EIN DFG-UNTERNEHMEN
Von Ebnst Hammebschmidt, Hambubg
Das Unternehmen, das hier im Abriß vorzustellen ist, gehört in den
Bereich der sechsten These der soeben erschienenen Denkschrift über die
Lage der Orientalistik, d. h. in den Bereich der ,, Sicherung gefährdeten
Materials - jeder Art - zur Kultur der Völker Asiens und Afrikas (das oft
gerade durch ihre heutigen sozio-ökonomischen Wandlungen gefährdet
ist)"'. Außerdem steht es im Verband des Unternehmens der ,, Katalogisie¬
rung der orientalischen Handschriften in Deutschland", wo auch die Ergeb¬
nisse des äthiopischen Projektes zum Druck gelangen werden. Da der erste
Band in Kürze erscheinen wird, erscheint es angebracht, hier eine kurze
Einführung in den Gesamtkomplex zu bieten.
I. Ira nördlichen Teil Äthiopiens, dort wo die beiden Provinzen Goggäm
und Bagemder aneinanderstoßen, liegt der 3156,25 km* große Tänäsee in
einer Höhe von 1820 m ü.d.M. Er ist in mehr als einer Hinsicht von
Bedeutung: geographisch-geologisch als Ursprung des Blauen Nils (Abbäy)
und ein Gebiet mannigfacher tektonischer Spannungen (des Pliozäns), zoolo¬
gisch als (noch) weithin unberührtes Vogelparadies*, politisch-strategisch als
für das ganze Niltal lebenswichtiges Wasserreservoir und historisch-geistes¬
geschichtlich als ein Zentrum kulturellen und kirchlichen Lebens, so daß man
- unter Berücksichtigung der verschiedenen Faktoren - schon von einer
eigenen ,, Tänäsee-Kultur" gesprochen hat*. Ein wesentlicher Aspekt des
kulturellen Lebens war die Pflege und Bewahrung der äthiopischen Litera¬
tur : In den Kirchen und Klöstern auf den Inseln des Sees sammelten sich
Kirchenschätze aller Art, vor allem aber äthiopische Handschriften an, die
bisher von der Wissenschaft in keiner Weise erfaßt worden waren.
II 1. Diese Sachlage ließ mir schon vor Jahren ein näheres Studium dieser
Handschriften notwendig und reizvoll erscheinen. Eine erste Erkundungs¬
fahrt an den See im Frühjahr 1963 zeigte zudem, daß eine mikrofilmische
Aufnahme dieser Handschriften dringend geboten wäre: Fortschreitender
' Deutsche Orientalistik der siebziger Jahre: Thesen-Zustandsanalyse-Per-
spektiven (Deutsche Morgenländische Gesellschaft 1972) 4.
2 Vgl. dazu besonders die Arbeiten von Ernst Schüz in: Stuttgarter Beiträge
zur Naturkunde aus dem Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart Nr.
171 (1. März 1967) und Nr. 189 (1. Oktober 1968).
3 O. A. Jäger, Äthiopische Miniaturen (Berlin 1957) 8.
Äthiopische Handschriften vom Tänäsee 77
Verfall (allerdings gebremst durch die günstigen klimatischen Bedingungen),
unsachgemäße und sorglose Äufbewahrung, der Einbruch des Tourismus
auch hier und die vielfältige Unruhe durch den Ausbau und die Industriali¬
sierung des (zeitweise als zweite Hauptstadt geplanten) Ortes Bäher Där am
Südufer bedrohen in verschiedener Weise den Bestand dieser wertvollen
Zeugen äthiopischer Literatur.
