Die Information:
Bericht und Meinung
ZEITUNGEN UND ZEITSCHRIFTEN
Die Einigung zwischen der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung und den Bundesverbänden der gesetzli- chen Krankenkassen über die Ho- norarregelung für 1975 und 1976 ist in Kommentaren der Tagespresse überwiegend positiv beurteilt wor- den. Wir bringen nachstehend eine Auswahl aus den ersten Presse- kommentaren nach der Bekannt- gabe der Vereinbarung am 23. Juli 1975.
Nachahmenswerte Methode
„... Bei der Bewertung des Ver- handlungsergebnisses darf indes- sen nicht übersehen werden, daß die vereinbarte Honorarsteigerung um 2,29 Prozent in diesem und um 2,35 Prozent im nächsten Jahr nicht identisch ist mit dem Einkom-
Süddeutscheleitung'
menszuwachs der Kassenärzte, für den die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt aufzukommen haben. Die tatsächli- che Einkommensverbesserung wird nach Berechnungen von Fachleuten in diesem Jahr minde- stens bei acht Prozent und 1976 bei sieben Prozent liegen; denn ne- ben der vertraglichen Honoraran- hebung verdient der niedergelasse- ne Arzt an einem Phänomen, das in Expertenkreisen mit dem Begriff ,größeres Gesundheitsbewußtsein' beschrieben wird: Die immer grö- ßere Nachfrage nach medizini- scher Betreuung verschafft den Kassenärzten pro Jahr fünf bis sechs Prozent Umsatzsteigerung und Einkommensverbesserung, die von allen vertraglichen Vereinba- rungen mit den Krankenkassen un-
berührt bleibt. Für eine gewisse Kontinuität dieser zusätzlichen Ein- nahmen sorgt schon die zuneh- mende Zahl der Rentner, die am stärksten die Leistungen der Kas- sen in Anspruch nehmen.
Trotz dieser Einschränkung ist der Kompromiß zwischen Kassen und Kassenärzten ein anerkennenswer- ter Beitrag zu den Bemühungen, die Kostenentwicklung im Gesund- heitsbereich und damit den weite- ren Anstieg der Krankenversiche- rungsbeiträge abzubremsen. Ange- sichts der schwierigen finanziellen Lage der gesetzlichen Krankenver- sicherung gibt es jedoch keinen Anlaß zum Jubeln. Das Verhand- lungsergebnis kann nur der erste kleine Schritt zu einer Konsolidie- rung und einem Kostenabbau im gesamten Bereich der Gesund- heitsfürsorge sein ...
Bedeutsam ist deshalb, daß der Kompromiß sich nicht auf eine Ver- minderung der linearen Honorarer- höhung bezieht, sondern auch auf eine Veränderung in der Struktur der Gebührenordnung. Die Ärzte verdienen dadurch weniger an sol- chen Laborleistungen, die vom Praxispersonal erledigt werden, und mehr an jenen, die den per- sönlichen Einsatz erforderlich ma- chen ..." Jürgen Forster
„Kassenärzte
konjunkturgerecht"
„• • • Beide Seiten haben demon- striert, daß die außerordentliche Lage ungewöhnliche Schritte ver- langt. Die ärztlichen Verhandlungs- führer bringen mit dieser Bundes- empfehlung zum Ausdruck, daß sie nicht reine Interessenpolitik betrei- ben, sondern auf dreierlei gebüh- rend Rücksicht nehmen wollen: auf
die kritische Konjunktursituation, auf die Finanznot der Krankenver- sicherungen und auf das gemein- same Ziel, die ärztliche Gebühren- ordnung zu modernisieren. Zum dritten Punkt: Schon immer ist ge- sagt worden, daß persönliche Arzt- leistungen gegenüber technischen Verrichtungen im Honorar hervor- gehoben werden sollten. Jetzt wur- de empfohlen, die Gebühren der Labordiagnostik für 1975 einzufrie- ren und für 1976 sogar (um 24 Pro- zent) zu senken. Statt dessen stei- gen — zusätzlich zu den linearen Erhöhungen der übrigen Honorar- sätze — die Vergütungen für Haus- besuche beträchtlich. Auch werden die Honorare für Leistungen in der Dermatologie (Hauterkrankungen), Psychiatrie und in der kleinen Chir- urgie (etwa Wundenversorgung) gezielt besonders angehoben. Wie sich dann tatsächlich Plus und Mi- nus zueinander verhalten, kann nur die Zukunft zeigen. Die Erfahrung geht dahin, daß zur prozentualen Erhöhung der Gebührensätze noch die Mengenkomponente — ständi- ge Vermehrung der Behandlungs- fälle und der abgerechneten Lei- stungen je Fall — hinzugerechnet werden muß, ehe man auf die wirk- liche Vergrößerung des Honorarvo- lumens kommt. Von dieser Erfah-
rung gehen die Krankenkassen aus, wenn sie für 1975 Mehrausga- ben für die ambulante ärztliche Be- handlung von 8 Prozent und für 1976 von 7 Prozent erwarten..."
Albert Müller
Bremssignal
„Der rapiden Kostenexplosion im Gesundheitswesen haben die Kas- senärztliche Bundesvereinigung und die Bundesverbände der ge- setzlichen Krankenkassen gestern ein erstes bescheidenes Bremssi- gnal entgegengesetzt. ihre gemein- same Empfehlung, 1975 und 1976 die Arzthonorare nur um durch- schnittlich 2,29 und 2,35 Prozent
Überwiegend positiv
Urteile über die Honorarempfehlung für 1975 und 1976
2248 Heft 32 vom 7. August 1975
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
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Bericht und Meinung
anzuheben, sind von Bundesar- beitsminister Walter Arendt zu Recht als ,wichtiger Beitrag der Selbstverwaltung zur angestrebten Kostendämpfung' begrüßt worden.
