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Archiv "Kontroverse um Cholesterinsenkung: Ein Mißverständnis: Nur einer von vielen Risikofaktoren" (24.08.1992)

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Zu dem Kurzbericht von Prof. Dr. med. Frank P. Schelp in Heft 50/1991

Kontroverse

um Cholesterinsenkung:

Ein Mißverständnis

DEUTSCHES

ÄRZTEBLATT

DISKUSSION

Nur einer von vielen Risikofaktoren

In seinem Artikel zum Thema Cholesterinsenkung bedauert Prof.

Schelp die Verunsicherung der Ärz- teschaft durch ein vom Deutschen Kassenarztverband verschicktes Journal, in welchem Kritiker der ak- tuellen Cholesterinkampagne aus- führlicher zu Wort kommen. Diese kritische Stellungnahme war jedoch dringend nötig, wenn sich die Fokus- sierung auf bessere Cholesterinwerte zur Prävention der KHK nicht zum größten und teuersten Flop der Me- dizingeschichte entwickeln soll.

Eine offene Diskussion, wie sie zum Beispiel in England, den USA und Kanada seit Jahren geführt wird, hätte diese Verunsicherung pro- blemlos vermeiden lassen (1, 2). Lei- der wurden bei uns notwendige und begründete Zweifel an den Empfeh- lungen der „Nationalen Cholesterin- Initiative" nicht ausreichend deut- lich aufgezeigt — auch nicht im Deut- schen Ärzteblatt. Dabei ist bis heute der Nutzen einer Cholesterinsen- kung nicht einwandfrei belegt. Eine Abnahme der Mortalität konnte we- der mit einer cholesterinsenkenden Diät noch mit Lipidsenkern erreicht werden. Auch die oft zitierte „Niko- tinsäurestudie" ist, bei ehrlicher Be- trachtung, kein Beweis des Gegen- teils. Als Beleg für den Nutzen von Präventionsmaßnahmen führt Prof.

Schelp die MRFIT-Studie an. In die- ser bisher größten Primärpräventi- onsstudie wurden fast 13 000 Män- ner im mittleren Lebensalter mit be-

sonders hohem koronaren Risiko randomisiert einer Gruppe mit in- tensivierter Therapie oder einer Kontrollgruppe zugeteilt.

Trotz erfolgreicher Behandlung der Risikofaktoren Hypercholeste- rinämie, Hypertonie und Zigaretten- rauchen mit Diät, Antihypertensiva und psychologischer Betreuung war das Resultat enttäuschend, nach sie- ben Jahren war die Sterblichkeit in der intensiv behandelten Gruppe erhöht. Neue Daten nach einem Follow-up von zehneinhalb Jahren zeigen einen günstigen Trend — eine nichtsignifikante Abnahme der KHK- und Gesamtsterblichkeit für die Untergruppe der Hypertoniker (3). Es ist tendenziös und unwissen- schaftlich, aus dieser Studie allge- meine Empfehlungen für die Be- handlung der „Hypercholesterin- ämie" abzuleiten.

Gerne werden auch epidemiolo- gische Daten zur Begründung von Normwerten oder Therapieempfeh- lungen angeführt, auch Prof. Schelp führt die Abnahme der koronaren Mortalität in den USA in erster Linie auf die Senkung des Cholesterinspie- gels zurück. Allerdings besteht die- ser Trend schon seit den 50er Jahren und damit lange vor jeder Choleste- rinkampagne (4).

Wir wollen hier keinesfalls ge- gen Präventionsmaßnahmen Stel- lung nehmen, sofern diese sinnvoll, überzeugend und jenseits privater oder wirtschaftlicher Interessen- gruppen sind. Mit Sorge sehen wir jedoch die zunehmende Verordnung von Lipidsenkern. Eindeutig ist dies

die Konsequenz überzogener und undifferenzierter Therapieempfeh- lungen. Wir stimmen mit Prof.

Schelp überein, daß eine bessere Strategie erarbeitet werden muß, dies auf der Grundlage gesicherten Wissens. Mit Schönfärberei, Zahlen- spielen und Übertreibung günstiger Ergebnisse ist der Sache einer wirk- samen Präventivmedizin nicht ge- dient (1). Nach wie vor ist — mit Aus- nahme der familiären Formen — die Hypercholesterinämie keine Krank- heit, sondern einer von vielen athe- rogenen Risikofaktoren mit geringer Sensitivität und Spezifität.

