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Archiv "Röteln und Schwangerschaft" (25.07.1974)

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Während der Schwanger- schaft kann eine passive Im- munisierung mit Immunglo- bulin den Embryo und Fe- ten vor einer Rötelninfektion schützen. Allerdings ist die Rötelnprophylaxe nur sinn- voll, wenn sie erfolgt, bevor es bei der Mutter zur Virämie kommt. Diese setzt zwischen dem siebenten und neunten Tag nach Kontakt mit einer mit Röteln infizierten Person ein. Die Gabe von Immunglo- bulin sollte daher möglichst rasch nach Kontakt mit Rö- teln erfolgen, damit die Anti- körperbarriere zum Zeitpunkt der Virämie hoch genug ist.

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et, 4'49 li

Aktuelle Medizin KOMPENDIUM

Die Röteln sind eine Viruskrankheit mit masernähnlichem Exanthem und mit Lyrnphknotenschwellung. Die Krankheit tritt meist in der Kind- heit, selten im Erwachsenenalter auf. Ihre Inkubationszeit beträgt 14 bis 23 Tage. Die Röteln sind sechs Tage vor bis mindestens drei Tage nach Ausbruch des Exanthems an- steckend.

• Nach Rötelninfektion entsteht eine lebenslange Immunität.

Da 40 Prozent aller Rötelninfektio- nen ohne klinische Symptome ver- laufen, ist eine Aussage über eine noch nicht durchgemachte Röteln- infektion nicht zuverlässig. Ande- rerseits verlaufen zahlreiche Virus- infektionen ähnlich wie Röteln, so daß aus dem klinischen Bild allein die Diagnose „Röteln" sehr oft un- möglich ist. Angaben über früher durchgemachte Röteln sind aus diesem Grunde nicht beweisend für eine Immunität. Nur serologi- sche Untersuchungen lassen eine zuverlässige Aussage über die Im- munität zu.

Der Organismus entwickelt wäh- rend der Rötelninfektion spezifi- sche Antikörper. Diese Antikörper können lebenslänglich nachgewie- sen werden. Der Nachweis erfolgt am einfachsten und zuverlässig- sten mit dem Hämagglutinations- hemmtest (HHT); eine Immunität besteht, wenn der Titer 1 zu 16 oder größer ist.

Die Durchseuchung der Bevölke- rung mit Röteln nimmt mit steigen- dem Lebensalter zu; bis zum 14.

Lebensjahr sind 80 bis 90 Prozent der Bevölkerung immunisiert. Zwi- schen dem 15. und 45. Lebensjahr machen nur etwa zehn Prozent der weiblichen Bevölkerung noch Rö- teln durch.

In der Schwangerschaft führt eine Rötelnerkrankung der nicht immu- nen Mutter zur Miterkrankung des ungeborenen Kindes. Während der Virämie der Mutter gelangt das Vi- rus in die Plazenta, wo es in dem Endothel der Kapillaren zu Nekro- sen führt. Die infizierten Zellen werden abgestoßen, gelangen in den fetalen Blutkreislauf und kön- nen so verschiedene Organe infi- zieren. Bei Rötelninfektion der Schwangeren kann die embryonale Entwicklung verschieden verlaufen (Darstellung 1).

Das Abortrisiko bei Rötelninfektio- nen in den ersten Schwanger- schaftswochen beträgt ungefähr zehn Prozent. Damit ist das Risiko doppelt so hoch wie bei nicht infi- zierten Schwangerschaften (fünf Prozent). Während einer Rötelnepi- demie 1964 in den USA kamen auf tausend Geburten vier Fälle mit Rötelnembryopathie. Bei sporadi- schen Fällen beträgt die Gefahr der Rötelnembryopathie ungefähr ein Promille. In diesen Zahlen sind die durch Röteln ausgelösten Ab- orte nicht enthalten. Die Zahl der Rötelnembryopathien wird in der Bundesrepublik jährlich auf 1000 Fälle geschätzt. Allerdings führt nur ein Teil der Rötelnerkrankun- gen in der Schwangerschaft zur Embryopathie. Das Risiko hängt vor allem davon ab, in welchem

