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Archiv "Gesundheitliche Vorteile durch mäßigen Konsum alkoholischer Getränke?" (13.02.1998)

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Alkoholische Getränke und Ernährungsmedizin

Die Zahl von einschlägigen Mel- dungen in den verschiedenen Medien zum Thema „gesundheitliche Vorteile eines moderaten Konsums alkoholi- scher Getränke“, insbesondere von Rotwein, hat sich in letzter Zeit ver- vielfacht. Vor dem Hintergrund, daß 6,9 Prozent der Energiezufuhr bei Männern und 3,7 Prozent bei Frauen (Altersgruppe 25–51 Jahre) laut Er- nährungsbericht 1996 der Deutschen Gesellschaft für Ernährung über Al- kohol zugeführt werden, erscheint ei- ne detaillierte Auseinandersetzung mit diesem Thema angezeigt, um der medizinischen Praxis und der interes- sierten Öffentlichkeit eine Verhal- tensrichtlinie für einen vernünftigen Umgang mit Alkohol an die Hand ge- ben zu können. Dazu wurde unter Leitung von Prof. Dr. R. Kluthe, Frei- burg, und Prof. Dr. H. Kasper, Würz- burg, eine zweitägige Konsensuskon- ferenz vom 28. bis 30. August 1997 in Freiburg-Munzingen durchgeführt.

Einleitend gab Kluthe einen Überblick über die Bedeutung alko- holischer Getränke zu verschiedenen Zeiten. Über die gesundheitlichen Wirkungen des Alkohols liegen diver- se (positive und negative) Aussagen vor. Mit der 7-Länder-Studie kurz nach dem 2. Weltkrieg wurden erste sichere Hinweise für einen kardiopro- tektiven Effekt von Alkohol, noch un- ter dem Begriff „Mittelmeerernäh- rung“, gegeben. Hierbei fanden sich die geringsten Herzinfarkt- und Mor- talitätsraten bei den Kretern. Der in der 7-Länder-Studie ermittelte Alko- holkonsum lag bei 15 g/Tag (= 1 dl Wein). Eine Reihe von Studien liegen heute vor, die die offensichtlich pro- tektive Wirkung eines mäßigen Alko- holkonsums im Hinblick auf die Mor- talität an koronarer Herzkrankheit (KHK) beschreiben. Gemäß WHO definierte Kluthe einen mäßigen Kon-

sum mit einem bis drei Drinks pro Tag, wobei ein Drink etwa 10 g Alkohol entspricht. Die Beziehung zwischen Alkoholkonsum und dem Risiko, eine KHK zu erleiden, zeigt einen U-förmi- gen Verlauf. Er wies darauf hin, daß aufgrund dieser Daten Nicht-Trinken in den USA von manchen Epidemio- logen bereits in die Reihe der Risiko- faktoren für die Entwicklung einer KHK eingeordnet wird, dem starken Übergewicht vergleichbar. Das fran- zösische Paradoxon, das das Phäno- men umschreibt, daß Frankreich trotz eines hohen Verzehrs an gesättigten Fettsäuren eine niedrige Koronar- mortalität besitzt, wird mit dem Rot- weinkonsum der Franzosen in Verbin- dung gebracht. Nach heutigem Wis- sensstand scheint aber der Alkohol an sich die Hauptkomponente in der protektiven Wirkung gegenüber der KHK darzustellen, unabhängig von der Art des Getränks. Trotz erwie- senen protektiven Effektes auf die KHK-Inzidenz stehen aber negative Auswirkungen höherer Alkoholmen- gen sowie die unterschiedlichen indi- viduellen Reaktionen einer generel- len Empfehlung zu mäßigem Alkohol- konsum aus ernährungsmedizinischer Sicht entgegen.

Nationale Studien

Hoffmeister, Berlin, erläuterte auf der Datenbasis der Deutschen Herz-Kreislauf-Präventionsstudie (DHP-Studie) den Zusammenhang von moderatem Alkoholkonsum und Gesundheit. Über den Nationalen Gesundheits-Survey wurden reprä- sentative Daten über die Art und Menge alkoholischer Getränke ermit- telt, die von der deutschen Bevölke- rung im Durchschnitt konsumiert werden. Auch die Häufigkeit des Al- koholkonsums wurde nachgefragt.