II 2. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft stand einem Vorhaben in
dieser Richtung von Anfang an aufgeschlossen gegenüber. Nachdem ich den
Plan einer Handschriftenaufnahme Kaiser Häyla Seiläse I. persönlich vorge¬
tragen und seine grundsätzliche Zustimmung erhalten hatte, konnte im Juli
1965 mit der Universität in Addis Ababä ein Abkommen geschlossen werden,
dessen wesentlicher Punkt besagte, daß die Universität einen vollständigen
Satz der Filme erhalten sollte. Andrerseits stellte sich der Patriarch der
äthiopischen Kirche, Abuna Tewoflos (damals noch als Erzbischof von
Härarge ständiger Vertreter des schwer erkrankten Patriarchen Bäselyos),
mit seiner ganzen Autorität hinter das geplante Unternehmen.
III 1. Nachdem die Deutsche Forschungsgemeinschaft die notwendigen
Mittel bereitgestellt hatte, flog ich am 24. September mit zwei Mitarbeitern
von der Universität des Saarlandes, Herrn cand. phil. Jürgen Jacobi (Insti¬
tut für Orientalistik) und Herrn Helmut Stein (Photostelle der Universitäts¬
bibhothek), nach Addis Ababä, um hier die letzten unmittelbaren Vorberei¬
tungen zu treffen. Nachdem das Kaleidoskop der üblichen Schwierigkeiten,
Probleme und Pseudoprobleme zurechtgerüttelt worden war, konnten wir
am 29. Oktober endlich mit unserer eigentiichen Arbeit beginnen. Als erstes
wurden die 58 Handschriften der Insel Kebrän aufgenommen, auf deren
Gipfel die in der Regierungszeit des Kaisers 'Ämda Seyen I. (1314-44)
begründete und später mehrmals wiederhergestellte Gabrielskirche liegt.
Kebrän wurde bisher gerne als der wichtigste Aufbewahrungsort von Hand¬
schriften angesehen, doch stimmt dies nur zum Teil. Sicher hat zu dieser
Überschätzung von Kebrän der einfache Umstand beigetragen, daß diese
Insel nahe beim Festland liegt und daher von den verschiedenen Reisenden
am ehesten besucht wurde.
III 2. Schon während der Arbeit auf Kebrän stellte es sich als unmöglich
heraus, im Laufe einer Expedition die Handschriften aller Inseln auf Mikro¬
filme aufzunehmen. Zu den Schwierigkeiten mit der Photoausrüstung, bei
der sich unter anderem das Blitzlicht als unbrauchbar erwies (so daß alle
Aufnahmen im Sonnenlicht gemacht werden mußten), traten solche mit dem
See : Nach dem Ende der großen Regenzeit (Ende September) fiel das Wasser
rasch und ständig, so daß die Gefahr eines Aufiaufens auf Steine (und damit
eines Bruchs der Motorschraube) immer größer wurde. Ein Bruch der
Schraube hätte uns aber so gut wie bewegungsunfähig gemacht, da ein
Ersatz kaum zu beschaffen war. Angesichts der unvermeidbaren Beschrän-
kung galt es, eine Auswahl für unsere Arbeit zu treffen: Außer Kebrän fiel
die Entscheidung für die Inseln Dabra Märyäm, Remä und Dägä Estifänos.
Kloster und Kirche der berühmten Insel Tänä Qirqos (oder : Öcrqos) fanden
wir - da die Mönche von Banditen bedrängt worden waren - vollkommen
verlassen vor, so daß keine Aufnahmen möglich waren.
III 3. Auf Dabra Märyäm konnten 31*, auf Remä* 22 Handschriften
photographiert werden. Die Überraschung lieferte das wohlhabende Esti-
fänoskloster der Insel Dägä, zugleich die Begräbnisstätte namhafter äthiopi¬
scher Herrscher, darunter Kaisers Zar'a Yä'qob (1434-68): Unter seinen 67
Handschriften fand sich ein herrliches Korpus solcher Textzeugen, naeh
denen die Äthiopistik immer wieder Ausschau hält, d. h. aus der Zeit vor
den Verwüstungszügen des muslimischen Emirs Gräh (16. Jh.). Schlie߬
lich konnten wir in Qwarätä Walatta Petros (einem Ort im Süden des Ost-
ufers) noch eine reich illustrierte Handschrift mit dem Leben der hl. Wa¬
latta Petros und in Gondar (der Provinzhauptstadt von Bagemder) drei
Handschritten aufnehmen, wovon eine mit dem Text des Häymänota abaw
(= Glaube der Väter) 318 Illuminationen (entsprechend den 318 Vätern des
Konzils von Nikaia I) enthält.