Stadium der Schwangerschaft die Infektion stattfindet. Die Mißbil- dungsrate beim Feten beträgt im 1. Schwangerschaftsmonat 33 bis 50 Prozent,

im

2. Schwangerschaftsmonat 25 Pro- zent,

im

3. Schwangerschaftsmonat 10 Pro- zent,

im

4. Schwangerschaftsmonat 4 Pro- zent.

Im gesamten zweiten Trimenon bis zur 32. Woche kommt es noch in zehn Prozent der Fälle zu Dauer- schäden, wie insbesondere die große Epidemie von 1964 in den USA gezeigt hat. Es ist möglich, daß die Neugeborenen völlig nor- mal erscheinen. Spätschäden — besonders Innenohrschwerhörig- keit — werden oft erst bemerkt, wenn kaum noch jemand an die Rötelnerkrankung der Mutter wäh- rend der Schwangerschaft denkt.

Rötelnviren lassen sich aus Orga- nen von infizierten Feten und Neu- geborenen, aus Urin, Rachenab- strich, Liquor und aus Plazentage- webe nachweisen. Kinder mit Rö- telnembryopathien sind daher als infektiös anzusehen und zu isolie-

Röteln und Schwangerschaft

Hans Weidinger und Georg Schlayer

Aus der Frauenklinik (Direktor: Professor Dr. med. Peter Stoll) im Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 25. Juli 1974 2271

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Kleinkind Spätschäden Gehörschäden Spastizität Entwicklungs- rückstand

gesund Abort

Rötelnsyndrom Thrombozytopenie hämolytische Anämie Hepatitis

Enzephalitis

interstitielle Pneumonie Myokarditis

Taubheit Katarakt Chorioretinitis Zirrhose Herzfehler Mikrozephalie

Entwicklungsrückstand Inkubation der Mutter

Darstellung 1: Rötelninfektionen in der Schwangerschaft und ihre möglichen Folgen für die embryonale Entwicklung (modifiziert nach U. Krech)

Plazenta infiziert

Embryo infiziert

Neugeborenes gesund

nein

nein

2272 Heft 30 vom 25. Juli 1974 DEUTSCHES ÄRZTE BLATT ren. Das Virus läßt sich bei diesen

Kindern bis zu einem Jahr nach- weisen. Die hohe Durchseuchungs- rate in Kinderheimen und -spitä- lern ist dieser langen Virusaus- scheidung pränatal infizierter Kin- der zuzuschreiben. Eine besonde- re Gefahr besteht daher für die Schwangerschaften des Pflegeper- sonals. Im allgemeinen wird die In- fektionsrate bei Haushaltskontakt (Mutter/Kind) auf etwa 90 Prozent, bei Pflegekontakt (Kinderheime) auf etwa 75 Prozent und bei flüch- tigem Kontakt in geschlossenen Räumen (Klassenzimmer) auf etwa 20 Prozent geschätzt.

Maßnahmen bei Röteln während

der Schwangerschaft

Schutz vor einer Rötelninfektion während der Schwangerschaft ist durch eine passive Immunisierung mit Immunglobulin möglich; es ent- hält Antikörper gegen das Röteln- virus, ist aber nicht absolut sicher und nur vier Wochen lang wirksam.

Die Indikation für eine Immunglo- bulinprophylaxe beschränkt sich daher auf seronegative Schwange- re, die während der ersten zwölf Wochen der Gravidität vor einer Rötelninfektion zu schützen sind

oder bei denen der Kontakt mit Röteln bekannt ist. Um Versager bei der Gammaglobulinprophylaxe rechtzeitig zu erfassen, sind bei diesen Frauen im Abstand von vier Wochen Antikörperbestimmungen durchzuführen.

• Eine passive Immunisierung mit Rötelnantikörpern kann zwar nach Exposition die Gefahr einer Röteln- embryopathie verhindern, sie ist aber nur erfolgversprechend, wenn sie vor dem Auftreten der Virämie bei der Mutter erfolgt und wenn die Antikörper genügend hoch do- siert werden.