Dies stellte die Grundlage für eine Kategorisierung der Bevölkerung in

Gruppen mit definierten Alkohol- konsum-Mustern dar. Die Befragun- gen belegen, daß Menschen, die le- benslang maßvoll mit Alkohol umge- hen, sich subjektiv zufriedener und gesünder fühlen als Abstinente oder starke Trinker. Aber auch objektive Parameter wie Bluthochdruck, HDL und Adipositas sind den Ergebnissen der Befragungen nach günstiger aus- geprägt. Hoffmeister stellte im einzel- nen die Ergebnisse des regionalen Untersuchungssurveys Berlin-Span- dau vor. Diese prospektive Kohorten- studie bestätigt die in internationalen epidemiologischen Studien gefunde- ne Reduzierung des relativen Risikos bei moderatem Alkoholkonsum in Bezug zu KHK-Entstehung und Ge- samtmortalität. Bei Männern war das Mortalitätsrisiko für diejenigen, die bis zu 20 g Alkohol am Tag aufneh- men, um etwa die Hälfte signifikant niedriger als in der nichttrinkenden Gruppe, in der Kategorie 20 bis 40 Gramm wurde noch ein relatives Risi- ko von etwa 0,85 verzeichnet. Bei Fo- kussierung auf positive Effekte ge- genüber der KHK wurden noch gün- stigere Werte festgestellt (relatives Risiko etwa 0,45 bei einer Aufnahme von bis zu 20 g/Tag oder 0,7 in der Ka- tegorie 20 bis 40 g/Tag). Hoffmeister betonte, daß diese Ergebnisse durch weitere Studien mit höheren Fallzah- len und genauerer Schichten- oder Subgruppenbildung zu ergänzen sei- en. Zu beachten sei, daß gerade für Frauen bislang zu wenige Daten vor- liegen.

Die erste fundierte epidemio- logische Untersuchung dieser Art in Deutschland stellte Keil, Mün- ster, vor. Sie wurde innerhalb der MONICA-Kohorte in Augsburg (Monitoring in Cardiology der WHO) durchgeführt und untersuchte die Be- ziehung zwischen der Alkoholaufnah- me und der KHK sowie der Gesamt- sterblichkeit in einer biertrinkenden Bevölkerung, wie sie die Region

Gesundheitliche Vorteile durch mäßigen Konsum

alkoholischer Getränke?

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Augsburg darstellt. Dabei wurden im Survey 1984 jeweils etwa 1 000 Män- ner und Frauen im Alter von 45 bis 64 Jahren befragt, untersucht und über acht Jahre beobachtet. Die Erfassung der Alkoholaufnahme wurde vali- diert. Dabei wurden acht Kategorien unterschiedlicher Alkoholaufnahme gebildet. Das relative Risiko für ein mögliches KHK-Ereignis lag bei alkoholtrinkenden Männern nach Berücksichtigung der Störfaktoren Bluthochdruck, Rauchen, Alter, BMI und Cholesterin im Vergleich zu Ab- stinenzlern bei 0,5. Damit ist das Risi- ko, eine KHK zu erleiden, unter Al- koholkonsum um bis zu 50 Prozent niedriger. Eine protektive Wirkung wird schon bei einer geringen Alko- holzufuhr beobachtet und ändert sich nur wenig mit einer höheren Zufuhr, wobei bei Männern allerdings die günstigste Menge zwischen 20 und 40 g pro Tag liegt, während diejenige für Frauen in der Klasse unter 20 g pro Tag anzusiedeln ist, so Keil. Er faßte zusammen, daß ein geringer bis mäßiger Konsum von Alkohol das Mortalitätsrisiko senkt.

