STALLKLIMA
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Stefa n Gurk, Cottbus, Reiner Brunsch, Potsdam, und Otto Kaufmann, Berlin
Systematische Spurengasanalysen in Milchviehställen
Der Stand der Technik erfordert es, die U mweltrelevanz von Tierhaltungen auf der Grundlage von Multigas-Monitoring zu bewerten. Nachfolgend werden Ergeb
n isse systematischer Verfahrensanalysen in der Milchproduktion vorgestellt.
B
ei der Auswahl von Haltungsverfa hren der Milch produktion in landwirtschaftlichen Betrieben werden investiven und arbeitswirtschaftl ichen Aspekten beson
dere Bedeutung beigemessen.
Im Hinblick auf die gesellschaftliche Akzeptanz von Tierhaltungsanlagen ist es jedoch notwendig, tier- u nd umweltschüt
zerische Gesichtspunkte im stärkeren Maße zu berücksichtigen. Bezieht man d iese Ü berlegu ngen in die Auswahl mit ein, wird offensichtlich , daß d ie Milch
viehhaltungsverfahren unter dieser Fra
gestellung zum aktuellen Zeitpunkt nicht sch lüssig bewertet werden können.
Die Verfügbarkeit hochpräziser Gas
analysetechnik setzt neue Ansprüche bei der Beurteilung von Emissions- und lm
missionssituationen [2].
I m folgenden werden einige ausge
wählte Ergebnisse vorgestellt, die aus Un
tersuchungen am Institut für N utztierwis
senschaften der Humboldt-Universität zu Berlin resultieren.
Versuchsbedingungen
Für die vergleichende Ana lyse von ver
schiedenen M ilchviehhaltungsverfahren hinsichtlich ihres umweltbelastenden Po
tentia ls wurden d ie bestimmenden Fakto
ren innerhal b der Produktionsumwelt aufgezeichnet und in Verbi ndung mit den Stallklimameßdaten ausgewertet [1].
Der resultierende U ntersuchungsrahmen staffelt sich in drei Meßreihen (MR). l n der dritten Staffel wurde mit erweiterter meßtechnischer Ausstattu ng d ie Anzahl der Meßpunkte ( M P) im Stal l auf sechs
Oipl.-lng. agr. Stefan Gurk ist als öbv landwirt
schaftlicher Sachverständiger (Emissionen und Immissionen) tätig (Anschrift: Hermann
Löns-Str. 9, 03050 Cottbus).
Dr. Reiner Brunsch ist Leiter der Abteilung
" Technik in der Tierhaltung" im Institut für Agrartechnik Potsdam (ATB), Max-Eyth-AIIee 1 00, 14469 Potsdam-Bornim.
Prof Or. Otto Kaufmann ist Leiter des Fach
gebietes " Technik in der Tierhaltung" und Direktor des Instituts für Nutztierwissenschaf
ten der Landwirtschaft-Gärtnerischen Fakul
tät der Humbold-Universität zu Berlin.
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erhöht. Im Anlagenumfeld wurden Kon
trollmessungen vorgenommen, um das Außenklima und d ie H intergrundkonzen
tration der Spurengase zu bestimmen. Je
de Stallung wurde zur Relativierung der Konzentrationsangaben vermessen.
l n jeder Meßreihe wurden neben der Multigasanalyse, der Lufttem peratur- und der Luftfeuchtemessung a uch bestim
mende Merkmale des Haltungssystems sowie die Tiera ktivitäten aufgezeichnet.
Für die Spurengasana lyse wurde ein Mu ltigasmonitor "Typ 1302" (Fa. B rüel &
Kjäer) genutzt. Durch d ie Werkskalibrie
rung war als untere Nachweisgrenze für Ammoniak (UA 0976) 0, 1 mg/m3, Me
than (UA 0987) 0,2 mg!m3, Kohlend ioxid (UA 0983) 2,52 mg/m3, Lachgas (UA 0985) 0,05 mg/m3 und Schwefelwasser
stoff (UA 0969) 22,7 mg/m3 zu realisie
ren.
l n der dritten Meßreihe wurden die sechs Meßpunkte durch den Mehrpunkt
probennehmer "Typ 1309" angesteuert.