In der Neufassung der Mutter- schaftsrichtlinien vom 7. Oktober 1971 steht unter B 2: „Wird in den ersten vier Monaten der Schwan- gerschaft bei einer Schwangeren, die nicht nachweislich eine Röteln- infektion (HH-Titer mindestens 1 zu 16) durchgemacht hat, oder die nicht durch Impfung geschützt ist, Kontakt mit einer an Röteln er- krankten Person nachgewiesen oder vermutet, so sollte zur Ver- meidung einer Rötelnembryopathie der Schwangeren unverzüglich Gammaglobulin injiziert werden.

Die Behandlung mit Gammaglobu- lin ist aber nur sinnvoll bis zu sie- ben Tagen nach der Exposition.

Eine Impfung gegen Röteln ist während der Schwangerschaft kontraindiziert."

Die Virämie beginnt zwischen dem siebenten und neunten Tag nach Kontakt mit einer mit Röteln infi- zierten Person (Darstellung 2). Sie setzt sechs bis sieben Tage vor Ausbruch des Exanthems ein. Ge- setzt den Fall, eine Schwangere (Darstellung 2, Fall 1) hat ständi- gen Kontakt mit einem Kind, das unmerklich an Röteln erkrankt ist.

Das Kind wird am elften Tage, nachdem es sich mit Röteln infi- ziert hat, Rötelnviren ausscheiden.

Zu diesem Zeitpunkt kommt auch die Schwangere unmerklich mit diesen Viren in Kontakt. Sechs bis sieben Tage später, wenn das Rö- telnexanthem beim Kind erkannt

(3)

Virämie

Aktuelle Medizin Röteln und Schwangerschaft

Kind infiziert sich unbemerkt mit Röteln

Ausscheidung von

Rötelnviren

Exanthem

1 111 11 1 1 1 I I I 1 1 1 1 t I

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 1 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28

1 1 1 1 1 1

Tage

Schwangere Fall 1

ständiger Kontakt

Schwangere Fall 2

Inkubation der Schwangeren

1 1 I 1 1

0

1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 Prophylaxe mit

Röteln—Immunglobulin möglich Inkubation der Schwangeren

1 L

Kontakt 2 Tage vor Exanthem 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 Tage Prophylaxe mit Röteln—Immun-

globulin möglich

Darstellung 2: Ein Kind, das unmerklich an Röteln erkrankt, beginnt am elften Tag nach der Infektion Rötelnviren auszuscheiden (oberste Zeile). Kommt eine Schwangere zu diesem Zeitpunkt mit diesen Viren in Kontakt, vergehen noch sieben bis acht Tage, bis bei ihr die Virämie und damit die Gefahr für den Feten einsetzt (Zeile 2). Wenn das Rötelnexanthem am 17. Tag beim Kind erkennbar wird (Zeile 1), kann die Schwangere also schon sechs bis sieben Tage infiziert sein (Zeile 2). Es bleibt dann nur noch wenig Zeit für die Prophylaxe mit Rötelnimmunglobulin. Kommt eine Schwangere erst wenige Tage vor dem Auftreten des Rötelnexanthems mit einem erkrankten Kind in Berüh- rung, bleibt entsprechend mehr Zeit für die Prophylaxe (Zeile

wird, kann also die Schwangere bereits seit sechs bis sieben Tagen infiziert sein. Da aber bei der Schwangeren die Virämie und da- mit die Gefahr für den Feten am siebten bis achten Tage nach der Exposition einsetzt, bleibt ihr nur noch wenig Zeit für die Prophylaxe mit Rötelnimmunglobulin. Nach eingesetzter Virämie, also einen Tag später, wäre eine derartige Prophylaxe zum Schutze des Kin- des zwecklos. Es ist natürlich auch denkbar, daß eine schwangere Kontaktperson beispielsweise zwei Tage vor Auftreten des Rötelnex- anthems mit einem Kind in Berüh- rung kommt (siehe Darstellung 2, Fall 2).

