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Archiv "KARZINOMSERIE: Immunologische Behandlung von Hauttumoren" (22.12.1977)

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

Heft 51 vom 22. Dezember 1977

'' Die Methoden der immunologi- schen Behandlung von Haut- tumoren befinden sich alle noch im Stadium klinischer Erpro- bung. Die Indikation zu ihrer An- wendung ist gegeben, wenn eine Dauerheilung auf herkömmliche Weise nicht erzielt werden kann

.

''

KARZINOMSERIE:

Immunologische Behandlung von Hauttumoren

Wolfgang P. Herrmann

Aus der Universitätshautklinik Köln

(Direktor: Professor Dr. med. Gerd Klaus Steigleder)

Die Methoden der immunologischen Tumorbehandlung sind keine therapeutischen Alternativen, sondern zusätzliche Maßnahmen gegen Tumorzellen, die von der Therapie der Wahl nicht erlaßt worden sind.

Bei den malignen Melanomen der Haut hat sich die unspazifische. Stimulation der immunologischen Tumorabwehr bislang am besten bewährt. Wichtige Voraussetzungen sind: frühzeitiger Einsatz, maxi- male Reduktion der Tumormasse und systematische Kontrolle der immunologischen Parameter. Die Frühdiagnose durch den niederge- lassenen Arzt ist von ausschlaggebender Bedeutung für den Erfolg aller immuntherapeutischen Maßnahmen.

Bei der Behandlung bösartiger Ge- schwülste kommt es im Endeffekt darauf an, die normale Lebenser- wartung des Kranken zu erhalten und die Rückfallquote des Tumors auf ein Minimum zu beschränken.

Dafür steht uns ein Arsenal unter- schied I i eher Behand I u ngsmethoden zur Verfügung, die sich grob sche- matisch in vier Kategorien einteilen lassen:

...,.. Operative Maßnahmen, ...,.. Strahlentherapie, ...,.. Chemotherapie und ...,.. lmmuntherapie.

Jede dieser Modalitäten hat ihre ganz bestimmten Indikationen. Die

Priorität liegt eindeutig bei der kon- ventionellen Therapie, denn die Me- thoden der immunologischen Tu- morbehandlung befinden sich alle noch im Stadium der Erprobung. Sie sind keine therapeutischen Alterna- tiven, sondern additive Maßnahmen und nur als solche, das heißt zur Unterstützung und Ergänzung kon- ventioneller Behandlungsmethoden von therapeutischem Wert.

Die Indikation zur Anwendung im- muntherapeutischer Maßnahmen ist nur gegeben, wenn eine Dauerhei- lung auf herkömmliche Art nicht er- zielt werden kann .

Bei den häufigsten Tumoren der menschlichen Haut- das sind Basa- liome und Plattenepithelkarzinome - kommt eine immunologische Be- handlung daher nur ausnahmsweise

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in Betracht; hier wird das Behand- lungsziel auch mit der konventionel- len Therapie fast immer erreicht. Die Heilungsquoten liegen bei 85 bis 90 Prozent.

Das eigentliche Anwendungsgebiet sind die malignen Melanome und al- lenfalls noch einige seltenere Tumo- ren und Lymphome der Haut, wie aus neueren Mitteilungen über die BCG-Behandlung des Kaposi-Sar- koms und über die DNCB-Therapie der Mycosis fungoides zu entneh- men ist.

Die theoretischen Grundlagen der immunologischen Tumorbehand- lung lassen sich in vereinfachter Form etwa folgendermaßen zusam- menfassen:

..,.. Die Transformation einer Zelle zur Tumorzelle geht mit Veränderungen am Antigenprofil einher, die sich u. a. an der Zelloberfläche manife- stieren.

..,.. Tumorzellen werden deshalb im immunologischen Sinne als .. fremd"

empfunden - vergleichbar einem Organtransplantat; man spricht des- halb auch von tumorspezifischen Transplantationsantigenen {TSTA).

