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Archiv "Medizin, Recht und Ethik: Konflikte als Spiegel der Gesellschaft" (09.04.2010)

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A 652 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 14

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9. April 2010 Zugriff auf die Gesamtheit der Daten.

„Wenn wir wissen wollen, was pa- tientenspezifisch für Mutationen auf- getreten sind im Vergleich zu den Normalgenomen aus der Keimbahn, müssen wir alle Patienteninformatio- nen auf einmal analysieren. Das heißt, unsere Usecases liegen in der Größenordnung von Hunderten von Terabytes, und wir können nicht ein- fach sagen: Wir analysieren heute mal ein halbes Terabyte in Heidel- berg, ein halbes Terabyte in München und so weiter“, erklärt Eils. Einge- setzt werden Verfahren der Musterer- kennung, um herauszufinden, welche Gene im Tumorgenom im Vergleich zum Normalgenom auf DNA-Ebene mutiert sind und wie häufig.

Computingcluster nahe beim Datencluster

Forscher, die auf die gespeicherten Datenmassen zugreifen wollen, kön- nen sich im System einloggen, müs- sen allerdings „lokal“ rechnen. „Un- ter der Maßgabe, dass es allein für 100 Terabyte bereits 30 Stunden dauern würde, die Daten hin- und herzuschieben, muss lokal gerechnet werden. Das heißt, die Computing- cluster, die mit diesen Daten rech- nen, müssen direkt neben dem Da- tencluster stehen.“ Das Computing- cluster ist in diesem Fall beim DKFZ beheimatet, jedoch mit der Bio- Quant-Datenspeichereinheit geogra- fisch so nahe verbunden, dass sich mit schnellen Technologien wie der Fibre-Channel-Technologie, die eine deutlich höhere Bandbreite hat als Internet per Glaskabel, höhere Trans- ferraten erzielen lassen.

Innerhalb des Projekts arbeiten allein in Heidelberg bis zu zehn Bioinformatiker mit den Daten, hinzu kommen bis zu 20 Forscher aus den anderen am Konsortium be- teiligten Projektgruppen. Geplant ist zudem, die Daten entweder un- mittelbar nach der Generierung und Qualitätssicherung oder aber mit ei- nem geringen Zeitverzug auch für die weltweite Bioinformatik-Com- munity zugänglich zu machen. Vor - aussichtlich wird dies nicht in Form der Massenrohdaten, sondern zu- nächst auf einer reduzierten Ergeb- nisebene geschehen können. ■

Heike E. Krüger-Brand

MEDIZIN, RECHT UND ETHIK

Konflikte als Spiegel der Gesellschaft

Ist die Medizin in Konfliktsituationen zunehmend über- fordert, angemessene Lösungen zu finden? Bedarf sie der Beratung durch Recht und Ethik? Mit diesen Fragen beschäftigte sich eine Tagung in Schloss Tutzing.

M

edizin ist ohne Recht und Ethik nicht denkbar. Diese These vertrat der Hauptgeschäfts- führer der Bundesärztekammer, Prof. Dr. med. Christoph Fuchs, auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Mitte März in Schloss Tutzing am Starnberger See. Er for- derte, für die drei Bereiche ein ko- operatives Verhältnis anzustreben.

Es könne keine Dominanz nur eines Bereichs hingenommen werden.

Fuchs befüchtete allerdings, dass eine „potenzielle, strukturelle Über- forderung der Ärztinnen und Ärzte durch das Recht vorgegeben“ sei.

Es habe sich bereits eine gewisse

„Entfremdung von Kerninhalten“

ärztlicher Tätigkeit breitgemacht.

Die Dominanz der Ökonomie, eine überbordende Kontrolle und eine

Verrechtlichung bis hin zur Un- durchschaubarkeit beeinflussten die heutige Medizin und auch die Ge- sundheitspolitik.

Fuchs ging außerdem auf die Veränderung des Arztbildes ein.

Den „umfassend gebildeten Arzt“

gebe es nicht (mehr). Jedoch gelte nach wie vor das Postulat der voll- umfänglichen Zuwendung und Für- sorge für die Patientinnen und Pa- tienten, das jedoch Zeit beanspru- che. Zeit, die im ärztlichen Beruf stark limitiert worden sei. Hingegen seien in der Medizin Behandlungs- standards, Aufklärung und Doku- mentation exponentiell wachsende Felder. Die Normierung stelle so- wohl einen Eingriff in die Organisa- tions- und Finanzstrukturen als auch in die Inhalte medizinischer Etwa 100 Teilneh-

merinnen und Teilnehmer waren ins Schloss Tutzing am Starnberger See gekommen.

Fotos: Dagmar Nedbal

T H E M E N D E R Z E I T

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9. April 2010 A 653 nungen bestimmter Gruppen gebe.

