A1942 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 3819. September 2008
A K T U E L L
Neun kommunale Großkrankenhäu- ser in Augsburg, Bayreuth, Berlin, Bielefeld, Braunschweig, Dortmund, München, Nürnberg und Stuttgart haben eine Protestkampagne gegen die Gesundheitspolitik von Bund und Ländern gestartet. Die teilneh- menden Häuser fordern die Politik mit Großflächenplakaten und mit Anzeigen in Tages- und Wochenzei- tungen auf, ihre Leistungen besser zu vergüten.
„Wir wollen mit dieser Kampa- gne auf die spezifischen Probleme der kommunalen Krankenhäuser aufmerksam machen, die einen be- sonderen Versorgungsauftrag haben und daher jeden Patienten aufneh- men“, betonte Joachim Bovelet, Vorsitzender der Geschäftsführung der Vivantes-Klinika Berlin, bei der Vorstellung der Aktion.
Alfred Estelmann, Vorstand des Klinikums Nürnberg, machte 450 sogenannte Extremkostenfälle im Jahr 2007 für einen Fehlbetrag beim Klinikum Nürnberg in Höhe von 7,4 Millionen Euro verantwortlich. Das Problem sei, dass die hierfür er- brachten Leistungen nur unzurei-
chend von den Fallpauschalen abge- bildet würden, sagte Estelmann.
„Nachts da zu sein, ist unwirt- schaftlich, für uns aber selbstver- ständlich“, zitierte Manfred Grei- ner, Geschäftsführer des Städti- schen Klinikums München, eine der Plakatüberschriften. Er verwies auf die ungenügende Vergütung für die umfassende Notfallversorgung der
Krankenhäuser rund um die Uhr.
Nacht für Nacht stünden in den vier großen städtischen Kliniken in Mün- chen insgesamt rund 3 300 Betten speziell für die Behandlung von Notfallpatienten bereit. Zuschläge, die die tatsächlich anfallenden Kos- ten in der nächtlichen Notfallversor- gung berücksichtigten, gebe es aber nicht, so Greiner. SR
Deutschland rüstet sich für die nächste Influenzasaison.
17 Millionen neue Impf- stoffdosen hat das Paul-Ehr- lich-Institut bereits freigege- ben. Die Stammzusammen- setzung der Influenzaimpf- stoffe für die Saison 2008/
2009 entspricht den Empfeh- lungen der Weltgesundheits- organisation und der europä- ischen Kommission. Sie schüt- zen vor den Influenzasubty- pen A/H1N1 und A/H3N2 so- wie einem Influenza-B-Subty- pen. „Impfungen gegen die Virusgrippe sind ab sofort möglich“, sagte Dr. med. Silke Buda vom Robert-Koch-Institut (RKI). Der Impfschutz trete etwa zehn Tage nach
der Impfung auf und bleibe über die gesamte Saison bestehen. Sinnvoll seien jedoch auch noch Impfungen im Januar, sofern noch keine Influen- za-Infektion stattgefunden habe.
Die Ständige Impfkommission am RKI empfiehlt dem medizini- schen Personal, Menschen ab dem 60. Lebenjahr sowie chronisch Kran- ken, sich impfen zu lassen. Ziel ist eine Impfrate von 75 Prozent bei der älteren Bevölkerung bis 2010, da diese Gruppe häufig von den schwe- ren Folgen einer Grippe betroffen ist. Die bisherigen Raten liegen bei etwa 50 Prozent.
In der Saison 2007/08 war die Influenza-Aktivität ab Ende Januar 2008 auf Bevölkerungsebene mess- bar. Die verglichen mit anderen Jah-
Zahl der Woche
Prozent der Bevölkerung erhielten im Jahr 2006 10
Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme.
ren eher milde Grippewelle trat zu- erst im Süden Deutschlands auf und wanderte dann in den Osten und Nor- den. Insgesamt schätzte das RKI 1,2 Millionen zusätzliche Arztbesu- che, 550 000 Fälle von Arbeitsun- fähigkeit und 4 500 zusätzliche Kran- kenhauseinweisungen. Das Nationa- le Referenzzentrum für Influenza wies zu Beginn der Saison besonders Viren vom Subtyp A/H1N1 nach.
Später stieg der Anteil der Influenza- B-Viren an. Erstmals zirkulierten vermehrt Influenza-A/H1N1-Viren, die resistent gegen den Neurami- nidasehemmer Oseltamivir waren.
In Deutschland betrug der Anteil 13 Prozent. Dennoch könnten Neurami- nidasehemmer in dieser Saison ein- gesetzt werden, erklärte das RKI. ER INFLUENZASAISON
Neue Impfstoffe bereits verfügbar
KOMMUNALE KRANKENHÄUSER
Protest gegen
Unterfinanzierung
„Zuwendungist unwirt- schaftlich – für uns aber selbstverständ- lich“ lautet ein Motto der Protestaktion.
Foto:dpa Foto:dpa
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Es ist nicht gerade ein Schnäpp- chen, aber für viele ist das Angebot des „Asklepios-Campus Hamburg“
die einzige Chance, in Deutschland zu studieren. Ein Einser-Abi braucht man dort nämlich nicht, um Arzt zu werden. Allerdings hat die Ausbil- dung ihren Preis: 14 400 Euro Stu- diengebühren zahlen die Nach-
wuchsmediziner jedes Jahr. Dafür bekommen sie nicht etwa einen deutschen, sondern einen ungari- schen Abschluss. Das EU-Recht macht’s möglich: Die Hochschule ist eine Zweigstelle der Semmelweis- Universität Budapest – in Kooperati- on mit der Klinikkette Asklepios.
