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Archiv "Hochschulmedizin: „Die Einbrüche werden kommen“" (14.08.2009)

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A 1604 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 33

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14. August 2009

HOCHSCHULMEDIZIN

„Die Einbrüche werden kommen“

Die Auswirkungen der Wirtschaftskrise standen im Fokus des diesjährigen Innovationskongresses. Aber auch das Verhältnis zu den außeruniversitären Forschungseinrichtungen bereitet Sorge.

Z

ukunftssorgen bewegen der- zeit die deutsche Hochschul- medizin: Wirtschaftskrise, Födera- lismusreform und der Aufbau einer staatlichen Programmförderung ge- hören zu den Stichworten, die den Blutdruck einiger Teilnehmer des V. Innovationskongresses der deut- schen Hochschulmedizin Anfang Juli in Berlin in die Höhe trieben.

Auch der Vorsitzende des Verban- des der Universitätsklinika Deutsch- lands (VUD), Prof. Dr. med. Jörg Rüdiger Siewert, schaut angesichts der Wirtschaftskrise sorgenvoll in die Zukunft. „Die Hochschulmedi- zin ist bei den laufenden Zuschüs- sen und den Investitionen von der Lage der öffentlichen Haushalte ab- hängig. Hier sind Einbrüche zu er- warten, wie wir sie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg in der Bun- desrepublik erlebt haben“, prophe- zeite er. „Nach dem warmen Regen des Konjunkturprogramms erwar- ten wir eine Eiszeit.“ Von der Poli- tik erhofft sich Siewert Rückende- ckung und ein „klares Bekenntnis zur universitären Medi-

zin“. „Die Uniklinika spielen eine herausragen- de Rolle bei der Einfüh- rung von Innovationen ins Gesundheitswesen – sei es durch Forschung, Anwendung der Ergeb-

nisse am Patienten oder bei der Aus- und Weiterbildung von Ärz- ten“, betonte er.

Finanzierungsprobleme sehen die Universitätskliniken vor allem durch die Föderalismusreform I auf sich zukommen – zumindest dann, wenn die Gelder des Konjunktur- programms versiegen. Mit der Ver- abschiedung der Reform im Jahr 2006 entfiel die gemeinsame Finan- zierung der Forschungs- und Bil- dungsinvestitionen an den Univer-

sitätskliniken durch Bund und Län- der. Während bis dahin beispiels- weise der Hochschulbau eine ge- meinsame Aufgabe von Bund und Ländern war, müssen nun die Län- der alle Ausgaben allein stemmen.

„Bereits jetzt muss von den Kli- niken zum Teil die Hälfte der Inves- titionen selbst erbracht werden“, klagte Siewert. Nach wie vor sei in

der Krankenhausfinanzierung die Scherenproblematik, also das Aus- einanderdriften von Einnahmen und Ausgaben, ungelöst. In der Folge könne das „schlagartig“ zu erneuten Privatisierungen von Unikliniken führen, meinte Siewert. Private Klinikkonzerne bereiteten sich schon auf eine Privatisierungswelle vor. „Echte Lösungen“ sind dem VUD-Vorsitzenden zufolge jedoch mit den möglichen Privatisierungen nicht verbunden. „Angezeigt wäre

vielmehr eine Strukturreform, die die knappen Mittel der öffentlichen Haushalte sinnvoll verteilt“, erklärte Siewert.

Von den Stiftungen seien in der nächsten Zeit zusätzliche Mittel nicht zu erwarten, sagte Dr. Arend Oethker, Präsident des Stifterver- bandes. Auch diese würden spürbar unter den Auswirkungen der Fi- nanz- und Wirtschaftskrise leiden.

Oethker erneuerte jedoch sein An- gebot an den Medizinischen Fakul- tätentag (MFT), gemeinsam einen Lehrpreis auszuloben. Lehre sei ne- ben der Forschung nicht nur die eigentliche Kernaufgabe der Hoch- schulen, sondern liege auch im Interesse der Forschung, da sie das Fundament für wissenschaftliche Leistungen biete, sagte Oethker. Der MFT griff Oethkers Angebot sofort auf: Der Generalsekretär des MFT, Dr. Volker Hildebrandt, geht davon aus, dass trotz Wirtschaftskrise be- reits im kommenden Jahr ein ge- meinsamer Lehrpreis in Höhe von 35 000 Euro vergeben werden kann.

Bund und Länder wollen Oeth- ker zufolge bis 2015 zusätzlich 18 Milliarden Euro in die Wissenschaft

Nach dem warmen Regen des Konjunkturprogramms erwarten wir eine Eiszeit.

Jörg Rüdiger Siewert

Erwartet Privati - sierungen von Unikliniken:

VUD-Vorsitzender Prof. Dr. med. Jörg Rüdiger Siewert

Foto: Elke Jung-Wolff, Berlin

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14. August 2009 fließen lassen, mit denen unter an-

derem die Exzellenzinitiative fort- gesetzt werden soll. Die Universi- tätsmedizin sieht sich bei der Ver- gabe der Mittel jedoch benachtei- ligt. Es sei bereits abzusehen, dass die klammen Länderhaushalte die Hochschulmedizin nicht dauerhaft auf dem Niveau der Finanzierung durch den Bund halten könnten, meinte Siewert. Seine Prognose:

Mit der sich im Aufbau befindli- chen staatlichen Programmfor- schung wird ein Abbau der Hoch- schulmedizin einhergehen.