Die Aufzeichnung von Tem peratur und Luftfeuchtigkeit erfolgte mit gleichge
schaltetem Meßintervall ( 1 50 s) .
Für die Einflüsse unterschiedlicher Faktoren a uf Spurengaskonzentrationen konnten die in der Tabelle 1 dargestellten relativen Größenord nungen ermittelt wer
den. Als Bezugsbasis für die Abweichun
gen wurde der aus den Vorversuchen re
su ltierende Referenzmeßpunkt verwa ndt.
Wä hrend der ersten und zweiten Ver
suchsreihe wa r der Meßpun kt ( M P) in 1 m Höhe über der Oberka nte des Fußbo
dens (OKF) positioniert. Bild 1 stellt d ie pri nzi pielle Meßpunktanord nung der d rit-
Tab. 2: Raummaß und emissionswirksamer Stallflächenanteil (relativ zur Gesamtsta/1- grundf/äche) der untersuchten Haltungsver
fahren
Table 2: Space dimension and emission effective stable floor area, relative to total stable floor area of keeping methods investi
gated
Haltungsverfahren Raummaß Emissionsflächen- in m31Tier anteil in % Anbinde-Einstreu (AE) 23,82 60,3 Anbinde-G ülle
u nterflu r (AGu) 23,99 57,8 Laufstall-Einstreu (LE) 29,43 65,3 Laufstall-Gülle
u nterflu r (LGu) 25,22 87,8
ten Versuchsreihe dar. Die Höhe über OKF betrug für MP 1 - 0,3 m, MP 2 - 1 ,0 m, M P 3 - 2,0 m sowie für M P 4, 5 und 6 jeweils 3,4 m .
U m Haltungsverfahren fü r Milchvieh i n einem Feldversuch vergleichen zu kön
nen und um den Einflu ß unterschied li
cher Sta l l bauten (Stal l breite, -höhe, Dach neigung) auszuschl ießen, wurde ei
ne Bau hülle ausgewä hlt, die als Stallty
pen projekt i n Ostdeutschland weite Ver
breitung fand u nd i n die u nterschiedlich
ste Aufstallungsvarianten von Milchvieh integriert wurden.
Das Stalltypen projekt L203 wurde in der ehemal igen DDR durch d ie La nd bau
projektierung Potsda m entwickelt. Es handelt sich dabei um eine Stütze-Rie
gel konstru ktion. Die errichteten Stä lle sind einheitlich in ihren Abmessungen, lediglich durch d ie unterschiedliche An
zahl der aneinandergefügten Elemente kann es zu Differenzen in der Stallänge kommen [3] .
Tab. 1 : Einfluß unterschiedlicher Faktoren auf die gemessene Gaskonzentration Table 1 : lnfluence of
different factors an 1--Fa....;kt.:..:.o.:..:.re....;n _______::B...:.es.:..:.c_hr_ei_bu_n:::...g ---------'-re_la_ti_v --l
measured gas concen- Jahreszeit - klimatische Schwankungen bis 80 % tration Tagesabschnitt - zirkadiane Außenklimaverschiebung bis 30 %
Bild 1 : Prinzipskizze zur Meßpunktanord
nung (MP 1 bis MP 6) der dritten Versuchs
reihe Fig. 1 : Principal sketch of measuring point arrangement (MP 1 to MP 6) of third series of
Aktivität - U mtrieb, Fütterung, Entmistung bis 45 %
Meßpunkt - verstärkter Su bstrateinfluß bis 60 %
- I nversion bei Schwerkraftlüftung . bis 35 %
4 6
3 2 1
investitgation L---'
52. Jahrgang LAN DTEC H N I K 4/97
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7 NH3 co2 s.ooo
6 t----l":!rl---r:=---j 4.000 5
4 3 2
AE AGu LE LGu
3.000 2.000 1 .000
Bild 2: Stalluftkonzen
tration von NH3 uncf co2 über den gesam
ten Untersuchungs
zeitraum
Fig. 2: Goncentration of ammonia and
Haltungsverfahren 1 houslng system carbon dioxide during
�"""
l
o-=Am-m-on.,--la:-k ilii=Ko-:-h:-len--:d:-iox""'id,--,1
