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Archiv "Neue Einheiten in der Laboratoriumsdiagnostik Eine Aufklärung über „Sl“" (08.12.1977)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÜBERSICHTSAUFSATZ

Eine knappe Nachricht in dieser Zeitschrift (1) mit der Überschrift

„Über neue Einheitsmeßwerte auf- klären" — dies soll hier geschehen — wurde allem Anschein nach bei wei- tem nicht in dem Umfang beachtet, wie sie es verdient hätte. In ihr kam zum Ausdruck, daß die allgemeine Panik unter Medizinern angesichts neuer Einheiten, die angeblich spätestens am 1. Januar 1978 „ge- setzlich vorgeschrieben" sein sol- len, wenig begründet ist. Die Bun- desregierung weist auf die Einheiten für Druck sowie für Energie hin, die umgestellt werden sollen; von son- stigen Laboratoriumsdaten ist mit gutem Grund nicht die Rede.

Inwieweit die im amtlichen und ge- schäftlichen Verkehr tatsächlich ob- ligaten Umstellungen (Tabelle 1) zu Problemen führen werden, dürfte davon abhängen, welchen Stand- punkt die entsprechenden Fachge- sellschaften (Internisten, Kardiolo- gen, Diabetologen, Radiologen u. a.) zu dieser Frage einnehmen. Vom

„physikalisch-technischen Stand- punkt", den Peter Draht kürzlich an dieser Stelle (2) vertrat, erscheint die Umstellung etwa beim Blutdruck un- problematisch. Es ist aber natürlich nicht so, daß sich „der Arzt einmal den Normalwert in Kilopascal mer- ken" muß, womit alle Schwierigkei- ten beseitigt wären; bekanntlich gibt es einen systolischen und einen dia- stolischen Wert, unblutige und bluti ge Meßmethoden, zwischen „nor- malem" und hochpathologischem

Druck alle Abstufungen mit unter- schiedlichem Gewicht als Risikofak- tor, den Vergleich mit früheren Wer- ten und mit Literaturangaben usw..

Im übrigen sind die Fachorganisa- tionen, die Drath als Befürworter des SI-Systems aufführt — wie Internatio- nal Federation of Clinical Chemistry (IFCC) oder International Union of Pure and Applied Chemistry (IUPAC)

— überwiegend biochemisch ausge- richtet und in erster Linie an der Einführung der molaren Meßgrößen interessiert.

Es sind auch Konzentrations- und andere Angaben aus der Laborato- riumsdiagnostik, die vom Umfang einer eventuellen Umstellung her am stärksten ins Gewicht fallen. In einer Flut von einschlägigen Publikatio- nen, darunter auch ausführlichen Tabellenwerken (3, 4, 5), wird seit Jahr und Tag der falsche Eindruck erweckt, die Anwendung der „Sl- Einheiten" (auch diese Bezeichnung ist irreführend) sei spätestens ab An- fang nächsten Jahres vorgeschrie- ben.

Manche davon zeichnen sich durch fehlerhafte Anwendung der in ihnen selbst erläuterten Regeln (vor allem hinsichtlich des Gebrauchs der Prä- fixe) aus (Tabelle 2).

Auch an dieser Stelle wurde bereits in den Raum gestellt, „die Frage, ob eine Umstellung sinnvoll ist oder nicht, stellt sich nicht, da der Ge- setzgeber bereits die Entscheidung

In der Diskussion, ob und in- wieweit sich der Anwen- dungsbereich des Einheiten- Gesetzes auf die Medizin er- strecke, ist die Frage zu kurz gekommen, welche Meßgrö- ßen die einzelnen Paragra- phen überhaupt betreffen.

Was das medizinische Labo- ratorium angeht, so wird dem Gesetz im wesentlichen damit Genüge getan, daß man die

„konventionellen" Einheiten korrekt anwendet — dies wur- de bisher vielfach nicht getan.