III 4. Bei einem Bericht mehr allgemeiner Art wie diesem ist es sinnvoll,
auch einige Worte über die Schwierigkeiten zu sagen, die bei einem derarti¬
gen Unternehmen auftreten: Diese waren grundsätzlich viel mehr techni¬
scher als menschlicher Natur. Gewiß, es wurde auf jeder Insel zunächst
einmal eine Ouvertüre von Bedenken und Hindernissen gespielt, doch endete
dieses Stück in allen Fällen mit einem harmonischen Schlußakkord. Gedul¬
dige Eingangsverhandlungen, die notwendigen Begleitschreiben von kirch¬
licher und staatlicher Seite sowie entsprechende Geschenke schufen eine
Atmosphäre des Vertrauens und der gegenseitigen Sympathie, die die Arbeit
leicht machte. Anders nun auf der technischen Seite ! Die phototechnische
Aurüstung des Unternehmens (mit drei Kameras Robot Royal) war den
Anforderungen nur bedingt gewachsen. Allerdings war durch das Fehlen
einer örtlichen Stromquelle auf den Tänäseeinseln bei der Anschaffung der
Geräte nur eine begrenzte Auswahl möglich. Da sich im einzelnen nicht
vorhersehen ließ, wie die KontaktmögUchkeiten mit dem Festland sein
würden, kam auch ein aufladbarer Battcriestab für das Blitzhcht nicht in
Betracht, und die 1000 mitgebrachten Einzelbatterien erwiesen sich leider
* Die Handschrift Tänäsee 89 = Dabra Märyäm 31 befand sich zur Zeit
unseres Aufenthalts nicht auf der Insel ; erst später konnte ich von ihr wenigstens
die wichtigsten Daten notieren. Um das Signatursystem aber so vollständig wie
möglich zu halten, wurde ihre Nummer hier eingefügt.
^ Die Gemeinde von Remä hatte die Insel verlassen und war auf das gegen¬
überliegende Festland gezogen; nur zum Gottesdienst sucht sie die Kirche auf
der Insel auf.
Äthiopische Handschriften vom Tänäsee 79
als unbrauchbar (da für das Blitzlicht zu langsam!). All diese Dinge werden
eben zu einem Problem, sobald man sich ,,auf das Wasser" begibt: Mikro-
filmaufnahmen in Bibliotheken Europas und Amerikas sind eine verhältnis¬
mäßig einfache Sache, und auch in Äthiopien ist eine solche Aufgabe noch
leichter zu bewältigen, solange man sich auf festem Boden befindet. Muß
man aber erst einmal alles in ein Motorboot verladen (auf die ,, Todfeind¬
schaft" zwischen Feuchtigkeit und Filmmaterial brauche ich hier nicht näher
einzugehen), - hat man keine örtliche Stromquelle zur Verfügung, - gibt es
keine Dunkelkammer zum Auswechseln der Filmrollen, - dann türmen sich
die Schwierigkeiten. Im Rückblick muß man aber dankbar sagen, daß alles
noch recht gut ging. Kleinere UnvoUkommenheiten im Filmmaterial müssen
bei einem derartigen Unternehmen eben in Kauf genommen werden.