Wirkung auf den Kreislauf

Keul, Freiburg, verwies auf die jüngsten Befunde von Studien, die ei- nen moderaten Alkoholkonsum un- tersuchten. Diese beziehen sich auf die günstige Beeinflussung des Lipid- profils, der Blutgerinnung, der Blut- druckregulation und der Antioxidan- tienkonzentration. Der Blutdruck be- schreibe den Studien zufolge in Bezie- hung zur aufgenommenen Alkohol- menge eine J-Kurve, das heißt, daß Personen mit einem mäßigen Alko- holkonsum einen etwas niedrigeren Blutdruck aufweisen als Abstinenzler und einen deutlich niedrigeren als Personen mit hohem Alkoholkon- sum. Zur Erklärung der vielfältigen Wirkungen führte er einen Akutver- such an, in dem der Konsum von Bier mit demjenigen von Brauwasser ver- glichen wurde. Der moderate Kon- sum in einer Menge von unter 0,4 g je kg Körpergewicht führt Keul zufolge zu einer signifikanten (p < 0,05) Ver- minderung der diastolischen Blut- druckwerte. Dies ist seiner Ansicht nach neben der gefäßerweiternden

Wirkung des Alkohols auf Elektrolyt- verschiebungen mit einer relativ ver- minderten Ausscheidung an Magnesi- um und Kalium zurückzuführen (Ver- kleinerung der Na/K- oder Mg/Ca- Quotienten). Keul kritisierte, daß in den bisherigen Studien keine ausrei- chende Quantifizierung des Parame- ters „körperliche Aktivität“ vorge- nommen worden ist. Er faßte zusam- men, daß unter mäßigem Alkohol- konsum Blutdruck, Koronardurch- blutung und Herzzeitvolumen ge- genüber einem hohen Konsum gün- stig beeinflußt werden. Eine allgemei-

ne Empfehlung zu mäßigem Alkohol- genuß sei allerdings verfrüht. Ob im Einzelfall mäßigem Alkoholgenuß zuzustimmen sei, bedürfe immer ei- ner individuellen Entscheidung des Arztes.

Den möglichen Einfluß des Faktors Lebensstil charakterisierte König,Freiburg. Er definierte einen gesunden Lebensstil über eine voll- wertige Ernährung, regelmäßige kör- perliche Aktivität, einen weitgehen- den Verzicht auf das Rauchen, positi- ves Streßverhalten sowie einen för- derlichen sozioökonomischen Hinter- grund. Er kritisierte, daß in den Studi-

en, die den protektiven Effekt auf das Koronarsystem alleine dem Alkohol zuschreiben, sonstige Ernährungsge- wohnheiten nicht immer ausreichend berücksichtigt worden seien. Die Be- deutung der begleitenden Ernährung werde aber deutlich, wenn man be- trachte, daß der durch Alkohol her- vorgerufene, für die Vermeidung der KHK wichtige Aspekt der Verminde- rung der Blutplättchenaggregation mit der Fettsäurezusammensetzung der Nahrung assoziert ist. Des weite- ren maß er der Beobachtung Bedeu- tung bei, daß in Ländern mit einer ge-

ringen kardiovaskulären Morbidität nicht nur eine relativ hohe Alkohol- zufuhr, sondern auch ein sehr hoher Verzehr von Früchten, Gemüse und pflanzlichen Ölen verzeichnet wird.

Alkoholkonsum dürfe daher nicht losgelöst vom Lebensstil betrachtet werden. Ein gesünderer Lebensstil schließe einen bewußteren Umgang mit dem Alkohol ein. Förderlich sei eine regelmäßige, moderate Zufuhr.

Darüber hinaus gäbe es Versuche, die eine gesundheitsförderliche Wirkung des Alkohols gerade für sportlich ak- tive Menschen nachweisen oder zu- mindest einen synergistischen Effekt

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

20 18 16 14 12 10 8 6 4

Gesamtmortalitätsraten KHK-Inzidenzraten (tödlich und nicht tödlich) pro 1 000 Personenjahre

kein Alkohol-

konsum < 20 20 - 39 40 - 79 ≥ 80 Alkoholkonsum in Gramm/Tag

Grafik 1

Inzidenzrate der koronaren Herzkrankheiten (KHK) und Gesamtmortalitätsraten (pro 1 000 Personenjahre) bei Männern innerhalb der Augsburger MONICA-Kohorte, adjustiert für Alter und Rauchen, in Abhängigkeit vom Alkoholkonsum (Keil et al. 1997)

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zeigen. König faßte zusammen, daß der Lebensstil ein begleitender und additiver Faktor in Bezug auf gesund- heitsrelevante Wirkungen eines mä- ßigen Alkoholkonsums ist. Da eine ganze Reihe von Interaktionen unter den einzelnen Lebensstilfaktoren möglich seien, sollte dies in Studien mehr Berücksichtigung finden.

