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Archiv "Regenerative Medizin: Weit mehr als pure Stammzellforschung" (17.06.2005)

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agelang beherrschte die Meldung die Presse, dass es südkoreanischen Forschern gelungen ist, menschli- che Eizellen mit den Körperzellen von Patienten zu verschmelzen und auf die- se Weise individuelle Stammzelllinien für unheilbar Kranke zu gewinnen. Die Welt applaudierte. Fast zeitgleich fand in Deutschland der 2. Weltkongress für Regenerative Medizin statt. In Leipzig

diskutierten mehr als 600 Wissenschaft- ler aus 30 Ländern aktuelle Forschungs- ergebnisse und klinische Anwendun- gen. Dabei wurde deutlich, dass Re- generative Medizin mehr ist als die Ar- beit mit Stammzellen. Drei wesentliche Strategien werden aktuell in der Rege- nerativen Medizin erforscht:

die zeitweilige Verlagerung von Körperfunktionen in Bioreaktoren,

die Gewinnung und der Einsatz spezieller Wachstumsfaktoren zur Sti- mulierung der Selbstheilung sowie

der Aufbau von Ersatzorganen aus adulten Stammzellen des jeweiligen Pa- tienten.

Geschädigte Gewebe und Organe, wie Herzklappen oder Leber, sollen auf diese Weise schnell und originär ge- heilt werden. Angewendet werden die Methoden des Tissue Engineerings be- reits bei der Wiederherstellung von Knochen, Knorpeln und Haut. Kon- gresspräsident Prof. Dr.

med. Augustinus Bader (Leipzig) ist von der Zukunft der Regenera- tiven Medizin über- zeugt: „In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sich die Regene- rative Medizin in der klinischen Anwendung zunehmend etablieren.“

Gegenwärtig erlebe man einen Paradigmenwech- sel von der Transplan- tation von Geweben und Organen zu ihrer Regeneration. Die neue biomedizinische Diszi- plin nutze die Selbst- heilungskräfte von autologen Stamm- zellen für die Regeneration von Or- ganen und Geweben.

Am weitesten fortgeschritten ist die Herstellung von vitalem Hautersatz für Patienten mit schweren Verbrennun- gen, mit der sich auch Bader beschäf- tigt. Ein weiterer Forschungsschwer- punkt ist die Herstellung von patienten- eigenen Knochen- und Knorpelgewebe aus mesenchymalen Stammzellen des Knochenmarks. In einigen Zentren ha- ben auch autologe Gelenkknorpelzell-

transplantationen bereits den Status klinischer Routine erreicht.Ansätze zur Regeneration ossärer Strukturen gibt es schon im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferchirurgie. Dort ist schon die Regeneration kleiner knöcherner Anteile von großem therapeutischem Nutzen für die Patienten.

Eine realistische Alternative zur Le- bertransplantation ist die Regeneration der Leber nach schwerer Schädigung.Ge- wonnene und vermehrte Leberstamm- zellen können in einem Bioreaktor die Funktion der Leber übernehmen bis die autologe Regeneration des autochtonen hepatischen Gewebes in funktionell aus- reichendem Maße stattgefunden hat. He- patische Bioreaktoren werden bereits unter Verwendung porciner hepatischer Zellen, aber auch humaner adulter he- patischer Stammzellen klinisch erprobt.

Prof. Dr. med. Xuetao Pei, Direktor des Stammzell-Forschungszentrums in Pe- king (China), konnte zeigen, dass sich auch adulte mesenchymale Stammzel- len des Knochenmarks unter Einfluss von speziellen Wachstumsfaktoren in Hepatozyten differenzieren lassen.

Herzklappen mit dauerhafter mechanischer Belastbarkeit

Ein weiterer Ansatz ist die myokardiale Zelltransplantation. Bereits vor einigen Jahren hatten Untersuchungen gezeigt, dass allogene Kardiomyozyten nach Im- plantation in ein Nekroseareal nicht nur überleben, sondern auch die linksventri- kuläre Kontaktilität des Herzens verbes- sern können. Erste klinische Erfolge gab es nach der Transplantation von Ske- lettmyoblasten, aber auch nach der Über- tragung autologer adulter Stammzellen aus dem Knochenmark. In vitro gelingt ebenfalls die Züchtung von Kardiomyo- zyten aus embryonalen Stammzellen.

