den älteren Versicherten zugute kä- men. Da bewegt sich Herzog im ver- fassungsrechtlichen Minenfeld.
Die Vorschläge der Herzog-Kom- mission werden sich so nicht verwirk- lichen lassen. Das gilt wohl auch für die Kopfpauschalen. Rürup und Her- zog haben jedoch eine notwendige Diskussion angestoßen. Politische Ta- bus werden geschleift. Unverzichtbar ist, die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung vom Arbeitsver- hältnis abzukoppeln. Das wäre jedoch durch den Abbau des hälftigen Ar- beitgeberanteils schneller als über die Kopfpauschale zu erreichen. Herzog will den Sozialausgleich nicht mehr über die Sozialsysteme, sondern über das Steuersystem organisieren. Das verspräche mehr Transparenz, hätte aber seinen Preis: mehr Bürokratie.
Da an der Finanzierung dieser Trans- fers künftig prinzipiell alle Bürger und alle Einkommen beteiligt wären, würde auf diesem Umweg doch eine Art Bürgerversicherung eingeführt.
Dahin führt auch Herzogs Vorschlag, alle Einkunftsarten zur GKV bei- tragspflichtig zu machen, obwohl wei- terhin nur Arbeitnehmer versichert werden sollen. Das widerspricht sich.
Warum sollen Zins- und Mieteinnah- men beim Arbeitnehmer und Rent- ner sozialpflichtig sein, bei den übri- gen Bürgern aber nicht?
Herzog will mehr als 50 Milliarden Euro vom Sozialsystem auf den Staat verlagern, Schulden sollen abgebaut, Steuern gesenkt und vereinfacht wer- den. Eine solche Operation wird kaum gelingen. Schon wird in den politischen Zirkeln über neue „solidarische“ Steu- erzuschläge oder eine einkommensbe- zogene Staffelung der Kopfpauschalen nachgedacht. Das wären die üblichen politischen Lösungen, die viel verspre- chen, aber wenig nützen. Rentner, vor allem jene, die zusätzlich vorgesorgt haben, können, je nach Einkommens- Mix, in den nächsten zwei Jahren und auf Dauer durch die Kumulation der Maßnahmen massiv höher belastet werden. Das wird an den Verfassungs- grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes zu messen sein. Walter Kannengießer
P O L I T I K
A
A2770 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4324. Oktober 2003
Forschung
Radar für
Innovationen
Forschungsinstitut will Neuentwicklungen für die Gesundheitsversorgung sammeln und veröffentlichen.
N
euentwicklungen im Gesund- heitswesen will von nun an ein eigens gegründetes „Zentrum für Innovation in Medizin und Versor- gung“ systematisch erfassen und pu- blizieren. Das kündigte Prof. Dr. Ber- tram Häussler, Geschäftsführer des Instituts für Gesundheits- und So- zialforschung (Iges), an. Mit der Iges- Gründung sollen Informationen über Neuerungen aus der Grundlagenfor- schung, Klinik, Geräteindustrie so- wie aus der Qualitätssicherung und künftig der Prävention aufbereitet und in einem „Jahrbuch der Innova- tionen“ Interessierten zugänglich ge- macht werden.Ein weltweites Informationsnetz
Ähnlich einem Radarsystem habe man bereits Anfang des Jahres begonnen, ein weltweites Informationsnetz zu spannen, das mittlerweile täglich 20 bis 30 Nachrichten über Neuentwicklun- gen empfängt, sagte Häussler bei einem gemeinsam mit dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) und der Deutschen Krankenversicherungs AG (DKV) organisierten „Innovati- onskongress“ seines Instituts in Berlin.
Aufwendigen Prüfverfahren, im Sinne der medizinischen Technologiebewer- tung (HTA), könnten die Meldungen jedoch nicht unterzogen werden, er- klärte der Iges-Chef.
Fündig würden die Experten meist in Fachpublikationen und im Internet.
Firmen könnten ihre Neuentwicklun- gen aber auch selbst in eine eigens hier- für entwickelte Datenbank eintragen.
Damit könne das Zentrum nach Mei-
nung Häusslers dazu beitragen, den Stellenwert von Innovationen auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland zu verbessern. Immer mehr Unterneh- men der Gesundheitswirtschaft wür- den ihre Aktivitäten ins Ausland verle- gen. Deutschland verliere damit den Rang in der Wissenschaftswelt, den es wegen seiner Rolle in der Weltwirt- schaft eigentlich besetzen müsste. Da- bei würden medizinische Innovationen einen der größten Wachstumsmärkte der Zukunft darstellen. Das Gesund- heitssystem sei schon heute der größte Wirtschaftszweig. Jeder neunte Ar- beitsplatz befinde sich dort, betonte Häussler.
Generalverdacht der Geschäftemacherei
Für einen Mentalitätswechsel in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sprach sich Dr. Robert Paquet, Leiter des Berliner Büros des BKK- Bundesverbandes, aus. Wenn vom „me- dizinischen Fortschritt“ die Rede ist, löse das bei den Krankenkassen meist einen kleinen Schrecken aus. Deshalb sollten die Krankenkassen lernen, nicht alle neuen Entwicklungen und Inno- vationen unter den Generalverdacht der unberechtigten Geschäftemacherei zu stellen.
Gleichzeitig müssten aber auch zen- trale Hindernisse für eine bessere För- derung von Innovationen durch die GKV, wie die sektorale Finanzierung und die Budgetierung der abgegrenzten Leistungsbereiche, ausgeräumt werden.
Um hier Bewegung hineinzubringen sollten die Krankenkassen nach Auffas- sung Paquets künftig die Möglichkeit von Modellversuchen und Einzelver- trägen etwa bei der integrierten Versor- gung stärker nutzen.
Auch Dr. Klaus-Jürgen Preuß, Lei- ter der Abteilung Gesundheitsmanage- ment bei der DKV, betonte als Reprä- sentant der privaten Krankenversiche- rung, dass höhere Ausgaben nicht zu den unabweisbaren Folgen von Investi- tionen gehören müssen. Preuß: „In ei- nem wettbewerblich organisierten Ge- sundheitssystem können Innovationen zu Kostensenkung und Nutzensteige- rung beitragen.“ Samir Rabbata