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it den diagnostischen und therapeutischen Fortschrit- ten in der Medizin hat in den letzten Jahren auch die Frage nach dem „richtigen“ Einsatz dieser neuen Möglichkeiten mehr Ge- wicht gewonnen. Hirntod und Trans- plantationsmedizin, Abtreibung und Embryonenschutz, Forschung am Menschen und die Allokation knap- per Ressourcen bezeichnen nur einige der vielen Problemkreise. Aber auch jenseits solcher ethischen Entschei- dungsfragen verweisen viele Situatio- nen der medizinischen Alltagspraxis letztlich auf die ethischen Dimensio- nen ärztlichen Handelns. So unter- streichen beispielsweise die Diskus- sionen über die Selbstbestimmung des Patienten, über Wahrheit und Wahrhaftigkeit am Krankenbett oder auch über den Umgang mit Sterben und Tod die Notwendigkeit, auch die- se ethischen Aspekte der ärztlichen Tätigkeit in Lehre, Forschung und Praxis verstärkt zu berücksichtigen.Mit der Gründung des Zentrums für Ethik und Recht in der Medizin
(ZERM) in Freiburg am 5. März die- ses Jahres haben Forschung und Leh- re, Betreuung des wissenschaftlichen Nachwuchses, interdisziplinärer Aus- tausch, Beratung und Öffentlich- keitsarbeit eine mit interdisziplinärer Kompetenz arbeitende feste institu- tionelle Einrichtung gefunden. Das Innovative in der Struktur dieses me- dizinethischen und medizinrechtli- chen Zentrums im Klinikum der Freiburger Universität liegt in der ge- meinsamen Trägerschaft des Zen- trums durch die mit dem Thema Recht und Ethik in der Medizin be- faßten verschiedenartigen Fachge- biete und Institutionen. Das Zen- trum wird von vier Freiburger Ein- richtungen getragen: der Ethik-Kom- mission der Medizinischen Fakultät, dem Institut für Geschichte der Me-
dizin, dem Institut für Rechtsmedizin der Universität Freiburg und dem Max-Planck-Institut für ausländi- sches und internationales Strafrecht in Freiburg. Dem Zentrum angeglie- dert ist die Ethik-Bibliothek der Lan- desärztekammer Baden-Württem- berg, eine der größten Spezialsamm- lungen medizinethischer Literatur in Deutschland.
Am ZERM werden zur Zeit in verschiedenen Arbeitsgruppen na- tionale und internationale Projekte bearbeitet. Im Rahmen des For- schungsprojektes „Ethik-Kodizes in der Medizin 1947–1997“ (Projektlei- tung: Ulrich Tröhler, Freiburg) wer- den in internationaler Zusammenar- beit Selbstverpflichtungen in den Heilberufen dokumentiert, analysiert und bewertet. Ausgehend von dem Nürnberger Kodex des Jahres 1947 sollen die in der medizinethischen Diskussion wenig erforschten Berei- che von ärztlicher, pflegerischer und forschungsbezogener Ethik unter- sucht werden. Hierbei geht es um die Frage nach den Ursprüngen, den Fol- gen und der Reichweite ethischer Ko- dizes in der Medizin und im Gesund- heitswesen.
Für die Zukunft sind am ZERM Forschungsprojekte geplant, welche die Verflechtung von klinischen und ethischen Problemen untersuchen, beispielsweise bei der Aufklärung und Einwilligung von Eltern zur For- schung an neugeborenen Kindern.
Daneben soll für Ärzte und andere Berufsgruppen im Gesundheitswe- sen sowie für persönlich von medizin- ethischen Fragen Betroffene ein Be- ratungsangebot aufgebaut werden.
Mit diesem breiten Spektrum von Projekten und Dienstleistungen ent- faltet das ZERM ein im deutschspra- chigen Raum wohl bislang einzigarti- ges Profil.
Anschrift des Verfassers:
Dr. med. Christian Hick, M. A.
Ebernburgweg 9–11 50739 Köln
A-2852 (36) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 44, 1. November 1996
T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE
Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin
Forschung zu Ethik-Kodizes
Plötzlich – und ziemlich uner- wartet – ist in den USA die Zahl der Arzneimittel-Vertreter (deutsches Gegenstück: „Pharmareferenten“) wieder angestiegen; bei den 36 führenden Arzneimittelherstellern ist der Personalabbau der Jahre 1992 bis 1994 in diesem Vertriebsbereich bereits mehr als wieder ausgeglichen worden. Die Gründe liegen nur zum Teil in den spezifisch amerikani- schen Verhältnissen, sind also auch für uns interessant. Als Gründe wer- den nämlich angeführt: mehr Zulas- sungen neuer Arzneimittel durch die Food and Drug Administration, weniger Befürchtungen vor Preis- kontrollen und staatlich verordne- ten Reformen im Gesundheitssy- stem (soweit: typisch amerikanische Ursachen); schärferer Wettbewerb;
Rückbesinnung darauf, daß ärztli-
che Kooperationen gar nicht so viel Einfluß auf das Verordnungsverhal- ten haben – auf den einzelnen Arzt kommt es an.
Die neu eingestellten Pharma- referenten werden daher anders ausgebildet als ihre Vorgänger. Sie sollen eine bessere pharmakologi- sche Vorbildung haben und im übri- gen darauf eingestellt sein, sowohl einzelne Ärzte wie auch Gremien zu
„bearbeiten“, welche für die Arznei- mittelbeschaffung für viele Ärzte zuständig sind.
Auf lange Sicht, glauben Exper- ten in den USA, wird man aber wie- der mit weniger Verkaufsrepräsen- tanten auskommen. Dann nämlich, wenn elektronische Informationssy- steme es den Herstellern ermögli- chen, das Verordnungsverhalten von Ärztegruppen und auch einzelnen Ärzten detailliert zu verfolgen.
Dann kann man auch auf dem glei- chen Weg Information und/oder Werbung bei den verordnenden Ärzten verbreiten und braucht nicht mehr den Pharmareferenten im Au- to vorfahren zu lassen. gb