Dann würden, vorausgesetzt, daß die Schwangere nicht immun ist,

etwa noch fünf Tage vergehen, be- vor die Virämie bei der Schwange- ren einsetzt; innerhalb dieser fünf Tage kann noch eine Prohylaxe mit Rötelnimmunglobulin betrieben werden.

Das in Deutschland erhältliche Rö- telnimmunglobulin hat im Hämag- glutinationshemmtest einen Anti- körpertiter von mindestens 1 zu 6000. Es wird intramuskulär inji- ziert. Die übliche Dosis zur Prophy- laxe beträgt 0,3 Milliliter pro Kilo- gramm Körpergewicht; insgesamt sollten aber nicht weniger als 15 Milliliter injiziert werden. Falls der Rötelnkontakt der Mutter bereits länger als fünf Tage zurückliegt, wird zusätzlich die gleichzeitige Verabreichung von Gammavenin®

(650 Milliliter total) und eine Wieder-

holung der Rötelnimmunglobulin- gabe nach vier Wochen empfohlen.

Auch bei Exposition zu Beginn ei- ner Schwangerschaft ist die Im- munglobulindosis alle vier Wochen zu wiederholen bis mindestens zur 32. Schwangerschaftswoche.

Vor der passiven Immunisierung sollte stets Blut zur Rötelnantikör- perbestimmung entnommen wer- den. Eine Frau, bei der ein positi- ver Antikörpertiter sicher bekannt ist, muß nicht passiv immunisiert werden. Sollte sich aber erst nach Gabe von Immunglobulin heraus- stellen, daß die Frau doch immuni- siert ist, ist die Immunglobulinpro- phylaxe zwar umsonst, sie übt aber keinen nachweisbaren Schaden auf Mutter und Fet aus.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 25. Juli 1974 2273

(4)

1—IV nein Bisher Exposition nicht bekannt; zu- künftig Exposition während Gravidität möglich

Hämagglutinationshemmtiter bestimmen. Titer größer als 1 zu 16, keine Maßnahmen! Titer kleiner als 1 zu 16; 0,3 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht Rötelnimmunglobulin (Titer 1 zu 6000). Alle drei bis vier Wochen wiederholen mit 0,15 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht bis zum vierten Schwangerschaftsmonat. Da- nach Rötelnembryopathie nicht mehr wahr- scheinlich. Impfung gegen Röteln sofort im Wochenbett.

I —IV Hämagglutina- tionshemmtiter 1 zu 16 und

mehr

Rötelnkontakt Keine Maßnahmen, Immunität.

I—IV nein Rötelnkontakt; Ex-

position vor weni- ger als fünf Tagen

Genaue Anamnese. Hämagglutinationshemmti- ter bestimmen. Sofort 0,3 Milliliter pro Kilo- gramm Körpergewicht Rötelnimmunglobulin (Titer 1 zu 6000). Wenn Hämagglutinations- hemmtiter kleiner als 1 zu 16, Dosierung ausrei-

chend. Bei anhaltender Exposition alle drei bis vier Wochen mindestens 0,15 Milliliter pro Kilo- gramm Körpergewicht Rötelnimmunglobulin.

Wenn Titer unter 1 zu 16 bleibt, dann Röteln- impfung sofort im Wochenbett. Wenn Titer 1 zu 16 und größer, dann wahrscheinlich Immuni- tät von früher.

1-1V nein Rötelnkontakt; Ex-

position liegt fünf bis sieben Tage zurück

Genaue Anamnese. Hämagglutinationshemmti- ter bestimmen, Sofort 0,3 Milliliter pro Kilo- gramm Körpergewicht Rötelnimmunglobulin (Titer 1 zu 6000) und 50 Milliliter (total) Gam- mavenin. Wenn Hämagglutinationshemmtiter kleiner als 1 zu 16, dann Titer in 14 Tagen und später wiederholen, um Wildvirusinfektion zu verifizieren. Bei anhaltender Exposition alle drei bis vier Wochen mindestens 0,15 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht Rötelnimmun- globulin. Wenn Titer unter 1 zu 16 bleibt, dann Rötelnimpfung sofort im Wochenbett. Wenn Hämagglutinationshemmtiter 1 zu 16 und hö- her, dann Immunität; Titeranstieg durch Boo- sterung möglich.

