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Archiv "Selbstmord: Unpassender Begriff" (13.08.2004)

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Selbstmord

Zu dem Beitrag „Ein Wort, das es nicht geben sollte“ von Prof. Dr. med.

Peter Helmich in Heft 23/2004:

Argumente für die Beibehaltung

Die Diskussion um die wert- neutralere Benennung des Begriffs Selbstmord begegnet mir im psychiatrischen Alltag mehr vonseiten der Ange- hörigen als von den Patienten selbst. Das Ersetzen von Selbstmord durch Suizid, Selbsttötung, scheint mir nicht so unproblematisch und durchgehend positiv in seiner Wirkung zu sein, wie dies vom Autor dargestellt wird. Neben der Problematik mit Stigmati- sierung, Schuldvorwürfen bei der Bezeichnung „Selbst- mord“ einerseits gibt es ande- rerseits auch Argumente, die für Vorteile und eine Beibe- haltung beim Begriff „Selbst- mord“ sprechen. Die Dimen- sion der umgangssprachlichen Wortbedeutung ist nicht un- bedingt nur negativ zu verste- hen: Mord bedeutet (nach Wahrig, deutsches Wörter- buch) absichtliche Tötung, was bei einigen gezielt ge- planten suizidalen Handlun- gen zutrifft.

Die Assoziationen, die mit Selbstmord einhergehen, bein- halten auch moralisch-kultu- relle Haltungen oder Urteile über eine verbotene Tat. Diese können durchaus präventiv wirken und eine erhebliche Schwelle zur Begehung einer solchen Tat darstellen. Umge- kehrt können die Benennun- gen „Selbsttötung, Suizid, Sui- zident“ bagatellisierend aufge- fasst werden und die Selbsttö- tung als akzeptierte Hand- lungsmöglichkeit attribuieren.

Dadurch könnte auch die Ver- antwortlichkeit für diese Tat unscharf werden, letztendlich dem Täter (oder Kranken) ei- ne ohnmächtige Position sug- geriert werden, die es ihm eher erschwert, wieder für sich und sein Handeln Verantwortung zu übernehmen. Die wertende Benennung Selbstmord dage- gen macht deutlich, dass es sich dabei um ein Überschrei-

ten der Grenzen handelt, eine unzulässige Tat, die durch die Drastigkeit (und auch Tabui- sierung) gerade eine entspre- chende Wirkung erhält.

Außerdem betrifft eine Selbst- tötung nicht nur den Täter, sondern das gesamte soziale Umfeld, was bei „appellati- ven“ Suizidhandlungen ja ge- legentlich nicht unbeabsichtigt ist. Suizid kann daher einem Mord in seinen sozialen Fol- gen in manchen Fällen ent- sprechen. Eine vom Autor ge- nannte „Wertneutralität“ ist auch durch eine Umbenen- nung nicht möglich, wohl aber eine Änderung der Wertung,

eventuell aber auch mit den angedeuteten beschriebenen Folgen. Auf keinen Fall sollte jedoch Selbstmord oder Selbsttötung mit der vom Au- tor genannten Selbstbestim- mung im irreversiblen Sterbe- prozess vermischt werden, hier sind klarste Begriffsbestim- mungen und Abgrenzungen notwendig. Im ersten Fall will jemand gezielt aus seelischer, subjektiver Verzweiflung ge- zielt und aktiv sich das Leben nehmen (Selbstmord). Diese Handlungsabsicht (sofern nicht terminal ausgeführt) auf- grund seelischer Krankheit verschwindet in den allermei- sten Fällen nach einiger Zeit von selbst oder durch eine adäquate psychiatrisch-psy- chotherapeutische Behand- lung. Der würdevolle Verzicht auf lebensverlängernde Maß- nahmen im Sterbeprozess hat mit aktiver Selbsttötung über- haupt nichts zu tun.

Michael Kammer-Spohn

Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Suchtbehandlung, CH-7312 Pfäfers

Hürde an Bedenken und Skrupel hochhalten

So vielschichtig wie das ei- gentliche Thema ist, so diffe- renziert sollten auch die Ab- leitungen gezogen werden.