IV 1. Mit dem Rücktransport des Expeditionsergebnisses (182 Hand¬
schriften auf 1153 belichteten Filmmetern) Ende Jänner 1969 begann eine
Periode der reichlich mühsamen technischen Aufbereitung des Filmmate¬
rials. Zunächst mußten die Filme entwickelt werden, wobei die verschiede¬
nen Belichtungszeiten (je nach dem Stand der Sonne) bei vielen Rollen
spätere korrigierende Nachentwicklungen notwendig machten. Außerdem
waren die Filme in der vorliegenden Form für die wissenschafthche Auswer¬
timg ungeeignet. Sie wurden nun nach dem Grundsatz : eine Handschrift =
eine Filmrolle = eine Dose - geordnet. Der ungleiche Umfang der Rollen
tritt dabei nach außen hin gar nicht in Erscheinung, da alle Rollen in gleich
großen Metalldosen aufbewahrt werden.
IV 2. Nachdem diese Phase der Bearbeitung abgeschlossen war, konnte die
Verpflichtung gegenüber der äthiopischen Seite erfüllt werden, die sich aus
dem eingangs erwähnten Abkommen ergab. Am 15. Oktober 1971 konnte ich
dem Institute of Ethiopian Studies der Haile Sellassie I University in Addis
Ababä einen kompletten Satz der auf Mikrofilme aufgenommenen Hand¬
schriften vom Tänäsee übergeben. Vor kurzem hat die Deutsche Forschungs¬
gemeinschaft auch die Mittel dafür bewlligt, daß das äthiopische Patriar¬
chat ebenfalls eine Kopie der Filme erhält: Patriarch Tewoflos hatte den
dringenden Wunsch geäußert, daß die äthiopische Kirche nicht leer ausgehen
solle. In der Tat ist dies ein vollkommen berechtigter Wunsch, denn die
Handschriften sind Kircheneigentum, und der vorbehaltlosen Untertützung
durch das äthiopische Patriarchat ist es zu verdanken, daß uns die Hand¬
schriften für die Aufnahme zur Verfügung gestellt wurden.
V 1. Das Vorhandensein des Filmmaterials bedeutet eine Sicherstellung
äthiopischer Textzeugen im Sinne der oben erwähnten sechsten These der
Denkschrift*. Ihre Rechtfertigung muß und kann diese Sicherstellung aber
erst durch die Auswertung erfahren. Unter dem Eindruck der Tatsache, daß
• Vgl. o. Anm. 1.
heute in den verschiedenen Bereichen gar zu gerne gesammelt wird, während
für die Auswertung immer weniger Zeit und Energie bleiben (sofern eine
Auswertung überhaupt angestrebt wird), hatte ich mich schon nach den
Aufnahmen am Tänäsee entschlossen, hier eine Zäsur zu machen und die
anderen Inseln nicht eher aufzusuchen, als bis die vorliegenden Handschrif¬
ten durch eine ausführliche Beschreibung der wissenschaftlichen Öffentlich¬
keit erschlossen sind. Solange diese Beschreibung nicht vorliegt, müssen die
Mikrofilme als ,, totes" Material gelten, das möglichst bald zum Leben er¬
weckt werden muß. Konkret bedeutet dies, daß ich für das ,, Verzeichnis der
orientalischen Handschriften in Deutschland"' einen dreibändigen Katalog
vorbereite: Der erste Band enthält einen Reisebericht mit einer Beschrei¬
bung der in Frage kommenden Tänäseekirchen und die Handschritten der
Insel Kebrän«. Der zweite Band wird den Handschritten von Dabra Märyäm
und Remä, der dritte denen von Dägä Estifänos, Qwarätä Walatta Petros
und Gondar gewidmet sein.
V 2. Inhaltlich bedeuten die Handschriftenfilme vom Tänäsee eine nicht
leicht zu unterschätzende Bereicherung der Zeugen äthiopischer Literatur.