Der ständig verstärkte Druck der öffentlichen Meinung auf eine allzu
Mannheimer
MozeGIE1111
geschäftstüchtige Ärzteschaft dürf- te die Bundesvereinigung zur Zu- stimmung bewogen haben, verfolgt sie damit doch nach eigenem Be- kunden das Ziel, die Ärzte aus der Schußlinie der allgemeinen Kritik herauszumanövrieren ..." F. Lösch
Ein erster Lawinenzaun
„...Zugegeben: Wie wohl keine an- dere Berufsgruppe hatten sich Ärz- te in den letzten Jahren an zwei-
NEUE RUHR ZEITUNG
stellige Prozentzahlen gewöhnt, wenn es um die Steigerung ihrer Einkommen ging.
Zugegeben: Für fast keine andere Berufsgruppe sieht die Bundesan- stalt für Arbeit so gute Zukunfts- aussichten bei geringstem Arbeits- platzrisiko.
Zugegeben: In keinem anderen akademischen Beruf verdient der Durchschnitt auch nur annähernd so gut wie bei den niedergelasse- nen Ärzten.
Dennoch: Die ständig größer wer- dende Kostenlawine im Gesund- heitsbereich droht ein großes Loch in unser Netz sozialer Sicherheit zu reißen. Die Ärzte — sicher nicht ohne energisches Zureden oder gar Druck des Sozialnetzmini- sters' Arendt — haben einen er- sten Lawinenzaun gezogen. Wei- tere müssen folgen — von den Krankenhausträgern und der phar- mazeutischen Industrie zum Bei- spiel." Werner Gößling
ZITAT Konsequent
„Spiegel: Wären Sie denn zu- frieden, wenn die Arbeitneh- mer vorübergehend auf Lohnzuwächse verzichteten und nur einen Ausgleich für Geldentwertung bekämen?
Vetter: Ich wäre nicht bange, dies den autonomen Einzel- gewerkschaften vorzuschla- gen, wenn das in ein größe- res Konzept einer allgemei- nen Bereitwilligkeit hinein- passen würde, den Preisauf- trieb zu bremsen und wieder mehr zu investieren. Da muß aber die Wirtschaft mitma- chen, ob freiwillig oder durch geeignete Interventionen."
Der DGB-Vorsitzende Heinz- Oskar Vetter in einem Ge- spräch mit dem „Spiegel", Nr. 31 vom 28. Juli 1975
Das Ringen
hat erst begonnen .. •
„... um 2,29 Prozent sollen die Ho- norare in diesem Jahr steigen, um 2,35 im nächsten. Was aber vor kurzem noch als undenkbar er- schien, erscheint heute als ver- nünftig und zwangsläufig. Schon morgen — dann aus der Rück- schau — kann ein solcher Schritt in Richtung Nullwachstum der Löh- ne, Gehälter und Honorare viel- leicht als noch nicht genügend be- trachtet werden... Immerhin haben die Ärzteorganisatoren, an denen die öffentliche Kritik anscheinend nicht so spurlos vorübergegangen ist, wie befürchtet werden mußte, einen Schritt in die richtige Rich- tung gemacht und sich damit für die Zukunft erst einmal eine gute Ausgangsposition verschafft. Denn das Ringen der verschiedenen ge- sellschaftlichen Gruppen gegenein- ander — von Bauern zu den Beam- ten, zu den Arbeitnehmern — wer
denn nun wieviel von den bitteren Folgen der Rezession tragen solle und müsse, hat ja gerade erst be- gonnen. Zwangsläufig werden bei diesem Ringen solche Gruppen
STUTTGARTER ZEITUNG
noch mehr als bisher ins Visier der Gesellschaft geraten, die in den Zeiten des stetigen Wachstums überproportional an diesem Wachs- tum beteiligt gewesen waren, wie die Ärzte..." az
Frau Fockes Mitverantwortung
„... Für die Ursachen, die das An- steigen der Kosten zu einer ,Ex- plosion' gemacht haben, zeichnet ein anderer verantwortlich, nämlich der Gesetzgeber, der unter dem Druck von Interessengruppen (Ge- werkschaften), aber auch unter dem Einfluß von Parteiinteressen (und hier kann keine Partei ausge- nommen werden), d. h. mit Blick auf den Wähler, trotz aller Warnun- gen diese Entwicklung schon vor Jahren programmiert hat ...
Das Krankenhausfinanzierungsge- setz und die Bundespflegesatzver- ordnung haben sich — bei allen guten Ansätzen und einer Reihe
feadelgblatt
damit erreichter Verbesserungen
— als der ‚Zündstoff' für die Explo- sion der Krankenhauskosten her- ausgestellt. Diese Gesetze sehen u. a. vor, daß die Benutzerkosten künftig in vollem Umfang vom Be- nutzer, sprich ‚Patienten' bzw.
‚Krankenkasse', getragen werden müssen. Bisher gewährte Zuschüs- se der öffentlichen Hand zu diesen Benutzerkosten sollen schrittweise abgebaut und die Pflegesätze ent- sprechend erhöht werden, so daß sie dann voll kostendeckend sind ..." Günther Sorge