Alkohol und Arteriosklerose

Eine Reihe von Studien beleg- ten, daß die HDL-Cholesterin-Frak- tion sowie die Thrombozytenaggre- gation und Fibrinolyse durch Alko- hol günstig beeinflußt werden, so Wolfram, Freising-Weihenstephan.

Alkohol steigert Wolfram zufolge den VLDL-Triglyzeridumsatz und führt über die dadurch bedingte erhöhte Lipaseabbaurate zur gesteigerten HDL-Bildung. HDL wirkt hemmend auf die Entwicklung einer Arterio- sklerose, speziell einer Koronar- sklerose. Welche HDL-Fraktion – HDL2 oder HDL3 –, letztendlich durch Alkohol mehr gesteigert wird, lasse sich nicht genau festmachen, so Wolfram. Dies sei abhängig von der Dosis und der Einwirkungsdauer des Alkohols. Diese Frage sei aber bezüg- lich der kardioprotektiven Wirkung zweitrangig. Die akute koronarpro- tektive Wirkung von mäßigem Alko- holkonsum führte Wolfram vor allem auf die unter Alkohol verringerte Thromboxansynthese und damit ver- minderte Blutplättchenaggregation zurück. Einen weiteren Erklärungs- ansatz für einen protektiven Effekt biete die nach Alkoholkonsum ange- regte Fibrinolyse. Ein geringerer Fi- brinogenspiegel sowie Anstiege der Plasminogen-Inhibitor-Aktivität und der gewebsspezifischen Plasminogen- Aktivator-Aktivität zeigten sich hier verantwortlich. Wolfram ergänzte sei- nen Vortrag mit dem Hinweis, daß für die Prävention der Atherosklerose gerade bei Menschen jenseits der 50 eine HDL-Erhöhung gegenüber einer LDL-Erniedrigung größere Vorteile mit sich bringt.

Müller, Kiel, ging in seinem Vor- trag der Frage nach, inwieweit Alko- hol in der menschlichen Ernährung als Energieträger angesehen werden

muß. Er kam zu dem Ergebnis, daß unter den derzeitigen Verzehrsge- wohnheiten Alkohol eine erhebliche Energiequelle darstellt und von daher in Energiebilanzen miteinfließen muß. Wird Alkohol zu Mahlzeiten, die bereits eine ausreichende Kalori- enmenge beinhalten, zugeführt, ist ei- ne positive Energiebilanz die Folge.

Es tritt ein Fettspareffekt ein, das heißt, die Alkoholkalorien werden zur Energiegewinnung herangezogen, während die Fettkalorien gespeichert werden. Müller stellte heraus, daß bei energie- und fettreicher Ernährung ein zusätzlicher Alkoholkonsum da- her einen bedeutsamen Risikofaktor für die Adipositas darstellt. Findet da- gegen bei gleichbleibender Energie- zufuhr ein Austausch zwischen Alko- hol und einem Anteil von Kohlen- hydraten oder Fetten statt, kommt es wegen der größeren Thermogenese von Ethanol mittelfristig sogar zu ei- nem Gewichtsverlust. Dies sei, so Müller, vor allem bei chronisch ho- hem Alkoholabusus der Fall. Die er- höhte Thermogenese bei starkem Trinken ist laut Müller Folge einer mikrosomalen Oxidation, während Ethanol beim mäßigen Trinken ei- ner mitochondrialen Oxidation durch die Alkoholdehydrogenase unter- liegt. Dies führt zu einer größeren Energiefreisetzung. Er betonte, daß dagegen bei moderatem Konsum von Alkohol kalorimetrischen Messun- gen zufolge 75 bis 85 Prozent der Energie der Energiebilanz zufließen.