Freihch muß man sich dabei von der Vorstellung freimachen, es wäre in
erster Linie etwas ,, Neues", d. h. Literaturwerke, die bisher völlig unbe¬
kannt waren, zu erwarten. Dies trifft nur auf wenige Texte, wie z. B. die
Viten der Klostergründer vom Tänäsee, zu*. Die meisten Handschriftentexte
sind uns aber - wenigstens dem Titel nach - bekannt. ,, Bekannt" heißt in
diesem Zusammenhang jedoch, daß sie seit den Katalogen von August
Dillmann", Henri Zotenberg" und Wilham Wright" zitiert und angeführt
' Die Aufnahme in das ,, Verzeichnis der orientalischen Handschriften in
Deutschland" ist aus zwei Gründen gerechtfertigt: Einmal, weil die Handschrif¬
ten in der Form von Mikrofilmen nun auch in Deutschland verfügbar sind. Zum
andern hat die schon mehr als ein Jahrzehnt währende Arbeit eines internationa¬
len Kreises von Gelehrten an der , .Katalogisierung der orientalischen Hand¬
schriften in Deutschland" mit unausweiohbarer Konsequenz deutlich gemacht,
daß die Bestände eines Landes (auch wonn sio noch so reichhaltig sind) nicht
isoliert gesehen werden können, sondern in vielfacher Hinsicht ein Übergreifen auf die Bestände ihres sprachlichen und kulturellen Ursprungsberoiohes notwen¬
dig machen.
8 Äthiopische Handschriften vom Tänäsee 1 = Wolfgang Voigt (Hrsg.),
Verzeichnis der orientalischen Handschrifton in Deutschland XX 1.
" Die Vita des Gründers von Dabra Märyäm, Abuna Tädewos, wird derzeit von
Veronika Six (Hamburg) bearbeitet und demnächst herausgegeben werden.
1» Codices Aethiopici = Catalogus codicum manuscriptorum qui in Museo
Britannico asservantur III (Londini 1847); Codices aethiopici = Catalogus codi¬
cum manuscriptorum bibliothecae Bodleianae Oxoniensis VII (Oxonii 1848);
Verzeichnis der abessinischen Handschriften = Dio Handschriftonverzoichnisso der königlichen Bibliothek zu Berlin 3 (Berlin 1878).
11 Catalogue des manuscrits ethiopiens (gheez et amharique) de la Bibliotheque Nationale (Paris 1877).
Äthiopische Handschriften vom Tänäsee 81
werden, ohne daß eine Edition vorliegt, - im Vergleich zu anderen philologi¬
schen Disziplinen sicherlich eine absurde Situation'*.
V 3. Die Bedeutung guter Handschriften liegt nun darin, daß sie für eine
zukünftige Edition verläßliche Textzeugen abgeben, und diesem Erfordernis
können die Handschriften vom Tänäsee in hohem Äusmaß entsprechen. Im
Bereich der biblischen Textkritik ist das Interesse der neutestamentlichen
Wissenschaft an der äthiopischen Überlieferung des Neuen Testaments zu
verzeichnen, denn auf diesem Sektor ,,ist beinahe noch so gut wie alles zu
tun : es fehlt eine kritische Äusgabe, wann und auf welcher Basis (griechisch,
koptisch, arabisch?) diese Übersetzung entstanden ist, ist völlig unge¬
klärt"'*. Zur Bewältigung dieser Aufgabe werden dem Institut für Neutesta¬
mentliche Textforschung an der Universität Münster laufend die ent¬
sprechenden Handschriften vom Tänäsee zm- Verfügung gestellt. Außer dem
weiten Gebiet der Editionsarbeit im allgemeinen sind die Miniaturen und
Illustrationen der aufgenommenen Handschriften zu erwähnen, die dem
Kunsthistoriker neues Material in die Hand geben. Und schließlich ist noch
etwas zu vermerken, was buchstäblich ,,am Rande" der klassischen Litera¬
turwerke existiert: Da Pergament teuer und kostbar ist, hat man ursprüng¬
lich leere Blätter am Beginn und Ende von Handschriften für Urkunden,
Notizen über Landeigentum, Stiftungen und dergleichen sowie für lokalhi¬
storische Nachrichten benutzt. Eine ganze Reihe der Tänäseehandschriften
enthält solche zusätzlichen Dokumente, deren Bedeutung für die Geschichte
und Kulturgeschichte Äthiopiens erst eine zukünftige Detailforschung voll
würdigen können wird.