I—IV nein Rötelnkontakt liegt

länger als sieben Tage zurück

Eine Prophylaxe mit Rötelnimmunglobulin zur Verhütung einer Embryopathie ist nicht mehr möglich. Wiederholt Hämagglutinationshemmti- ter bestimmen, um zu verifizieren, ob wirklich bei der Exposition eine Infektion stattgefunden hat. Wenn Rötelnvirämie bei der Mutter verifi- ziert, dann eventuell Frage der lnterruptio.

1—IV nein Rötelnähnliches

Exanthem bei der Schwangeren

Sofort Hämagglutinationshemmtiter bestim- men. Wenn Hämagglutinationshemmtiter zum Beispiel 1 zu 128 und nach 14 Tagen 1 zu 1024, dann tatsächlich frische Rötelnvirämie abge- laufen. Therapeutische Maßnahmen zum Schutze des Embryos nicht mehr möglich. Rö- telnembryopathie wahrscheinlich. Frage der In- terruptio.

I—X nein Rötelnexanthem Titerbestimmung wie oben. Organogenese ab- geschlossen. Keine Embryopathie mehr zu er- warten. Fetopathie mit Spätschäden unwahr- scheinlich, aber möglich. Erfolgreiche thera- peutische Maßnahmen mit Rötelnimmunglobu- lin nicht erwiesen.

2274 Heft 30 vom 25. Juli 1974 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(5)

Aktuelle Medizin Röteln und Schwangerschaft

Über den Nutzen von Gammaglo- bulin bei Rötelninfektion waren die Ansichten lange recht geteilt. Auch der Wert der intramuskulären In- jektion von Gammaglobulin wurde widersprüchlich beurteilt. Neueste Untersuchungen haben aber erge- ben, daß nach intramuskulärer In- jektion die Konzentration in der Blutbahn nach 48 Stunden ihr Ma- ximum erreicht.

Mit einer Immunglobulinprophylaxe von Schwangeren soll das Ange- hen einer Rötelninfektion, die Vir- ämie und damit der mögliche Über- gang des Virus via Plazenta auf die Frucht verhindert werden. Deshalb sollte Immunglobulin möglichst rasch nach dem Rötelnkontakt ver- abreicht werden. Die Immunisie- rung ist nur dann sinnvoll, wenn zum errechneten Zeitpunkt der Vir- ämie die Antikörperbarriere be- reits hoch genug ist. Wie in der Praxis vorzugehen ist, wird an Hand einiger Beispiele in Tabelle 1 erläutert.

Rötelnschutzimpfung

Da nach durchgemachten Röteln eine lebenslange Immunität be- steht, ist es naheliegend, eine sol- che Immunität auch durch eine Imp- fung herbeizuführen. Auch das

Bundesgesundheitsamt weist im Merkblatt Nr. 30 vom Juli 1972 aus- drücklich auf die Rötelnschutzimp- fung*) hin. Die Impfung erzeugt bei empfänglichen Personen ausrei- chende- Antikörpertiter. Sie sind et- was niedriger als bei natürlicher Infektion. Re-Infektionen sind bei allen immunisierten Personen ohne Virämie möglich; sie bewirken eine erwünschte Auffrischung des Anti- körpertiters.

Eine Expertenkommission hat sich für die Impfung aller Mädchen vor Eintritt der Geschlechtsreife aus- gesprochen; Kinder vor Ablauf des ersten Lebensjahres sollten aber nicht geimpft werden. Bei präpu-

*) DEUTSCHES ÄRZTEBLATT, Heft 7/1973,

Seite 423

bertärer Impfung ist eine serologi- sche Vortestung auf Rötelnantikör- per ratsam, aber nicht Vorausset- zung. Bei postpubertärer Impfung sollte eine serologische Vortestung auf Rötelnantikörper stattfinden, um überflüssige Impfungen von Mädchen und Frauen zu vermei- den, die schon auf natürliche Wei- se Schutz gegen Röteln erworben haben.