Die rechtliche und etymologi- sche Betrachtung ist durchaus richtig und sinnvoll, um sich dem Thema zu nähern. Doch es stellt sich die Frage, ob man ebenfalls die moralische Seite (auch jenseits der Kirchenmo- ral)damit erschöpfend behan- delt. Ist es nicht im Sinne aller direkt und indirekt Betroffe- nen, die Hürde an Bedenken und Skrupel gegenüber der

Beendigung eines Menschen- lebens so hoch wie möglich zu legen? Regt der Begriff

„Selbstmord“ mit all seinen Assoziationen und Konnota- tionen uns nicht noch stärker an, über diesen vermeintlich einzig verbleibenden Ausweg kritisch und distanziert nach- zudenken, als das Wort

„Selbsttötung“? Die wertfreie Vokabel hat in der Wissen- schaft ihre Legitimation, im allgemeinen Sprachgebrauch hingegen besitzen bildreiche Begrifflichkeiten durchaus ih- re Existenzberechtigung.

„Versachlichung“ bedeutet das Abspalten von Emotionen und damit im Alltagsleben – wertend ausgedrückt – eine Verrohung.

Axel Schübeler,

Krafftstraße 11, 63065 Offenbach

Unpassender Begriff

Endlich wird dieses Thema aufgegriffen. Ein abschrecken- des Beispiel war kürzlich eine Talkshow der ARD, in welcher

der Moderator ständig von Selbstmord sprach, obwohl al- le Diskussionsteilnehmer die- se Bezeichnung ablehnten (Theologen, Ethiker, Philoso- phen). Da sah man, wie tief dieser völlig unpassende Be- griff sitzt. Aber noch eine An- merkung: wie soll man einen terroristischen Attentäter, der seinen Tod in Kauf nimmt, um andere zu töten, nennen?

Selbsttötender Mörder?

Da würde ich den Begriff

„Selbsmordattentäter“ doch durchaus in Kauf nehmen, da die definitiven Voraussetzun- gen des Strafrechts (v. a.

Heimtücke und Mordlust) ge- geben sind. Wie steht Herr Prof. Dr. Helmich dazu?

Dr. med. G. Vogel, Trogemannstraße 2, 45772 Marl

Korrektur zu zwei Aussagen

Es erscheint angemessen, den Suizid bei Depressionen ver- schiedener Ätiologien als Selbsttötung und nicht als Selbstmord zu bezeichnen. Aus der grundsätzlichen Verant- wortung dem Leben des Näch- sten wie dem eigenen gegen- über hat das Christentum den

„Selbstmord“ als widernatür- lich und gegen die Liebe ver- stoßend verurteilt. Denn Auto- nomie ist nicht solipsistisch misszuverstehen, der Christ sieht sie eingebunden in Soli- darität und der Theonomie nachgeschaltet. Der Aufklärer I. Kant argumentierte in seiner

„Metaphysik der Sitten“ ähn- lich: „Das Subjekt der Sittlich- keit in seiner eigenen Person zernichten, ist ebensoviel als die Sittlichkeit selbst ihrer Exi- stenz nach, soviel an ihm ist, aus der Welt vertilgen, welche doch Zweck an sich selbst ist.“

Besiegte Krieger stürzten sich einst „ehrenvoll“ ins Schwert, noch vor 100 Jahren erschossen sich Elitäre aus verletztem Ehr- gefühl, auch wenn es um Lap- palien ging. Demgegenüber verdankt sich das Verständnis psychischer Erkrankungen mit Minderung von Willensfreiheit und Verantwortlichkeit der Wissenschaftserkenntnis einer späteren Zeit und führte dann A

A2246 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3313. August 2004

B R I E F E

Foto:DAK/Wigger

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zu theologisch differenzierter Beurteilung. Zwei Aussagen des Artikels sind aber zu korri- gieren. „Zum Leben gehört das Sterben“ – doch nicht mehr

„der Tod“; das hat schon Epi- kur auf seine Weise geklärt.