Literatur:

1. Brett, A. S.: Treating hypercholesterolemia.

How should practicing physicians interpret the published data for patients? N. Engl. J.

321 (1989) 676-680

2. Garber, A. M.: Where to draw the line against cholesterol. Ann. Int. Med. 111 (1989) 625-627

3. Multiple Risk Factor Intervention Trial Re- search Group: Mortality after 10,5 Years for hypertensive participants in the Multiple Risk Factor Intervention Trial. Circulation 82 (1990) 1616-1628

4. Thom, T. J.; F. H. Epstein; J. J. Feldman; P.

E. Leaverton: Trends in total mortality and mortality from heart disease in 26 countries from 1950 to 1978. Int. J. Epidemiol. 14 (1985) 510-520

Dr. med. Thomas Martin Internist

Jahnstraße 68

W-8730 Bad Kissingen Dr. med. Hubert Topp Internist/Oberarzt Krankenhaus am Urban Dieffenbachstraße 1 W-1000 Berlin 61

Schlußwort

Der Leserbrief der Kollegen Martin und Topp faßt einige Vorbe- halte gegen meinen Beitrag zusam- men, die auch andere Kollegen in an mich gerichteten Briefen äußerten.

Mein zentrales Anliegen war, Ver- ständnis für Empfehlungen im Be- reich präventiver Maßnahmen auf Bevölkerungsbasis gegen Herz- Kreislauf-Krankheiten zu fördern.

Ich wies ausdrücklich darauf hin, A1-2782 (54) Dt. Ärztebl. 89, Heft 34/35, 24. August 1992

(2)

daß Interventionsstudien bei Hochri- sikogruppen Ergebnisse erbracht ha- ben, die kontrovers diskutiert wer- den. Es fällt mir schwer zu erkennen, daß in meinem Beitrag die MRFIT- Studie als Beleg für den Nutzen von Präventionsmaßnahmen angeführt wurde. Mein Argument ist, daß er- mutigende Resultate bei bevölke- rungsbezogenen Interventionsstudi- en, wie der Nord-Karelien- und der Stanford-Studie (1), Präventions- maßnahmen rechtfertigen, obwohl die Resultate der MRFIT-Studie kaum als Argument gegen Interven- tionsmaßnahmen angeführt werden können. Die MRFIT-Arbeitstgruppe ist der Überzeugung, daß die Sen- kung der Mortalität für koronare Herz-Krankheiten in der Interventi- onsgruppe, die sich deutlich von der Mortalität in der Kontrollgruppe un- terscheidet, auf die Intervention bei den Risikofaktoren Cholesterin und Rauchen zurückzuführen ist und nicht auf die Senkung des Blutdruk- kes, bei dem sich lediglich ein günsti- ger Trend, aber nicht, wie bei den beiden erwähnten Risikofaktoren, ein signifikanter Unterschied ergab.

Die Autoren der MRFIT-Veröf- fentlichung leugnen damit aber kei- neswegs den Nutzen von Maßnahmen gegen den hohen Blutdruck im Be- reich der primären und sekundären Prävention. Die Kollegen Martin und Topp erwähnen in ihrer Argumentati- on nur die Resultate bei Hypertoni- kern, unterdrücken aber die Ergeb- nisse bei anderen Risikofaktoren.

Es ging mir nicht um die Hyper- cholesterinämie als Krankheit, son- dern darum, durch Ernährungsemp- fehlungen, die einzubinden sind in ein allgemeines Konzept der Präven- ton, zu versuchen, die bevölkerungs- bezogene Verteilung des Gesamt- cholesterinspiegels zu senken, und zwar so, daß der Medianwert der Verteilungskurve etwa bei 200 md/dl Gesamtcholesterin liegt. Der Wert 200 mg/dl ist ein „Richtwert" und kein „Normwert". Zu versuchen mit der Anwendung von Lipidsenkern auf Bevölkerungsbasis diesen Richt- wert anzustreben, wird von mir nicht befürwortet.