In der Bundesrepublik Deutschland gehört die Antikörperbestimmung im Rahmen der Schwangerenvor- sorge zu den kassenärztlichen Lei- stungen. Die Impfung darf bei se- ronegativen Frauen durchgeführt werden, wenn feststeht, daß sie nicht schwanger sind, und dafür gesorgt wird, daß sie es in den der Impfung folgenden zwei bis drei Monaten auch nicht werden, was durch Kontrazeptiva leicht erreicht werden kann. Die Rötelnimpfung erfolgt durch subkutane Injektion mit Lebendimpfstoff.

Wenn auch noch nicht sicher ist, ob eine Impfung mit Rötelnvakzi- nen eine ebenso lebenslange Im- munität hinterläßt wie eine Wildvi- rusinfektion, kann man doch mit ei- ner sehr langen Immunität rech- nen. Das haben Titeruntersuchun- gen in den USA ergeben, die fünf Jahre nach Vakzination vorgenom- men worden sind; die Antikörper waren nicht nennenswert abgefal- len. Trotzdem sollten Mädchen ohne Immunität erst kurz vor der Menarche, also in einem Alter zwi- schen zwölf und 13 Jahren, geimpft werden.

Eine solche Massenimpfung von Mädchen vor der Geschlechtsreife, etwa in den Schulen, wird sich nur sehr langsam durchsetzen. Es gibt aber noch eine zweite Möglichkeit, nämlich die Impfung im Wo- chenbett, wie sie beispielsweise in Österreich und Bayern bereits in großem Stil durchgeführt wird.

Wöchnerinnen, die nicht rötelnim- mun sind, werden am zweiten bis siebenten Tag nach der Entbin- dung mit einem Rötelnimpfstoff ge- impft. Das Neugeborene wird

durch diese Impfung nicht beein- flußt; die Mutter darf auch stillen.

Das Impfvirus wird auch nicht auf Säuglinge oder Pflegepersonal übertragen. Natürlich sind die übli- chen Kontraindikationen, wie Fie- ber, akute oder chronisch schwere Krankheiten und Anämie nach der Geburt sowie Kortisontherapie ein- zuhalten. Eine generelle postpartale

Impfung hat aber den Nachteil, daß das erste Kind vor Rötelnembryo- pathie nicht geschützt ist. Es ste- hen also drei Zeitpunkte der Imp- fung mit Rötelnvakzinen zur Wahl:

O Impfung vor der Menarche O Impfung in der reproduktiven Phase unter Kontrazeptiva (drei Monate)

O Impfung im Wochenbett Literatur bei den Verfassern Anschrift der Verfasser:

Professor Dr. med. H. Weidinger Dr. rer. nat. G. Schlayer

68 Mannheim, Theodor-Kutzer-Ufer

Diagnostik in Kürze

Direkte Leberpunktionen haben sich mittlerweile auch für die pneu- mologische Diagnostik als unent- behrlich erwiesen. Besteht etwa Verdacht auf eine Sarkoidose, wird der voll narkotisierte und relaxierte Patient bronchoskopiert. Man ent- nimmt dabei der Bronchialschleim- haut Probeexzidate und führt gleichzeitig eine perkutane Leber- punktion durch. Bei diesem Vorge- hen besteht für den völlig ent- spannten Kranken nur ein geringes Risiko. Durch die Relaxation der Bauchdecken wird auch die Leber- palpation besonders aussagekräf- tig. Führen Bronchoskopie und Le- berpunktion nicht zum Ziel, sind aufwendigere Verfahren wie etwa die Mediastinoskopie sowie die offene Lungenbiopsie einzusetzen.

(Hoecht, W.: Med. Klin. 69 [1974]

191-194) cb DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 30 vom 25.Juli 1974 2275

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