Dass „NC-Flüchtlinge“ in Ungarn zu Ärzten ausgebildet werden, ist nicht neu. Deutschsprachige Studi- engänge gibt es dort schon lange.
Doch nun können die Studierenden nach dem Physikum nach Hamburg wechseln. Die ersten zwei Studien- jahre in Budapest sind mit je 11 200 Euro etwas günstiger als der klinische Abschnitt in der Han- sestadt. Das sechsjährige Studium ist also ab 80 000 Euro zu haben.
Dafür ist man unter sich: Die As- klepios Medical School ist auf 160 Studierende ausgelegt, 40 nehmen im ersten Jahr ihr Studium auf.
Asklepios hat mehr als zwei Mil- lionen Euro in die Ausstattung der neuen Hochschule investiert. Der Konzern will den Nachwuchs an sich binden und nimmt das Problem des Ärztemangels nun selbst in die Hand. Studienbewerber gibt es ge- nug. Die Grundprobleme aber blei- ben ungelöst: Der Arztberuf wird im- mer unattraktiver, viele Absolventen wandern in andere Berufsfelder oder ins Ausland ab. Zudem spielt die Abiturnote bei der Studienplatz- vergabe eine zu große Rolle. Andere Kriterien müssen her – aber bitte nicht der Kontostand der Eltern.
RANDNOTIZ
Birgit Hibbeler
Studium ab 80 000 Euro
Rund 500 Ärzte und Psychothera- peuten haben am 6. September den 4. Innovationskongress der Kassen- ärztlichen Vereinigung (KV) Nord- rhein in Düsseldorf besucht. Die Veranstaltung stand unter dem Mot- to: „Die Arztpraxis der Zukunft: Was erwarten die anderen – welche Pra- xis überlebt?“
Zwar können die Ärzte nach wie vor auf einen großen Vertrauensvor- schuss ihrer Patienten bauen. Das Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt bezeichneten nach einer Umfrage der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung 92 Prozent der Patienten als sehr gut oder gut, betonte Dr.
med. Leonhard Hansen. 93 Prozent schätzten die Fachkompetenz des Arztes als gut bis sehr gut ein, so der Vorstandsvorsitzende der KV Nord- rhein. Aber: „Die Arztpraxis exis- tiert nicht in einem luftleeren Raum. Sie ist vielfältigen Einflüs- sen ausgesetzt, die einen steten Wandel und Anpassung erfordern“, sagte Hansen mit Blick auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Das Vertragsarztrechtsänderungs- gesetz und das Gesetz zur Moderni-
sierung der gesetzlichen Kranken- versicherung mit der Möglichkeit, Medizinische Versorgungszentren einzurichten, böten vielfältige Op- tionen in der ambulanten Versor- gung. „Bisher mehr oder weniger abgegrenzte Bereiche wie Praxis und Klinik werden stärker Überlap- pungen erfahren. Sie können in Konkurrenz zueinander auftreten oder auch für beide Seiten Vorteile und Synergieeffekte bringen“, er- klärte Hansen. Die Folgen könne man zurzeit noch nicht abschätzen.
„Es bleibt nicht alles, wie es war, und wir regeln nicht wie bisher al- les im Kollektivvertrag“, meinte der Staatssekretär im Bundesgesund- heitsministerium, Dr. Klaus Theo Schröder. „Es wird aber auch nicht so sein, dass jeder macht, was er will.“
In diesem Zusammenhang betonte er die Rolle der KVen, deren zentrale Funktion es sei, für Versorgungssi- cherheit zu sorgen. Dennoch zeigte sich Schröder überzeugt davon, dass das Gesundheitssystem mehr Viel- falt benötige. Er rechnet mit Einzel- verträgen, „die noch über das hinaus- gehen, was wir jetzt haben“. HK
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat eine Klage der EU-Kommission abgewiesen, die sich gegen die deutschen Rahmenbedingungen der Arzneimittelversorgung von Kran- kenhäusern ohne eigene Apotheke richtete. In Deutschland dürfen die- se nur von nahe liegenden Apothe- ken beliefert werden. Auf Drängen
einer Klinik-Betreibergesellschaft wurde ein Vertragsverletzungsver- fahren angestrengt, dass eine euro- paweite Belieferung mit Medika- menten ermöglichen sollte. Der EuGH urteilte jetzt, dass die deut- sche Regelung zwar den freien Wa- renverkehr einschränke, aus Grün- den des Gesundheitsschutzes aber gerechtfertigt sei.
Der Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheken (ADKA) und die Bundesvereinigung Deut- scher Apothekenverbände haben das Urteil begrüßt. „Die orts- und zeitnahe Versorgung von Klinikpa- tienten mit Arzneimitteln hat dabei klaren Vorrang vor anders gearteten wirtschaftlichen Interessen einzel- ner Gruppierungen“, sagte Holger Hennin, Präsident der ADKA. Mei KV NORDRHEIN
500 Teilnehmer beim Innovationskongress
ARZNEIMITTEL IM KRANKENHAUS
Lieferung durch nahe Apotheke gebilligt
Kranken- häuser ohne eigene Apo- theke dürfen in Deutschland nur von nahe liegenden Apo- theken beliefert werden.
Foto:dpa