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An Georg Büchners TotenbettJohann Lucas Schönlein betreute den sterbenden Arzt und Dichter

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Bayerisches Ärzteblatt 12/2013

667 Varia

Johann Lucas Schönlein wurde am 30. Novem- ber 1793 in Bamberg geboren. Nach dem Stu- dium in Landshut und Würzburg wurde er 1824 zum Leiter des Juliusspitals Würzburg ernannt.

Obwohl Schönlein politisch wenig in Erschei- nung trat, verhehlte er seine liberale Haltung nicht. Er gehörte dem Kreis freisinniger Würz- burger Professoren an, wie auch der damalige Bürgermeister Wilhelm Behr. Sie trafen sich fast täglich in der „Geist’schen Bierstube“. An diesen Sitzungen nimmt gelegentlich einer der eifrigsten Schüler Schönleins, der Arzt und Publizist Johann Eisenmann, teil. Dieser ist Herausgeber des sich für Pressefreiheit einset- zenden Bayerischen Volksblattes. Als Folge des Hambacher Festes wird es 1832 beschlagnahmt und Eisenmann verhaftet. Zeitgleich mit dem Hambacher Fest hält Hofrat Behr am 27. Mai 1832 eine mutige Rede am Gaibacher Fest und wird daraufhin als Würzburger Bürgermeister entlassen. Nun gerät auch Schönlein wegen der „konspirativen Treffen“ in der „Geist’schen Bierstube“ ins Visier der Ermittler. Gefördert durch persönliche Intrigen einiger Kollegen wird er im November 1832 seiner Professur enthoben. Er sollte als Kreismedizinalrat nach Passau versetzt werden. Dem kommt Schönlein mit der Bitte um vorzeitige Entlassung aus dem Bayerischen Staatsdienst zuvor.

In der Zwischenzeit verhandelt Schönlein über eine angebotene Professur an der neu gegrün- deten Universität Zürich. Auf seiner Rückreise aus Zürich stattet Schönlein Baron Rothschildt eine ärztliche Konsultation in Frankfurt ab und hält sich am 3. April 1833, am Tag des „Frank- furter Wachensturms“, noch in Frankfurt auf.

Der „Frankfurter Wachensturm“ war der ge- scheiterte Versuch, durch einen Überfall auf die Hauptwache eine Revolution in Deutsch- land auszulösen. Pfarrer Friedrich Weidig, der zusammen mit Georg Büchner den Hessischen Landboten verfasste, war im Vorfeld an die- ser Aktion beteiligt. Als politisch Verdächtiger wird Schönlein zur Fahndung ausgeschrieben und laut Rudolf Virchow entzieht er sich durch

Flucht auf einem Kahn mainabwärts nach Zell der Verhaftung. Er fährt heimlich weiter nach Zürich.

Drei Jahre nach Schönlein kommt Büchner nach Zürich. Büchner wird wegen des Hes- sischen Landboten steckbrieflich gesucht.

Seiner Verlobten, die in großer Sorge war, schreibt er am 27. Januar 1837: „Mein lieb Kind, Du bist in zärtlicher Besorgnis und willst krank werden vor Angst; ich glaube gar, Du stirbst – aber ich habe keine Lust zum Sterben und bin gesund wie je.“ Und doch, Büchner hatte sich bereits infiziert. In Zürich wohnte Büchner Tür an Tür mit Caroline und Wilhelm Schulz, ein aus Straßburg geflohenes Ehepaar, deren Freundschaft er sehr schätzte. Am 2. Fe- bruar 1837 fühlte sich Büchner nicht wohl und musste wegen Fieber im Bett bleiben. Caroli- ne Schulz schreibt in ihr Tagebuch: „Wir be- schlossen noch einen Arzt kommen zu lassen und zwar Schönlein“. Am 12. Februar kam in Vertretung Schönleins, Dr. Johann Zehnder.

Am Morgen des 14. Februar „kam Schönlein und billigte ganz das bisherige Verfahren des Dr. Zehnder… Büchner sprach sehr vernünftig mit ihm, bekam aber schon während der An- wesenheit der Ärzte starke Hitze, …“. 15. Fe- bruar: „Um 12 Uhr kam Schönlein … Schon als Schönlein eintrat, sagte er: ‚Welch ein Ge- ruch!’ ließ sich den Stuhlgang zeigen, der ganz schwarz war und aus dickem Blut bestand, be- trachtete den Kranken und sagte zu mir: ‚Al- les passt zusammen; es ist das Faulfieber und die Gefahr ist sehr groß.’“ Dieses Faulfieber, den Thyphus abdominalis, hat Schönlein als besonders gefährliche Verlaufsform beschrie- ben. Kennzeichnend sind Ausscheidungen von

„stinkendem dissolutem Blute aus dem After, der Nase, Bluterguss unter der Haut. Der Harn ist eigenthümlich alieniert, er ist mehr braun, geht schnell in Fäulnis über und entwickelt Ammoniak“. 17. Februar: „Schönlein wunderte sich, ihn am Morgen noch lebend zu finden;

er kam täglich zweimal und nahm den größten Antheil.“

Inzwischen war Büchners Verlobte aus Straß- burg eingetroffen. Man ließ sie zunächst nicht an das Bett des Todkranken. 19. Februar: „End- lich geht Schönlein mit ihr an sein Bette, nach langem Anstarren, da meldet sich sein großer verwirrter Blick und die krampfhaft verzoge- ne Miene gestaltet sich zu einem leisen Lä- cheln – er erkennt sie – einen Augenblick und sinkt wieder in das grässliche Delirium zurück…

Schönlein hat ihn aufgegeben“.

Am 19. Februar nachmittags stirbt Georg Büchner. Er fiel einer in Zürich grassierenden Typhusepidemie zum Opfer, die Anfang 1837 wieder am Abklingen war.

An Georg Büchners Totenbett

Johann Lucas Schönlein betreute den sterbenden Arzt und Dichter

Georg Büchners letzter Arzt: Johann Lucas Schönlein (1793 bis 1864).

Johann Lucas Schönlein betreute den todkranken Georg Büchner in seinen letzten Ta- gen. Beide wurden auf unterschiedliche Weise durch die politischen Wirren des deut- schen Vormärz nach Zürich vertrieben. Als es mit Büchner zu Ende geht, treffen sie sich

in Büchners Wohnung in der Spiegelgasse 12.

© Wikipedia

Autor

Professor Dr. Johannes Dietl, Direktor der Frauenklinik und Poliklinik, Universitätsklini- kum Würzburg, Josef-Schneider-Straße 4, 97080 Würzburg

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