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Archiv "Regenerative Medizin: Langer Atem vonnöten" (06.12.2013)

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A 2372 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 49

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6. Dezember 2013

REGENERATIVE MEDIZIN

Langer Atem vonnöten

Bei der Umsetzung von Forschungsergebnissen in Produkte und Therapien klagen Wissenschaftler vor allem über aufwendige Zulassungsverfahren und die bürokratische Erstattungspraxis durch die Krankenkassen.

D

ie regenerative Medizin zählt zu den innovativsten Zu- kunftsfeldern der Medizin. Den- noch hat sie ein Problem: Es man- gelt an Geld und Unterstützung.

„Regenerative Medizin am Schei- deweg: Deutsches Biotech-Poten - zial ohne Perspektive?“ war bezeich- nenderweise der Titel des diesjäh - rigen Herbstforums der Deutschen Gesellschaft für Regenerative Me- dizin am 8. November in Berlin.

„Wir stecken derzeit quasi in ei- ner Sackgasse“, erläuterte Prof. Dr.

med. Hans-Oliver Rennekampff, Wis - senschaftlicher Sprecher der Deut- schen Gesellschaft für Regenerative Medizin. „In der Klinik finden die innovativen Verfahren kaum Ein- gang in die Patientenbehandlung.

Somit gibt es keine Kalkulationsda- ten, keine Abbildung im DRG-Sys- tem und auch keine Vergütung.“

Ein ähnlicher Teufelskreis lähmt die Industrie: Da die innovativen Verfahren nicht angewendet wür- den, könne man damit keinen Ge- winn erzielen, für den sich lohne, in teure klinische Studien zu investie- ren. Ohne diese gäbe es keine evi- denzbasierte Datenlage und somit auch keine Vergütung, was wieder- um die Anwendung verhindere.

„Die regenerative Medizin wird zwar durch das Bundesforschungs- und das Bundeswirtschaftsministe- rium gefördert. Diese Förderung muss aber verstärkt anwendungs - orientiert sein“, mahnte deshalb Ren- nekampff. Zudem blockierten Ge- setze und Regularien noch viel zu sehr die klinische Anwendung. Fa- zit: In der regenerativen Medizin brauche man einen langen Atem.

Um Verständnis für diese Regu- larien warb auf dem Herbstforum hingegen Dr. Ulrike Flach (FDP), derzeit noch Parlamentarische Staats- sekretärin im Bundesgesundheits-

ministerium: „Dem Wunsch nach Innovation steht das Bemühen ge- genüber, die Kosten zu begren- zen“, sagte sie. Nur der Zusatz - nutzen einer neuartigen Therapie rechtfertige eine Erstattung der Kosten durch die Solidargemein- schaft. Das noch junge Gebiet der regenerativen Medizin müsse da- her möglichst schnell gute klini- sche Studien vorlegen.

Von der Idee bis zum Produkt vergehen oft Jahre

Dass dies in der Praxis jedoch nicht leicht ist, verdeutlichte Prof. Dr.

med. Frank Emmrich, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Zellthera- pie und Immunologie in Leipzig.

„Viele interessante Innovationen können aufgrund einer langen Durst- strecke während der klinischen Prü- fung verloren gehen“, warnte er.

Erst vier Produkte aus dem Bereich

„Advanced Therapy Medicinal Pro- ducts“, die Tissue Engineering und Zelltherapie umfassen, hätten der- zeit in Europa eine arzneimittel- rechtliche Zulassung erhalten. Viele Produktvorläufe befänden sich je- doch am Anfang der klinischen Prü- fung. „Betrachtet man die Ideen, die Konzepte und das, was sich an Pro- dukten am Horizont abzeichnet, boomt es innerhalb der regenerativen Medizin mehr denn je“, erklärte Emmrich.

Ähnlicher Ansicht war Dr. Ralf Sanzenbacher, zuständig für Tissue Engineering und somatische Zell- therapeutika am Paul-Ehrlich-Insti- tut (PEI), die für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel zu- ständige Bundesoberbehörde: Zahl- reiche Produkte würden sich derzeit am Beginn oder an der Schwelle zu Das Fraunhofer

Institut für Zell- therapie und Immunologie in Leipzig entwickelt und optimiert Ver- fahren und Produk- te für die Diagnos- tik, Biobanken und die Zelltherapie.

Foto: Fraunhofer IZI

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6. Dezember 2013 A 2373 klinischen Studien befinden, sagte

er. Zudem würden kontinuierlich und gleichmäßig Produkte der Stu- dienphasen I bis III bei seinem In- stitut eingehen. „Es ist keineswegs so, dass sich auf diesem Gebiet nichts tun würde.“

Weltkongress in Leipzig stieß auf großes Interesse

Im Gespräch mit dem Deutschen Ärzteblatt verwies Emmrich auf das Ausland. Während beispielsweise in Japan auf Geheiß der Regierung große Industrieunternehmen, wie Panasonic, Kawasaki und Fuiji, mit der regenerativen Forschung ko- operierten, wären in Deutschland nur kleinere und mittlere Unterneh- men mit der regenerativen Medizin betraut. Diese hätten zusätzlich zu den bei Start-Up-Unternehmen üb- lichen Finanzsorgen Probleme mit den strengen Regularien der Pro- duktzulassung. „Bei der regenera - tiven Medizin müssen zunächst kli- nische Prüfungen hintereinander - geschaltet werden, bis tatsächlich die Marktzulassung möglich ist.

Das schaffen die kleinen Unterneh- men oft nicht. Wir müssen unsere Strategie überdenken, wenn wir in- ternational wettbewerbsfähig blei- ben wollen“, betonte Emmrich.