Dies bedeute, daß unter einer fett- adaptierten, gesunden Ernährung Al- koholkalorien kein größerer Einfluß zugeschrieben werden kann, daß aber unter einer fettreichen Ernährung eine Gewichtszunahme erfolgt. Dies betreffe vor allem adipöse Menschen.

Zukünftige Studien sollten nach An- sicht Müllers die individuelle Alko- holzufuhr, die Varianz des Alkohol- konsums, geschlechtsspezifische Fak- toren und andere Determinanten des Stoffwechsels berücksichtigen.

Inhaltsstoffe

Piendl, Freising-Weihenstephan, stellte heraus, daß im Bier über 2 000 Inhaltsstoffe, darunter über 50 phe- nolische Einzelverbindungen, vor-

handen sind, die vor allem über die Braugerste ins Bier gelangen. Der Hopfen enthält Öle, Bitter- und Aro- mastoffe. Für viele Substanzen dieser Stoffgruppen werde eine gesundheits- förderliche Wirkung diskutiert. Ne- ben diesen als positiv einzustufenden Inhaltsstoffen seien schwefelhaltige Substanzen, Purine sowie biogene Amine wie das Histamin zu beachten.

Die Inhaltsstoffe des Weines wurden vonRappvom Bundesinstitut für Re- benzüchtung in Siebeldingen vorge- stellt. Die größte Bedeutung für den Weinkonsumenten spielten die flüch- tigen Bestandteile, die als Aroma- stoffe wirken. Im Wein kommen über 800 verschiedene Aromastoffe zur Entfaltung, die zum Teil erwünscht, zum Teil unerwünscht sind. Unter- schiede seien hier zwischen weißen und roten Weinen auszumachen. So sei der Gehalt an Resveratrol, einer phenolischen Verbindung mit poten- tiell gesundheitsförderlicher Wir- kung, in Rotwein um das Zehnfache höher als in Weißwein. Auf der ande- ren Seite ist der Gehalt an Methanol, das in höheren Konzentrationen akut toxische Wirkung besitzt, in Rotwein etwa doppelt so hoch, ohne aber eine gesundheitliche Gefährdung darzu- stellen.

Alkohol als Droge

Großklaus vom Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucher- schutz und Veterinärmedizin, Berlin, hinterfragte kritisch die aufgeführten Inhaltsstoffe. Er machte klar, daß für den Verbraucherschutz eine Risiko- bewertung aus ernährungsmedizini- scher und toxikologischer Sicht im Vordergrund steht. Er verwies dabei auf individuelle Unterschiede in der Empfindlichkeit von Menschen, wie Alter, Geschlecht, genetische Prä- disposition oder Umwelteinflüsse. In diesem Zusammenhang erwähnte er, daß sich der „Nurses Health Study“

zufolge bei Frauen schon bei ge- ringer Alkoholzufuhr eine Leberzir- rhose entwickeln kann. Großklaus warf weiterhin die Frage auf, inwie- weit die vor allem im Wein vorhande- nen Flavone oder Flavonoide zu dem für den Alkohol beschriebenen Ein- fluß auf die Vorbeugung der korona-

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ren Herzkrankheit beitragen. Hier hätte allerdings eine Studie in den Niederlanden belegt, daß Rotwein nur zu etwa einem Prozent zur tägli- chen Flavonoidaufnahme beiträgt, so daß einer Empfehlung zu mehr Obst, Gemüse und Vollkornprodukten wei- terhin der Vorzug gegeben werden sollte. Hinsichtlich der Verträglich- keit alkoholischer Getränke sind vor allem die sogenannten Fuselöle kri- tisch zu betrachten, aber auch bioge- ne Amine wie das Histamin. Für den Verbraucherschutz ist es ein vorrangi- ges Ziel, die Kontamination alkoho- lischer Getränke mit Schadstoffen zu minimieren. Aufgrund der stren- gen Kontrollen in Deutschland ist von Kontaminantenseite her gesehen

aber keine konkrete Gefahr für die menschliche Gesundheit zu erwarten.

