Be- ratungen des WMA-Aus- schusses „Automation in Medicine". Der Richtlinien- Ergänzung kommt auch in der Bundesrepublik Deutschland angesichts der bedenklichen Daten- sammlungspläne von Re- gierung und Sozialversi- cherungsträgern große Be- deutung zu. DÄ

Richtlinien des Weltärztebundes

Rolf Schlögell

Die Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung in der Medi- zin in einer Reihe von Ländern betrifft im wesentlichen bisher fol- gende Bereiche:

a) Verwaltung, Rechnungsstellung u.

b) Dokumentation von Anamnesebefunden, Diagnosen, therapeuti- schen Maßnahmen wie Arzneiverordnungen o. ä.

c) Laboratoriumsmedizin, Elektrokardiographie, Szintigraphie, Ganzkörpertomographie.

Weitere Anwendungsgebiete (z. B. ärztliche Fortbildung, Informa- tionshilfen für den Arzt) befinden sich noch im Forschungs- oder Modellstadium. Ebenso befindet sich die Nutzung der EDV im Sinne der Diagnosehilfe und der Therapieunterstützung noch in einem wenig fortgeschrittenen Stadium; es bestehen besonders semanti- sche Schwierigkeiten, die offenbar erst in einer längeren stufenwei- sen Entwicklung überwunden werden können. Abgesehen davon wird vielfach die Meinung vertreten, daß der Aufbau entsprechender Systeme zur Zeit noch an der ungeheuren Masse der notwendiger- weise zu speichernden Daten scheitert.

Während die Regelung von Verwaltungsabläufen mit Hilfe der EDV bisher für den Patienten nur wenige Risiken mit sich gebracht hat (abgesehen z. B. von Irrtümern bei der Einbestellung, bei dem Versenden von Rechnungen und von Mahnungen), ist die sonstige Anwendung der elektronischen Datenverarbeitung ohne eine ausrei- chende ärztliche Überwachung mit erheblichen Risiken für den

Heft 33 vom 17. August 1978 1843

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Die Information:

Bericht und Meinung Computer in der Medizin

Patienten verbunden. Diese Risi- ken bestehen teils in Angaben bzw. Daten, die dem Patienten be- kannt sind, teils aber auch in sol- chen, die dem Patienten nicht be- kannt sind, weil sie ärztliche Rück- schlüsse z. B. aus Angaben des Patienten oder aus Angaben im Zusammenhang mit Befunden oder der Reaktion auf eine Thera- pie darstellen.

Je nachdem, ob es sich um dem Patienten bekannte Daten oder ihm unbekannte handelt, gilt die Absicherung gegen ein Risiko un- ter Umständen also auch gegen- über demjenigen, bei dem die Da- ten ihren Ursprung haben.

Auch für solche Daten sollte eine ausreichende ärztliche Überwa- chung in dem Umfange sicherge- stellt sein, in dem sie im wohler- wogenen Interesse des Patienten notwendig ist.

Nachfolgend werden eine Reihe von Risiken in den verschiedenen Phasen der elektronischen Daten- verarbeitung und in den verschie- denen medizinischen Anwen- dungsbereichen stichwortartig dargestellt:

1. Dateneingabe

Angesichts der Widhtigkeit ge- speicherter Daten für ihre späte- re eventuelle Wiederverwendung muß bei der Dateneingabe auf ihre 100prozentige Gültigkeit, auf ihre Vollständigkeit (bei medizinischen oder klinisch-chemischen Meßda- ten), auf die Gleichheit der Be- zugsbasis und bei medizinischen Diagnosen auf die Gleichwertig- keit der semantischen Begriffsin- halte besonderes Gewicht gelegt werden.

Hier entstehende Fehler sind spä- ter nur unter Schwierigkeiten und erheblichem finanziellen Aufwand zu berichtigen und können sich bis zu ihrer Entdeckung für die Patienten negativ auswirken.

2. Aktualisierung der Daten und Beurteilung ihrer Relevanz Eine Reihe gespeicherter Daten, ja in manchen Fällen fast alle, wer- den durch die laufende Entwick- lung in ihrer Aktualität überholt.

Man spricht von der Halbwertzeit medizinischer Daten über einen Patienten. Ein besonderes Pro- blem stellt in diesem Zusammen- hang die zeitunabhängige Kon- zentration von Daten dar, die nur unter ärztlicher Aufsicht und unter genauer Abwägung der Relevanz der jeweils zur Speicherung vor- gesehenen Einzeldaten vorge- nommen werden sollte.