..,.. Das immunologische System des Tumorträgers reagiert darauf mit der Bildung spezifischer Antikörper vom humoralen und zellulären Typ. Diese tumorspezifischen Immunreaktio- nen sind zum Teil zytotoxisch - je- denfalls in vitro, wobei der zellver- mittelten Zytotoxizität die größere Bedeutung beigemessen wird. Von

einer kritischen Tumorgröße an sind im peripheren Blut Faktoren nach- weisbar, die die Wirkung humoraler und zellvermittelter Immunreaktio- nen blockieren; vermutlich handelt es sich dabei um zirkulierende Tumorantigene und Antigen-Anti- körper-Komplexe.

Die biologische Bedeutung dieser Phänomene ist allerdings nicht ein- deutig geklärt, denn

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bisher ist nicht eines der TSTA charakterisiert und zweifelsfrei iden- tifiziert worden, abgesehen von eini- gen onko-fetalen Antigenen, die aber alle nicht immunogen sind;

f) es ist nicht gesichert, daß die in vitro nachgewiesenen zytotoxischen Aktivitäten auch in vivo irgendeinen Einfluß auf das Tumorwachstum haben;

8

es ist ungewiß, ob jene Faktoren, die in vitro blockierende Eigen- schaften besitzen, auch in vivo die Tumorabwehr hemmen (3, 7) . Dennoch besteht kein Zweifel daran, daß das Wachstum maligner Tumo- ren von immunologischen Faktoren beeinflußt wird, denn Patienten mit primären oder sekundären Immun- defekten erkranken signifikant häu- figer an Malignomen als die Durch- schnittsbevölkerung (7).

Nach der Immunüberwachungs- theorie von Burnet ist es sogar ein ganz physiologischer Vorgang, daß Zellmutanten auf immunologischem Wege eliminiert werden, bevor ein

maligner Tumor daraus entsteht. Die klinische Erfahrung zeigt aber, daß die immunologische Tumorabwehr im allgemeinen nicht ausreicht, um einen schon etablierten Tumor wie- der abzustoßen.

Spontanregressionen maligner Tu- moren sind seltene Ausnahmen, welche die Regel nur bestätigen; zu- gleich sind sie aber ein Hinweis dar- auf, daß in der Manipulation der im- munologischen Tumorabwehr eine therapeutische Chance liegt.

Eine Aktivierung tumorspezifischer Immunreaktionen ist aber nur mög- lich, wenn und solange das immu- nologische System des Kranken in- takt ist. Diese Voraussetzung ist nicht in jedem Falle gegeben, weil die immunologische Reaktionsbe- reitschaft in fortgeschrittenen Tu- morstadien beeinträchtigt sein kann.

Außerdem geben wachsende Tumo- ren permanent lösliche Antigene ab, die mit humoralen Antikörpern zir- kulierende Immunkomplexe bilden, von denen man annimmt, daß sie die zytotoxische Aktivität spezifisch sensibilisierter T -Lymphozyten blok- kieren.

ln therapeutischer Hinsicht ergeben sich daraus folgende Konse- quenzen:

0

Ein gezielter Einsatz immunologi- scher Behandlungsmaßnahmen ist nur möglich, wenn man die immu- nologischen Verhältnisse des Kran- ken kennt, das heißt sowohl vor als auch während der Behandlung zell-

Tabelle 1: Testbatterie zur Prüfung der zellvermit- telten Immunantwort

Tabelle 2: Testbatterie zur Kontrolle der humora- len Tumorabwehr

Prüfung der zellvermittelten Immunantwort unspazifisch

Tuberkulin Liofil Candidin DNCB LTT/PHA u. a.

spezifisch

devital. Tu'zellen I. C.

Zytotoxizitätstest Kolonieinhibition Leukozytenmigration L TT /Tumorzellen

-

unspazifisch lg quantitativ B Lymphozyten Komplement

Humorale Faktoren spezifisch

Membranfluoreszenz Zytotoxizitätstest blockierende Faktoren

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Abbildung 1:

Pigment- schwund nach intralä- sionaler BCG-Be- handlung ei- ner Mela- nommetastase vermittelte Immunreaktionen und

humorale Faktoren sorgfältig kon- trolliert und dabei nach Möglichkeit auch die tumorspezifische Immun- antwort überwacht. Die systemati- sche Kontrolle der immunologi- schen Parameter erfordert daher ei- nen erheblichen Aufwand an klini- schen und labortechnischen Unter- suchungen (Abb. 1, 2).

e

Die Masse der Tumorzellen sollte mit konventionellen Mitteln soweit wie irgend möglich reduziert wer- den, weil

a) das immunologische System des Kranken nur eine relativ kleine Tu- mormasse bewältigen kann;

b) die Aussaat blockierender Fakto- ren dadurch am schnellsten und wir- kungsvollsten gedrosselt wird.