Völlig unverständlich bleibt, wie die qualvolle Folterung und Tötung christlicher Märty- rer und die Kreuzigung des Je- sus von Nazareth durch staatli- che Instanzen in die Rubrik

„Selbsttötung“ gezwängt wer- den sollen. Will Prof. Helmich auch den gewaltsamen Tod von Alfred Delp, Dietrich Bon- hoeffer und der Geschwister Scholl als „Selbsttötung“ ein- ordnen, als diese für ihre Über- zeugung „sehenden Auges und aus freien Stücken in den siche- ren Tod“ gingen?

Dr. med. Dr. theol. h. c. Maria Overdick-Gulden,

Markusberg 24e, 54293 Trier

Management

Zu dem Varia-Beitrag „Professionelle Personalauswahl“ von Silke Wöhr- mann und Jutta Geringhoff-Seckler in Heft 22/2004:

Budgetumverteilung

Der Beitrag beschränkt sich, nach Schilderung der Umorga- nisation des Universitäts-Kli- nikums Hamburg-Eppendorf in eine Zentrumsstruktur, auf die Technik der Auswahl von Führungskräften. Der Artikel gibt aber weitere aufschluss- reiche Informationen: „Der Bedarf an ,frischen‘ Führungs- kräften war enorm.“ Um die- selbe medizinische Leistung, das sog. Kerngeschäft eines Klinikums, zu erbringen, muss- ten elf Kaufmännische Leitun- gen, acht Pflegerische Leitun- gen, vier Leitungen der neu ge- gründeten GmbHs und vier Leitungspositionen der zentra- len Dienste neu besetzt wer- den. Durch diese neuen Lei- tungspositionen, nahezu aus- schließlich im Verwaltungsbe- reich, wird ein weiterer Perso- nalbedarf an nachgeordnetem Personal entstehen, ohne dass die Erledigung des Kernge- schäftes dadurch gefördert würde. Es ist klar zu erkennen,

dass hier zwangsläufig eine in- terne Budgetumverteilung von der „Produktion“ hin zur Ver- waltung erfolgt. Wo bleibt der Grundsatz des „lean manage- ments“? Wasserköpfe benöti- gen unsere Kliniken nicht.

Prof. Dr. Reinhard Schumacher, Kinderradiologie, Universitäts-Kinderklinik Mainz, Langenbeckstraße 1, 55131 Mainz

Ärzteversorgung

Frauen sind in der Ärzteversorgung benachteiligt:

Strukturen ändern

Die Satzung der Ärzteversor- gung Westfalen-Lippe sieht vor – ich arbeite wegen meiner beiden Töchter halbtags –, dass ich als Anerkennung der Kinderbetreuungszeiten ab dem 65. Lebensjahr 20 Euro pro Monat erhalten werde.

Pro Kind bekomme ich also nur 10 Euro.

Wie müssen die Strukturen in den Entscheidungsgremien geändert werden, damit ange- messene und solidarische Lö- sungen für diese Ungerechtig- keit entwickelt werden? Der Ärztinnenbund sollte bei sol- chen Entscheidungen mitbe- stimmen können.

Dr. med. Barbara Grieseler, Krumme Straße 20, 48143 Münster

Fonds

Zu der Stellungnahme von Uwe Zeid- ler von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank „Professionelle Anla- geempfehlung“ in Heft 23/2004 zum Beitrag von Börsebius „Liebevolle Umarmung“ in Heft 19/2004:

Berechtigte Kritik

Auf Anraten der APO-Bank habe auch ich mich mit einem namhaften Betrag an dem Apo-Fonds Piano beteiligt, mit erheblichen Verlusten. Die Kritik von Börsebius ist durchaus berechtigt und aus heutiger Sicht auch nach Rücksprache mit anderen Banken für mich jetzt leider nachvollziehbar!

Bernd Maier,

Richard-Tauber-Straße 8, 81243 München Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 3313. August 2004 AA2247

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