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Archiv "Die medizinische Nemesis — eine Häresie" (19.06.1975)

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DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

THEMEN DER ZEIT:

Die medizinische

Nemesis — eine Häresie

Bemerkungen zu einem Symposion

„Grenzen der Medizin"

FORUM:

Zwangsphänomene nach Entzug

des Führerscheins auf Lebenszeit

BRIEF

AN DIE REDAKTION:

Ärztlicher Notstand in Landbezirken

BEKANNTMACHUNGEN:

10. Nachtragsvereinbarung zum Vertrag zwischen der Postbeamten krankenkasse und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 6. Nachtragsvereinbarung zum Badearztvertrag zwischen der

Postbeamtenkrankenkasse und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung 8. Nachtrag zum Vertrag zwischen dem

Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung über die Heilbehandlung der durch Dienstunfall verletzten Postbeamten

PERSONALIA

Die Mythologie hat es in sich: sie erhellt oft mit einem Wort, was dem Nachdenklichen sonst verbor- gen bliebe. Der Theologe Illich hat dies Wort auf die Medizin geprägt:

er sprach von ihrer Nemesis, und das Duttweiler-Institut in Rüschli- kon hat darüber eine der wohl be- wegendsten Konferenzen der letz- ten Jahre veranstaltet und über die

„Grenzen der Medizin" berichten lassen (24. bis 26. März 1975 in Da- vos). Mit rund 170 Journalisten aus ganz Europa dürfte ein Gipfel der medizinischen Publizität erreicht worden sein, und dies alles, weil einer, der die Medizin nur von au- ßen (und offenbar nicht einmal als Patient) kennt, den weltanschauli- chen Stab über sie gebrochen hat.

Nun — die Hochschulen haben die Studentenrevolte überstanden, die Medizin wird auch Illich überleben, so möchte ich mir selber zum Tro- ste sprechen. Doch ist mir nicht wohl bei diesem Trost, denn hinter den Kritikern der Medizin steht — von den Ärzten bislang kaum be- merkt und nun mit Bestürzung fest- gestellt — eine offenbar breite Öf- fentlichkeit, die, von steigenden

Kosten und sinkender Wirksamkeit aufgeschreckt, sich zu fragen be- ginnt. Sie fragt zum Beispiel mit Il- lich nach der Nemesis.

Die Nemesis — die Rache der Göt- ter für das, was man sich unbotmä- ßig zugeeignet hat. Eigentlich das Weideland (nomos), das dem Bür-

Die medizinische Nemesis eine Häresie

Bemerkungen zu einem Symposion „Grenzen der Medizin"

Hans Schaefer

Vom 24. bis zum 26. März 1975 veranstaltete das Duttweiler-Institut (Rüschlikon) in Davos ein Symposion unter dem Titel „Grenzen der Medizin", das weithin Wellen schlug; dies insbesondere deswegen, weil die Veranstaltung eingeleitet wurde mit einem aufsehenerre- genden Referat des österreichisch-mexikanischen Theologen Ivan Illich, der die Thesen seines just erschienenen Buches zusammen- gefaßt vortrug, das in DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 8/1975, Sei- te 833, bereits angekündigt worden war. Prof. Schaefer, Heidelberg, selbst Referent in der Veranstaltung, übersandte auf Wunsch der Redaktion den hier folgenden Bericht über das Symposion. Er weist auch nach, daß Illichs Thesen, aber auch das Reden oder das Verhalten vieler anderer im theologischen Wortsinn als Häresie de- finiert werden können.

DEUTSCHES _ÄRZTEBLATT Heft 25 vom 19. Juni 1975 1889

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Grenzen der Medizin"

ger der Agrarkultur zugemessen wurde, und das er sich nun, da die Weide ein geistiger Tummelplatz wurde, über Gebühr und minde- stens über Verdienst angeeignet hat. Ist also die Medizin ein golde- nes Kalb — oder gar eine heilige Kuh, die man besser schlachten sollte, um des Überlebens sicher zu sein?