V 4. Für die Handschriften vom Tänäsee, deren Inhalt vom Alten Testa¬
ment über die Hauptwerke der theologischen und kirchhchen Literatm bis
zu den Chroniken äthiopischer Herrscher reicht, gilt somit, was Wolfgang
Voigt ganz allgemein über die Registrierimgs- und Katalogisierungsarbeiten
an orientalischen Handschriften sagte: Sie dienen nicht nur unmittelbar
praktischen (d. h. bibliothekarischen) Zwecken, ,, sondern bedeuten darüber
hinaus eine geistes-und kulturgeschichtliche Grundlagenforschung weitesten
Umfanges und ersten Ranges, indem durch die Verzeichnung und Beschrei¬
bung der einzelnen Manuskripte die darin enthaltenen Texte und Bildwerke
- oft von unschätzbarem Wert - der Forschung und Lehre erstmalig in die
Hand gegeben werden können"'*.
'2 Catalogue of the Ethiopic Manuscripts in the British Musoum acquired since the Year 1847 (London 1877).
" Vgl. dazu E. Hammebschmidt, Äthiopistik an deutschen Universitäten
(Wiesbaden 1968) 6.5-67.
'* Bericht der Stiftung zur Förderung der Neutestamentlichen Textforschung für das Jahr 1969 (Münster i. W. 1970) 19.
i'' W. Voigt (Hrsg.), Forschungen und Fortschritte der Katalogisierung der
orientalischen Handschriften in Deutschland. Marburger Kolloquium 1965
(Wiesbaden 1966) VIII.
Or.-Tag 1973
ORIENTAL MANUSCRIPTS
By William F. Macombeb, S. J., Rome
Four years ago at the 17th Deutscher Orientahstentag, I spoke about the
urgent need for a microfilming expedition to the Middle East to preserve for
posterity the precious treasures contained in the manuscripts, especially the
Syriac manuscripts, of the area'. Since that time I have discovered two
projects for microfilming that include at least some of the oriental manu¬
scripts of the Middle East.
Both projects are American, but their scope and achievements thus far are
so different that I it will be necessary to treat each separatelj'. Both,
however, have this feature in common, that they are at present seriously
hampered by a lack of funds. It seems that interest in such scholarly projects
in the United States at this time is truly disappointing. One of my motives
for dehvering this paper is the hope that German and other European
institutions of learning may interest themselves actively in either or both of
the projects and reacue them from the fate to which American apathy is
apparently in danger of condemning them. Both projects seem to me to be
worthy of your interest and support.
The first project that I encountered is sponsored jointly by Vanderbilt
University, Nashville, Tennessee and the Monastic Manuscript Microfilm
Library of St. John's University, Collegeville, Minnesota. The latter institu¬
tion is interested in microfilming manuscripts in monasteries in any part of
the world and has already done a considerable amount of microfilming in
European monasteries. Thus it has both the equipment and the technical
experience necessary for microfilming work of professional quality. Now it
proposes to extend its operation to the Middle East. It has already attempt¬
ed to negotiate for this purpose with leaders of the Coptic Church in Egypt,
but met with so little encouragement that it has abandoned this area for the
moment.
Instead, it has been decided to concentrate on Ethiopia, and an agreement
has been successfully negotiated with the newly elected Patriarch, His
Holiness, Abuna Tcwofelos. An international committee has been formed
under the chairmanship of Dean Walter Harrelson of Vanderbilt University
1 W. F. Macombeb, New Finds of Syriac Manuscripts in the Middle East, in
ZDMG supplementa I: XVII. Deutscher Orientalistentag vom 2L bis 27. Juli in
Würzburg, Wiesbaden 1968, p. 482.