Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 10⏐⏐9. März 2007 A609
A K T U E L L
„Lasst es lieber bleiben“, möchte man den Programmverantwortli- chen beim WDR-Fernsehen zurufen.
Der Beitrag „Streitfall Gesundheit – Was Europa mit uns vorhat“ einer neuen vierteiligen Reihe, in der live im Studio über europapolitische Themen debattiert wird, war jeden- falls ein gewaltiger Schuss in den
Ofen; und das auch noch zur bes- ten Sendezeit: montags zwischen 20.15 Uhr und 21 Uhr.
Statt sachlicher Argumente ha- gelte es bei dem TV-Duell zwischen den Moderatoren Anne Gesthuysen und Sven Lorig, die als Anwälte pro und kontra Einmischung der EU in die nationale Gesundheitspolitik auftraten, Klischees: Ärzte und de- ren Interessenvertreter waren mal wieder die bösen Buben, denen es nur ums Geld geht und nicht um die Patienten; und die „Brüsseler Appa- ratschiks“ haben angeblich nichts anderes im Sinn, als der Billigmedi- zin nach dem Motto „ab zur Hüft-OP nach Litauen“ zum Durchbruch zu verhelfen.
Lieber Kölner Sender: Warum diese plumpe Schwarz-Weiß-Male- rei? Und warum durften die Ge- sprächspartner, der Allgemeinarzt Martin Grauduszus und der CDU- Europaabgeordnete Karl-Heinz Flo- renz, nicht mal ausreden? Sie hät- ten vielleicht zu einer objektiveren Meinungsbildung beitragen können.
Frei reden, argumentieren, dem Gegenüber zuhören und auf ihn ein- gehen, das ist das Motto der engli- schen Debattierclubs, mit denen sich Gesthuysen und Lorig nach ei- genem Bekunden messen wollen.
Stattdessen bewegte sich ihr verba- ler Schlagabtausch maximal auf Stammtischniveau. Der europapoli- tischen Realität wird ein solches Sendeformat jedenfalls nicht ge- recht. Gut, dass nach vier Sendun- gen erst einmal Schluss ist.
RANDNOTIZ
Petra Spielberg
Bitte aufhören
EUROPÄISCHER FORSCHUNGSRAT
Grundlagenforschung erhält mehr Gewicht
Die Grundlagenforschung soll künf- tig in der Forschungspolitik der Eu- ropäischen Union (EU) eine heraus- ragende Rolle spielen, um das In- novationspotenzial zu stärken. Dies machten Vertreter aus Politik und Wissenschaft anlässlich der Auf- taktkonferenz des Europäischen Forschungsrates (ERC) in Berlin deutlich. Der ERC fördert grundla- genorientierte Forschung. Er ist im
7. EU-Forschungsrahmenprogramm verankert und wird im Zeitraum von 2007 bis 2013 mit einem Ge- samtbudget von 7,5 Milliarden Euro ausgestattet. „Grundlagenforschung wird damit in noch nie dagewese- ner Weise in die europäische For- schungsförderung aufgenommen“, sagte Bundesforschungsministerin Annette Schavan. Erstmals gebe es EU-weit ein Gremium, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissen- schaftler weitgehend unabhängig und nur anhand der Exzellenz der Projekte über die Förderung der Grundlagenforschung entscheiden könnten.
Eine wesentliche Aufgabe des ERC besteht darüber hinaus darin, exzellenten wissenschaftlichen Nach- wuchs gezielt zu fördern. Junge Forscher sollen die Möglichkeit er- halten, sich auf europäischer und auch auf internationaler Ebene zu etablieren. Angestrebt wird eine neue Wissenschaftskultur, die den europäischen Forschungsraum stärkt und für europäische, aber auch für internationale Wissenschaftler at-
traktiver macht. KBr
Die Bundesregierung will Nichtrau- cher stärker vor den Gefahren des Tabakrauchs schützen. Menschen zum Passivrauchen zu zwingen, sei kein Kavaliersdelikt, sagte Verbrau- cherschutzminister Horst Seehofer (CSU), nachdem das Nichtraucher- schutzgesetz der Regierung das Bundeskabinett passiert hat. Es sieht vor, dass in öffentlichen Ge- bäuden des Bundes und in öffentli- chen Verkehrsmitteln nicht mehr oder nur noch eingeschränkt ge- raucht werden darf, und soll zum 1. September 2007 in Kraft treten.
Das Gesetz soll neben dem Rauch- verbot in 450 Bundeseinrichtungen und in öffentlichen Verkehrsmitteln auch den Jugendschutz stärken, in- dem das Mindestalter zum Kauf und Konsum von Tabakwaren auf 18 Jahre angehoben werden soll.
Zuvor hatten sich Bund und Län- der auf ein umfangreiches Rauch-
verbot in öffentlichen Einrichtun- gen, Gaststätten und Diskotheken geeinigt.
Mit ausschlaggebend für die Initiative war ei- ne Studie des Verbrau- cherzentralen Bundes- verbandes über freiwilli- ge Nichtraucherbereiche.
Die Studie besagt, das gerade einmal ein Drittel aller Gaststätten einen Nichtraucherbereich hat.
Zuvor vereinbart worden war jedoch, dass bis März 2007 rund 60 Pro- zent der Gaststätten 40 Prozent der Räume für
Nichtraucher reservieren sollten.
„Der Weg der Freiwilligkeit in der Gastronomie ist gescheitert“, sag- te dazu die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing
(SPD). JB
KABINETTSBESCHLUSS
Nichtraucher können aufatmen
Für eine neue Wissenschafts- kultur:Bundesfor- schungsministerin Annette Schavan und EU-Forschungs- kommissar Janez Potocnik
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