Illichs „latrogenesis"

Die Thesen Illichs gipfeln in drei Behauptungen, das betreffend, was er die „latrogenesis" nennt. Zu- nächst ist es die klinische latroge- nesis: der Patient wird durch die obligaten Nebenwirkungen der Be- handlung krank und oft kränker, als er vorher war. Die Medizin ist selbst — in ihrer Ausweitung auf allen Gebieten — eine Art Epide- mie geworden. Da ist ferner die

„soziale latrogenesis", darin beste- hend, daß die Gesellschaft an den Folgen medizinischer Praxis Scha- den nimmt, indem die Medizin zur Verfestigung unerwünschten sozia- len Verhaltens beiträgt, so etwa wie Goethe es einmal formuliert hat, daß eines Tages die Welt ein riesiges Hospital und jeder jeder- manns Krankenwärter werden kön- ne. Und endlich die strukturelle la- trogenesis, welche an die Stelle des für sich selbst verantwortli- chen Patienten die omnipotente Medizinmaschine treten läßt, mit deren und der Ärzte Hilfe sich ein absolutes Gesundheitsmonopol herstellt, das uns unsere Gesund- heit „enteignet". (Illich nennt es:

expropriation of health.)

Dies alles wird nicht von diesem Kritiker, dessen Intelligenz souve- rän, dessen Belesenheit erstaunlich ist, einfach dahingesagt. Tatsachen werden vorgebracht, die als solche meist kaum zu bezweifeln sind:

daß die Lebenserwartung der Män- ner wieder absinkt, bei grotesk an- steigenden Kosten des „Medizinbe- triebes", wie es Schreiber einmal formuliert hat, daß die als Folge medizinischer Eingriffe entstehen- den Krankheiten ständig zuneh- men, was schon am Beispiel der Kortisone kaum bezweifelt werden

kann und in mehreren großen, all- seits anerkannten Monographien dokumentiert ist. Dennoch operiert Illich mit Argumenten, die kaum richtig sein können, die man Satz für Satz widerlegen müßte, was eine enorme geistige Anstrengung bedeuten würde, zumal nur wenige Menschen Kenntnis von denjeni- gen Zahlen haben, mit denen hier korrigiert werden könnte. Es ist ei- nes der wichtigsten Charakteristika der Davoser Konferenz, daß die Gegner der Medizin mit hoher (und oft mit höchster) Intelligenz und Formulierungskunst auftreten, be- eindrucken und doch nur zu einem Teile recht haben und behalten.

Wie will man zum Beispiel den Nut- zen gegen den Schaden der ge- samten Pharmaproduktion abwä- gen? Selbst der härteste Kritiker der Pharmaindustrie hat weder Zahlen noch Meßmethoden zur Hand, eine solche globale Kosten- Nutzen-Analyse aufzustellen.

Effizienz und Effektivität

Dennoch geht es in der Kritik der Medizin immer um zwei Begriffe:

ihre Effizienz, das heißt die Bezie- hung von Aufwand und Erfolg, Ko- sten und Nutzen medizinischer Maßnahmen, und um die Effektivi- tät, das heißt die Frage, ob der Arzt das leistet, was er zu leisteh vor- gibt. Die härteste These Illichs ist die, daß es besser wäre, ohne die traditionelle Medizin auszukom- men, dem Arzt (wie er es symbol- haft formulierte) die Bibel zu ent- reißen und den Patienten zu leh- ren, die Bibel selber zu lesen. Die Medizin ist eine neue Epidemie, die unabsehbaren Schaden über uns bringt. Der Patient sollte versu- chen, Arzt und Medizin mit neuen Augen zu sehen und sich schließ- lich selber zu helfen. „Ich will den Konflikt schüren", rief Illich in den Saal. Neue Durchbrüche, neue Al- lianzen, neue Mythen seien der Ausweg aus dieser medizinischen Nemesis. Wie das geschehe, wel- che Formen zu entwickeln wären, blieb ungesagt. Illich hat an ande- rer Stelle gemeint, er fühle sich als Kritiker, es sei aber seine Sache nicht, neue Rezepte zu entwerfen.

In diese apokalyptische Sicht stimmten dann zahlreiche Redner ein. Darunter gab es kritische Stim- men, die mit Mäßigung Kluges sag- ten, wie etwa Friedrich Cramer, der die Epidemie des Pillenschluckens geißelte, die unsinnige Steigerung des Medikamentenverbrauchs an- sprach, die riesigen Summen, die für Reklame von der Pharmaindu- strie ausgegeben werden. Er führte diese Zustände auf ihre allgemei- nen gesellschaftlichen Ursachen zu- rück.