Günstigster Zeitpunkt für den Ein- satz immuntherapeutischer Maß- nahmen ist deshalb das frühe Sta- dium metastasierender Tumoren, solange noch eine Chance besteht, das Wachstum klinisch inapparenter Mikrometastasen zu hemmen.

Im Prinzip kommen mehrere Mög- lichkeiten in Betracht, die man als passive, adoptive und aktive Immun- therapie bezeichnet:

• Übertragung humoraler Anti- körper;

• Übertragung immunkompetenter Zellen, von Transferfaktor oder lmmun-RNA;

• spezifische oder unspezifische Stimulation der körpereigenen Tumorabwehr (8).

Passive und addoptive Immunthera- pie entsprechen dem Wesen nach einer Substitutionstherapie; das Wirkungsprinzip ist deshalb von der immunologischen Kapazität des Kranken unabhängig. Dennoch ist der therapeutische Wert dieser Ver- fahren nach bisher vorliegenden Be- richten gering — zumindest bei allei- niger Anwendung. Außerdem haben sie den Nachteil, daß man zur Ge- winnung von Seren und immunkom-

petenter Zellen auf geeignete Spen- der angewiesen ist beziehungsweise auf den Patienten selbst — oder auf Tiere ausweichen muß. Manche Ver- fahren sind zudem mit enormen Ri- siken belastet, insbesondere die Be- handlung mit Fremdseren, die stets mit der Gefahr des anaphylaktischen Schocks und der Immunkomplexne- phritis verbunden ist.

Aber auch nach Verabreichung ho- mologer und heterologer Lympho- zyten sind Schocks beobachtet wor- den; außerdem ist das Problem der Abstoßung transfundierter Zellen und der gefürchteten Graft-versus- host-Reaktion nicht befriedigend gelöst. Die Induktion tumorspezifi- scher Immunreaktionen mittels Transferfaktor oder Immun-RNA ist zwar ungefährlich, scheint aber nicht sehr wirksam zu sein.

Bei anergischen Patienten wird neu- erdings versucht, die Produktion von T-Zellen mit Thymosin anzukur- beln; es handelt sich dabei um ein hormonartiges Produkt der Thymus- drüse, das die Entwicklung und Rei- fung der T-Lymphozyten steuert und bereits mit Erfolg zur Behandlung von Kindern mit Thymushypoplasie eingesetzt worden ist.

Die Methoden der aktiven Immun- therapie sind insgesamt weniger aufwendig und weniger riskant, set- zen aber voraus, daß das immunolo- gische System des Kranken intakt ist.

Grundsätzlich kommen zwei Mög- lichkeiten in Betracht, nämlich

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die Zufuhr spezifischer Tumor- antigei e, wobei im wesentlichen

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inaktivierte Zellen, Zellmembranprä- parationen oder Zellextrakte ver- wendet werden und

die Verabreichung unspezifischer Adjuvantien.

Bisher sind aber alle Versuche einer spezifischen Immunisierung erfolg- los geblieben. Man erhält zwar nach

Tumoraustauschtransplantationen und nach der Verabreichung autolo- ger Tumorzellen und dergleichen vorübergehend einen meßbaren An- stieg spezifischer Antikörper; eine objektive Änderung des Krankheits- verlaufes wird damit aber nicht er- reicht. Nach unseren Erfahrungen bringt die Immunisierung mit auto-

logen Tumorzellen bei Melanom- kranken auch im Primärstadium kei- ne signifikante Verbesserung der Überlebenschancen. Man hat des- halb versucht, die Antigenität von Tumorzellen durch sogenannte An- tigenmodulation zu steigern, das heißt durch chemische Anlagerung von Fremdproteinen beziehungs- weise durch enzymatische Freile- gung verborgener Antigendetermi- nanten eine Antigenpotenzierung zu bewirken; überzeugende Thera- pieerfolge sind aber auch damit nicht erreicht worden. Dennoch könnte in der spezifischen Immuni- sierung eine reelle Chance liegen, sofern es gelingt, tumorspezifische Transplantationsantigene in gerei-