Allein mit diesen Korrekturen wird schon eine wesentliche Vereinheitlichung bei solchen Angaben erreicht; die mit un- nötigen Umstellungen von Meßgrößen und damit Zahlen- werten verbundenen Proble- me entstehen nicht. Merke:

Nur wenige der „neuen Ein- heiten" sind tatsächlich ge- setzlich vorgeschrieben; nicht vorgeschrieben sind insbe- sondere diejenigen von kli- nisch-chemischen Daten.

zur Einführung der SI-Einheiten ge- troffen hat" (6). Daß dem nicht so ist, versuchte ich bereits mehrfach klar- zustellen (7, 8, 9), kürzlich auch vor Vertretern der Sektion Labordaten- verarbeitung der Deutschen Gesell- schaft für Medizinische Dokumenta- tion und Statistik, die am 3. Juni 1977 im LVA-Zentrallaboratorium Gauting tagte. — Auch Drath bemerkt en passant, daß das Einheitengesetz nicht festlegt, „welche Größe man für einen bestimmten Zweck ver- wenden soll".

Schließlich bestätigte auch eine Ar- beitssitzung am 15. September 1977 in München, zu der sich auf Einla- dung von Maximilian Knedel mehr als 20 Klinische Chemiker aus dem bayerischen Raum getroffen hatten, das hier vorgelegte Konzept als in vollem Umfang gesetzeskonform. In diesem Gremium vereinbarte man, Änderungen von Laboratoriumsein- heiten zunächst zurückzustellen

Neue Einheiten

in der Laboratoriumsdiagnostik

Eine Aufklärung über „Sl"

Wilfried Ehnert

Nur wenige der „neuen Einheiten" sind tatsächlich gesetzlich vorge- schrieben; nicht vorgeschrieben sind insbesondere diejenigen von klinisch-chemischen Daten.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 49 vom 8. Dezember 1977 2905

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin SI-Einheiten

und auf jeden Fall einen Konsensus mit den klinisch tätigen Kollegen herbeizuführen. Eine kleine Arbeits- gruppe soll Lösungsvorschläge kon- zipieren, die bewußt über die gesetz- lichen Anforderungen hinausgehen - mit Argumenten, die sich im we- sentlichen auf eine (fraglos wün- schenswerte) Einheitlichkeit im na- tionalen und internationalen Rah- men orientieren; dabei ist der Weg durch vollendete Tatsachen (nicht durch das Einheitengesetz) vorge- zeichnet.

Richtig ist: Das "Gesetz über Einhei- ten im Meßwesen" vom 2. Juli 1969 mit Ausführungsverordnung vom 26.

Juni 1970 und Änderung vom 6. Juli 1973 schreibt als Basiseinheiten vor ..,.. für Länge Meter (m)

..,.. für Masse Kilogramm (kg) ..,.. für Zeit Sekunde (s)

..,.. für elektrische Stromstärke Am- pere (A)

..,.. für thermodynamische Tempera- tur Kelvin (K)

..,.. für Stoffmenge Mol (mol) ..,.. für Lichtstärke Candela (cd) ..,.. für Teilchenmasse atomare Mas-

seneinheit (u)

..,.. für Energie (atomphysikalisch) Elektronvolt (eV).

Zulässige abgeleitete beziehungs- weise besondere Einheiten sind un- ter anderem für Temperatur Grad Celsius (0C), für Energie ("Brenn- wert") Joule (J), für Zeit Minute (min), Stunde (h) und Tag {d), für Volumen Kubikmeter (m3), aber auch Liter (1), für volumenbezogene Masse Kilogramm durch Kubikmeter (kg/m3) oder auch Gramm durch Li-

Tabelle 1: Die wichtigsten Einheiten aus dem Bereich der Medizin, die vom Gesetz über Einheiten im Meßwesen betroffen sind

Meßgröße Gebräuchliche Gesetzliche

Einheit Einheit

elektrochemisches val (eq); N mol Äquivalent;

"Normalität"

