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Archiv "Pflegeberufe – SPD-Gesundheitsarbeiter: Verkammerung pro/kontra" (06.11.1998)

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ie Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten im Ge- sundheitswesen (ASG) diskutiert seit einiger Zeit lebhaft eine „Ver- kammerung“ der Pflegeberufe und streitet über die Errichtung von Pflegekammern auf Länderebene.

Vor einigen Wochen hat eine Ad- hoc-Arbeitsgruppe innerhalb des ASG-Vorstandes ein Thesenpapier entworfen, um die in Gang gekom- mene Diskussion auch auf Länder- ebene aufzugreifen, den „Prozeß der politischen Willensbildung zu struk- turieren“ und aktiv zu beeinflussen.

Dies hat der im Sommer wiederge- wählte Bundesvorsitzende der Ar- beitsgemeinschaft ASG, Prof. Dr.

rer. pol. Martin Pfaff, SPD-MdB aus Augsburg, bekräftigt. Von einer Verkammerung der Pflegeberufe auf gesetzlicher Basis wären nach Schätzungen der Arbeitsgemein- schaft der Sozialdemokratinnen und -demokraten im Gesundheitswesen rund 800 000 Pflegekräfte betroffen.

Schon längst bevor die Diskus- sion in der Bundesarbeitsgemein- schaft für Gesundheitspolitik der SPD neu entfacht wurde, hatten die Sozialdemokraten in Bayern bereits 1994 das Verkammerungsprojekt in ihr „Regierungsprogramm zur Landtagswahl“ aufgenommen, um dadurch auch diese spezielle Klien- tel im Gesundheitswesen für das Thema zu gewinnen. Daraufhin hat- te die ASG in Bayern einen Gesetz- entwurf konzipiert. Davon offenbar

inspiriert, hatten sich auch die ASG- Bezirke Pfalz, Sachsen und die Ar- beitsgemeinschaft Pflege der ASG in Baden-Württemberg auf Kon- gressen und in Resolutionen eben- falls für eine Verkammerung der Pflegeberufe ausgesprochen.

Dennoch gehen die Meinungen pro und kontra bisher querbeet. Für eine Verkammerung der Pflegebe- rufe spräche, daß die heterogenen Interessen nunmehr mit demokrati- scher Legitimation und bei Zwangs- mitgliedschaft aller Berufsangehöri- gen in einer Körperschaft öffentli- chen Rechts (und damit auf Selbst- verwaltungsebene) vertreten wer- den könnten – ganz im Gegensatz zu dem häufig kritisierten tatsächlichen Zustand. Zugleich könnten die Pfle- ge und die Arbeit der Pflegeberufe über Pflegekammern aufgewertet werden. Damit erhielten sie zugleich mehr Eigengewicht gegenüber der Politik und der Verbändevielfalt.

Die Kontra-Argumente: Pfle- gekammern könnten keine einheitli- chen Interessenvertretungsbefug- nisse aller Pflegeberufe übertragen werden, zumal nicht in der Alten- pflege. Sie würden vielmehr als Kör- perschaften für die vom Landesge- setzgeber auferlegten Pflichten als

„mittelbare Staatsgewalt und -ver- waltung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben“ eingespannt werden.

Pflegekammern mit staatlichen Kon- trollaufgaben, Zwangsmitgliedschaft und Kammeraufsicht widersprächen der politischen Absicht der Deregu-

lierung und Entbürokratisierung im Gesundheitswesen und in der Pfle- ge. Auch würden sie die Arbeit der Gewerkschaften und der sonst ver- eint auftretenden Berufsverbände konterkarieren. Zudem würden die Möglichkeiten von Pflegekammern weithin überschätzt. Dabei bemüht die ASG einen Vergleich mit der Selbstverwaltung der Ärzteschaft, der es bisher nicht gelungen sei, den

„Reformstau bei der ärztlichen Aus- bildung“ zu lösen oder zumindest die Politik dafür zu gewinnen, daß ein „großer Wurf“ bei der Reform der Ausbildung zum Arzt gelingt.

