wohl für Metformin wie auch für Acar- bose sei gezeigt worden, dass eine Re- duktion der kardiovaskulären Ereig- nisse beim Diabetes und im Fall der Acarbose auch bei der Glucosetoleranz möglich ist.
Eine Vereinfachung der Insulinthe- rapie wird künftig mit einem inha- lativen Insulin möglich sein, für das die Zulassung beantragt wurde. In Aus- sicht gestellt wurde ein völlig neues Behandlungsprinzip, bei dem die Wir- kung von Darmhormonen (Inkretine) – wie GLP-1 (Glucagon-like-Peptide-1) – nachgeahmt wird. GLP-1 steuert die frühe Insulinantwort und induziert als Darmhormon auf einen Glucosereiz hin die Bildung und Sekretion von In- sulin in den Betazellen des Pankreas.
Es verzögert außerdem die Magenent- leerung und hemmt Hunger und Appe- tit. GLP-1 lässt sich allerdings nicht direkt therapeutisch nutzen, da der Wirkstoff im Körper rasch durch die Dipeptidyl-Peptidase IV (DDP-IV) ab- gebaut wird.
Im Speichel der amerikanischen Kru- stenechse wurde der Wirkstoff Exen- din-4 gefunden, der eine 50-prozentige Homologie zu GLP-1 besitzt, den glei- chen Rezeptor besetzt und die gleichen Effekte im Organismus vermittelt. Syn- thetisch hergestellt führt der Wirkstoff Exenatide, der 2005 in den USA zuge- lassen werden soll, ebenfalls zu einer glucoseabhängigen Insulinsekretion. Die Substanz muss ebenso wie Insulin sub- kutan injiziert werden. Jedoch ist eine zweimal tägliche Injektion ausreichend;
außerdem kann Exenatide in einer Standarddosierung gegeben werden, Blutzuckermessungen wie bei der Insu- linbehandlung sind nicht erforderlich.
Als Vorteil wertete Prof. Dr. med. Mi- chael Nauck (Bad Lauterberg), dass die Stimulation der Insulinsekretion streng blutzuckerabhängig erfolgt, sodass kei- ne Hypoglykämien drohen.
Das Inkretin-Mimetikum Exenatide ist aber nicht der einzige Ansatz, über den versucht wird, die GLP-1-Wirkung therapeutisch nutzbar zu machen. Ge- arbeitet wird nach Nauck auch an DDP-IV-Inhibitoren in der Hoffnung, ein Therapieprinzip etablieren zu kön- nen, mit dem der Abbau des Darmhor- mons gehemmt und damit die GLP-1- Wirkung stabilisiert wird. Christine Vetter
M E D I Z I N R E P O R T
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2411. Juni 2004 AA1717
Adulte Stammzellen
Beweise stehen noch aus
Lübecker Forscher verkündeten einen „Durchbruch“ der
Forschung. Fachkollegen aber mahnen vorerst zur Skepsis.
B
iomedizinische Sensationsmeldun- gen sind generell mit Vorsicht zu genießen, besonders jedoch in ei- nem so politisierten Bereich wie der Stammzellforschung. So könnte es der Arbeitsgruppe um Dr. Charli Kruse vom Institut für Medizinische Moleku- larbiologie der Universität zu Lübeck in Kooperation mit dem Fraunhofer-Insti- tut für Biomedizinische Technik, St.Ingbert, tatsächlich gelungen sein, eine
„ergiebige neue Quelle für pluripotente adulte Stammzellen“ zu entdecken. Da- mit ließe sich der ethisch umstrittene Einsatz von embryonalen Stammzellen umgehen. Der Erfolg der Forschergrup- pe könnte sich langfristig aber auch als Flop erweisen. Nämlich dann, wenn die Beweise für die Nutzbarkeit der Zellen in vivo erbracht werden müssen.
Eigenschaften aller Keimblätter
Trotzdem vermeldete jüngst die Tages- presse den „Durchbruch in der adulten Stammzellforschung“. Die verwendeten Zellen aus dem Pankreasgewebe des Menschen und der Ratte wiesen in ho- hem Maße die Merkmale adulter pluri- potenter Stammzellen auf, erklärten die Lübecker Forscher bei einer Pressekon- ferenz in Berlin. Nach anderthalb Jahren Forschungsarbeit sei es gelungen, wie- derholt Gewebekomposite von einigen Millimetern Größe hervorzubringen.
In ihnen befänden sich Zellen und Zellformationen mit den Eigenschaften aller drei Keimblätter, des Meso-, Ek- to- und Entoderms. Die gewonnenen Stammzellen vermehrten sich sehr gut, berichten die Forscher weiter. Eine der angelegten Stammzelllinien befände sich inzwischen in der 25. Kultur-Pas-
sage und bliebe ohne Kokultur oder Zusätze indifferenziert und stabil. Über geeignete Kultivierungsschritte könne sehr definiert die Differenzierung der Zellen induziert werden.
Dies wäre in der Tat ein „bahn- brechender Erfolg in der adulten Stammzellforschung“. Während Politi- ker euphorisch die Entdeckung der
„Alleskönner“ und die deutsche For- schung feiern, reagieren Stammzell- forscher, wie Prof. Dr. Rudolf Jänisch (Boston) und Prof. Dr. Catherine Ver- faillie (Minnesota) verhaltener. Fallen doch ein paar Ungereimtheiten auf, die der Lübecker Erfolgsmeldung Anlass zur Skepsis verleihen. „Die Ergeb- nisse sind für mich nicht plausibel“, sagt auch Priv.-Doz. Dr. med. Gerd Kem- permann, Leiter einer Arbeitsgruppe
„Adulte Stammzellen“ am Max-Del- brück-Zentrum in Berlin. Gängige Tests, wie eine klonale Analyse und In-vivo- Versuche, stünden noch aus. Stammzell- forscher Prof. Dr. rer. nat. Hans Schöler (Münster) hält die von Kruse isolierten Zellen indes für „außerordentlich be- merkenswert“. Auf Pluripotenz müss- ten sie allerdings noch überprüft wer- den, sagte er der Frankfurter Rundschau.
Kritiker bemängeln ferner die Form der Publikation der Lübecker Wissen- schaftler. Sie veröffentlichten ihre Daten nicht – wie sonst bei Forschungsergebnis- sen dieser Dimension üblich – in einer renommierten, peer-reviewten Zeit- schrift. Stattdessen publizierten sie ihre Arbeit in einem in biomedizinischen Kreisen kaum bekannten Internet-Jour- nal (Applied Physics A), das binnen 24 Stunden die Publikation akzeptierte.
Dem Vernehmen nach wollte Kruse durch diese Vorgehensweise nicht der Konkurrenz in die Hände spielen. Zu- nächst habe er sich sein Patent gesichert, das er im April erhalten haben will.
Bei der Vorstellung der Forschungs- ergebnisse im Rahmen einer Presse- konferenz räumten die Lübecker For- scher ein: Tatsächlich sind alle Experi- mente bislang nur in vitro durchgeführt worden. Weitere Prüfungen und Absi- cherungen müssten noch folgen. Sollte es in den nächsten Monaten gelingen, die Ergebnisse zu verifizieren, könnte man tatsächlich von einem „Durch- bruch“ in der Stammzellforschung spre- chen. Dr. med. Eva A. Richter-Kuhlmann