Blutdruck, Gas- mmHg; cmH20 kPa (Kilopascal);

Partialdruck usw. mbar (Millibar)

physiologischer kcal kJ (Kilojoule) Brennwert

Zeit sec s (Sekunde)*)

Radioaktivität Ci s-1 (reziproke Sekunde)

Ionendosis R C/kg (Coulomb/kg)

Energiedosis rd J/kg (Joule/kg)

Äquivalentdosis rem J/kg

relatives Atom- meist u (atomare

und Molekulargewicht unbenannt Massenei nheit)**)

•) Bei Sekunde wurde nicht die Einheit geändert, aber das Einheitenzeichen auf s festgelegt (Verwechslungsmöglichkeit mit Standardabweichung, mit Zahl 5 bei hand- schriftlichen Notierungen)

••) Die atomare Masseneinheit u ist keine SI-Einheit

2906 Heft

49

vom 8. Dezember

1977 DEUTSCHES ARZTEBLATT

ter (g/1), für Molarität Mol durch Ku- bikmeter (mol/m3) oder auch Mol durch Liter (mol/1). Alle zulässigen Einheiten können durch bestimmte Vorsatzzeichen (Präfixe) mit Zehner- potenz-Faktoren versehen werden.

Unzulässig sind Einheiten, die ge- bräuchlich, aber noch nie korrekt waren, wie mg%, und viele andere.

Über die - ungeachtet eventueller Praktikabilitäts-Probleme dem Buchstaben des Gesetzes nach in verschiedenen Bereichen (im "ge- schäftlichen" und "amtlichen Ver- kehr") tatsächlich vorgeschriebenen Umstellungen hinaus existieren Vor- schläge einiger nationaler und inter- nationaler Gremien, in Chemie und Laboratoriumsdiagnostik Konzen- trationen statt als Massenkonzentra- tionen (wie mg/dl) als Stoffmengen- konzentrationen (wie mmol/1) anzu- geben. Darum handelt es sich in der Regel, wenn von den "neuen Einhei- ten" die Rede ist. Man beruft sich dabei auf das Systeme International d'Unites (SI); dieses stellt eine Kon- vention dar, die unter Federführung des Internationalen Büros für Maß und Gewicht getroffen wurde.

Grundgedanke ist die einheitliche Übernahme des metrischen Sy- stems, das in zahlreichen Ländern noch keineswegs geläufig ist. SI und Einheitengesetz decken sich weitge- hend, nicht zuletzt auch hinsichtlich der Gleichberechtigung von Basis- einheiten wie Kilogramm und Mol.

Die Verfasser solcher Vorschläge können nur akademische Argumen- te für die propagierte Umstellung anführen (stöchiometrisches Den- ken am Krankenbett?), vermeiden aber den Eindruck nicht, es handle sich um Vorschriften. Teilweise ge- hen sie so weit, ausdrücklich zuge- lassene Einheiten unnötigerweise durch die entsprechende Basisein- heit ersetzen zu wollen (etwa Glo- merulusfiltrat oder Herzfrequenz pro Sekunde anzugeben); eine zwingen- de SI-Regel -geschweige denn eine gesetzliche Basis - für ein solches Ansinnen existiert nicht. SI-Puristen hätten uns beinnahe auch bei den Enzymen eine Innovation ähnlicher Tragweite, nämlich mit geänderten Zahlenwerten bei den Aktivitätsan-

(3)

Tabelle 2: Beispiele für bereinigte, gesetzlich zulässige Einheiten, wie sie um L VA-Zentrallaboratorium Gauting verwendet werden

Parameter

..,.. Hämatologie

z. B. mechanisiertes Blutbild:

Leukozyten (-konzentrati on) Erythrozyten (-konz.) Hämoglobin (-konz.) Hämatokrit

MCV HbE MCHC

..,.. Elektrolythaushalt z. B.:

Natrium Chlorid Kalium Calcium

..,.. "Substrate" z. B.:

Gesamteiweiß Blutzucker Cholesterin Bilirubin Kreatin in Eisen

..,.. Enzyme z. B.:

GOT, GPT usw.