Er erinnerte zum Abschluß daran, daß Alkohol eine Droge ist und für bestimmte Personengruppen eine be- sondere Gefahr darstellt.

Die möglichen Wirkungen ei- nes mäßigen Alkoholkonsums auf den Gastrointestinaltrakt beleuchtete Walker, Bietigheim. Er wies darauf hin, daß die Wahrscheinlichkeit von Organschäden zunehme, je höher die Alkoholzufuhr ist. Die Schädigung selbst wird hauptsächlich durch ein Abbauprodukt des Alkohols, das Acetaldehyd, hervorgerufen. Walker stellte heraus, daß kein Grenzwert existiert, bei dem sicher gesagt wer- den kann, daß keine Schädigung auf- tritt. Nach heutigem Wissensstand

könne man aber davon ausgehen, daß der regelmäßige Konsum einer tägli- chen Alkoholmenge von 60 g bei Männern oder 30 g bei Frauen über längere Zeit schon schwere Leber- schäden hervorrufen kann. Er wies auf die von Mensch zu Mensch unter- schiedliche Empfindlichkeit dieses wichtigsten Stoffwechselorgans hin.

Neben der Leber sind Walker zufolge durch Alkohol vor allem das Pan- kreas sowie der Ösophagus stark ge- fährdet. Alkohol ist die Hauptursache für die chronische Pankreatitis und zeigt einen direkten toxischen Effekt auf den Ösophagus. Schon geringe Mengen an Alkohol führten darüber hinaus zu einer verstärkten Säurepro- duktion des Magens, was die Ent-

wicklung einer Gastritis begünstige.

Walker machte hierfür auch weitere flüchtige Inhaltsstoffe alkoholischer Getränke verantwortlich. Er faßte zu- sammen, daß durch Alkohol sowohl direkte als auch indirekte Schädigun- gen der Gastrointestinalorgane verur- sacht werden. Er regte systematische Untersuchungen zum Einfluß gerin- ger Alkoholmengen (< 30 g/Tag) an.

Krebsrisiko erhöht

Es ist bekannt, daß ein hoher Al- koholkonsum das Krebsrisiko deut- lich erhöht, so Simanowski, Heidel- berg. Weniger bekannt sei, daß be- stimmte Krebsarten, wie das Mamma- und das Rektumkarzinom, schon bei

ein bis zwei Drinks, entsprechend et- wa 10 bis 20 g Alkohol, 1,5- bis 3mal häufiger auftreten. Eine Schwierig- keit bei der genauen Quantifizierung des Risikos sieht er darin begründet, daß bei Menschen, bei denen ein Krebs im Mund-/Rachenraum vorlä- ge, Trinken und Rauchen oft verge- sellschaftet seien. Das Risiko einer Krebserkrankung steige hierdurch deutlich im Sinne einer synergisti- schen Wirkung an. Dasselbe gelte für die Entwicklung eines Kolonkarzi- noms. Simanowski gab einen Über- blick über die diskutierten Wege einer alkoholinduzierten Karzinogenese.

Dabei sprach er vor allem die Bildung von Acetaldehyd und freien Radika- len an, die Alkohol seiner Ansicht nach in die Nähe eines Kokarzinogens rücken lassen. Daneben seien die In- duktion von Cytochrom P450 sowie lokale Schädigungen der Schleimhäu- te des oberen Gastrointestinaltraktes und des Rektums diskutierte Fakto- ren. Er wies darauf hin, daß bei relativ hoher Prävalenz dieser Tumoren auch eine kleine Risikozunahme von epi- demiologischer Bedeutung sei. Ob diese Risikosteigerung bevölkerungs- weit gesehen werden muß oder auf bestimmte Risikogruppen beschränkt bleibt, konnte allerdings nicht eindeu- tig beantwortet werden.