Das Argument, mit dem die Kol- legen Martin und Topp die Abnah- me der koronaren Mortalität in den

USA von dem Risikofaktor Choleste- rin trennen möchten, ist wenig über- zeugend. Es heißt, die Schlußfolge- rungen aus der Veröffentlichung von Thom und Mitarbeitern in ihr Ge- genteil zu verkehren, wenn diese an- geführt werden, um gegen den posi- tiven Effekt eines akzeptablen Cho- lesterinspiegels zu argumentieren.

Thom und Mitarbeiter verfolgten ausdrücklich das Ziel, Daten für die Beurteilung präventiver Maßnah- men zu liefern. Daß die Umstellung breiter Bevölkerungskreise auf eine weniger fetthaltige Ernährung kei- nen Einfluß auf die Abnahme der Mortalität an koronaren Herz- Krankheiten gehabt hätte, läßt sich aus der Veröffentlichung nicht schließen. Hingegen wird gezeigt, daß in der Gruppe der 45- bis 65jäh- rigen Männer ein deutlicher Ab- wärtstrend in den USA, Australien und Neuseeland erst zwischen 1965 und 1969 zu beobachten ist. Die Fra- mingham-Studie, welche entschei- dend zur Erkennung der heute be- kannten Risikofaktoren beigetragen hat, wurde bereits um 1950 unter dem Eindruck initiiert, daß ein ho- her Fettverzehr am Auftreten von koronaren Herzkrankheiten beteiligt ist. Eine der vielen nachfolgenden Untersuchungen der bei dieser Stu- die beteiligten Bevölkerung zeigt beim Vergleich einer Kohorte von Männern, die 1950 zwischen 50 und 59 Jahre alt waren, mit einer Kohor- te, die dieses Alter 1970 erreicht hat- ten, daß die kumulative Inzidenz kardio-vaskulärer Erkrankungen von 190 pro 1000 der 1950er Kohorte auf 154 pro 1000 bei der 1970er Kohorte abfiel. Diese 19-Prozent-Abnahme der Inzidenz wurde von einer 60-Prozent-Abnahme der Mortalität an kardiovaskulären Erkrankungen begleitet Signifikante Verbesserun- gen wurden in der 1970er Kohorte gegenüber der 1950er Kohorte bei den Risikofaktoren im Bereich Cho- lesterin, Hypertonus, systolischen Blutdruckwerten und Rauchen fest- gestellt (2).

Es gibt nach den mir vorliegen- den Erkenntnissen keinen Grund, den Bereich Cholesterin aus dem all- gemeinen Risikofaktorkonzept bei bevölkerungsbezogener Prävention auszuschließen.

Literatur:

1. Farquhar, J. W.; Fortmann, S. P.; Flora, J. A.

et al.: Effects of communitywide education an cardiovascular disease risk factors. The Stanford five-city project. JAMA 264 (1990) 359-365

2. Sytkowski, P. A.; Kannel, W. B.; D'Agostino, R. B.: Changes in risk factors and the decline in mortality from cardiovascular disease. The Främingham Study. New Engl. J. Med. 322 (1990) 1635-1641

Prof. Dr. med. Frank P. Schelp Arbeitsgruppe Epidemiologie Institut für Soziale Medizin der Freien Universität Berlin August astraß e 37

W-1000 Berlin 45

Antidepressive Pharmakotherapie in der Geriatrie

Zu der Übersichtsarbeit von Dr. med. Ole J. Thienhaus in Heft 30/1992

In Tabelle 2 mit der Überschrift

„Beispiele häufig verschriebener An- tidepressiva, generische Bezeichnun- gen und Handelsnamen" ist für Tri- mipramin der Handelsname Sur- montil® genannt. Wir möchten hier- mit richtigstellen, daß unser Präpa- rat in der Bundesrepublik Deutsch- land unter dem Handelsnamen Stan- gyl® (Trimipramin) zugelassen und vertrieben wird, weltweit aber unter dem Namen Surmontil®.

Elke Fritz Wissenschaftliche Information ZNS

Rhöne-Poulenc Rorer GmbH Nattermannallee 1

W-5000 Köln 30

Dt. Ärztebl. 89, Heft 34/35, 24. August 1992 (55) A1-2783

Referenzen

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