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ohannesGuten-berg (cir-ca 1400 bis 1468), der Va- ter des Buch- drucks, wurde im letzten Jahr zum „Mann des Jahrtausends“ er- nannt. Mainz, die Hei- matstadt Gutenbergs, weiß natürlich gerade im Jahr 2000 mit dem ihr zugefallenen Pfund zu wuchern. Liegt doch der Geburtstag des „größten Sohnes der Stadt“ in diesem Jahr mehr oder weniger exakt 600 Jahre zurück. Also feiert und gedenkt man das ganze Jahr hindurch und hat sich selbst mit der Erweiterung und Erneuerung des Guten- berg-Museums das wohl blei- bendste Geschenk gemacht.
Die unmittelbare Nähe zum Dom, das heißt die Lage in der engen Altstadt, brachte es mit sich, dass man den Neu- bau bescheiden in einer be- nachbarten Baulücke ansie- delte und dem Altbau direkt anschloss. Immerhin ergibt sich so die Möglichkeit, die Besucher in der Ausstellung von Haus zu Haus pendeln zu lassen, ohne dass sie es oftmals wohl merken.
Dafür sorgt schon die span- nende Präsentation selbst, gibt sie doch Einblick in die Tech- nik des Buchdrucks.
Es gab auch schon vor 1454, dem Jahr der ersten da- tierbaren Druckerzeugnisse aus Gutenbergs Werkstatt, Bücher. Nur waren sie zu- meist Unikate: Man schrieb
sie – und das im vollen Wortsinn. Wollte man Bilder, malte man sie eben – Seite für Seite, Buch für Buch. Das er- klärt, warum die „Auf- lage“ jedes Buches mi- nimal war, was sich auch kaum änderte, als man daran ging, Schriften in Werkstätten von zahlreichen Schreibern vervielfältigen zu
lassen. Seit dem späten 14.
Jahrhundert kannte man schließlich das Verfahren, Holzdruckstöcke auf Papier zu drucken. Für jede Seite musste also ein Holzstück gefertigt werden, das aus- schließlich für diese eine Sei- te genutzt werden konnte und zwar nur so lange, wie es die allmähliche Abnutzung zuließ.
In dieser Situation musste Gutenbergs Konzept ein Selbstläufer werden. Er wollte hohe Auflagen, einwandfrei- en Druck und eine Wiederver- wertbarkeit der Druckutensi- lien. Deshalb zerlegte er jeden Text in seine Einzelelemente, in Buchstaben, Zahlen und Satzzeichen. Diese „Figuren“
gravierte er in hartes Metall, womit er die zahlreichen
Buchstaben, die ein Text ent- hält, in weiches Metall drücken konnte. Die so ent- standenen Lettern mussten jetzt nur noch in die ge- wünschte Reihenfolge ge- bracht, mit Druckerschwärze versehen und auf angefeuch- tetes Papier gedruckt werden.
Wenn genügend Seiten ge- druckt waren, konnte man die Zeichen wieder neu zusam-
menstellen. Der Faszination, eine Seite eigenhändig zusam- menzustellen und Buchstaben physisch zu spüren, kann man im Druckladen des Guten- berg-Museums erliegen. Unter Anleitung gelernter Setzer kann man sich dort beim Drucken einer scheinbar alter- tümlichen Technik hingeben.
Doch ihrem Prinzip nach ist sie hochaktuell. Wie damals wer- den auch heute Texte in die je- weils kleinsten verfügbaren In- formationseinheiten zerlegt und neu zusammengesetzt.
Und wie bislang benötigt man zum Druck auch heute (mehr denn je) Papier. Welche Sorten es gibt, wie man sie herstellt und wie sich Papier über die Jahrhunderte hinweg in den Regionen der Erde ausgebrei- tet hat, kann man in anderen Museumsräumen nachvollzie- hen. Dabei stößt man en pas- sant auch auf solche Expona- te wie die „Orakelknochenin- schrift“, eine, wie erläutert wird, „reife chinesische
Schrift im 15. bis 11. Jahrhun- dert v. Chr., die auf Schildkrö- tenpanzer oder Tierknochen graviert“ wurde. Oder aber auf eine von heute noch 49 existierenden Gutenberg-Bi- beln aus den 1450er-Jahren, mit denen Gutenberg bewies, dass die „nova forma scriben- di“ den Handschriften ästhe- tisch gleichwertig war.
Bernd Apke A-1832 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 26, 30. Juni 2000
V A R I A FEUILLETON
Das Gutenberg--Museum in Mainz
E I N K O N Z E P T W U R D E Z U M S E L B S T L Ä U F E R
Der Buchdruck gehört zu den folgenreichsten Erfindungen der Menschheit.
Das Gutenberg- Museum (Liebfrauen- platz 3–5, 55116 Mainz) ist dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet.
Bis 3. Oktober ist dort und an vier weiteren Orten die Ausstellung „Guten- berg – aventur und kunst. Vom Geheim- unternehmen zur er- sten Medienrevoluti- on“ zu sehen.
J. F. Schreiber: „Buchbinderwerkstatt“, Esslingen, 1836
Abbildungen: Gutenberg-Museum