Zum Abschluß beleuchtete Wiesbeck, Würzburg, die Rolle des Alkohols bei Suchtentwicklung und Streßbewältigung. Er bemerkte, daß es im Zusammenhang mit Alkohol, Abhängigkeit und Sucht begriffliche Unklarheiten gebe. Nach heutiger Sicht nehme Alkohol definitorisch ge- sehen unter den Suchtformen keine Sonderstellung mehr ein. Die Alko- holsucht sei dem internationalen Dia- gnosestandard „Abhängigkeitssyn- drom“ zugeordnet. So könnte man zur Zeit von etwa zwei bis drei Millionen Abhängigen in Deutschland ausge- hen. Wichtig aus psychiatrischer Sicht sei allerdings, daß der Mengenbegriff keine Rolle spielt. Was die zerebralen Auswirkungen des Alkohols angeht, spielt das limbische Belohnungs- system die entscheidende Rolle. Hier finden alkoholinduzierte Verstärker- prozesse statt. Im einzelnen werden die Freisetzung körpereigener Opio- ide stimuliert, die Sensitivität körper- eigener Opiatrezeptoren erhöht sowie

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

Tabelle

Ausgaben und Verbrauch von alkoholischen Getränken im Jahr 1990*

Pro-Kopf-Ausgaben Pro-Kopf-Verbrauch (ECU) (Liter reiner Alkohol)

Irland 654 7,2

Dänemark 546 9,9

Großbritannien 511 7,6

Spanien 487 10,8

Belgien/Luxemburg 387 10,0

Deutschland 374 10,6

Frankreich 354 12,7

Niederlande 330 8,2

Italien 289 8,7

Portugal 231 9,8

Gesamte EG 389 9,76

* Verschuren 1993

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Zerstörung von kleineren Endo- metriose-Herden und Lösung sicht- barer Verwachsungen während einer laparoskopischen Operation erhöhen die Chance von unfruchtbaren Frau- en mit schwach ausgeprägter Endo- metriose im kleinen Becken, schwan- ger zu werden. Zwar wird bei inferti- len Patientinnen häufig eine minima- le Endometriose diagnostiziert, bei ihnen wird auch häufig eine laparo- skopische Adhesiolyse durchgeführt.

Ob diese Behandlung jedoch die Fruchtbarkeit verbessert, war bisher unklar. Von 341 infertilen Frauen mit dieser Krankheit wurden in dieser Studie 172 mit einer laparoskopi- schen Operation behandelt, bei 169 wurde nur eine diagnostische Lapa- roskopie durchgeführt. In der Grup-

pe der Frauen, bei denen Endome- triose-Herde und Verwachsungen entfernt wurden, trat bei 50 in den folgenden 36 Wochen eine mehr als 20 Wochen dauernde Schwanger- schaft ein (30,7 Prozent). Dies war je- doch nur bei 29 aus der Gruppe, bei denen die diagnostische Laparosko- pie durchgeführt wurde (17,7 Pro- zent), der Fall.

Voraussetzung für die Studien- teilnahme waren unter anderem re- gelmäßige biphasische Zyklen der Patientinnen, auch durften sie sich in den vorausgegangenen drei Mona- ten keinen anderen therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung der Un- fruchtbarkeit unterzogen haben. silk Marcoux S, Maheux R et al.: Laparo- scopic surgery in infertile women with

minimal or mild endometriosis. N Engl J Med 1997; 337: 217–222.

Dr. Maheux, Centre Hospitalier Univer- sitaire de Québec, Pavillion Saint- François d’Assise, 10, rue de l’Espinay, Québec, QC G1L 3L5, Kanada.

Chronische

Hyperamylasämie

In der Regel weist eine vorüber- gehende oder persistierende Hyper- amylasämie auf eine Pankreaserkran- kung hin. Der Autor berichtet über 18 Patienten mit persistierender Hyper- amylasämie, die in den Jahren 1987 bis 1991 zur Beobachtung kamen. Zu- sätzlich wurden bei diesen Patienten die Pankreas-Isoamylase sowie die Serum-Lipase- und Serum-Trypsin- Konzentrationen bestimmt und eine Ultraschalluntersuchung sowie ein CT der Bauchspeicheldrüse durchge- führt.

Die Patienten wurden dann jähr- lich erneut klinisch sowie laborche- misch bis 1995 untersucht.