Cholinesterase ..,.. Gerinnung z. B.: PTT, Thrombinzeit

Einheit (ggf. mit Faktor)

x103/j..tl x1 06/j..tl g/dl (unbenannt) fl

pg g/dl

mmol/1 mmol/1 mmol/1 mg/dl

g/dl mg/dl mg/dl mg/dl mg/dl j..tg/dl

U/1 kU/1

sec

Anmerkung

( 1) (1) (2)

(3)

(4)

(1) Die teilweise empfohlenen angeblichen SI-Einheiten T/1 (für Erythrozytenkonzentra- tion) und G/1 (für Leukozyten- und Thrombozytenkonzentration) sind nach DIN- und anderen Bestimmungen unzulässig, da Präfixe (hier Tera- und Giga-) keine selbständigen Einheiten darstellen.

(2) Die Angabe des Hämatokrits als Bruchteil der (unbenannten) Einheit 1 anstelle von Prozent wird empfohlen und ist sinnvoll, aber nicht gesetzlich vorgeschrieben.

(3) Da das (Gesamt-) Calcium im Serum nur teilweise in ionisierter Form vorliegt, ist die Angabe als Massen-(mg/dl) statt Stoffmengenkonzentration (mmol/1) sinnvoll. Die molare Angabe isl auch nicht unmißverständlich: Nach der Mol-Definition kann es sich bei den 11ngegebenen Teilchen um die zweiwertigen Ionen ca++ oder auch um die einwertigen Aquivalente [V2 Ca)+ handeln (Unterschied Faktor 2).

(4) Wo nicht die vollen typographischen Möglichkeiten z. B. bezüglich Groß-Klein-Schrei- bung (EDV-Druck), Kursivierung usw. bestehen, muß der Gefahr von Verwechselungen begegnet werden; daher dürfte die Schreibweise sec statt s in der Befundmitteilung zulässig sein.

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

gaben, beschert. Mehr gottlob als leider- sind sich aber verschiedene nationale (10) und internationale Gremien (11) weder selbst einig noch überzeugt, daß die verschiede- nen Umstellungen überall wider- standslos akzeptiert würden. ln solchen Kreisen wurden auch sehr einsichtige Grundsätze verein- bart (12), wonach Einheiten in der Laboratoriumsmedizin nur umge- stellt werden sollten, wenn dadurch die Diagnostik verbessert, die Unter- suchungstechnik rationalisiert oder die medizinisch-wissenschaftliche Verständigung gefördert würden. Da diese Kriterien größtenteils nicht auf die Umstellung auf die soge- nannten SI-Einheiten zutreffen - namhafte Autoren halten das her- aufziehende "SI-Chaos" (13) sogar für gefährlich-, sollte man nicht län- ger an dem Irrtum festhalten, diese Einheiten seien demnächst gesetz- lich vorgeschrieben .

Freilich ist es an der Zeit, allen Kriti- kern der "konventionellen" Einhei- ten den Wind aus den Segeln zu nehmen und die zulässigen Einhei- ten (zum Beispiel für Massenkon- zentrationen) korrekt anzuwenden, wie dies mit einem System bereinig- ter, gesetzlich zulässiger Einheiten (Tabelle 2) am LVA-Zentrallaborato- rium Gauting geschieht. Dann kann man die Frage "Was tun Sie mit Ihrer (auf konventionelle Einheiten pro- grammierten) Labordatenverarbei- tung am

1.

Januar

1978? "

guten Ge- wissens mit einem klaren "Nichts!"

beantworten.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers: Dr. med. Wilfried Ehnert Zentrallaboratorium

der Landesversicherungsanstalt Oberbayern

Unterbrunner Straße 85 8035 Gauting

Korrespondenzadresse:

Walter-Brecht-Straße 2 8000 München 60

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