3. Zusammenführung gespeicherter Daten mit Daten des gleichen medizinischen Bereiches Wie jede Weitergabe und Zusam- menführung von Daten bringt auch die Zusammenführung von unterschiedlichen Angaben aus dem gleichen medizinischen Be- reich für den Patienten ein Risiko mit sich, da der Datenschutz im- mer nur so wirkungsvoll sein kann wie das schwächste an seiner Durchführung beteiligte Glied. Bei einer solchen Zusammenführung muß durch ärztliche Überwachung das Risiko eventueller Verwechs- lungen so weitgehend wie möglich ausgeschlossen werden, da diese unter Umständen schwere ge- sundheitliche Gefahren für den Patienten heraufbeschwören, min- destens aber zu erheblichen Miß- verständnissen führen könnten.

4. Datenabruf in einem medizinischen EDV-System Die Datenspeicherung erfolgt, um befugten Personen eine möglichst umfassende Information über Vor- gänge und vorhandene Ergebnis- se zu ermöglichen. Solche befug- ten Personen müssen also die Möglichkeit haben, gespeicherte Daten in einem EDV-System abzu- rufen. Das Risiko, daß unbefugte Personen Zugriff zu der gespei-

cherten Datenmenge haben, muß im Interesse des Patienten durch ärztliche Entscheidungsbefugnis ausgeschlossen werden. Es muß sichergestellt sein, daß grundsätz- lich nur die partiell notwendige In- formation abgerufen werden kann (Zweckbezogenheit der Übertra- gung). Ferner muß gesichert sein, daß medizinische Interpretations- fehler auf seiten des Empfängers vermieden werden.

5. Zusammenführung medizinischer

Daten mit solchen anderer Bereiche (integrierte Systeme) Beim Aufbau sogenannter inte- grierter Datensysteme, die den medizinischen Bereich im weite- ren Sinne umfassen, sollen Daten z. B. aus der ambulanten ärztli- chen Versorgung, über die Arznei- verordnungen, die Krankenhaus- behandlung, die ärztliche Beurtei- lung der Arbeitsunfähigkeit, die Eignung zur Rehabilitation usw.

mit Daten verknüpft werden, die aus dem Bereiche der sozialen Si- cherung, aus dem sozialen Be- reich der einzelnen Person (Ar- beitsverhältnisse, Familienleben, Wohnungsverhältnisse usw.) stammen. Bereits aus 'dieser Auf- zählung wird deutlich, welch tiefe Eingriffe in die Intimsphäre der einzelnen Person möglich sein würden, wenn nicht durch eine ausreichende ärztliche Überwa- chung eine Sicherung solcher Da- ten gegen Mißbrauch erfolgt.

Dies bedeutet nicht, daß derartige Daten von einer wissenschaftli- chen Verwertung ausgeschlossen wären; es muß aber dafür Sorge getragen werden, daß sie nur de- personalisiert und unter ärztli- chem Einfluß aus einem integrier- ten Datensystem abgerufen wer- den können. Der Aufbau solcher integrierter Systeme wird in jüng- ster Zeit in manchen Ländern für die Bereiche der sozialen Siche- rung propagiert: Die Datenbanken sollen alle Angaben aus dem Ge- sundheitswesen, der Krankenver- sicherung, der Unfallversicherung,

1844 Heft 33 vom 17. August 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung

der Alters- und Invalidenversiche- rung und sonstiger Sozialhilfeein- richtungen in einem einheitlichen System zusammenfassen. Dies ist dann mit der Erfassung aller Ein- zeldaten möglich, wenn man für alle Personen in den genannten Bereichen eine einheitliche Kodie- rung (Numerierung) verwendet und unter dieser alle von einer Person einlaufenden Daten erfaßt, um sie anschließend in Datenban- ken zusammenzuführen. Als Vor- teil wird von einem solchen Daten- system erwartet, daß sein Einsatz sowohl medizinischen als auch sonstigen Doppelaufwand vermei- den helfen werde, da die Leistun- gen der verschiedenen Bereiche für die jeweilige Person dann transparent seien, und daß über- dies ein solches Datenbanksystem in der Lage sei, den Regierungen und den Parlamenten die notwen- digen Entscheidungshilfen für die Fortentwicklung auf allen Gebie- ten an die Hand zu geben. Im übri- gen könnten mit Hilfe solcher Da- tenbanksysteme auf vielen Gebie- ten sozialmedizinische, soziologi- sche und epidemiologische Er- kenntnisse gesammelt werden, über die man bisher nicht verfüge.