Bei 14 der 18 Patienten waren al- le Enzyme erhöht, bei drei Patienten waren alle Laborparameter mit Aus- nahme der Lipase, bei einem alle außer dem Trypsin-Spiegel erhöht mit einem Anstieg um das 1,4- bis 4,1- fache für Amylase, 1,8- bis 6fache für pankreatische Isoamylase, 1,5- bis 7,7fache für Lipase und 1,6- bis 13,9- fache für Trypsin.

Während der Beobachtungszeit blieben die Enzyme meist erhöht, ge- legentlich kam es auch zu einer vor- übergehenden Normalisierung.

Die einmal pro Jahr durch- geführten Ultraschalluntersuchungen und Computertomographien ergaben nie einen pathologischen Befund an der Bauchspeicheldrüse. Der Befund einer isolierten Erhöhung der Pan- kreasenzyme, für die sich bislang kei- ne Erklärung finden läßt, sollte nicht überbewertet werden, wenn der Pa- tient beschwerdefrei ist und die bild- gebenden Verfahren keinen patholo- gischen Befund erkennen lassen. w Gullo L: Chronic Nonpathological hyperamylasemia of pancreatic origin.

Gastoenterology 1996; 110: 1905–1908.

Unit for the Study of Pancreatic Disease, Department of Medicine and Gastro- enterology, University of Bologna, St.

Orsola Hospital, Bologna, Italien.

Alkoholkondensationsprodukte mit Opioidcharakter gebildet. Alkohol dient Wiesbeck zufolge gerade wegen seiner weiten Verbreitung und Zu- gänglichkeit als häufig benutzte Be- wältigungsstrategie bei Streßsituatio- nen. Er betonte, daß Alkohol dabei keine kausale, sondern nur eine modu- latorische Rolle spiele. Wiesbeck er- klärte, daß eine spezielle Suchtpersön- lichkeit und damit eine bestimmte Risikogruppe nicht existiert, daß aber familiär vorbelastete Personen un- abhängig von der Dosis ein 3- bis 5mal höheres Risiko tragen, das bei einer vorliegenden Impuls-Kontroll-Stör- ung auf das 10- bis 15fache ansteigt.

Resümee

Mäßiger Alkoholkonsum besitzt erwiesenermaßen einen positiven Ef- fekt auf die Gesamtmortalität, spezi- ell über die Verminderung von Inzi- denz und Mortalität einer KHK.

Dafür, daß einem speziellen alkoholi- schen Getränk (Bier, Wein oder Spiri- tuosen) der Vorzug zu geben ist, feh- len plausible wissenschaftliche Daten.

Alle heute vorliegenden harten Daten sprechen dafür, daß der protektive Effekt ein Alkoholeffekt ist. Da aber

bei bestimmten Risikogruppen auch ein mäßiger Alkoholkonsum das Ri- siko für Erkrankungen der Leber und des Pankreas, für bestimmte Tumor- erkrankungen und die Entwicklung einer Suchterkrankung erhöhen zu können scheint und Alkohol bei fett- reicher Ernährung eine überkalori- sche Ernährung und damit die Entste- hung der Adipositas fördert, wurde betont, daß bei derzeitigem Wissens- stand in Übereinstimmung mit den WHO-Empfehlungen von 1994 und dem kürzlich abgegebenen State- ment der Deutschen Gesellschaft für Ernährung keine allgemeine Empfeh- lung zu einem regelmäßigen modera- ten Alkoholkonsum ausgesprochen werden kann. Die Entscheidung für oder gegen regelmäßigen Alkohol- konsum in vernünftigen Mengen muß also letztlich individuell unter Be- rücksichtigung der vorhandenen Da- ten in der Praxis des konsultierten Arztes erfolgen.

Prof. Dr. med. Reinhold Kluthe Dipl.-Oecotroph.

Rainer Thimmel M.P.H.

Deutsche Akademie für Ernährungsmedizin Reichsgrafenstraße 11 79102 Freiburg

Laparoskopische Operation bei unfruchtbaren

Frauen mit geringer Endometriose

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