Weiteres Argument: Bei einer Ver- ankerung von Pflegekammern müß- ten die berufsständischen Strukturen herkömmlicher Kammern, so auch der freien Berufe, „aufgebrochen“

werden.

Anachronistische Relikte

Dagegen führen die Kammer- gegner an, daß die Befürworter

„anachronistische Relikte aus vor- demokratischen Zeiten“ reaktivie- ren wollten. Dies sei aber abzuleh- nen, weil Kammern nicht in die heu- tige Zeit paßten. Zudem würden die Kammern nur einseitig Interessen vertreten und sich „traditionsbela- den autoritärer Formen nach innen und außen bedienen“.

Die Befürworter meinen dage- gen: Kammern für Pflegeberufe könnten, falls sie kompetent und pra- A-2809

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 45, 6. November 1998 (17)

Pflegeberufe

SPD-Gesundheitsarbeiter:

Verkammerung pro/kontra

In der Arbeitsgemeinschaft Gesundheitspolitik der SPD wird eine Verkammerung der Pflegeberufe diskutiert. Daraus kann auch auf die

Bewertung der Ärztekammern durch die SPD geschlossen werden.

D

(2)

xisorientiert arbeiten, auf diese Weise für die Bevölkerung die Sicherstellung von Kranken- und Pflegeleistungen nach einheitlichem Qualitätsstandard gewährleisten – analog zum Sicher- stellungsauftrag im vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Bereich.

Zudem hätten Pflegekammern die Pflicht, die Qualität der Leistungen zu sichern, zu kontrollieren und für eine kompetente Aus-, Weiter- und Fortbil- dung in den Berufen zu sorgen. Wenn das gelinge, würde das Renommee der Pflegeberufe deutlich angehoben wer- den können. Zudem würde über mehr Qualität der Leistungen zur Professio- nalisierung und zur besseren Akzep- tanz der Pflegeberufe in der Öffent- lichkeit beigetragen werden können.

Insoweit könnten die Pflegekammern auch einen starken Widerpart zu den gesetzlichen Pflegekassen bilden, die sich angeblich oftmals nur auf organi- satorische, finanzielle und fiskalische Dinge beschränkten oder diese zumin- dest überbetonten.

Mit Hilfe der Berufsordnung und der Kammeraufsicht könnte gegen Verstöße gegen die Pflichtaufgaben vorgegangen werden – bis hin zu ei- nem Kammerausschluß und zum Be- rufsverbot des approbierten Kam- mermitgliedes. Andererseits wird ins Feld geführt, daß alle Pflegekammern allenfalls für die Berufsangehörigen der Kranken- und Kinderkranken- pflege, eventuell auch für die Alten- pflege, zuständig sein könnten. Alle anderen Pflegeberufe, etwa die aus Kreisen von Laien, Angehörigen, Nachbarn oder gar Fehlqualifizierten, würden nicht erfaßt werden können.

Demokratische Kontrolle und Aufsicht

Zudem könne die Beratung und Überwachung von Pflegeeinrichtun- gen nicht einer Pflegekammer als genossenschaftlicher Selbstverwal- tungseinrichtung der Berufsangehöri- gen allein überlassen werden. Viel- mehr müßten die demokratische Kon- trolle und Aufsicht durch staatliche Organe sowie die öffentliche Ge- richtsbarkeit unter Beteiligung der Versicherten gewährleistet bleiben.

Pflege müsse deshalb der öffentlichen (staatlichen) Kontrolle unterstellt

werden, nicht aber einer berufsständi- schen Eigenkontrolle.

Während die Gegner von Kam- mern meinen, eine „Zwangsmitglied- schaft verstoße gegen das Recht der negativen Koalitionsfreiheit“, argu- mentieren die Befürworter, Pflege- kammern seien durch die Verfassung gedeckt, wenn sie im Rahmen von Spezialgesetzen hoheitliche Aufga- ben übernehmen oder ihnen solche übertragen werden. So seien auch rei- ne Arbeitnehmerkammern in Bre- men und im Saarland gegründet wor- den und vom Bundesverfassungsge- richt als „verfassungsgemäß“ einge- stuft worden.