So sagte er, die Krankheit unserer Zeit bestehe darin, daß wir alles für verfügbar halten, eine Mentalität, welche das Verhältnis von Arzt, Pa- tient und Arzneimittelindustrie ver- ändert, schon deshalb, weil wir vom „aufgeklärten Patienten"

schwerlich Bescheidenheit und Leidensbereitschaft erwarten kön- nen. Was Cramer von der Phar- maindustrie fordert: Dienerin der Gesundheit und nicht Verdienerin an der Krankheit zu sein, das zog sich wie ein roter Faden durch fast alle kritischen Beiträge: Die Medi- zin handelt mit falschen Methoden und unter falschen Zielvorstellun- gen auf Grund einer falschen Men- talität des Profits. So war es kein Wunder, wenn ein praktischer Arzt sich schließlich in der Diskussion empörte und diesen Kongreß als eine „Anti-Ärzte-Veranstaltung" be- schimpfte.

Verallgemeinerung und Verketzerung

Nun scheint mir, daß der Gegen- stand der Kritik, die zeitgenössi- sche Medizin mit ihrer Praxis, von seinen Kritikern nicht einmal so ganz falsch gesehen wurde. Das Grundübel der Kritiker war ihre Neigung, unerlaubte Verallgemei- nerungen zu einer totalen Verket- zerung dieser Medizin zu überstei- gern. Karsenty, einer der vielen bärtigen Redner, die offenbar schon in jungen Jahren vieles er- fahren haben, meinte, daß im Kran- kenhaus die Medizin des Wissens Vorrang vor der Medizin des Han- delns habe. Sollte damit eine über- züchtete Diagnostik gemeint sein,

1890 Heft 25 vom 19.Juni 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

„Grenzen der Medizin"

möchte ein gutes Quant Wahrheit in dieser Klage stecken. Doch ha- ben nicht auch heute noch die Göt- ter vor die Therapie die Diagnose gesetzt? Er fährt dann fort, daß dort, wo die ärztliche Tätigkeit am intensivsten ist, Scheidungs- rate und Drogensucht am inten- sivsten blühen. Daß nicht die wachsende Hygiene dann an al- ler Misere schuld sei, wurde seltsamerweise nicht behauptet, denn McKeowns bekannte Dar- stellung, wonach der Wohlstand (mit seiner Hygiene) die großen Krankheiten mehr bekämpft habe als alle medizinischen Erfindungen, wurde gleich von zwei anderen Rednern zitiert. Man sieht, die Lo- gik feierte Triumphe.

Katalog der Teilwahrheiten

Ich hatte das Glück, den ersten Kongreßtag mit einem Referat zu beschließen, den Illich mit seiner fulminanten Demagogie eröffnet hatte. Die Chance ahnend, war von mir nur der halbe Text vorbereitet worden. Die andere Hälfte wurde während der Referate geschrieben und konnte sich so mit ihrem Sinn und Unsinn direkt auseinanderset- zen.

Der wesentliche Inhalt dieser Kri- tik läßt sich in die Behauptung zusammenfassen, daß nicht die Medizin anzuklagen ist, sondern all die, die sie betreiben oder sich ih- rer bedienen. Daß diese Partizipan- ten am Prozeß der Medizin im übri- gen alle auch eine Wahrheit ver- treten, und das Bewußtsein davon erfüllt sie mit jenem unleugbar gu- ten Gewissen, das allein ihre emo- tionsgeladene Verteidigung der eig- nen Position verständlich erschei- nen läßt. Dem Theologen Illich mag man aber am besteh theolo- gisch beikommen mit dem Begriff der Häresie: jener Teilwahrheit, die dadurch allein falsch wird, daß sie die andern Teile der Wahrheit teils nicht bemerkt, teils leugnet.

Der Katalog der Häresien ist lang und sicher sattsam bekannt. Es wäre der Arzt zu nennen, der ein-

seitig Somatiker oder Psychoanaly- tiker ist, die Tatsache der pri- vaten Berufsausübung betont und doch Sachwalter öffentlicher Be- lange bleibt; die Struktur der Medizin, die für zu viel Geld zu we- nig leistet; der Politiker, der teure Prävention verspricht, die vermut- lich in weiten Bereichen ineffektiv bleiben muß; der Patient, der alles an neuer Technik für sich fordert und die Kostenexplosion unerträg- lich findet, die er damit heraufbe- schwört. Dies sind einige Beispiele für viele.