nigter oder zumindest angereicher- ter Form darzustellen. Beim mali- gnen Melanom liegen erste Ansätze einer biochemischen Charakterisie- rung tumorassoziierter Antigene be- reits vor. Der Trend geht vorerst aber noch in Richtung auf eine Kombina- tion mehrerer Verfahren, indem au- tologe Tumorzellen zusammen oder im Wechsel mit unspezifischen Ad- juvantien und sensibilisierten Lym- phozyten verabreicht werden. Es bleibt abzuwarten, ob sich mit die- sen Methoden bessere Ergebnisse erzielen lassen (1, 8).

Zur Zeit verfolgen wir das Schicksal von 35 Melanompatienten, bei de- nen im Stadium I nach operativer

Abbildung 2a und 2b: Rückbildung von Melanommetastasen nach intraläsionaler Injektion von Vacciniavirus: Zustand 10 Tage post injectionem (links) und 4 Monate später (rechts)

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Abbildung 3: BCG-Hautreaktionen nach Melanombehandlung Entfernung der Primärtumoren au-

tologe Tumorzellen zusammen mit komplettem Freundschem Adjuvans in die regionalen Lymphabflußge- biete injiziert wurden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat es aber den Anschein, als ob die Me- thoden der unspezifischen Immun- therapie besser wirksam seien als alle anderen Verfahren. Außerdem haben sie den großen Vorteil, daß man Immunstimulantien verwenden kann, die im Handel erhältlich sind, wie zum Beispiel BCG-Impfstoffe, Dinitrochlorbenzol, Vacciniavirus und komplettes Freundsches Adju- vans. Darüber hinaus sind noch eine Reihe weiterer Substanzen verwen- det worden, von denen bislang aber nur MER-BCG und Corynebacte- rium parvum eine gewisse Bedeu- tung erlangt haben.

Nach unseren Erfahrungen haben die diversen Adjuvantien trotz aller chemischen und biologischen Un- terschiede und trotz ihrer sicher nicht gleichartigen Wirkungsmecha- nismen eines miteinander gemein- sam: daß sie nämlich am Ort ihrer Einwirkung heftige entzündliche Lo- kalreaktionen hervorrufen, die meist auch von fieberhaften Allgemeiner- scheinungen begleitet sind. Bei in- traläsionaler Injektion werden klei- nere Tumoren dadurch ganz oder teilweise zerstört, und manchmal kommt es auch zur Rückbildung be- nachbarter, nicht beimpfter Tumo- ren, aber nur höchst selten zum Ver- schwinden von Fernmetastasen.

Bei Rückbildung epidermokutaner Melanomknoten bleibt entweder ein vitiligoähnlicher depigmentierter Fleck zurück (Abbildung 1) oder ein blau-schwarz durch die Haut schim- mernder Rest des Tumors, der bei histologischer Betrachtung aus ei- ner Ansammlung von pigmentbela- denen Makrophagen besteht. In fort- geschrittenen Tumorstadien läßt sich das Auftreten neuer Metastasen und damit die Progression des Tu- mors dennoch mit keinem der ge- nannten Stoffe wirksam verhindern.

Komplettes Freundsches Adjuvans hat den Nachteil, daß es sehr lang- wierige und schmerzhafte Granulo-

me verursacht, die eine Tendenz zur Einschmelzung haben und deshalb später operativ entfernt werden müssen. Nach Injektion des Adju- vans in Lymphknotenmetastasen sind Remissionen bis zu zehn Mona- ten beobachtet worden.

Vacciniavirus scheint nur wirksam zu sein, wenn der Immunisierungs- grad nicht zu hoch ist, das heißt die letzte Pockenschutzimpfung schon länger zurückliegt. In einem ausge- wählten Krankengut sind bei etwa 20 Prozent der Fälle Vollremissionen bis zu drei Jahren beobachtet wor- den (Abbildung 2). Bei sehr hohen Dosen kommt es gelegentlich zur Vaccinia generalisata, die aber im allgemeinen komplikationslos abzu- heilen pflegt.

Zur Zeit werden vornehmlich BCG- Impfstoffe verwendet, die man so- wohl intrafokal als auch systemisch anwenden kann. Die meisten BCG- Impfstoffe sind standardisiert, so daß sie sich relativ genau dosieren und miteinander vergleichen lassen.