Erfolge sind bereits bei der Suche nach verbesserten Herzklappenprothe- sen zu verzeichnen. Geforscht wird nach einer Matrix, die dauerhaft me- chanisch belastbar ist, aber auch mit autologen Zellen regenerativ interagie- ren kann. Ziel ist es, die Probleme zu minimieren, die herkömmliche Klap- penprothesen verursachen – wie die Verkalkung und Degeneration bei bio- logischen Klappen sowie die Notwen- M E D I Z I N R E P O R T

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A1718 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005

Regenerative Medizin

Weit mehr als pure Stammzellforschung

Mit Methoden des „Tissue Engineering“ ist die

Wiederherstellung von unterschiedlichen Gewebetypen möglich. Ein Paradigmenwechsel von der Transplantation zur Organregeneration ist bereits eingeleitet.

Ansätze zur Regeneration ossärer Strukturen gibt es bereits im Bereich der Zahn-, Mund- und Kieferchirurgie.

Foto:laif

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digkeit der Vollantikoagulation bei me- chanischen Prothesen. Ein Ansatz be- steht in der Verwendung von zellfreien Klappengerüsten, die mit autologen Zellen besiedelt werden. Gefahndet wird derzeit nach der geeignetsten Klappengerüstsubstanz und der idealen Zellquelle für die Besiedelung. Ver- suchsweise verwendet werden autologe Gefäßwandzellen des Empfängers, aber auch adulte Stammzellen aus dem Kno- chenmark oder – für Herzklappener- satz bei Kindern interessant – Stamm- zellen aus dem Nabelschnurblut.

Aufgrund der rasanten Fortschritte in der Forschung unter Beteiligung vieler Fachgruppen sei das Wissen um die Re- generation von Geweben und Organen meist verstreut, bedauerte Bader. Um dem entgegenzuwirken, gründeten die Fachgesellschaften während des Kon- gresses ein europäisches Netzwerk.

„Damit bündeln wir die Anstrengungen, die Regenerative Medizin schnell in die klinische Praxis zu überführen“, erklärte Bader. Künftig soll sie zudem stärker mit der Präventiven Medizin verbunden werden. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann

M E D I Z I N R E P O R T

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A1720 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 24⏐⏐17. Juni 2005

DÄ: Was haben Sie sich als Direktor des neu gegrün- deten Fraunhofer-Instituts für Zelltherapie und Immunolo- gie in Leipzig vorgenommen?

Emmrich:Wir starten mit einem Team von 20 Mitarbei- tern und haben eine Aufbau- phase von fünf Jahren ge- plant. Bis zum Jahr 2008 soll das Institut auf 100 Mitar- beiter anwachsen. Wir wer- den die Forschungsprojekte des Instituts für Zelltherapie und Immunologie der Uni- versität Leipzig fortführen und uns besonders kliniknah orientieren sowie klinische Studien und Qualitätsprü- fungen übernehmen.

DÄ:Glauben Sie, dass die Zukunft der Medizin in der Regenerativen Medizin liegt?

Emmrich: Regenerative Medizin beinhaltet Stamm-

zellforschung, aber auch ein besseres Verständnis der en- dogenen Regeneration, die auf lange Sicht viel effekti- ver gesteuert werden kann.

Und es gehört das ganze Feld der Gewebeverträglich- keit und der Anbindung von künstlichen Materialien hin- ein. Diese Bereiche werden künftig zweifellos eine her- ausragende Rolle in der Me- dizin spielen.

DÄ: Welche Bedeutung messen Sie der embryonalen Stammzellforschung bei?

Emmrich:Ich habe in den letzten Monaten aufgrund neuer Ergebnisse meine Mei- nung etwas revidiert. Ich glaube in der Tat, dass es nicht sehr lange dauern wird, bis die ersten überzeugenden Be- handlungsergebnisse mit Pro- dukten embryonaler Stamm- zellen vorliegen. Die hohe Po- tenz dieses Zelltyps erlaubt, für alle denkbaren Gewebe Stammzellen entwickeln zu lassen. Natürlich muss man beachten, dass die frühen Stammzellen ein Tumorent- wicklungspotenzial besitzen.