Die Konferenz brachte eine Reihe von Rednern ans Pult, deren The- sen Anklagen der Weltsituation wa- ren, sei es, daß nicht alle Nationen (oder auch Klassen etwa in der Na- tion Deutschland) gleichmäßigen Zugang zu den Quellen der Heil- kunst hätten (Adler—Karlson), daß Arbeit einfach krank mache (Ley- ers) oder man die Macht der pharmazeutischen Konzerne bre- chen müsse (Young). Der in seiner Menschlichkeit tief beeindrucken- de Nobelpreisträger George Wald, dem wir weitgehend unsere Kennt- nisse der retinalen Photochemie verdanken, beschwor die politische Gewaltlosigkeit, die durchzusetzen aber ebensowenig Sache der Me- dizin sein dürfte wie die Herstel- lung allgemeiner sozialer Gerech- tigkeit.

Wenn also von „Grenzen der Medi- zin" die Rede sein sollte: hier hätte man sie ziehen können. Nicht nur, daß man der Medizin in unserem Staat tatsächlich Zustände zu be- herrschen ansinnt, die nichts mit ihr zu tun haben, wie Konflikt- und Lebensbewältigung. Auf diesem Kongreß machte man die Medizin auch für politische Zustände ver- antwortlich, zu deren Entstehung sie nun wirklich gar nichts beige- tragen hat.

In solch politiscn-geistiger Verwir- rung war das Wort eines großen Medizintheoretikers, Prof. Salk, wahrhaft eine Erlösung. Er gab — von seiner biochemischen Tätig- keit ausgehend — eine Theorie der Krisen. Er sprach also über

die

Ursachen

dessen, was die Ge- sellschaftskritiker einfach festzu- stellen und zu verdammen pflegen.

Seine Analyse ist zu fein, um kurz referiert zu werden. Ihr wesentli- cher Inhalt: daß es auf Evolution (nicht auf Revolution) ankomme, und im Prozeß dieser Evolution je- der, der Gesellschaftskritiker eben- so wie der Konservative, seinen Beitrag feiste. Nicht das Entweder- Oder, sondern das „Und" sei die Bindevokabel, die es zu praktizie- ren gälte.

Der Patient als Partner

Daß innerhalb des Gesamtsystems der Medizin in der Tat eine neue Zusammenarbeit zu entwickeln ist, wurde in einem der besten Vorträ- ge der Konferenz deutlich: der ka- tholische Krankenhausseelsorger Thiadens referierte über den Pa- tienten als Kollegen von Arzt und Krankenschwester. Der bislang im Krankenhaus vorherrschenden passiven Gesundheitspflege setzte er das neue Konzept der aktiven Gesundheitspflege entgegen. In diesem Konzept herrscht Koopera- tion. Der Patient ist ein Kooperator, dessen Behandlung eine Führung durch den Arzt, in einer integralen Fürsorge, unter Einbeziehung sei- ner Verwandten voraussetzt. Eben- so ist die Krankenschwester nicht mehr die Untergebene eines auto- ritären Arztes, sondern eine Exper- tin auf ihrem Gebiet, welche dem Arzt kooperativ zur Seite steht.