Dass das weltweite Interesse und auch das Know-how indes groß sind, zeigte die Weltkonferenz für Regenerative Medizin Ende Okto- ber in Leipzig. Mehr als 1 000 Teil- nehmer aus ungefähr 53 Ländern dis- kutierten dort die Themen Stamm- zellforschung, Zelltherapie, Bioma- terialien und Tissue Engineering.

Vertreten waren auf der Weltkonfe- renz, die vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (IZI) und vom Translationszentrum für regenerative Medizin der Uni- versität Leipzig organisiert wurde, auch viele Aussteller aus Wirtschaft und Technik. „Als Forschungsdis- ziplin ist die regenerative Medi- zin in hohem Maße interdisziplinär, denn sie verknüpft Ansätze der Zellbiologie, der Biotechnologie und der Pharmakologie mit Medizin- technik und Materialwissenschaf- ten. Umso wichtiger sind solche Konferenzen wie die Weltkonfe- renz, die der Vernetzung der Wis-

senschaftler untereinander dienen“, betonte Emmrich, Präsident des Welt- kongresses.

Im Rahmen der Eröffnungsveran- staltung des Kongresses präsentierte Prof. Dr. med. Jürgen Hescheler, Di- rektor des Instituts für Neurophysio- logie der Universität Köln, seine Forschungsarbeiten zur Entwick- lung von Toxizitätsmodellen auf Ba- sis humaner embryonaler Stamm- zellen. Sie sollen für alle Organe oder Organsysteme anwendbar sein, die von systemischen Giftstoffen angegriffen werden, zum Beispiel das Herz oder Nervensystem.

Ausgangspunkt für die For- schungsarbeiten ist die Tatsache, dass es derzeit keine guten Alternati- ven zu Tierversuchen zur Erfassung der Toxizität von Substanzen gibt, denen der Mensch über längere Zeit ausgesetzt ist. Durch klassische In- vitro-Zytotoxizitätstests können we- sentliche subletale Effekte im Zu- sammenhang mit niedrigdosierter Exposition nicht erkannt werden.

„Hinzu kommt, dass wir im Tier- versuch ganz andere physiologische und biochemische Verhältnisse und damit andere Reaktionen vorfinden“, erklärte Hescheler dem Deutschen Ärzteblatt. Zum Beispiel ist die elek- trische Aktivität beim Herzen der Maus anders als beim Menschen: So beträgt die Schlagfrequenz bei der Maus ungefähr 600 Schläge pro Mi- nute, beim Menschen etwa 70 Schlä- ge, was sich schon allein aus der unterschiedlichen Organgröße ergibt.

„Deshalb sind Mäuse im allgemei- nen keine guten Testsysteme für Kar- diotoxizität.“

Humane Stammzellen bieten He- scheler zufolge dagegen gute Mög- lichkeiten zu testen, welche Sub- stanz welchem Menschen gefähr- lich werden kann. Gerade Patien- ten mit speziellen Vorerkrankungen könnten davon profitieren. „Toxi- kologische Analysen an menschli- chen, von Stammzellen abgeleite- ten Zellen sind in der Lage, verläss- liche Aussagen zum Auftreten von Nebenwirkungen in einer frühen Phase der Toxizität zu ermöglichen“, erklärte Hescheler.

Als ein Beispiel nannte der Stammzellforscher den Contergan- Wirkstoff Thalidomid, der beim

Menschen zu schweren Störungen in der Embryonalentwicklung führt, die im Tierversuch zuvor nicht er- kannt wurden. „Die Pharmafirma Grünenthal hat damals nach den geltenden Vorschriften zur Medi- kamentenzulassung gehandelt. Sie hat Thalidomid in Tierversuchen mit der Maus, der Ratte und dem Hund getestet. Doch Störungen der Embryonalentwicklung treten nur beim Primaten und bei Menschen auf. Tests an Primaten oder huma- nen Zellen waren aber damals nicht vorgeschrieben“, erläuterte Hescheler.

Pluripotente Stammzellen sind für ihn deshalb ideal für solche Tests. „Wir haben ein einfaches Testverfahren entwickelt, das es uns erlaubt, uns die frühe embryo- nale Entwicklung anzuschauen und zu erkennen, welche Gene in den frühen Entwicklungsphasen ver- mehrt oder vermindert abgelesen werden.“ Für Thalidomid konnte seine Gruppe nachweisen, dass ge- nau das Gen für die Arm- und Bein- entwicklung durch die Substanz praktisch auf null geregelt wurde.

Stammzellen sind ideal für Medikamententests

„Man könnte jetzt diesen Test nut- zen und auf andere Medikamente übertragen. Wenn man Substanzen findet, die auch dieses Gen beein- flussen, ließen sich genaue Vorher- sagen machen, ob eine solche em- bryonale Fehlentwicklung wie bei Thalidomid wieder auftreten könn- te“, sagte er. Momentan versucht der Stammzellforscher herauszufin- den, welche weiteren Gene oder Gengruppen als Biomarker für die Vorhersage anderer toxikologischer Erscheinungen benutzt werden könn- ten, um die Toxizität einer Substanz festzustellen.

Das Beispiel zeigt: Regenerative Medizin ist viel mehr, als Zellersatz durch Stammzellen herzustellen.

Noch gibt es weltweit allerdings nicht allzu viele durchschlagende Erfolge. Sanzenbacher vom PEI ist jedoch optimistisch: „Die Bilanz ist gar nicht so schlecht, wir haben die Pipeline voll, auch wenn ein Block- buster bisher noch fehlt.“

Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann

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