MEDIZIN
Amyloidose, Sklerodermie und Dermatomyositis können ebenfalls mit einem Malabsorptionssyndrom einhergehen. Die Ursache ist zumin- dest teilweise in einer motilitätsbe- dingten bakteriellen Überbesiedlung des Dünndarms zu sehen.
Kurzdarmsyndrom
Unter Kurzdarmsyndrom verste- hen wir die metabolischen und nutriti- ven Konsequenzen einer ausgedehn- ten Darmresektion. Ohne schwere Konsequenzen können aus dem mitt- leren Dünndarm bis etwa 50 Prozent der Länge entfernt werden. Ein intak- tes Duodenum mit mindestens 20 bis 30 cm Jejunum ist unabdingbar für ein Überleben ohne langfristige parente- rale Ernährung.
Bei ausgedehnten Resektionen tritt eine globale Malabsorption mit stark osmotisch bedingten Durchfäl- len auf, wobei die drohende Exsik- kose oft im Vordergrund steht.
Wenn nicht behandelt wird, kommt es zu einem rapiden Gewichtsver- lust, später zu Schwäche, Fett- und Muskelschwund. Im weiteren Ver- lauf treten andere Folgen der Mal- absorption wie Tetanie, Anämie, Blutungsneigung und Hypalbuminä- mie auf.
Zehn oder gar 20 wäßrige Entlee- rungen führen häufig zu sekundären Reizungen und entzündlichen Verän- derungen am Anus und an der peri- analen Haut. Die Hyperchlorhydrie kann zur Inaktivierung der Lipase mit zusätzlicher Steatorrhö führen.
Voraussetzung einer erfolgrei- chen Bilanzierung sind die regelmäßi-
ZUR FORTBILDUNG/FÜR SIE REFERIERT
ge Feststellung des zentralen Venen- druck, des Körpergewichts, der Urin- menge, des enteralen Flüssigkeitsver- lustes, der Elektrolytausscheidung und der Serumwerte von Elektro- lyten, pH, Albumin und von Gerin- nungsparametern.
In den ersten Tagen nach ausge- dehnter Resektion ist eine totale par- enterale Substitution mit Flüssigkeit, Glukose, Aminosäuren und Elektro- lyten notwendig. Die enterale Ernährung sollte überlappend be- reits frühzeitig entweder oral oder kontinuierlich über eine dünnlumige Duodenalsonde mit isoosmolaren, chemisch definierten Oligopeptid- diäten (zum Beispiel Survimed OPD) durchgeführt werden. Höher konzentrierte Lösungen bewirken ei- ne osmotische Diarrhö. Der Sinn der frühzeitigen enteralen Ernährung liegt darin, eine frühzeitige Adaptati- on der Dünndarmmukosa zu bewir- ken oder eine Mukosaatrophie zu verhindern. Die enterale Ernährung ist sehr langsam entsprechend dem Ausmaß der Stuhlvolumina zu stei- gern.
Die Diarrhö kann durch Lopera- mid reduziert werden. Ein Urinfluß von zwei Litern sollte gewährleistet sein. Der Genuß von Milch ist zu ver- meiden, da sicher ein sekundärer Laktasemangel vorliegt. Laktosefreie Elementardiäten sind zu bevorzugen.
Die Substitution von Vitaminen (A, D, E, K, 13 12 und Folsäure), Kalzium, Magnesium, Eisen, Zink, Phosphat und essentiellen Fettsäuren, wenn der Patient ausschließlich mittelkettige Triglyzeride einnimmt, sowie auf lan- ge Sicht weiterer Spurenelemente darf nicht versäumt werden.
Meist kann in der Phase der Ad- aptation im Laufe von Wochen eine zunehmend normale Kost verabreicht werden. Zur Optimierung der Pan- kreasfunktion ist die Gabe von pan- kreatinhaltigen Präparaten in Granu- latform sowie die Gabe eines H 2-Re- zeptorblockers angezeigt. Sinnvoll kann der Einsatz von Colestyramin (Quantalan®) zur Reduktion der Di- arrhö sein.
Eine besondere Aufmerksam- keit erfordert die sekundäre enterale Hyperoxalurie (2), die als Folge der Dünndarmresektion auftritt, wenn das Kolon noch erhalten ist. Die The- rapie und die Prophylaxe der zum Auftreten von Nierensteinen führen- den Hyperoxalurie besteht in der Ga- be einer oxalsäurearmen Diät (Mei- den von Kakao, Schokolade, Cola- Getränken, Rhabarber, Rote Bete etc.), Gabe von Colestyramin und Kalzium, wobei letzteres Oxalat im Darm durch Bildung von Kalzium- oxalat bindet.
Zitierweise dieses Beitrags:
Dt Ärzteb11995; 92: A-2991-2998 [Heft 44]
Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis . im Sonderdruck, anzufordern über den Verfasser.
Anschrift des Verfassers:
Prof. Dr. med. Wolfgang F. Caspary Medizinische Klinik II
Schwerpunkt Gastroenterologie und Pneumologie/Allergologie
Universitätsklinikum Frankfurt Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt
Zunahme des Körpergewichts -
Hauptrisikofaktor für Diabetes mellitus
In einer prospektiven Kohorten- studie an 114 281 Krankenschwestern wurden Risikofaktoren für das Auf- treten eines Diabetes-mellitus-Typ-II ermittelt. In der 14jährigen Nachbe- obachtungszeit war die Gewichtszu- nahme der Hauptrisikofaktor für ei- nen Diabetes mellitus. Frauen mit ei- ner Gewichtszunahme von 5,0 bis 7,9
Kilogramm hatten ein 1,9fach erhöh- tes Risiko, Frauen mit einer Ge- wichtszunahme von 8,0 bis 10,9 Kilo- granim ein 2,7fach erhöhtes Risiko ge- genüber den Frauen, die ihr Gewicht konstant hielten. Eine Gewichtsab- nahme über 5,0 Kilogramm führte so- gar zu einer Reduktion des relativen Risikos um über 50 Prozent.
Die Autoren halten das erhöhte Diabetes-Risiko bei bereits geringen Gewichtszunahmen für bemerkens- wert und unterstreichen die Bedeu- tung einer Konstanthaltung des Kör- pergewichts auch im Erwachsenenal- ter. acc Colditz G et al.: Weight gain as a risk factor for clinical diabetes in women. Ann Intern Med 1995; 122: 481-486.
Dr. Colditz, Harvard Medical School, Chan- ning Laboratory, 180 Longwood Avenue, Bo- ston, MA 02115, USA
A-2998 (86) Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 44, 3. November 1995