Dabei hat sich gezeigt, daß die Wir- kung entscheidend von dem ver- wendeten BCG-Stamm, von der ver- abreichten Zahl lebender Keime und von der Applikationsart abhängig ist. Tuberkulinnegative Patienten,

die auch nach BCG-Impfung nicht tuberkulinpositiv werden, sprechen allerdings nicht an.

Der onkolytische Effekt ist offenbar am stärksten, wenn BCG mit dem Tumor in direkten Kontakt gebracht wird. Nach Morton et al. sollen beim malignen Melanom 90 Prozent aller injizierten Hautmetastasen und bei 17 Prozent der Patienten auch nicht beimpfte Tumoren auf BCG anspre- chen; 25 Prozent der Patienten seien für 1 bis 6 Jahre rezidivfrei geblie- ben. Unsere eigenen Erfahrungen (n

= 50) mit dem BCG-Stamm Göte- borg waren weniger günstig, denn wir haben eine Rückbildung unbe- handelter Hautmetastasen bisher nicht beobachten können.

Die intraläsionale Injektion von BCG-Vakzine ist übrigens nicht ganz ohne Risiko, denn es sind ver- einzelt schwere Leberschäden, ge- neralisierte BCG-Infektionen und anaphylaktische Reaktionen mit zum Teil tödlichem Ausgang sowie beschleunigtes Tumorwachstum mit Auftreten blockierender Faktoren beschrieben worden. Die eigentliche Domäne der BCG-Therapie sind aber maligne Melanome im Stadium I und II, wo der Impfstoff nach opera- tiver Entfernung aller erreichbaren

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Tumoren systemisch angewandt wird. Vergleichende Untersuchun- gen haben gezeigt, daß der thera- peutische Effekt nach Skarifikation besser ist als nach intrakutaner In- jektion, die zudem langwierige und meist fistelnde Infiltrate hinterläßt (Abbildung 3). Da relativ hohe Dosen appliziert werden müssen (1 bis 20 mal 10 6 bis 10 8 Keime), hat sich die Multipunktur weitgehend durchge- setzt.

In mehreren Studien konnte gezeigt werden, daß die rezidivfreien Inter- valle nach Operation plus BCG-The- rapie mehr als doppelt so lang wa- ren wie nach alleiniger Operation;

die Progression der Tumoren hat sich in den meisten Fällen dennoch nicht verhindern lassen (6).

Manche Kliniken (USA) sind deshalb dazu übergegangen, primäre Mela- nome schon vor der operativen Ent- fernung mit BCG zu umspritzen, an- dere injizieren BCG unmittelbar nach der Operation in die regionalen Lymphknoten; bisher liegen darüber aber noch keine Erfahrungsberichte

vor.

Bei inoperablen Tumoren und disse- minierter Metastasierung wird BCG neuerdings auch zur Unterstützung chemotherapeutischer Maßnahmen eingesetzt. Mit der von Gutterman et al. inaugurierten „Chemoimmunthe- rapie" mit Dacarbazine*) und BCG soll sich vorübergehend eine partiel- le Rückbildung oberflächlicher Tumorknoten und kurzfristig ein Stillstand des Tumorwachstums er- zwingen lassen; bei Patienten mit nur regionaler Metastasierung soll sogar eine statistisch signifikante Verlängerung der mittleren Überle- benszeit erzielt worden sein.

Zur Zeit wird von einer Mailänder Arbeitsgruppe überprüft, ob die Kombination operativer Maßnahmen mit der Guttermanschen Chemoim- muntherapie im Tumorstadium II bessere Resultate erbringt.

Zur Behandlung oberflächlicher Tumorknoten ist auch die lokale

*) Dimethyl-Triazeno-Imidazol-Carboxamid

Applikation von Dinitrochlorbenzol (DNCB) empfohlen worden. DNCB ist eine p-substituierte aromatische Aminoverbindung mit außerordent- lich hohem Sensibilisierungsindex.

Beim Umgang mit dieser Substanz ist deshalb Vorsicht geboten.