Unordnung der Welt und der Medizin

Dies sind wenige Bemerkungen

zum sachlichen Inhalt der Konfe-

renz, deren 30 Referate auch nur

anzudeuten unmöglich ist. Die Leh-

re, die wohl alle Teilnehmer aus

dieser Konferenz gezogen haben,

ist die, daß die Kritik an Medi-

zin, Arzt und medizinischen Institu-

tionen weltweit und sehr auf das

Grundsätzliche gerichtet ist. Die

Medizin als globales Phänomen,

einschließlich ihrer wissenschaftli-

chen Theorie, gerät in eine Welle

DEUTSCHES .ÄRZTEBLATT

Heft 25 vom 19. Juni 1975

1891

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen

FORUM

Jährlich wird eine nicht unerhebli- che Anzahl von Menschen in der Bundesrepublik durch Urteile der Ordentlichen und Verwaltungs-Ge- richte für ungeeignet erklärt, ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Stra- ßenverkehr zu lenken, und durch den Entzug der Fahrerlaubnis auf Lebenszeit von der Teilnahme am Straßenverkehr ausgeschlossen (vgl. Tabelle 1). In Anbetracht der Tatsache, daß das Führen eines Kraftfahrzeuges heute in den zivili- sierten und hochtechnisierten Län- dern kein Luxus, sondern eine be- rufliche Notwendigkeit, ja sogar eine existentielle Erfordernis sein kann, wurden anhand von neurolo- gisch-psychiatrischen und psycho- logischen Untersuchungen der Be- troffenen*) Erkenntnisse gewonnen, welche auch von der Warte der Verkehrsmedizin und der Sozial- pädagogik nicht ohne Bedeutung sein dürften. Der Entzug der Fahr- erlaubnis auf Lebenszeit, der ja dem Schutze der Allgemeinheit und der Sicherheit im Straßen- verkehr dienen soll, erweist sich als eine durchweg ungeeignete Maßnahme, die darüber hinaus in zahlreichen konkreten Einzelfällen verfassungswidrig ist.

*) Im Rahmen gerichtlich angeordneter Begutachtungen über die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeuges im öffent- lichen Straßenverkehr.

• Aus vielen Gründen, die hier kurz erörtert werden, ist daher die Abschaffung des lebenslänglichen Entzuges der Fahrerlaubnis drin- gend zu empfehlen.

Es ist bekannt, daß das Führen ei- nes Kraftfahrzeuges im öffentlichen Straßenverkehr ohne eine gültige Fahrerlaubnis gemäß § 21 StVG mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe belegt werden kann. Dies gilt sowohl für diejeni- gen Personen, deren Führerschein gemäß §§ 42 m und Strafgesetz- buch (StGB) einbezogen worden ist, als auch für Kraftfahrer, denen nach § 25 Straßenverkehrsgesetz (StVG) oder § 37 StGB das Führen eines Kraftfahrzeuges für eine be- stimmte Dauer untersagt wurde.

Bei Zuwiderhandlungen werden die Täter in der täglichen Rechtspraxis der Gerichte mit Geldstrafen und einer Verlängerung der Sperrfrist für den bereits in früheren Ver- fahren entzogenen Führerscheins belegt.

Bei Wiederholungen tritt an die Stel- le der Geldstrafe eine Freiheitsstra- fe — beim ersten und unter Umstän- den beim zweiten Male mit Bewäh- rung — und eine noch längere Sperrfrist für den Erwerb eines neu- en Führerscheins.

„Grenzen der Medizin"

der Kritik, die als böswillige Ent- stellung abzukanzeln sowohl sach- lich falsch als erst recht töricht wäre. Die Welt ist in Unordnung — wie könnte die Medizin in Ordnung sein? Aber ihre Unordnung ist we- der das Resultat menschlicher Nie- dertracht noch eines grundsätzli- chen Irrtums ihrer Prinzipien. Ihre Häresien send umfangreich, aber reparabel. In solcher Situation sich gegen die Kritik als eine unzu- mutbare Einmischung aufzulehnen hieße, sich mit den historisch ge- wordenen, also auch kausal be- dingten Fehlern zu identifizieren, statt sie zu beseitigen.

Eine Ärzteschaft, die sich der schiefen Lage, in die sie geraten ist, weithin längst bewußt wurde, sollte auch in ihren Spitzenvertre- tern die Dinge beim Namen nennen und das Gewordene evolutionär zu verbessern helfen. Keiner von uns ist im Besitz der ganzen Wahr- heit.

Die Aufgabe der Zukunft wird sein, mindestens das Bewußtsein für den häretischen Charakter alles menschlichen Tuns und also auch der Heilkunde zu wecken. Aus sol- cher Erweckung fließt schon ein gerütteltes Maß an Therapie. Nur wenn wir Ärzte auf dem Irrtum be- harren, daß alles in Ordnung ist, maßen wir uns zu viel an von den Gerechtigkeiten dieser Welt. Dann, aber auch nur dann wird uns die Nemesis treffen, die Rache der Götter, die uns Illich androht.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Hans Schaefer 6900 Heidelberg 1

Im Neuenheimer Feld 326

Zwangsphänomene

nach Entzug des Führerscheins auf Lebenszeit

Amir Arbab-Zadeh

Tausenden wird jährlich die Fahrerlaubnis auf Lebenszeit entzogen.

Begründet wird diese Maßnahme mit dem Schutz der Allgemeinheit und der Sicherheit im Straßenverkehr. Trifft diese Begründung je- doch zu? Der Autor versucht nachzuweisen, daß der Entzug auf Le- benszeit nicht die erhoffte Wirkung zeitigt.

1892 Heft 25 vom 19.Juni 1975

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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