the total period investi- L-------------==============�� garedFür die U ntersuchungen wurden 14 Produktionsstätten im Bundesland Bran
denburg ausgewählt:
• Drei Stallungen (208, 208, 250 Kuh
plätze), Anbindehaltung, Stroheinstreu
• Drei Stallungen (328, 1 78, 194 Kuh
plätze), Anbindehaltung, Gülle (U nter
flur)
• Drei Stal lungen (285, 185, 205 Kuh
plätze), Laufsta llhaltung, Stroheinstreu
• Drei Stallungen (191, 213, 275 Kuh
plätze), Laufstallhaltung, Gülle (unter
flur)
• Ein Stall (201 Kuh plätze), Laufstallhal
tung, Gülle (oberflur)
• Ein Stall (221 Kuh plätze), Laufstallhal- tung, Tretmist
An allen Standorten befinden sich die Ab
produ kte (Gülle, Festmist, Jauche) in Außenlagern. Die unterschiedlichen Auf
stallungsvarianten werden einheitlich mit der Schwerkraftlüftung (freie Lüftung) be
wirtschaftet. Zu diesem Zweck sind qua
d ratische Abluftkamine stallmittig im Deckenbereich angeordnet.
Spurengaskonzentrationen der Sta l luft sind rau mbezogen und werden d urch vielfältige Emissionsfaktoren bestimmt. l n Tabelle 2 sind konzentrationsbestimmen
de Größen für die untersuchten Milch
viehbetriebe zusammengefaSt Die emis
sionswirksame Fläche berechnet sich a us der Gesamtstallgrundfläche a bzüglich der durch die Tiere nicht begeh baren Be
reiche (Futtertisch, Beobachtungsgang) . Die traditionelle An bindeha ltung ist ge
prägt durch ein geringeres Flächenange
bot je Tier sowie kom pakte Aufstallungs
formen . Daraus ist ein Kot- und Harnan
fa l l in enger rä umlicher Begrenzung a bzuleiten. Im Laufstall werden durch Tier- und Produktionsaktivitäten größere Flächenanteile verschmutzt.
Die Zahlen in Ta belle 2 verdeutlichen , daß sich bei sinkender Bestandsdichte in der Laufstallhaltung der Anteil an emissi
onsrelevanter Sta llfläche erhöht.
Bild 2 zeigt die gemittelten Stalluftkon
zentrationen für NH3 und C02 ü ber den gesamten U ntersuchungszeitra um. Die Abstufungen im Konzentrationsniveau der versch iedenen Haltu ngsverfa hren lassen sich auch bei Einzelbetrachtung
52. Jahrgang LANDTECH N I K 4/97
der Meßreihen sowie für die Spurengase Methan (CH4) und Lachgas CN20l nach
vollziehen.
Erwartungsgemäß fallen die Kohlendio
xidwerte im Laufstall günstiger aus. Die
ser Sachverhalt ist zum einen in der ge
ri ngeren Besatzdichte (vgl. Ta belle 2 - Raummaß) und zum anderen lüftungs
technisch erklärbar. l n Stallungen, d ie über Schwerkraft be- und entlüftet wer
den, ist der komplette Luftaustausch auf d ie Ausprägu ng einer natürlichen Raum
luftwalze angewiesen. Durch die stabile Reihenstruktur in Anbindehaltungen (AE, AGu) werden dagegen die Prozesse der freien Lüftung behindert.
U nter Einbeziehnung der in Tabelle 2 benan nten Faktoren ist die Ammoniak
konzentration zu bewerten . Setzt man das Verfah ren Anbindehaltung mit u nterflu ri
gem Güllesystem als Bezugsmaß an und korrigiert die Ammoniakstall uftkonzentra
tionen auf der Basis der ermittelten relati
ven Kohlendioxidwerte (Maß des verbes
serten Luftwechsels) für jedes Verfahren, so ergibt sich ein mittlerer Ammoniakwert von 4,86 mg/m3 für LE und 4,5 mg/m3 für LGu .