Zu therapeutischen Zwecken wird DNCB in obligat toxischen Konzen- trationen (1 bis 3 Prozent) verwandt, die am Ort der Einwirkung zunächst eine toxische Entzündung und im Anschluß daran fast automatisch ei- ne Kontaktallergie hervorrufen.

Durch wiederholtes Auftragen von DNCB können oberflächliche, vor al- lem flache Tumoren völlig zur Ein- schmelzung gebracht werden, wo- bei die Applikation in Salbenform unter Okklusion offenbar wirksamer ist als das Auftragen azetonischer Lösungen. Verschiedentlich ist auch die Rückbildung benachbarter, nicht behandelter Metastasen und vereinzelt sogar die Regression von Lymphknoten- und Lungenmetasta- sen beobachtet worden, während in anderen Fällen unter der Therapie neue Metastasen aufgetreten sind.

Primärtumoren sollen allerdings besser ansprechen als Melanom- metastasen.

Dennoch ist die Lokalbehandlung primärer Melanome mit DNCB keine therapeutische Alternative, solange nicht einwandfrei sichergestellt ist, daß damit ebenso gute Heilungs- quoten erreicht werden wie mit der operativen Behandlung. Aber selbst dann bliebe sie problematisch, weil dabei sowohl auf die histologische Sicherung der Diagnose als auch auf die in prognostischer Hinsicht so wichtige Klassifizierung des Tumors verzichtet werden muß. Die Lokalbe- handlung primärer Melanome kann deshalb nicht empfohlen werden, und in der freien Praxis ist sie mei- nes Erachtens nicht zu verant- worten.

Als Fazit muß festgestellt werden, daß die Methoden der immunologi- schen Tumorbehandlung sich alle noch im Stadium klinischer Erpro- bung befinden. Dennoch kann dabei auf die Mitwirkung des niedergelas-

senen Arztes nicht verzichtet wer- den, denn die entscheidende Vor- aussetzung für einen sinnvollen Ein- satz immuntherapeutischer Maß- nahmen ist die frühzeitige Erken- nung der Tumoren.

Dem freipraktizierenden Dermatolo- gen kommt dabei eine besonders wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe zu, denn die oftmals sehr schwierige Frühdiagnose des mali- gnen Melanoms der Haut muß kli- nisch gestellt werden, weil Probeex- zisionen kontraindiziert sind.

(Auszugsweise vorgetragen auf der 31. Tagung der Deutschen Dermato- logischen Gesellschaft, April 1977, in Köln)

Literatur

(1) Bickhardt, R.: Zum derzeitigen Stand der Immuntherapie beim malignen Melanom, Aktu- elle Dermatologie 1 (1975) 55-63 — (2) Burnet, G. M.: Immunological Aspects of Malignant Diseases, Lancet 1967/1, 1171 — (3) Carter, St. E.: lmmunotherapy of Cancer in Man, Amer.

Scientist. 64 (1976) 418-423 — (4) Gutterman, J. U., Marligit, G., Gottlieb, J. A., Burgess, M. A., McBride, C. E., Einhorn, L., Freirich, E. J., Hersh, E. M.: Chemoimmunotherapy of Disseminated Malignant Melanoma with Dirne- thyl-Triazeno Imidazole Carboxamide and Ba- cillus Calmette-Gutirin, New Engl. J. Med. 291 (1974) 592-597 — (5) lllig, L., und Paul, E.:

Unspezifische epifokale Immuntherapie des malignen Melanoms der Haut mit DNCB nach Malek-Mansour, Hautarzt 27 (1976) 579-587 — (6) Morton, D. L., Eilber, F. R., Holm, E. C., Hunt, J. S., Ketchann, A. S., Silverstein, M. J., Sparks, F. C.: BCG-Immunotherapy of Mali- gnant Melanoma: Summary of a Seven-years Experience, Ann.Surg. 180 (1974) 635-643 — (7) Sober, A. J.: lmmunology and cutaneous Mali- gnant Melanoma, Int. J. Derm. 15 (1976) 1-18 — (8) Tritsch, H.: Entwicklung der Immuntherapie des malignen Melanoms, Hautarzt 27 (1976) 1-7

Anschrift des Verfassers:

Professor

Dr. med. Wolfgang P. Herrmann Universitätshautklinik Köln Josef-Stelzmann-Straße 9 5000 Köln 41

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