Pflichtmitgliedschaft in Kam- mern sei dann verfassungsgemäß, so die Befürworter von Pflegekammern,

„wenn ihr legitime öffentliche Auf- gaben übertragen werden und die Grundsätze der Geeignetheit, Erfor- derlichkeit und Verhältnismäßigkeit

gewahrt bleiben“. Gerade durch eine Verkammerung könnte sich der Pro- zeß der Professionalisierung der Pfle- geberufe beschleunigen lassen, so die Kammer-Befürworter. Zudem sprächen gute Gründe dafür, die Aufgabenfel- der in der Pflege gesetzlich zu normie- ren und dabei Kammern einzuschal- ten. Es bestehe mithin kein Zusam- menhang zwischen vorbehaltenen Tätigkeiten und berufsständischer Standesorganisation. Sogenannte Vor- behaltstätigkeiten seien jedenfalls kei- ne rechtliche Voraussetzung für eine Verkammerung, so das ASG-Papier.

„Eine Verkammerung der Pflegebe- rufe kann nicht am Anfang oder während eines Entwicklungsprozes- ses zu mehr Professionalität, Eigen- ständigkeit und einer eventuellen Freiberuflichkeit stehen, sondern sie muß erst am Ende einer berufspoliti- schen und berufsrechtlichen Entwick- lung Platz greifen.“ Dr. Harald Clade

A-2810

P O L I T I K LEITARTIKEL/AKTUELL

(18) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 45, 6. November 1998

Nach Umfragen des Meinungs- forschungsinstituts Emnid GmbH (Bielefeld) hat sich die Gewichtung der politischen Probleme in Deutsch- land nach der Bundestagwahl und den rot-grünen Koalitionsverhandlungen deutlich verschoben. Auf Rang eins steht mit 90 Prozent zwar nahezu un- verändert die Beseitigung der Ar- beitslosigkeit als vorrangiges Ziel (vor der Wahl: 89 Prozent). Doch auf den nachfolgenden Plätzen hat es signifi- kante Veränderungen gegeben. Auf- fallend ist, daß der Komplex Gesund- heit nur noch von 49 Prozent der Be- völkerung als wichtiges politisches Problem erachtet wird; vor der Wahl waren es noch 63 Prozent.

Doch auch in anderen Bereichen ist es zu deutlichen Verschiebungen ge- kommen: Wurde die Steuer vor der Wahl von 78 Prozent der Bevölkerung als wichtiges politisches Problem ange- sehen, teilen diese Einschätzung heute nur noch 64 Prozent. Ob die von der

Koalition angekündigte Steuerreform bereits zu einer „Beruhigung“ geführt hat, wurde nicht speziell abgefragt. Auf den nachfolgenden Rängen folgen die Themen Rente 60 Prozent (77 Pro- zent), Soziales 57 Prozent (65 Prozent), Ausländer 54 Prozent (50 Prozent) und – weit abgeschlagen – die Wirtschafts- politik 39 Prozent (59 Prozent).

Interessant sind auch die Ergeb- nisse der Umfrage in bezug auf den zukünftigen Bundespräsidenten: 44 Prozent der Deutschen wünschen sich, daß Amtsinhaber Roman Herzog im Mai nächsten Jahres wiedergewählt wird. Die Beliebtheit von Herzog wird auch von Anhängern der SPD geteilt.

Nur 18 Prozent der Befragten stim- men für den SPD-Politiker Johannes Rau. Für die Bevölkerung ist auch die von den Politikern forcierte „Quoten- diskussion“ unerheblich: Nur 18 Pro- zent bevorzugen eine Frau an der Spit- ze des Staates und nur sechs Prozent einen Ostdeutschen. zyl

Nach der Wahl

Thema Gesundheit hat an

Bedeutung verloren

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