Aber ich denke, dass das bald kontrollierbar sein wird.

DÄ: Sollte Deutschland seine restriktive Haltung bei der Forschung mit embryo- nalen Stammzellen ändern?

Emmrich:Es ist sicher an der Zeit zu überlegen, die

Stichtagsregelung fallen zu lassen, nach der nur an vor dem 1. Januar 2002 etablier- ten Stammzelllinien geforscht werden darf. Wir müssen die Möglichkeit haben, embryo- nale Stammzellen zu unter- suchen und auch Banken da- von anzulegen. Ich denke, man kann sich an Großbritan- nien orientieren, wo die Be- völkerung bereits 2002 sehr intensiv befragt worden ist.

Die Engländer sehen das Po- tenzial der Forschung, möch- ten aber auch, dass sie sehr sorgfältig kontrolliert wird.

Mit entsprechenden Kontrol- len kann man sicher auch hierzulande ohne Ängste und Bedenken in die Zukunft ge- hen. In jedem Fall wird in Süd- ostasien die Entwicklung in ganz anderen Dimensionen vorangetrieben. Warum sollen wir nach Faxgerät und MP3- Player auch bei der Stamm- zellforschung erleben, dass wir nach fünf oder zehn Jah- ren die interessanten Produk- te im Ausland einkaufen müs- sen, weil die Entwicklung bei uns begonnen, aber nicht wei- tergeführt wurde?

DÄ:Wann müsste Deutsch- land seine Gesetze ändern?

Emmrich:Sofort. Die Teil- nehmerzahl dieses Kongres- ses hat sich mehr als verdop- pelt. Das zeigt, wie sich das Gebiet innerhalb von andert- halb Jahren entwickelt hat.

Prof. Dr. med. Frank Emm- rich, Direktor des Fraun- hofer-Instituts Leipzig Nachgefragt

Foto:Fraunhofer-Gesellschaft

Kompetenznetz Parkinson

Erfolg mit der Tiefen Hirnstimulation

Erstmals gelang es deutschen Forschern, in einer klinischen Studie nachzuwei- sen, dass Parkinsonpatienten von der Tiefen Hirnstimulation mehr profitie- ren als von einer medikamentösen The- rapie. Wie Prof. Dr. med. Günther Deuschl (Universität Kiel) bei dem Welt-Parkinson-Kongress in Berlin be- richtete, nahmen 156 Parkinsonkranke an der Studie teil. Ergebnis: Die Le- bensqualität der Operierten verbesser- te sich im Vergleich zu den medika- mentös behandelten Patienten um et- wa 20 Prozent (Mobilität, Alltagsak- tivität und emotionale Ausgeglichen- heit), die motorischen Fähigkeiten so- gar um 40 Prozent.

Bei der Tiefen Hirnstimulation wer- den unter Lokalanästhesie Elektroden durch ein winziges Loch der Schädel- decke in die Substantia nigra implan- tiert. Über einen Impulsgenerator, der unter dem Schlüsselbein eingesetzt wird, werden regelmäßig schwache Strom- stöße zur permanenten elektrischen Rei- zung ausgelöst. Damit wird die Überak- tivität der beteiligten Nervenzellen re- duziert. Nebenwirkungen, wie Sprach- oder Sehstörungen, sind selten.

Die Tiefe Hirnstimulation wird seit Mitte der 90er-Jahre an einigen Uni- versitätskliniken weltweit angeboten.

Doch klinische Studien, die ihre Über- legenheit gegenüber der medikamentö- sen Therapie nachweisen, fehlten bis- lang. Zu gering war die Anzahl der je- weils behandelten Patienten. Bei der vom Kompetenznetz Parkinson und dem „Koordinierungszentrum für kli- nische Studien (KKS) Marburg“ durch- geführten Studie arbeiteten dagegen elf Universitätskliniken in einem Netz- werk zusammen.Aufgrund dieser Struk- tur, die vom Bundesministerium für Bil- dung und Forschung gefördert wird, ist Deutschland mittlerweile auf diesem Gebiet international führend. Eine zweite Studie, die die Effektivität der Tiefen Hirnstimulation bei Dystonie- patienten untersucht, startete vor we-

nigen Wochen. ER

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