ährend die ärztlichen Verbände längst in einer Detaildiskussion über die Auswirkungen der geplanten
„Gesundheitsreform 2000“ stecken, betrachten die medizinischen Hoch- schuleinrichtungen das gesundheits- politische Geschehen in Bonn der- zeit noch mit einer gewissen Distanz.
Vor wenigen Tagen trat jedoch der Mitte 1997 gegründete Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) mit einer elf Seiten starken Stellungnahme zu den Eckpunkten der Regierungskoalition an die Öf- fentlichkeit. Die Vereinigung der 36 Uniklinika greift dabei auf Empfeh- lungen zurück, die der Gesundheits- forschungsrat bereits vor der Bun- destagswahl erarbeitet hatte (DÄ, Heft 39/1998, „Seite eins“).
Der VUD sieht die Uniklinika
„an der Spitze der Leistungspyrami- de“, heißt es in der Stellungnahme zu allererst. Die selbstbewußte Positi- onsbeschreibung trifft zwar im Hin- blick auf die Forschung und den me- dizinischen Spezialisierungsgrad zu;
sie läßt aber zugleich Zweifel auf- kommen, ob denn auch der Blick in die Breite des Leistungsgeschehens geschärft ist. Schon die Empfehlun- gen des Gesundheitsforschungsrates hatten erkennen lassen, daß die Hochschulklinika die Sicherung der eigenen Existenz nicht zuletzt mit ei- ner Schwächung der Kassenärztli- chen Vereinigungen (KV) betreiben wollen. Diesen Gedanken greift der VUD in seinem Positionspapier jetzt auf und stellt den niedergelassenen
Ärzten, vor allem aber deren Organi- sationen, kein besonders gutes Zeug- nis aus.
Auch ambulant behandlungsbe- dürftige Patienten – heißt es in der Erklärung scheinbar harmlos, jedoch nicht ohne Hintersinn – werden dia- gnostisch und therapeutisch versorgt.
Die Uniklinika werden dort tätig, wo der „Sicherstellungsauftrag durch die niedergelassenen Vertragsärzte ob- jektiv nicht erfüllt werden kann“, weil die erforderlichen Qualifikatio- nen sowie die apparativen und logi- stischen Möglichkeiten nicht gege- ben sind. Darüber hinaus – und das ist die eigentliche Ohrfeige – sicher- ten die universitären Polikliniken
„oftmals die ambulante Versorgung“, weil deren Organisation nicht hinrei- chend optimiert sei.
Die KVen sollen nicht mehr sicherstellen
Prof. Dr. med. Michael Bam- berg, Ärztlicher Direktor am Univer- sitätsklinikum Tübingen und stellver- tretender Vorsitzender des VUD, lei- tet daraus die Forderung ab, den Si- cherstellungsauftrag der KVen aufzu- heben und ihn an die Krankenkassen zu übertragen. Da will es freilich nicht recht ins Bild passen, wenn der VUD in derselben Stellungnahme zu erkennen gibt, daß seine Klientel of- fenbar gar nicht in der Lage und auch nur bedingt willens ist, den eingefor- derten Behandlungsauftrag zu erfül- len: „Nur bei klaren Rahmenbedin-
gungen ist es für die Hochleistungs- krankenhäuser zumutbar, ambulante Versorgungsaufträge zu akzeptie- ren“, so der Standpunkt der Uniklini- ka. Zügig und vorab seien deshalb ei- nige Bedingungen zu erfüllen, „weil ein Einstieg in die ambulanten Lei- stungen für die Krankenhäuser er- hebliche bauliche, räumliche, perso- nelle und organisatorische Struktur- veränderungen mit sich bringt“.
Eine wesentliche Bedingung ist nach Ansicht des VUD eine lei- stungsgerechte Finanzierung der am- bulanten Leistungen außerhalb des Budgets. Nebenbei bemerkt: Mit sol- chen Rahmenbedingungen könnten wohl auch die Kassenärzte gut leben – nur, die Dinge liegen eben anders.
Wenig überzeugend ist zudem die Haltung des Verbandes gegen- über den Krankenkassen. Auf der ei- nen Seite sähe er am liebsten dort den Sicherstellungsauftrag, andererseits traut er den Kassen im Hinblick auf die Krankenhausplanung wenig zu:
„Bevor die Gesundheitspolitik die Spitzenverbände stärker in die Ver- antwortung nimmt, sollte sie sehr ge- nau prüfen, ob dort die notwendige Kompetenz organisiert ist, die medi- zinisch-technischen Leistungsentwick- lungen richtig einzuschätzen . . .“
Umgekehrt wird auch ein Schuh draus: Bevor die Gesundheitspolitik die Uniklinika stärker in die Verant- wortung nimmt, sollte sie sehr genau prüfen, ob dort die Bereitschaft und die Möglichkeiten – und nicht zuletzt auch die Einsicht in gewisse Spar- zwänge gegeben sind. Josef Maus A-1173
P O L I T I K LEITARTIKEL
Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 18, 7. Mai 1999 (17)