Die Juristin ging auf die Stärken und Schwächen einer „außerrecht- lich regulierten“ beziehungsweise auf eine „selbstregulierte“ Medizin ein. Da das Recht gesellschaftlich und politisch legitimiert sei, könne es viele der in außerrechtlich veran- kerten Systemen immanenten Schwächen auffangen. Zudem brin- ge das Recht eine produktive Ko- operation ein, wie Gewährleistung von Sicherheit, Entlastung bei Ge- wissensentscheidung, Patienten- rechte, Bewusstmachung von Pro- blemlagen oder Hilfe bei der Quali- tätssicherung. Eine rechtlich regu-

lierte Medizin berge folglich auch eine Menge Stärken in sich, da sie eine „demokratisierte Medizin“ sei.

Man müsse aber auch die Schwä- chen sehen, wie die systematische Überbewertung von (Patien- ten-)Einzelinteressen, die Gefahr bedürfnisferner Lösungen durch die Deduktion von absoluten Werten, die Angst vor Defensivmedizin so- wie Belastung des Arzt-Patienten- Verhältnisses.

Prof. Dr. med. Georg Marck- mann, Universität Tübingen, vertrat die Auffassung, dass Medizin ohne

Moral gar nicht denkbar sei. Zur Beantwortung der Arzt-Frage:

„Was soll ich tun?“, könne man in drei Bereiche differenzieren: den technischen (ärztlich-pflegerische Expertise), den evaluativen (Patien- tenwille oder mutmaßlicher Wille durch Angehörige formuliert) und den moralischen (Medizinethik und/oder -recht). Auf diesem Weg gelange man zu einer „prinzipien- orientierten Medizinethik“. Morali- sche Alltagsüberzeugungen führten zu Prinzipien wie Autonomie, Nut- zen, Nichtschaden und Gerechtig- keit. Marckmann forderte, die Ver- bindung von fachlicher und ethi- scher Expertise unter Einbeziehung der Betroffenen zu forcieren. Er verdeutlichte schließlich die Kon- vergenz von Ethik und Recht in Sa- chen Legitimation und Orientie- rung. Eine Gesellschaft brauche ei- ne rechtliche Regulierung – gerade in einer Gesellschaft der „morali- schen Pluralität“. Medizin und Ethik seien durch die interne Mora- lität nicht voneinander zu trennen, so sein Resümee.

Die Teilnehmer der Tagung wa- ren sich einig, dass eine Verschwen- dung der Ressourcen unethisch sei, doch sei es fraglich, ob eine Priori- sierungsdebatte weiterhelfe. Auch kamen Einwände, dass es nicht nur zu viele Normen gäbe, sondern ebenso organisatorische (selbstauf-

erlegte) Vorgaben und Regularien.

In der Vielfalt von Meinungen, in der Pluralität der Gesellschaft ginge es vielmehr darum, eigene Positio- nen für Ärztinnen und Ärzte zu fin- den und auch die Berufsordnung laufend zu hinterfragen. Die Medi- zin bedürfe der Beratung, nicht zu- letzt durch Recht und Ethik. Diese Einsicht wurde in Tutzing zum Ta-

gungskonsens. ■

Dagmar Nedbal

@

Alle Referate im Internet:

www.aerzteblatt.de/10652 Leistungen dar. Diese seien tagtäg-

lich gegenwärtig. Folglich müsse sich das System selbst vor Überfor- derung schützen. Bedenklich werde das Ganze, wenn das Recht als Steuerungsmechanismus verabso- lutiert werde. Gerade die Effizienz- diskussion in der Medizin trage zur

„Sinnentleerung“ des Berufs bei.

Verantwortung für diese Entwick- lung trügen alle Beteiligten. Fuchs plädierte für ein deutliches Mehr an ärztlicher Zuwendungsmöglichkeit, denn Krankheit und Sterben ließen sich nicht normieren. Die ärztliche Tätigkeit brauche Spielraum und Freiraum für Tun und Unterlassen.

Im „Hamsterrad von Pseudoeffi- zienz und Kontrolle“ werde der We- senskern des Menschlichen ver- schüttet. Die Medizin sei gerade da- bei, sich selbst zu beschränken und gleichzeitig interdisziplinärer zu werden, was Fuchs am Beispiel der Palliativmedizin verdeutlichte.

Doch die Konflikte der drei Diszip- linen Medizin, Recht und Ethik sei- en ein Spiegelbild einer gesell- schaftlichen Entwicklung, lautete sein Fazit.

Diese Normierung, dieser politi- sche Wille, sei jedoch demokratisch legitimiert, erwiderte Prof. Dr. jur.

Christiane Wendehorst, Universität Wien. Wendehorst thematisierte zu- nächst „außerrechtliche Regulie- rungssysteme“, in denen es ganz abstrakt die Bereiche Empirie-Na- turwissenschaft, Gewissensent- scheidung des Einzelnen und Mei- Diskutierten Kon-

fliktsituationen zwischen Medizin, Recht und Ethik in der Evangelischen Akademie Tutzing:

Christoph Fuchs, Gernot Sittner, Gesundheitsforum der Süddeutschen Zeitung, und Wolf- gang Eisenmenger (von links)

Nach wie vor gilt das Postulat der vollumfänglichen

Zuwendung und Fürsorge für die Patientinnen und Patienten.

Christoph Fuchs, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer

T H E M E N D E R Z E I T

Referenzen

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