Die Risiken, die ein solches Daten- banksystem, wenn es nicht unter ausreichender ärztlicher Kontrolle steht, für den Patienten beinhaltet, liegen auf der Hand; das Individu- um wird praktisch zum „gläsernen Menschen". Eine mißbräuchliche Nutzung solcher Daten müßte na- hezu zwangsläufig zu schwerwie- genden individuellen, aber auch kollektiven Folgen führen.

6. Datenabruf

aus integrierten Systemen Angesichts der Bedeutung, die die integrierte Speicherung von Daten aus den verschiedensten Lebens- bereichen einer Person hat, muß der Abruf aller medizinischen Da- ten aus ihnen an eine der ärztli- chen Schweigepflicht in vollem Umfange Rechnung tragende Or- ganisation unter ärztlicher Über- wachung gebunden sein. Durch

Einbau entsprechender Schlüssel muß verhindert werden, daß ge- speicherte Daten mißbräuchlich in die Hand Dritter kommen können, da sie dort zu einem später nicht wiedergutzumachenden Schaden für den Patienten führen können (z. B. soziale Verurteilung).

Wo überhaupt Verbindungen zwi- schen den Daten der gespeicher- ten Bereiche wegen eines Über- lappens der Aufgaben möglich sein sollen, muß im Interesse des Patienten eine besonders scharfe Festlegung des Datenschutzes er- folgen, durch die die Intimsphäre des einzelnen in vollem Umfange gewährleistet bleibt. Welche Be- deutung hierbei der Schweige- pflicht des Arztes im weiteren Sin- ne des Wortes zukommt, ist selbst- verständlich.

7. Zusammenschluß von Datenbanken

unterschiedlicher Bereiche Technisch ist der Zusammen- schluß von Datensystemen aus dem gesundheitlichen und sozialen

Restriktiv

Was ein Datenverbund an- richten kann, schilderte der

CDU-Bundestagsabgeord- nete Schwarz im Presse- dienst seiner Partei: Ein Mann, der eine kleine Straf- gebühr unpünktlich bezahlt hatte, kam in die Schuldner- liste des Gerichts — zusam- men mit großen Kreditbetrü- gern, was die Liste jedoch nicht differenziert. Diese Da- ten gehen auch ans Kredit- gewerbe — und der unpünkt- liche Mann hatte fortan größte Schwierigkeiten, überhaupt ein Konto eröff- nen zu können. Die Moral von der Geschichte: Ein Da- tenschutzgesetz schützt nur dann, wenn es die Datenwei- tergabe so restriktiv wie nur möglich handhabt. bt

Sektor mit bestehenden Datensy- stemen anderer öffentlicher und privater Sektoren möglich:

Steuer, Bankregister, Strafregi- ster, Personenstandsregister, Da- tenbanken von Betrieben, Kredit- register u. a. m. Die aus einer et- waigen Zusammenführung sol- cher Daten resultierenden Risiken sind unübersehbar; sie können die Existenz des Einzelmenschen auf das ernsteste bedrohen und soll- ten durch die nationale Gesetzge- bung von vornherein ausgeschlos- sen werden, da mit der genügen- den Sicherheit kaum Vorkehrun- gen für einen ausreichenden Da- tenschutz im einzelnen zu treffen sind.

In allen beispielhaft aufgeführten Phasen bzw. Stufen der elektroni- schen Datenverarbeitung in der Medizin und der Zusammenfüh- rung gespeicherter Daten sollte ei- ne ausreichende ärztliche Über- wachung bei jeder Verfügung über medizinische Daten eine Selbst- verständlichkeit werden. Jede Da- tenschutzgesetzgebung sollte auf die besonderen Notwendigkeiten des Schutzes medizinischer Daten besonderes Gewicht legen.

Sieht die Datenschutzgesetzge- bung für medizinische Daten keine ausreichende ärztliche Überwa- chung und keine ausreichende Berücksichtigung der ärztlichen Schweigepflicht unter den beson- deren Aspekten der modernen An- wendungstechniken der EDV vor, besteht die Gefahr, daß der Patient in dem Bestreben, die Zahl der über ihn vorhandenen Daten mög- lichst klein zu halten, Informatio- nen, die für die Erhaltung seiner Gesundheit beziehungsweise die Besserung oder Linderung seiner Krankheit von Bedeutung sein könnten, verhindert und damit Mißtrauen zwischen Patient und Arzt gesät wird.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Rolf Schlögell,

Sekretär des Soziomedizinischen Ausschusses des Weltärztebundes Haedenkampstraße 3

5000 Köln 41

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 33 vom 17. August 1978 1845

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