Die gemessenen Konzentrationen für N H3 Iiegen mit 1 ,9 mg/m3 für LE und 3, 1 1 mg!m3 für LGu erheblich darunter und sind somit n icht a llein über eine verbes
serte Lüftungsintensität erklärbar. Ein Er
klärungsansatz ist die teilweise räumliche Trennung von Kot- und Harnanfall in Laufstäl len u nd d ie dadurch verminderte U reasea ktivität beim Aufschluß des leicht zersetzbaren Harnstoffs [4] .
Die N H3-Freisetzung in N utztierstallun
gen basiert außerdem zu großen Teilen auf der Partiald ruckd ifferenz an Aus
tauschflächen [5]. Vergleicht man jedoch den Anteil dieser emissionsrelevanten Flächen, wird deutlich, daß die Haltungs
verfahren mit höheren Ammoniakbela
stu ngen ( B ild 2) einen geringeren Austauschflächenantei l besitzen. Die ne
gative Wirkung eines höheren Emissions
flächenanteils i n der Laufstallhaltung kommt nicht zum Tragen .
M it der Erweiterung auf die M ultigas
Mehrpunktprobennahme im Stallq uer
schnitt ist d i e Bewertung des Referenz-
meßpunktes der Meßreihen 1 und 2 mög
lich. Außerdem sollte das gewon nene Da
ten materia l durch die Wiederholungen abgesichert werden.
Aus den geringen Variationen der ge
mittelten Gaskonzentrationen ( M P 1 bis M P6) lassen sich led igl ich für Kohlend io
xid und Methan gerichtete N iveauunter
schiede a bleiten. Die Konzentrationen er
höhen sich von M P2 zu M P4 um etwa 10
% u nd verringern sich in gleicher Größe
nordn ung bei Absenkung des Meßpunk
tes von OKF 1 m auf OKF 0,3 m.
Die statistischen Auswertungen zum M ittelwertvergleich ( M P 1 bis M P6) von Ammon ia k und Lachgas weisen dagegen auf zufallsbedingte Differenzen hin. Die Streuung an den Meßpun kten überlagert mit ihrer Schwankungsbreite die Größen
ord nung der M ittelwertunterschiede.
Schlußfolgerungen
Die vergleichende Spurengasanalyse im Feldversuch ist zur Bewertu ng von Hal
tungsverfa hren hinsichtlich ihrer U mwelt
relevanz geeignet. Besondere Aufmerk
sam keit bei der Versuchsplanung muß der Gleichschaltung von emissionsbe
stimmenden Faktoren ei ngeräumt wer
den. Einflußgrößen, d ie nicht gesteuert werden können (Raummaß, Emissions
flächenanteil), sind bei der Kom plexana
lyse gesondert zu berücksichtigen.
Die Wah l von Referenzmeßpunkten ist praktika bel , i h re Plazierung ist durch um
fangreiche Vorstudien a bzusichern . Durch d ie vorgestel lten U ntersuchun
gen wird belegt, daß die Luftq ual ität in Laufställen deutlich bessere Eigenschaf
ten besitzt. Das Kohlend ioxid kann dabei als Indikator für die geringere Besatz
dichte gelten . Die Steigerung im Rauman
gebot (rund 25 %) ist äquivalent bei den a bgesenkten Kohlendioxidkonzentratio
nen zu finden. Das N ivea u der N H3-Kon
zentrationsa bsenkung wird mit dem er
höhten Raummaß nur u nzureichend er
klärt, zumal durch den steigenden Emissionsflächenanteil bei der Laufstall
haltung eine gegenläufige Wirkung abzu
leiten ist. Der verfahrensbedingte Einfluß einer tei lweisen rä umlichen Trennung von Kot und Harn im Laufstall kann dabei als Erklärung für verminderte Ammoniakfrei
setzungen d ienen.
Literaturhinweise sind vom Verlag unter LT 974 1 5 erhältl ich.
Schlüsselwörter
Stall uft, Spurengasmessung, Haltungs
verfahren, Milchkühe Keywords
Sta ble air, gas monitoring, housing sy
stem, dairy cow
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