Beispiele: Warum habe ich mich für den Arztberuf entschieden? Was gefällt mir an meiner Tätigkeit? Was will ich ver- ändern? Wie schütze ich mich gegen Burn-out?
Austausch mit Kollegen
Bislang haben mehr als 100 Teilnehmer die Kurse des Arbeitskreises absol- viert. Viele Teilnehmer standen diesem Pflichtkurs vor allem zu Beginn skep- tisch bis ablehnend gegenüber. Gegen Ende des Kurses beurteilten sie die neu- en Erfahrungen fast übereinstimmend als positiv. In einer anonymen, schriftli- chen Befragung bewerteten sie den Ge- samteindruck des Kurses mit der Note 2,3 (Grundlage waren die Schulnoten von eins bis sechs). Die besten Bewer- tungen erzielten das Gespräch mit den Patienten (1,5), die Diskussionsmög- lichkeiten (1,8) und die Atmosphäre in der Gruppe (2,0). Deutlich schlechter schnitt zunächst mit einer Gesamtnote von 3,1 die Balint-Gruppe ab. Die Ori- entierung an der klassischen Balint-Ar- beit hatte die Gruppe gespalten: Enga- gierten Teilnehmern standen die ge- genüber, die sich langweilten. Durch ei- ne bessere Abstimmung auf die Interes- sen der Teilnehmer erzielte aber auch dieser Programmteil eine gute Bewer- tung (1,5).
Vor allem die neu erlernten Fertig- keiten in der ärztlichen Gesprächs- führung haben die Teilnehmer begei- stert: „Wir haben erfahren, wie man mit kleinen Mitteln große Effekte erzielen kann.“ Auch das Gespräch mit den Pa- tienten erhielt für viele Teilnehmer ei- nen neuen Stellenwert: „Ich habe bis- her die Lebensgeschichte meiner Pati- enten immer ausgeblendet. Ich dachte, das spielt für das jetzige Problem keine Rolle. In den Patientenvorstellungen und den Übungen sind mir die Bedeu- tung der Biografie und besonders die der Beziehungserfahrungen in Kindheit und Jugend klar geworden.“ Auch kon- krete Hilfen für den ärztlichen Arbeits- alltag wurden dem Kurs bescheinigt:
„Ich habe mehr über mich selbst erfah- ren. Zum Beispiel, warum ich in man- chen Situationen so genervt und unge- duldig reagiere.“ Oder: „Ich habe ge- lernt, wie ich mir bei anstrengenden
und belastenden Patienten mehr Ab- stand verschaffen kann, um mich selbst besser zu schützen.“ Die Entdeckung von Teamgeist und Kollegialität hat ebenfalls zur Zufriedenheit der Teil- nehmer beigetragen: „Die große Offen- heit unter den Kollegen hat mir gefallen und gut getan. Einen so intensiven Aus- tausch gerade mit unterschiedlichen Fachgebieten habe ich bisher noch nicht erlebt.“
Die neuen Kenntnisse im Alltag um- zusetzen ist jedoch für viele nicht leicht.
„Mein Arbeitsalltag lässt mir kaum Zeit, das Erlernte anzuwenden“, wird häufig kritisiert. Ebenso stoßen sich ei- nige daran, dass der Kurs im Rahmen der Weiterbildung angesiedelt ist: „Ein solcher Kurs gehört in das Medizinstu- dium. Wenn ich schon seit fünf oder sechs Jahren in meinem Fach arbeite, habe ich meinen Stil im Umgang mit den Patienten gefunden. Dann ist es für ent- scheidende Korrekturen zu spät.“ Und:
„Unsere Chefs und Oberärzte sollten an einem solchen Kurs teilnehmen. Sie wa- ren und sind unsere Lehrer, und von ih- nen haben wir wesentliche Elemente der Gesprächsführung bei Anamnese, Visite und Aufklärungsgespräch über- nommen.“
Bessere Behandlungsresultate
Dennoch dürfte niemand den grund- sätzlichen Wert der psychosomatischen Kompetenz des Arztes bezweifeln.
Jüngst hat auch der „Lancet“ über die Vorteile berichtet (Bd. 357, S. 757, 2001):
Eine Studie belegt, dass Behandlungen immer dann zu einem besseren Resultat führten, wenn der Arzt nicht nur infor- mierte, sondern auch emotional unter- stützte. Besonders wichtig waren dabei Wärme und Freundlichkeit, gepaart mit sicherem Auftreten und möglichst ein- deutigen Aussagen. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Arzt durch ein besseres Verständnis des Patienten des- sen Gedanken und Gefühle günstig be- einflussen und damit seine Selbsthei- lungskräfte stärken kann.
Dr. med. Kurt Fritzsche Abteilung für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin Universitätsklinik Freiburg Hauptstraße 8, 79104 Freiburg
P O L I T I K
A
A908 Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 99½½Heft 14½½5. April 2002
Ethik und Medizin
Aus anderer Perspektive
„Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft“ gegründet
N
eun Behinderten- und Sozialverbän- de haben am 1. März in Berlin das„Institut Mensch, Ethik und Wissen- schaft“ gegründet. Ziel ist es, aus der Perspektive von Menschen mit Behin- derungen beziehungsweise von chro- nisch Kranken ethische Konzepte und Positionen zu entwerfen. Aufgabe des Instituts ist die zentrale und aktuelle Sammlung, Dokumentation, Aufberei- tung und Bereitstellung von Informa- tionen, Dokumenten und Literatur zu ethischen, biowissenschaftlichen und medizinischen Fragen. Es soll einen kri- tischen Dialog mit den Naturwissen- schaften und eine Zusammenarbeit mit möglichst vielen Disziplinen gewähr- leisten. „Die Idee zur Gründung des In- stitutes bestand, weil der vorherrschen- den Bioethik etwas entgegengesetzt werden sollte“, sagte Dr. Katrin Grü- ber, Leiterin des Instituts, bei der Eröff- nungsveranstaltung. Die Gründungs- väter und -mütter hätten einen beson- deren Bedarf an „kritischer Ethik“ in Deutschland gesehen, die nicht der Akzeptanzbeschaffung diene.
Das „Institut Mensch, Ethik und Wissenschaft“ wird von einer gemein- nützigen Gesellschaft getragen. Dem Institut gehören an: Arbeitsgemein- schaft Spina bifida und Hydrocephalus e.V., Bundesvereinigung Lebenshilfe e.V., Bundesverband Evangelische Be- hindertenhilfe e.V., Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte e.V., Bundesarbeitsgemeinschaft Hilfe für Behinderte e.V., Caritas Behinderten- hilfe und Psychiatrie e.V., Interessen- vertretung „Selbstbestimmt Leben“ in Deutschland e.V., Sozialverband VdK Deutschland e.V. sowie der Verband für anthroposophische Heilpädagogik So- zialtherapie und soziale Arbeit e.V.
Mitglied des Kuratoriums ist unter an- derem Bundestagsabgeordnete Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen). ER