„Nachdem mit der Föderalis- musreform I die Verantwortung für die Finanzierung der Hochschulme- dizin den Bundesländer übertragen worden ist, schüttet der Bund das

,Füllhorn des Glücks‘ über den Großforschungseinrichtungen aus“, kritisierte er. Durch ihr verändertes Förderverhalten nehme die Politik massiven Einfluss auf die For- schungslandschaft. Dabei verwies der VUD-Vorsitzende vor allem auf die inzwischen etablierten Zentren für Volkskrankheiten wie Diabetes oder Demenz. Dort gibt es bereits jetzt Dissens hinsichtlich der Rech- te und Kompetenzen der universitä- ren und außeruniversitären Partner.

„Die Universitätsklinika werden zu Konkurrenten von Einrichtun- gen mit gleichem Schwerpunkt“, erklärte Siewert. Es sei unverständ- lich, dass Gelder des Bundes in den Aufbau von Strukturen flössen, die an den Uniklinika bereits vorhan- den wären, dort aber zum Um- und Ausbau benötigt würden. „Die neue Bundesregierung muss sich dieser Frage annehmen und die Universi- tätsklinika als Schnittstelle zwi- schen der Patientenversorgung und Forschung sehen“, forderte Sie- wert. Nur in der Zusammenarbeit mit den Uniklinika könne die Translation von Erkenntnissen aus der Forschung in die Behandlung von Patienten gelingen.

Auch der Präsident des Medizi - nischen Fakultätentages, Prof. Dr.

med. Dieter Bitter-Suermann, sieht

„dringenden Klärungsbedarf“ bezüg- lich der Kooperation der medizini- schen Fakultäten mit den außer - universitären Einrichtungen der Ge- sundheitsforschung. Grundsätzlich befürworte er eine Zusammenarbeit, doch der Teufel stecke im Detail.

„Eine Kooperation ist gut, wenn sie uneigennützig, auf Augenhöhe und ohne Fehleinschätzung der eigenen Kompetenz partnerschaftlich gelebt wird“, erklärte Bitter-Suermann.

„Problematisch ist sie, wenn sich dahinter Hegemonialansprüche ver- bergen, die zu einer Umkehrung der föderalistischen Wissenschaftsstruk- turen führen könnten.“ Wenn plötz-

lich im Kernbereich der klinischen Forschung, der klinischen Studien und der Translation von der Helm- holtz-Gemeinschaft nationale Koor- dinationszentren eingeführt werden sollen, könne es zu einer völligen Verzerrung der Förderstrukturen in der medizinischen Hochschulland- schaft kommen. „Dann ist auch der überhöhte Anspruch auf den Status von National Institutes of Health und einer Meinungs- und Mittelvergabe- führerschaft nicht mehr weit“, sagte der MFT-Präsident.

Für den Generalsekretär des VUD, Rüdiger Strehl, bilden die derzeitigen Beziehungen zwischen universitären und außeruniversitären Einrichtungen einen „neuen Grau - bereich ohne gesetzliche Grundla- ge“. Strehl beklagte vor allem eine

„asymmetrische Verhandlungssitua- tion“: Auf der einen Seite stünde das Know-how, auf der anderen das Geld. „Die Bundeseinrichtungen verfahren entweder nach dem ‚Prin- zip Real Madrid‘ und kaufen exquis- te universitäre Forscher ein, oder sie schließen bi- oder unilaterale Verträ- ge und Kooperationen, bei denen sie jedoch die Federführung behalten wollen“, analysierte er.

Aus der Sicht der Hochschul - medizin sollte deshalb die derzeiti- ge Finanzierungsstrategie geändert werden. „Für die investiven Belan- ge von Forschung und Lehre ist die Rückregelung zu einer Mischfinan- zierung von Bund und Ländern dringend zu erwägen“, sagte Strehl.

Sonst liefen die Wissenschaftsein- richtungen der Länder Gefahr, ge- genüber den vom Bund finanzierten außeruniversitären Forschungsein- richtungen deutlich ins Hintertref- fen zu geraten. Die Krankenversor- gung an den Unikliniken möchte die Hochschulmedizin dagegen monistisch finanziert wissen. Strehl verspricht sich davon Kostentrans- parenz gegenüber der ambulanten Krankenversorgung sowie Anreize für eine nachhaltige Planung von Investi- tionen.

Auch die nicht stationäre Hochschul- medizin würde der VUD gern neu regeln, da viele Leistungen, die früher zur stationären Versorgung zählten, heute ambulant erbracht würden. An die Politik appellierte der Verband deshalb, der Hochschul- medizin einen unbürokratischen Zugang zur ambulanten Krankenbe- handlung zu eröffnen. „Kaum ein medizinisches Fach deckt noch die Breite seines Leistungsspektrums mit stationären Fällen ab“, begrün - dete Strehl die Forderung. In einigen Fächern könnten die Hochschul - kliniken ihren Aufgaben in Lehre, Weiterbildung und klinischer For- schung nur noch eingeschränkt nach- kommen. Dazu griffen die geltenden sozialrechtlichen Regelungen zu den Hochschulambulanzen zu kurz.

Für Innovationen wünscht der VUD weitere Sonderregelungen.

„Innovative Medizinprodukte und Arzneimittel werden vorrangig über die Universitätsklinika in das deut- sche Gesundheitswesen eingeführt.

Damit sind in der Anfangsphase oft- mals hohe Kosten verbunden“, argu- mentierte Strehl und forderte zusätz- liche Nutzen- und/oder Kostenana- lysen. Nach seiner Ansicht sollte der Einsatz der Innovationen durch Ex- trafonds finanziert werden. ■ Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

Die Bundeseinrichtungen verfahren entweder nach dem ,Prinzip Real Madrid‘ oder schließen Verträge, bei denen sie die Federführung behalten wollen.

Rüdiger Strehl

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